FG München, Urteil vom 23.03.2015 - 4 K 1636/14
Fundstelle
openJur 2015, 9496
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in X, wurde mit einem Stammkapital von 50.000 DM durch Gesellschaftsvertrag vom 2. Dezember 1992 von Rechtsanwalt A aus X, ihrem Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren (Geschäftsanteil: 49.000 DM), und von Steuerberater B aus X (Geschäftsanteil: 1.000 DM) gegründet. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin war zunächst nur Steuerberater B. Die Klägerin erhielt von der Beklagten die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft und wurde als solche am 17. März 1993 im Handelsregister des Amtsgerichts X eingetragen. Der Mehrheitsgesellschafter Rechtsanwalt A wurde am 2. November 2010 zusätzlich als weiterer einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister eingetragen. Der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte lässt sich entnehmen, dass Steuerberater B laut seinem Schreiben an den Beklagten vom 6. Dezember 2013 seit geraumer Zeit die Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer der Klägerin betrieben und dies erst nach Einschaltung eines anwaltlichen Vertreters und Abgabe einer entsprechenden, beurkundeten Erklärung vor dem Notar … am 15. November 2013 erreicht hatte. Ausweislich des Aktenvermerks der Beklagten vom 2. Dezember 2013 war diese von dritter Seite auf den ihr bis dahin nicht bekannt gegebenen Umstand der Eintragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als deren Geschäftsführer aufmerksam gemacht worden. Bei dem Versuch, die Rechtslage sowie den Grund der unterlassenen Meldung der Änderung der Geschäftsführung der Klägerin zu klären, stellte sie zudem fest, dass deren Telefonnummer mit den Kontaktdaten einer Immobilienverwaltungsgesellschaft verknüpft war, worauf sie nunmehr auch wegen des Verdachts einer Berufspflichtverletzung gegen die Klägerin ermittelte. Nachdem die diesbezüglich an die Klägerin gerichteten Schreiben der Beklagten vom 17. Oktober 2013 und vom 30. Oktober 2013 wegen Unzustellbarkeit mit jeweils durchgestrichener Adresse zurückgesendet wurden, beschloss der Berufsrechts- und Berufsaufsichtsausschuss der Beklagten am 13. Dezember 2013 u.a. gegen die Klägerin ein Verfahren wegen Widerrufs der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft einzuleiten. Am 16. Januar 2014 folgte die Eintragung des Ausscheidens des Steuerberaters B als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister. Mit Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 2014, das der Klägerin am Folgetag mittels Postzustellungsurkunde zuging, erhielt die Klägerin im Verfahren über den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft Gelegenheit zur förmlichen Anhörung, insbesondere zur Frage der fehlenden organschaftlichen Vertretung durch einen Berufsträger. Die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, wendete hiergegen ein, dass ihr zur Gewinnung und Bestellung eines Berufsträgers als Geschäftsführers eine Übergangsfrist von 5 Jahren eingeräumt werden müsste, wie dies die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vorsehe. Zumindest müsse ihr ein Zeitraum von 6 Monaten gewährt werden. Im Übrigen wäre der Ausgang eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht … abzuwarten. In Beantwortung der Stellungnahme verwies die Beklagte darauf, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits nur die Frage der Zwangsmitgliedschaft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Beklagten, nicht jedoch die Frage der Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft sei. Im Übrigen gewährte die Beklagte der Klägerin für die Wiederherstellung der Anerkennungsvoraussetzungen Fristverlängerung bis zum 14. April 2014. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit, dass er krankheitsbedingt längere Zeit ausgefallen wäre, sodass er sich nicht um die Regulierung der Angelegenheit hätte kümmern können. Mit Bescheid vom 20. Mai 2014, der der Klägerin am 23. Mai 2014 mittels Postzustellungsurkunde zuging, widerrief die Beklagte gegenüber der Klägerin deren Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft.

Hiergegen richtet sich die vorliegende, dem Gericht am 20. Juni 2014 zugegangene Klage mit folgender Begründung:

Der Widerrufsbescheid sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig. Schon die Anhörung sei nicht wirksam erfolgt, weil sie nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden sei. Sowohl die Befugnis der Sachbearbeiterin der Beklagten, Frau Y, für dieses Verfahren als auch die Befugnis des Präsidenten der Beklagten, den Widerrufsbescheid zu veranlassen, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Frist zur Bestellung eines neuen Berufsträgers sei angesichts der Vorschrift des § 55 Abs. 2 StBerG zu kurz bemessen. Wenn die Beklagte davon ausgehe, dass die Klägerin über keinen zulässigen Geschäftsführer verfüge, hätte der Widerrufsbescheid nicht an diesen, sondern an deren Gesellschafter zugestellt werden müssen. Schließlich verstießen die Vorschriften des § 32 Abs. 3 Satz 2, § 50 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 StBerG gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Es stelle eine Diskriminierung der Rechtsanwaltschaft dar, wenn ein Rechtsanwalt nicht zur Führung einer Steuerberatungsgesellschaft zugelassen würde. Nicht zuletzt verletze der Widerrufsbescheid auch Art. 14 der Konvention des Europarats zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK). Im Übrigen sei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 14. Januar 2014 betreffend zwei Verfahren (Az.: 1 BvR 2998/11 und 1 BvR 236/12) zu verweisen, die sich mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von gesetzlichen Mehrheitserfordernissen betreffend die Beteiligungsverhältnisse und die Leitungsmacht von Rechtsanwalts- bzw. Patentanwaltsgesellschaften befasst.

Die Klägerin beantragt,den Bescheid vom 20. Mai 2014 über den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Ansicht sei der Widerrufsbescheid rechtmäßig. Es sei verfassungsgerichtlich und mehrfach bundesgerichtlich geklärt, dass das Erfordernis der Geschäftsführung einer Steuerberatungsgesellschaft durch einen Berufsträger zulässig ist. Die Zweifel der Klägerin an der Befugnis der Sachbearbeiterin sowie des Präsidenten der Beklagten, im streitgegenständlichen Widerrufsverfahren zu entscheiden, seien im Ergebnis abwegig.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung bestreitet der gesetzliche Vertreter der Klägerin erneut die wirksame Prozessvollmacht der Prozessvertreterin der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. März 2015 Bezug genommen.

Gründe

1.) Die Klage ist fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Ein außergerichtliches Vorverfahren im Sinn des § 44 Abs. 1 FGO ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 164a Abs. 1 Satz 1 StBerG, § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung -AO-). Die Rüge der fehlenden Prozessvollmacht der Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung greift nicht. Die Prozessführungsbefugnis der Beklagtenvertreterin ist durch Erteilung einer Generalvollmacht der Beklagten gegenüber dem Gericht (vgl. Bestätigungsschreiben der Steuerberaterkammer vom 1. April 2009) nachgewiesen. Diese Vollmacht gilt auch für die vorliegende Streitsache (§ 62 Abs. 6 Satz 1 FGO).

2.) Die Klage ist jedoch unbegründet.

11a) Steuerberatungsgesellschaften bedürfen gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG der formalen Anerkennung. Diese setzt den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt wird (§ 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Als Steuerberatungsgesellschaft kann – außer den weiteren in § 49 Abs. 1 StBerG genannten Gesellschaften – nach dieser Vorschrift auch eine GmbH wie die Klägerin anerkannt werden. Für die Anerkennung ist die Steuerberaterkammer zuständig, in deren Kammerbezirk die GmbH ihren Sitz hat (§ 49   Abs. 3 Satz 1 StBerG). Voraussetzung für die Anerkennung ist unter anderem gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG, dass die Geschäftsführer der GmbH als deren organschaftliche Vertreter im Sinn des § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) selbst berufsrechtlich nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StBerG bestellte Steuerberater sind. Aus den Vorschriften des § 32 Abs. 3 Satz 2 und § 50 Abs. 1 StBerG ist jedoch nicht abzuleiten, dass eine Gesellschaft nur dann als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt werden dürfte, wenn mehrere Steuerberater Geschäftsführer sind (Bundesfinanzhof –BFH–Urteil vom 9. Dezember 1980 VII R 20/77, BFHE 132, 372, BStBl II 1981, 343). Neben Steuerberatern können auch Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerbevollmächtigte Geschäftsführer einer in Form einer GmbH betriebenen Steuerberatungsgesellschaft sein (§ 50 Abs. 2 StBerG), wobei vom Gesetz (vgl. § 50 Abs. 4 StBerG) bislang noch verlangt wird, dass deren Zahl nicht die Zahl der als Geschäftsführer bestellten Steuerberater übersteigt. Eine Gesellschaft, in der nur ein Rechtsanwalt einziger Geschäftsführer ist, erfüllt die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft nicht (BFH Beschluss vom 21. November 2002 VII B 230/02, BFH/NV 2003, 209; Urteil vom 27. Juli 1993 VII R 21/93, BFHE 172, 266, BStBl II 1994, 262). Ebenso wenig genügt es, wenn ein Steuerberater lediglich „pro forma“ zum Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft bestellt wird (Finanzgericht -FG- Düsseldorf Urteil vom 13. Februar 2008, 2 K 1314/07 StB, juris). Entfällt eine der genannten Voraussetzungen für die Anerkennung nachträglich, so hat die zuständige Steuerberaterkammer nach vorheriger Anhörung (§ 55 Abs. 3 StBerG) der betreffenden Steuerberatungsgesellschaft deren Anerkennung gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG zu widerrufen. Es handelt sich dabei nicht um eine Ermessensentscheidung im Sinn des § 5 AO in Verbindung mit § 164a Abs. 1 Satz 1 StBerG sondern um eine so genannte gebundene Verwaltungsmaßnahme. Zuständige Steuerberaterkammer im Streitfall ist die Beklagte.

b) Bei Anwendung dieser Vorschriften auf den Streitfall besteht kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit des durch die Beklagte verfügten Widerrufs der Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft.

13aa) Soweit die Klägerin die Bekanntgabe des Widerrufsbescheides deshalb für unwirksam hält, weil sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin als deren Geschäftsführer und nicht als deren Gesellschafter bekannt gegeben worden ist, verkennt sie den Regelungsinhalt des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Bestellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu deren Geschäftsführer angezweifelt. Dies ist auch nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Widerrufsbescheides. Streitig ist allein die Zulässigkeit der Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft, nicht hingegen die Zulässigkeit der Bestellung ihres organschaftlichen Vertreters. Die Bekanntgabe des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin als deren Vertreter ist deswegen nicht zu beanstanden. Auch hat die gemäß § 55 Abs. 3 StBerG vor Erlass des klagegegenständlichen Widerrufsbescheids vorgeschriebene Anhörung der Klägerin zweifelsfrei und wirksam stattgefunden. Der Einwand der Klägerin, das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 20. Januar 2014 sei nicht unterzeichnet gewesen, ist angesichts der in der Behördenakte befindlichen und von der Sachbearbeiterin persönlich unterschriebenen Ausfertigung nicht nachvollziehbar. Das Gleiche gilt für die Zweifel der Klägerin an der Befugnis des Präsidenten der Beklagten, den Widerrufsbescheid zu veranlassen.

14bb) Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid begegnet auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken. Spätestens seitdem der Steuerberater B sein Amt als zusätzlicher Geschäftsführer der Klägerin wirksam niedergelegt hat und diese Tatsache im Handelsregister am 16. Januar 2014 eingetragen worden ist, sind die sachlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft im Sinn des § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG entfallen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verfügt als deren einzig verbliebener Geschäftsführer zwar über die berufsrechtliche Qualifikation als Rechtsanwalt (§§ 4, 12 Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung), unstreitig jedoch nicht über die als Steuerberater. Die Bestellung als Steuerberater setzt gemäß § 40 Abs. 1 Satz StBerG entweder das Bestehen der Steuerberaterprüfung (§§ 35 ff StBerG) oder einen der in § 38 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StBerG genannten Befreiungstatbestände voraus. Keine der letztgenannten Voraussetzungen erfüllt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als deren Geschäftsführer. Zweifelsohne ist er aufgrund seiner berufsrechtlichen Qualifikation als Rechtsanwalt ohne weiteres gemäß § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, solange er die steuerliche Hilfeleistung als freiberufliche Tätigkeit ausübt. Demgegenüber bestehen jedoch für die Berufsausübung im Rahmen einer Steuerberatungsgesellschaft die oben dargestellten formalen Voraussetzungen, ebenso wie für die Befugnis zur Führung der Berufsbezeichnung als Steuerberater (§ 43 StBerG). Der Gesetzgeber hat die Berufsausübung ausdrücklich an einen formalisierten und zwingenden Nachweis der fachlichen Qualifikation geknüpft, den die Klägerin jedoch nicht erfüllt. Die Frage, ob der Prozessbevollmächtigte als Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt oder seiner mehrjährigen Geschäftsführungserfahrung bei der Klägerin über das tatsächlich zur Steuerberatung erforderliche Fachwissen verfügt, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang. Bei nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen für die Anerkennung der Gesellschaft im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG ist die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft zwingend zu widerrufen, es sei denn, dass die Gesellschaft innerhalb einer angemessenen, von der Steuerberaterkammer zu bestimmenden Frist den dem Gesetz entsprechenden Zustand (wieder) herbeiführt (vgl. BFH Beschluss vom 13. September 2006 VII B 328/05, BFH/NV 2007, 276). Welche Fristdauer in diesem Sinne als angemessen anzusehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. Gehre/Koslowski Steuerberatungsgesetz 6. Auflage 2009, § 55 Rdn. 6). Die der Klägerin im Streitfall seit der Anhörung im Januar 2014 bis zur Bekanntgabe des Widerrufsbescheides gewährte Frist von vier Monaten ist vor allem vor dem Hintergrund als angemessen zu betrachten, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin als deren Geschäftsführer bereits seit längerem bekannt gewesen ist, dass der weitere Geschäftsführer, der als einziger über die formale Berufsqualifikation als Steuerberater verfügt hat, bereits seit etlichen Monaten seine Amtsniederlegung betrieben hatte. Diesem ist der bevorstehende Wegfall der Voraussetzung für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft bereits Monate vor Einleitung des berufsaufsichtlichen Verfahrens der Beklagten bekannt gewesen. Soweit die Klägerin auf die fünfjährige Frist des § 55 Abs. 2 Satz 2 StBerG verweist, verkennt sie, dass diese nur auf die dort geregelte und hier nicht vorliegende Ausnahme des Erbfalles Anwendung findet (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O.).

15cc) Die auf den Streitfall anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft, insbesondere die Vorschriften der § 32 Abs. 3 Satz 2, § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG verstoßen auch nicht gegen das GG, insbesondere nicht gegen das von der Klägerin angeführte Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG. Das Grundrecht als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab (BVerfG Entscheidung vom 1. Februar 1973, 1 BvR 426/72, 1 BvR 434/72, 1 BvR 451/72, 1 BvR 453/72, 1 BvR 505/72, BVerfGE 34, 252). Es gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als "Beruf" zu ergreifen, das heißt, zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen (BVerfG Entscheidung vom 11. Juni 1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377). Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot strikter Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern (BVerfG Entscheidungen vom 14. Dezember 1965, 1 BvL 14/60, BVerfGE 19, 330 und vom 18. Juni 1980, 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301). In diesem Zusammenhang ist verfassungsgerichtlich geklärt, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Beruf des Steuerberaters in Übereinstimmung mit den Grundrechten an die Erfüllung der o.g. Voraussetzungen in der Person des Berufsbewerbers (vgl. §§ 35 bis 38 StBerG) knüpfen durfte (BVerfG Beschluss vom 27. Januar 1982, 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302). Die fachspezifischen Anforderungen an die Befugnis, die Berufsbezeichnung als Steuerberater führen zu dürfen, sollen im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral sowie zum Schutz gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger sicherstellen, dass nur solche Berater geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 1. Oktober 1970, VII ZR 21/69, BGHZ 54, 306). Die mit der Steuerberatung verbundenen Berufsaufgaben dienen der Steuerrechtspflege, und damit einem wichtigen Gemeinschaftsgut (BVerfG Entscheidung vom 15. Februar 1967, 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173). Das Vertrauen potentieller steuerlicher Mandanten in die erforderliche berufliche Sachkunde ist im Fall der Ausübung der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen einer Steuerberatungsgesellschaft keinesfalls weniger schützenswert als bei Ausübung im Rahmen einer freiberuflichen Einzelkanzlei. Ebenso wie der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG besondere formale Anforderungen an den Erwerb der beruflichen Qualifikation als Steuerberater und seiner Befugnis, diese Berufsbezeichnung persönlich führen, stellen durfte, ist er auch berechtigt gewesen, ebensolche Qualifizierungsmerkmale an die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft zu knüpfen. Auch die Verwendung der Bezeichnung als Steuerberatungsgesellschaft dokumentiert nach außen, insbesondere im Interesse potentieller Mandanten einen formalisierten Nachweis der fachlichen Qualifikation der die Gesellschaft maßgeblich bestimmenden gesetzlichen Vertreter. Die Vorschriften der § 32 Abs. 3 Satz 2, § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG stellen somit lediglich die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige gesetzliche Regelung des Umfangs der Berufsausübung dar.

dd) Die bezeichneten Vorschriften des StBerG stellen auch keine Diskriminierung der Rechtsanwälte dar. Vielmehr sind diese Vorschriften mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Wie das BVerfG in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat, verstößt eine gesetzliche Vorschrift nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes wegen Verletzung des Gleichheitssatzes kann nur dann festgestellt werden, wenn für die differenzierende Regelung keine sachlich einleuchtenden Gründe erkennbar sind, sie also "willkürlich" ist. Die Klägerin versteht die berufsrechtliche Unterscheidung zwischen einem Rechtsanwalt und einem Steuerberater in Bezug auf die Zulässigkeit seiner Funktion als Geschäftsführer der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft als Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Der Klägerin ist einzuräumen, dass in der Tat die Berufsbilder des Rechtsanwalts und des Steuerberaters gewisse Ähnlichkeiten und auch Gemeinsamkeiten aufweisen. So gilt etwa für beide Berufe, dass es sich nicht um ein Gewerbe sondern um einen freien Beruf handelt (§ 2 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung -BRAO-, § 32 Abs. 2 Satz 2 StBerG). Beide Berufsgruppen sind zur unabhängigen, eigenverantwortlichen, gewissenhaften und verschwiegenen Ausübung ihrer Tätigkeit verpflichtet, müssen auf berufswidrige Werbung verzichten (§§ 43 ff BRAO, §§ 57 ff StBerG) und bedürfen zur Führung der Berufsbezeichnung der formalen Bestellung durch die jeweilige berufsrechtliche Körperschaft des öffentlichen Rechts, d.h. durch die Rechtsanwaltskammer bzw. die Steuerberaterkammer (§ 12 BRAO, § 32 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 StBerG). Eine im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Gemeinsamkeit beider Berufsgruppen ist außerdem deren eigenständige Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gemäß der Vorschrift des § 3 Nr. 1 StBerG. Für den Steuerberater ist diese Befugnis Grundlage seines typischen beruflichen Tätigkeitsfelds, für den Rechtsanwalt ergibt sich diese als Teil seiner grundsätzlich sämtliche Rechtsgebiete umfassenden Rechtsberatungsbefugnis (§ 3 Abs. 1 BRAO).

17Darüber hinaus bestehen jedoch nach der Konzeption der BRAO und des StBerG wesentliche Unterschiede zwischen beiden Berufen im Hinblick auf deren Ausbildung, deren berufliche Aufgabenstellung und deren Tätigkeitsfeld, die eine rechtliche Differenzierung ohne Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zulassen. Die Zulassung als Rechtsanwalt erfordert nach § 4 BRAO die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz (DRiG) oder die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I 2000, S. 182). Die Befähigung zum Richteramt erwirbt ausschließlich derjenige, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt (§ 5 Abs. 1 DRiG). Als Steuerberater darf nur bestellt werden, wer die Steuerberaterprüfung bestanden hat oder von dieser Prüfung befreit worden ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 StBerG). Die Zulassung zur Steuerberaterprüfung wiederum setzt entweder ein wirtschaftwissenschaftliches, rechtswissenschaftliches bzw. anderweitig wirtschaftswissenschaftliches Studium sowie eine berufspraktische Tätigkeit von mindestens drei Jahren (§ 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StBerG) oder wahlweise eine fachspezifische Berufsausbildung und mehrjährige Berufstätigkeit nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StBerG voraus. Die Befreiung vom Prüfungserfordernis kommt nur in den abschließend in    § 38 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StBerG geregelten Ausnahmetatbeständen (Hochschullehrer, Finanzrichter, bestimmte Finanzbeamte etc.) in Betracht. Der Rechtsanwalt ist unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und kann grundsätzlich in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden auftreten (§ 3 Abs. 2 BRAO). Steuerberater haben die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung (§ 33 StBerG). Zur gerichtlichen Vertretung sind sie nur im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit befugt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).

Der Vergleich der beiden Berufsgruppen zeigt somit deutlich, dass die Anforderungen an die Qualifikation als Steuerberater in einem ganz besonders hohen Maß auf das Gebiet des Steuerrechts konzentriert und spezialisiert sind. Hierdurch wird die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, die Berufsbezeichnung als Steuerberater als fachspezifisches Qualifikationsmerkmal mit einem genau definierten Berufsausbildungsstandard festzulegen. Demgegenüber ist die steuerberatende Tätigkeit eines Rechtsanwalts lediglich eine von mehreren möglichen seiner Berufsfelder. Die im Vergleich der beiden Berufsgruppen hervortretenden Unterschiede rechtfertigen deswegen auch die in den Vorschriften der § 32 Abs. 3 Satz 2, § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG getroffene Differenzierung in einer Weise, die einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ausschließt.

ee) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom gesetzlichen Vertreter der Klägerin in Bezug genommenen verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten verletzen nach Feststellung des BVerfG Regelungen das Grundrecht der Berufsfreiheit (vgl. Art. 12 GG), soweit sie zugunsten einer der beteiligten Berufsgruppen deren Anteils- und Stimmrechtsmehrheit (vgl. § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 52e Abs. 2 Satz 1 der Patentanwaltsordnung -PAO-) sowie deren Leitungsmacht (§ 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) und Geschäftsführermehrheit  (§ 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO) vorschreiben und bei einer Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft ausschließen (BVerfG Beschluss vom 14. Januar 2014, 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, BVerfGE 135, 90, NJW 2014, 613).

Im Streitfall geht es jedoch nicht um das auch im Steuerberatungsgesetz enthaltene gesetzliche Erfordernis der Leitungsmehrheit durch Berufsträger bei einer Mehrzahl von organschaftlichen Vertretern (vgl. § 50 Abs. 4 StBerG). Die betreffende Norm kann durch die besagte verfassungsgerichtliche Entscheidung durchaus berührt sein. Das BVerfG sieht jedoch lediglich das Mehrheitserfordernis der Berufsträger in Bezug auf die Beteiligungsverhältnisse bzw. die Leitungsmacht einer entsprechenden Berufsträgergesellschaft als verfassungswidrig an. Das gesetzliche Erfordernis des § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG, dass die gesetzliche Vertretung einer Steuerberatungsgesellschaft durch zumindest einen (einzigen) Steuerberater als Berufsträger sichergestellt ist, ist durch die verfassungsgerichtliche Entscheidung unangetastet geblieben. Da die Klägerin bis heute allein durch den im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienenen Rechtsanwalt A gesetzlich vertreten wird, sind die Anerkennungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt.

21ff) Die Differenzierung zwischen der beruflichen Qualifikation eines Rechtsanwalts und eines Steuerberaters verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 MRK. Eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des Art. 14 MRK ist nur dann diskriminierend, wenn es keine „sachliche und angemessene Rechtfertigung" dafür gibt, das heißt, wenn sie kein „legitimes Ziel" verfolgt, oder wenn „die eingesetzten Mittel" in keinem „angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen". Die Vertragsstaaten verfügen außerdem über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob und inwieweit Unterschiede zwischen im Übrigen vergleichbaren Situationen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entscheidung vom 22. Mai 2006, Az.: 6213/03, NJW 2007, 3049). Die Geschäftsführung einer Steuerberatungsgesellschaft in der durch die Vorschriften des StBerG erfolgten Weise an die formale Qualifikation eines Berufsträgers zu knüpfen stellt aus den genannten Erwägungen  einen legitimen  Grund für die Differenzierung dar.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.