Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.05.2015 - 1 ZB 13.1334
Fundstelle
openJur 2015, 9476
  • Rkr:

1. Die Vorschriften über die Erlaubnispflicht von Vorhaben in der Nähe von Baudenkmälern (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 DSchG) schützen das überlieferte Erscheinungsbild eines Baudenkmals unabhängig davon‚ ob sich der Betrachter auf öffentlichem Grund oder Privatgrund befindet.2. Maßgeblich ist nicht die Sicht eines für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters‚ sondern diejenige von sachverständigen Betrachtern‚ weil nur sie über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen‚ um in objektivierbarer Weise eine Einschätzung vornehmen zu können (a.A. VGH BW, U.v. 1.9. 2011 – 1 S 1070/11DVBl 2011, 1418).Photovoltaikanlage auf dem Dach des Wirtschaftsteils eines Einfirsthofs‚ dessen Wohnteil ein Baudenkmal ist Denkmalschutzrechtliche Erlaubnis; Beeinträchtigung des überlieferten Erscheinungsbilds; Einsehbarkeit der Dachflächen; gewichtige Gründe des Denkmalschutzes.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die zwar nicht ausdrücklich‚ aber der Sache nach geltend gemachten Verfahrens-fehler liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Soweit die Klägerin eine fehlerhafte und unvollständige Beweisaufnahme (Augenscheinnahme der streitgegenständlichen Photovoltaikanlage an einem nicht auf öffentlichem Grund befindlichen Ort) durch das Verwaltungsgericht rügt‚ muss sie sich bereits entgegenhalten lassen‚ dass sie trotz anwaltlicher Vertretung in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat (vgl. BVerwG‚ U.v. 25.2.1993 – 2 C 14.91 – DVBl 1993‚ 955). Abgesehen davon kommt es auf die Frage‚ ob die Dachflächen sowohl des Wirtschaftsteils als auch des Wohnteils des Einfirsthofs von öffentlichem (Straßen-)Grund aus einsehbar sind‚ nicht entscheidungserheblich an. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 DSchG schützen das „überlieferte Erscheinungsbild“ eines Baudenkmals unabhängig davon‚ ob sich der Betrachter auf öffentlichem Grund oder Privatgrund befindet (vgl. BayVGH‚ U.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – BayVBl 2014‚ 506 Rn. 22; B.v. 16.4.2015 – 2 ZB 14.180 – juris Rn. 4; VG Augsburg, U.v. 11.8.2008 – Au 5 K 07.1014 – juris Rn. 40). Weder der Gesetzeswortlaut noch der Schutzzweck der Norm geben für eine Beschränkung auf den öffentlichen oder zumindest öffentlich zugänglichen Grund etwas her. Vielmehr würde eine solche Beschränkung bedeuten‚ dass das Erscheinungsbild von Baudenkmälern in rückwärtigen Bereichen‚ wie z.B. in Höfen oder auf Hinterliegergrundstücken‚ oftmals von vornherein nicht geschützt wäre. Auch würde der Denkmalschutz in weitem Umfang der Disposition des Grundstückseigentümers unterliegen‚ weil dieser durch Sichtschutzmaßnahmen baulicher und/oder pflanzlicher Art die Reichweite des Denkmalschutzes bestimmen könnte.

b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin‚ dass das Verwaltungsgericht sein Urteil auf die Aussagen und Einschätzungen von Vertretern des Landesamts für Denkmalpflege gestützt hat. Das Landesamt für Denkmalpflege ist die staatliche Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSchG)‚ die u.a. beim Vollzug des Denkmalschutzgesetzes und anderer einschlägiger Vorschriften mitwirkt (Art. 12 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 DSchG) sowie in allen Angelegenheiten des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege fachlich berät und Gutachten erstattet (Art. 12 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 DSchG). Aus diesem gesetzlichen Auftrag folgt‚ dass sowohl das Landratsamt als Untere Denkmalschutzbehörde als auch das Verwaltungsgericht die schlüssigen und nachvollziehbaren Äußerungen des Landesamts übernehmen durften (vgl. BayVGH, U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760BayVBl 2008, 477 Rn. 16). Hält eine Partei – so wie offenbar die Klägerin – Äußerungen des Landesamts für falsch‚ so bleibt ihr unbenommen‚ die Erstellung eines Gutachtens durch einen unabhängigen Sachverständigen zu beantragen. Da die Klägerin keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat‚ kann sie schon aus diesem Grund insoweit nicht mit Erfolg einen Verfahrensfehler geltend machen (vgl. BVerwG‚ U.v. 25.2.1993 a.a.O.).

c) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nicht damit begründet werden‚ dass das Verwaltungsgericht die Äußerungen des Vertreters des Landesamts als tragende Entscheidungsgründe übernommen hat‚ während es den Argumenten der Klägerin im Wesentlichen nicht gefolgt ist. Ein Gehörsverstoß liegt nicht vor‚ wenn das Gericht einem Vorbringen nicht folgt‚ sondern aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt‚ als es der Beteiligte für richtig hält (vgl. BVerwG‚ U.v. 8.2.2010 – 8 B 126.09‚ 8 B 76.09 – juris m.w.N.; BayVGH‚ B.v. 8.4.2010 – 2 ZB 09.30255 – juris). Abgesehen davon trifft auch der materiell-rechtliche Ansatz der Klägerin nicht zu. Jedenfalls nach bayerischem Denkmal-schutzrecht kommt es hier nicht auf die Einschätzung eines „für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters“ an. Abzustellen ist vielmehr auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern‚ weil nur sie über die notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen‚ um in objektivierbarer Weise Gründe für ein über den persönlichen Bereich hinausgehendes Interesse an der Erhaltung des Bauwerks herauszuarbeiten (vgl. BayVGH‚ U.v. 21.2.1985 – 26 B 80 A.720 – BayVBl 1986, 399/400; BayObLG, B.v. 9.4.1992 – 3 Ob 0Wi 13/92 – BayVBl 1992, 634/635; BayVGH, U.v. 6.11.1996 – 2 B 94.2926 – nicht veröffentlicht; a.A. VGH BW, U.v. 1.9.2011 – 1 S 1070/11DVBl 2011, 1418).

2. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Der behauptete Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt nicht vor. Die „Investition im fünfstelligen Eurobereich“ fällt hier nicht erheblich ins Gewicht‚ weil sie ohne die erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis auf eigenes Risiko durchgeführt wurde‚ wobei dahinstehen kann‚ ob die Klägerin die Erlaubnispflicht kannte oder diese mangels Einholung einer Information über den Denkmalstatus des Wohnteils des Einfirsthofs vorwerfbar nicht kannte. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts‚ die auf dem Wohnteil des Einfirsthofs angebrachten Lawinenhaken beeinträchtigten die Dachoberfläche nur geringfügig‚ wird nicht dadurch ernsthaft in Frage gestellt‚ dass die Klägerin die Lawinenhaken im Vergleich zu der von ihr angebrachten Photovoltaikanlage trotz der Größe und Beschaffenheit dieser Anlage für erheblich störender hält.

b) Da sich die Eintragung in der Denkmalliste ausdrücklich auch auf den „Flachsatteldachbau“ bezieht‚ entbehrt die Behauptung der Klägerin jeder Grundlage‚ die Dachhaut/Dachfläche des Wohnteils des Einfirsthofs sei nicht Gegenstand des Denkmalschutzes. Auch der Brandschutzmauer kommt ersichtlich nicht die Bedeutung zu‚ die die Klägerin ihr beimessen möchte. Vielmehr zeigen die bei der Baukontrolle am 15. Juni 2011 aufgenommenen Lichtbilder‚ dass die Dachflächen des Einfirsthofs ohne die Photovoltaikanlage ein weitgehend einheitliches Erscheinungsbild bieten. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an‚ dass der Zustand auch ohne Photovoltaikanlage aus Denkmalschutzsicht nicht mehr ideal ist. Vielmehr genügt die durch die Anbringung der Photovoltaikanlage bewirkte deutliche Beeinträchtigung des überlieferten Erscheinungsbilds des Baudenkmals‚ um gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des früheren Zustands bejahen zu können (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG). Demnach kommt es auch nicht darauf an, ob der nicht unter Denkmalschutz stehende Wirtschaftsteil des Einfirsthofs noch ein überliefertes Erscheinungsbild aufweist.

c) Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis ist frei von Ermessensfehlern. Das Landratsamt hat die für die Antragsablehnung sprechenden „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ in ausreichender Weise gegen die Interessen des Grundstückseigentümers und der Klägerin als Betreiberin der Photovoltaikanlage sowie gegen die Belange des Klimaschutzes abgewogen. Die Abwägung ist nicht deswegen fehlerhaft, weil sich die Chance, auf einem benachbarten Gebäude eine Photovoltaikanlage zu installieren, zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses offenbar bereits realisiert hatte. Das Landratsamt musste sich nicht mit dem angeblichen „wirtschaftlichen Ruin einer kinderreichen Familie“ befassen‚ weil sich diese Frage erst bei Erlass einer Beseitigungsanordnung stellt.

3. Die übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe wurden bereits nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dies gilt sowohl für die behaupteten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) als auch ihre angebliche grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

4. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4).