Bayerischer VGH, Beschluss vom 12.05.2015 - 13a ZB 14.50052
Fundstelle
openJur 2015, 9367
  • Rkr:

Rücknahme des Asylantrags nach Stattgabe eines Aufnahmegesuchs zur Überstellung;Zuständigkeit für die Feststellung, ob ein nationaler Abschiebungsverbot vorliegt Asylrecht Afghanistan; Unzuständigkeit der Bundesrepublik

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. November 2014 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Eine Zulassung scheidet aus, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (BVerwG, B.v. 16.11.2004 – 4 B 71.04NVwZ 2005, 449/450; Kraft in Eyermann, a.a.O., § 132 Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob

1. „bei einer nachträglichen Teilrücknahme der Asylklage und der Beschränkung des Schutzbegehrens auf nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Ausländerbehörde oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist“;

2. „die nachträgliche Beschränkung des Schutzbegehrens auf ausschließliche Gewährung subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG als unzulässige Umgehung der Anwendbarkeit von Dublin II und Dublin III anzusehen ist.“

Die Frage zu 1 lässt sich in dieser weit gefassten Formulierung bereits aus dem Gesetzeswortlaut beantworten. Im Fall der Rücknahme eines Asylantrags i.S.v. § 13 AsylVfG (hier: Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG oder subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG – s. UA S. 3), folgt aus § 32 Satz 1 AsylVfG, dass das Bundesamt zusammen mit der Einstellung des Asylverfahrens festzustellen hat, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Fasst man die aufgeworfene Frage nach § 88 VwGO gemäß dem erkennbaren Ziel des Klägers einschränkend dahingehend auf, ob das Bundesamt auch dann zu einer solchen Feststellung verpflichtet ist, wenn die Antragsrücknahme im Rahmen eines Dublin-Verfahrens erfolgt, lässt sie sich ohne weiteres durch Gesetzesauslegung beantworten. Hierbei ist auch der Bedeutungszusammenhang der Norm zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.3.1995 – 9 C 389.94 – Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr. 2 = NVwZ 1995, 791). Die Vorschriften, welche das Bundesamt verpflichten, Feststellungen zu dem national begründeten Abschiebungsschutz zu treffen (§ 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 Satz 1, § 32 Satz 1 AsylVfG), knüpfen jeweils an die Durchführung eines Asylverfahrens an (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C 13.07BVerwGE 129, 155 Rn. 23). Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG ist in den Fällen des Absatzes 2 (Entscheidungen über beachtliche Asylanträge und nach § 30 Abs. 5 AsylVfG) und in Entscheidungen über unbeachtliche Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Wenn hingegen der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt wird (Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats), ist nach § 31 Abs. 6 AsylVfG dem Ausländer in der Entscheidung (lediglich) mitzuteilen, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Vergleich dieser Vorschriften zeigt, dass im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach Art. 1 ff. VO (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) über nationalen Abschiebungsschutz nicht zu befinden ist. Wenn bei Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig keine solchen Feststellungen zu treffen sind, dann kann nach Rücknahme eines unzulässigen Asylantrags für das Bundesamt erst recht kein weiter reichender Prüfungsumfang bestehen.

Die aufgeworfene Frage ist auch nicht im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung in erster Instanz klärungsbedürftig. Der Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg (B.v. 5.12.2013 – Au 6 K 13.1239 – juris) zeigt im Vergleich zur Rechtsmeinung das Verwaltungsgerichts Bayreuth keinen unterschiedlichen Ansatz auf, da jenes Verfahren einen Fall des subsidiären unionsrechtlichen Schutzes zum Gegenstand hatte (s. dort Rn. 20).

Die Klärungsbedürftigkeit lässt sich außerdem nicht aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 3.5.2012 – C-620/10 – NVwZ 2012, 296 Rn. 49) herleiten. Danach hat die Rücknahme eines Asylantrags vor der Zustimmung eines Mitgliedstaats zu einem Aufnahmegesuch zur Folge, dass die unionsrechtliche Dublin-Verordnung nicht mehr anzuwenden ist und es Sache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Antrag gestellt wurde, die aufgrund dieser Rücknahme gebotenen Entscheidungen zu treffen und insbesondere die Antragsprüfung einzustellen. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um die Rücknahme des Asylantrags nach Zustimmung des anderen Mitgliedstaats.

Die Frage zu 2 ist deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil die in diesem Zusammenhang hervorgehobene Argumentation des Verwaltungsgerichts Bayreuth, „die Beschränkung der Anträge auf Gewährung subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sei unzulässig und letztlich unbeachtlich, wenn sich aus dem tatsächlichen Vorbringen ergebe, dass die Kläger letztlich Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention suchen“, in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht enthalten ist und somit nicht entscheidungserheblich war. Das Gleiche gilt für den Gesichtspunkt der „Umgehung“ des Dublin-Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.