VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.04.2015 - 3 S 328/15
Fundstelle
openJur 2015, 8385
  • Rkr:

1. Mit einer Baugenehmigung muss nicht zwangsläufig sowohl über die Zulässigkeit der Errichtung einer baulichen Anlage als auch deren Nutzung entschieden werden. Es ist vielmehr auch zulässig, zunächst nur die Errichtung des Baukörpers zu genehmigen und in einem gesonderten Verfahren über die zulässige Nutzungsart zu entscheiden (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.10.2000 - 8 S 445/00 - NVwZ-RR 2001, 576).

2. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck. Die allgemeine Zweckbestimmung eines Industriegebiets ist dementsprechend nur gewahrt, wenn diese für ein Industriegebiet vorgesehene Hauptnutzung überwiegend zulässig bleibt (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 6.5.1993 - 4 NB 32.92 - DVBl. 1993, 1093; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.12.1993 - 8 S 994/92 - UPR 1994, 455).

Tenor

Auf die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2015 - 5 K 4624/14 - geändert. Die Anträge der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Heilbronn vom 2. Juli 2014 werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Wohn- und Betriebsgebäude bebauten Grundstücks Flst.Nr. ... in Bad Wimpfen, das nach Norden an die Industriestraße grenzt. Der Beigeladene ist Eigentümer des auf der gegenüberliegenden Seite der Industriestraße befindlichen, bisher unbebauten Grundstücks Flst.Nr. ...

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 29.12.1974 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Industriegebiet im Stadtteil Wimpfen im Tal“ der Stadt Wimpfen, der als zulässige Art der baulichen Nutzung ein eingeschränktes Industriegebiet (GIe) festsetzt. In dem Gebiet sind zulässig „kleinere und mittlere Betriebe des Eisen-, Stahl-, Blech- und Metallwarengewerbes ohne Fabriken, in denen Dampfkessel, Röhren oder Behälter aus Blech durch Vernieten hergestellt werden, der Holzverarbeitung, der Futtermittelindustrie, Bauhöfe aller Art, einschließlich der Herstellung von Betonwaren, Betonfertigteilen sowie Terrazzowaren, aber ohne Aufbereitungsanlagen für bituminöse Straßenbaustoffe sowie Teersplittanlagen, und Betriebsarten, deren Lästigkeitsgrad nicht höher als der der genannten ist.“ Die Festsetzungen des Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung wurden im Wege einer am 27.6.2005 von der Stadt Wimpfen beschlossenen Änderung des Bebauungsplans durch einen Ausschluss von Einzelhandel ergänzt.

Der Beigeladene möchte auf seinem Grundstück eine 15,50 m x 30,80 m große „Gewerbehalle“ nebst einem Büro- und Wohnhausanbau, eine freistehende Waschanlage sowie 45 Stellplätze errichten. Auf seinen Antrag erteilte das Landratsamt Heilbronn für das Vorhaben am 2.7.2014 eine Baugenehmigung unter Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die Unzulässigkeit von Einzelhandel im Plangebiet, die u. a. mit den folgenden Nebenbestimmungen versehen wurde:

5. Diese Baugenehmigung umfasst die Errichtung des Baukörpers der Gewerbehalle und dessen Nutzung im Erdgeschoss als Kfz-Handel sowie die Betriebsleiterwohnung, die Waschanlage (ohne Abscheideanlage) und 45 PKW-Stellplätze. Die Nutzung der Gewerbehalle im Obergeschoss ist nicht Gegenstand dieser Baugenehmigung.

6. Die Nutzung der Gewerbehalle im Obergeschoss ist in einem gesonderten baurechtlichen Genehmigungsverfahren (über das Bürgermeisteramt) zu beantragen. …

Gegen die Baugenehmigung legten die Antragsteller am 22.7.2014 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden wurde.

Die Antragsteller haben am 21.10.2014 beim Verwaltungsgericht Stuttgart den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den Anträgen mit Beschluss vom 28.1.2015 entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtene Baugenehmigung verletze die Antragsteller voraussichtlich in ihren Rechten, weshalb ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche das Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung überwiege. Das Vorhaben des Beigeladenen weiche - auch abgesehen von der Einzelhandelsnutzung im Erdgeschoss, für die eine Befreiung erteilt worden sei - von den Festsetzungen des Bebauungsplans ab, da es im Obergeschoss der zu errichtenden Halle keine nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzungsart beinhalte. Genehmigt sei insoweit nur ein (teilweise) funktionsloser Baukörper. Die Errichtung funktionsloser (Teile) baulicher Anlagen stehe der Schaffung baulicher Anlagen(teile) für planwidrige Nutzungen gleich, und zwar auch dann, wenn - wie hier - die Nutzung noch in einem späteren Verfahren geklärt werden solle. Die dem Vorhaben entgegenstehende Gebietsfestsetzung, wonach bauliche Anlagen nur für bestimmte Arten baulicher Nutzung errichtet werden dürften, wirke drittschützend zugunsten der Antragsteller und gebe ihnen einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweiche. Der Zweck einer Gebietsfestsetzung bestehe (zumindest auch) darin, dass innerhalb des Gebiets ein bestimmtes Nutzungsspektrum entstehe oder erhalten bleibe bzw. Flächen dafür bereit stünden. Die Erreichung dieses Zwecks werde nicht nur durch planwidrige Nutzungen, sondern auch durch funktionslose Anlagen verbaut.

Gegen den Beschluss richten sich die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen, mit der sie die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Ablehnung der Anträge der Antragsteller begehren.

II.

Die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen sind begründet. Denn die auf die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe beschränkte Prüfung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO) ergibt, dass die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts die von ihm getroffene Entscheidung nicht zu rechtfertigen vermag. Der Senat hat deshalb eigenständig zu prüfen, ob den Antragstellern gleichwohl vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.3.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384; Beschl. v. 27.2.2013 - 3 S 491/12 - VBlBW 2013, 424). Das ist nicht der Fall. Dafür, dass die angefochtene Baugenehmigung die Antragsteller in ihren Rechten verletzt, vermag der Senat nichts zu erkennen. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche und dem Interesse des Beigeladenen, von der ihm erteilten Baugenehmigung schon vor deren Bestandskraft Gebrauch machen zu können, ist danach von einem Überwiegen des Interesses des Beigeladenen auszugehen.

1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Genehmigung eines Vorhabens setze grundsätzlich voraus, dass seine Zulässigkeit „nicht nur für den Baukörper, sondern auch für die Nutzung geklärt“ ist. Zu genehmigen sei eine bauliche Anlage nur mit einer „durch die Nutzung bestimmten Funktion“; schon der Vorhabenbegriff von § 29 Abs. 1 BauGB beziehe insofern die Funktion des Vorhabens mit ein.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urt. v. 27.10.2000 - 8 S 445/00 -NVwZ-RR 2001, 576) muss mit einer Baugenehmigung nicht zwangsläufig sowohl über die Zulässigkeit der Errichtung einer baulichen Anlage als auch deren Nutzung entschieden werden. Es ist vielmehr auch zulässig, zunächst die Errichtung des Baukörpers zu genehmigen und in einem gesonderten Verfahren über die zulässige Nutzungsart zu entscheiden. Daran ist festzuhalten.

Zwar wird mit der für eine bauliche Anlage erteilten Baugenehmigung neben deren Errichtung auch die vorgesehene Nutzung erlaubt. Die bauliche Anlage und die in ihr ausgeübte Nutzung sind dabei als eine Einheit zu betrachten (BVerwG, Beschl. v. 3.12.1990 - 4 B 145.90 - ZfBR 1991, 83; Urt. v. 11.11.1988 - 4 C 50.87 - BRS 48 Nr. 58). Weder das Baugesetzbuch noch die Landesbauordnung schreiben jedoch vor, dass über Errichtung und Nutzung immer gleichzeitig entschieden werden muss. Vielmehr zeigt bereits die in § 50 Abs. 2 LBO vorgesehene Möglichkeit, auch nach der Errichtung eines Bauwerks eine Nutzungsänderung zu gestatten, sowie die in § 65 Satz 2 LBO enthaltene Ermächtigung, die Nutzung einer baulichen Anlage zu untersagen, dass die Nutzung eines Bauwerks einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zugänglich ist und eine hierauf beschränkte baubehördliche Entscheidung rechtlich möglich ist. Das Institut der Nutzungsuntersagung belegt zudem, dass auch ein ungenutztes Bauwerk den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht fremd ist, denn nach deren Ausspruch ist in gleicher Weise ein ungenutztes, funktionsloses Gebäude vorhanden, wie dies vorliegend in Bezug auf das Obergeschoss der umstrittenen Halle der Fall sein wird, solange noch nicht über dessen Nutzung entschieden worden ist. Warum dieser Zustand nur durch eine nachträgliche Entscheidung, nicht aber bereits bei Errichtung eines Bauwerks herbeigeführt werden kann, ist deshalb nicht einzusehen. Nachteile für den Nachbarn sind mit einer solchen Aufspaltung der Baugenehmigung nicht verbunden, da ihm gegen die in gesonderten Verfahren ergehenden Entscheidungen über die Errichtung einerseits und die Nutzung der baulichen Anlage andererseits die gleichen Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen wie gegen eine Baugenehmigung, die sowohl die Errichtung der Anlage als auch deren vorgesehene Nutzung erlaubt.

Eine auf die Errichtung einer baulichen Anlage beschränkte Baugenehmigung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn es sich um ein Vorhaben im Geltungsbereich eines die Art der baulichen Nutzung regelnden Bebauungsplans handelt. Wenn die Gemeinde beabsichtigt, einen Teilbereich des Gemeindegebiets einer bestimmten baulichen Nutzung zuzuführen, so bedeutet dies zwar zugleich, dass andere Nutzungen ausgeschlossen sein sollen (BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 NB 8.90 - NVwZ 1991, 875). Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Errichtung funktionsloser baulicher Anlagen stehe der Schaffung baulicher Anlagen für planwidrige Nutzungen gleich, und zwar auch dann, wenn die Nutzung noch in einem späteren Verfahren geklärt werden solle, ist jedoch offensichtlich unhaltbar. Städtebauliche Planungen lösen keine unmittelbare Verpflichtung zu ihrer Verwirklichung aus. Ob die rechtlichen Möglichkeiten der Grundstücksnutzung tatsächlich ausgeschöpft werden, bleibt deshalb grundsätzlich den Eigentümern überlassen. Eine Verpflichtung zur Verwirklichung der in Bebauungsplänen getroffenen Festsetzungen kann dem Eigentümer eines Grundstücks nur nach Maßgabe der entsprechenden gesetzlichen Regelung in den §§ 175 ff. BauGB auferlegt werden (Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., Vorb. §§ 175-179 Rn. 2; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 175 Rn. 1). Die Errichtung einer zunächst funktionslosen baulichen Anlage, deren Nutzung Gegenstand einer noch zu beantragenden weiteren Baugenehmigung ist, stellt daher ebenso wenig wie das Nichtgebrauchmachen von der durch einen Bebauungsplan eröffneten Baumöglichkeit einen planwidrigen Zustand dar.

Die angefochtene Baugenehmigung ist somit entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht schon deshalb objektiv rechtswidrig, weil mit ihr keine Entscheidung über die zulässige Nutzung des Obergeschosses der zu errichtenden Halle getroffen worden ist. Die Frage, ob der vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtsverstoß dazu führte, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht nur teilweise, sondern sogar insgesamt rechtswidrig ist, kann danach ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob mit diesem Rechtsverstoß eine Verletzung der Antragsteller in ihren Rechten verbunden wäre.

2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Für eine Verletzung der Rechte der Antragsteller durch die angefochtene Baugenehmigung ist auch im Übrigen nichts zu erkennen.

Von dem Baukörper als solchem werden die Rechte der Antragsteller offensichtlich nicht berührt. Etwas anderes wird auch von den Antragstellern selbst nicht behauptet. Die Nutzung des Obergeschosses der Gewerbehalle ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Die Entscheidung hierüber ist vielmehr einem gesonderten Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Rechte der Antragsteller können somit auch insoweit nicht verletzt sein.

Für eine Verletzung der Rechte der Antragsteller sieht der Senat schließlich auch insoweit keine Anhaltspunkte, als die Baugenehmigung - unter Befreiung von der entgegenstehenden Festsetzung des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans der Stadt Wimpfen - die Nutzung des Erdgeschosses der „Gewerbehalle“ als Kfz-Handel erlaubt. Das gilt unabhängig von der - voraussichtlich zu verneinenden - Frage nach der Wirksamkeit des Bebauungsplans.

a) Geht man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen gemäß § 30 BauGB danach, ob das Vorhaben den Festsetzungen des Plans widerspricht. Mit der Ausweisung des Plangebiets als eingeschränktes Industriegebiet ist das Vorhaben ohne weiteres vereinbar. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans sind zwar in dem Industriegebiet nur bestimmte gewerbliche Nutzungen zulässig, nämlich „kleinere und mittlere Betriebe des Eisen-, Stahl-, Blech- und Metallwarengewerbes ohne Fabriken, in denen Dampfkessel, Röhren oder Behälter aus Blech durch Vernieten hergestellt werden, der Holzverarbeitung, der Futtermittelindustrie, Bauhöfe aller Art, einschließlich der Herstellung von Betonwaren, Betonfertigteilen sowie Terrazzowaren, aber ohne Aufbereitungsanlagen für bituminöse Straßenbaustoffe sowie Teersplittanlagen, und Betriebsarten, deren Lästigkeitsgrad nicht höher als der der genannten ist“. Gegen die Zulässigkeit des vom Beigeladenen geplanten Kfz-Handels lässt sich daraus jedoch nichts herleiten, da die Lästigkeit einer solchen Nutzung hinter der Lästigkeit bspw. eines „kleineren und mittleren Betriebs des Eisen-, Stahl-, Blech- und Metallwarengewerbes“ oder eines kleineren und mittleren Betriebs der Holzverarbeitung weit zurückbleibt.

Von dem nachträglich in den Bebauungsplan aufgenommenen Ausschluss von (jeglichem) Einzelhandel hat das Landratsamt dem Beigeladenen eine Befreiung erteilt. Die Befreiung wird vom Landratsamt damit begründet, dass der Ausschluss von Einzelhandel im Plangebiet zum Schutz des Einzelhandels mit innenstadtrelevanten Sortimenten erlassen worden sei. Dieser Schutzgedanke komme bei einem Kfz-Handel nicht zum Tragen, da der Kfz-Handel nicht zu den Branchen zähle, deren Standortanforderungen (großer Flächenbedarf) in zentraler Lage in der Innenstadt nicht erfüllt werden könne. Gegen diese Argumentation bestehen jedenfalls im Ergebnis keine Bedenken. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der erteilten Befreiung werden auch von den Antragstellern nicht erhoben.

b) Der für das Baugrundstück geltende Bebauungsplan der Stadt Wimpfen dürfte allerdings wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 5 BauNVO unwirksam sein.

Mit der Regelung, nach der in dem Industriegebiet nur bestimmte Arten von Gewerbebetrieben zulässig sind, hat die Stadt Wimpfen von der durch § 1 Abs. 5 BauNVO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Festsetzungen im Bebauungsplan bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, für nicht zulässig zu erklären. Diese Möglichkeit steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Daran dürfte es im Falle des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans fehlen.

Die allgemeine Zweckbestimmung eines Industriegebiets besteht nach § 9 Abs. 1 BauNVO darin, ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben zu dienen, und zwar vorwiegend solcher, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166). Die allgemeine Zweckbestimmung eines Industriegebiets ist dementsprechend nur dann noch gewahrt, wenn diese für ein Industriegebiet vorgesehene Hauptnutzung überwiegend zulässig bleibt (BVerwG, Beschl. v. 6.5.1993 - 4 NB 32.92 - DVBl. 1993, 1093; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.12.1993 - 8 S 994/92 - UPR 1994, 455).

Nach der in den Bebauungsplan aufgenommenen Einschränkung dürfte sich der Kreis der in dem Industriegebiet zulässigen Gewerbebetriebe im Wesentlichen auf nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe im Sinne des § 8 BauNVO beschränken. Das bedeutete, dass die für ein Industriegebiet vorgesehene Hauptnutzung zumindest weitgehend ausgeschlossen wäre. Die allgemeine Zweckbestimmung eines Industriegebiets wäre in diesem Fall nicht mehr gewahrt.

Sollte der Bebauungsplan unwirksam sein, so beurteilte sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen nicht nach § 30 BauGB, sondern nach § 34 BauGB. An der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens dürfte sich dadurch jedoch nichts ändern. Das gilt unabhängig von der Frage, ob die Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks einem Industrie- oder einem Gewerbegebiet entspricht und das Vorhaben deshalb in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, oder ob von einer Gemengelage auszugehen ist und sich die Zulässigkeit des Vorhabens deshalb auch in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB richtet. Ein (reiner) Kfz-Handel gehört zu den das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO und ist daher sowohl in einem Gewerbegebiet als auch in einem Mischgebiet allgemein zulässig. Umstände, die darauf hindeuteten, dass mit dem Vorhaben des Beigeladenen im Hinblick auf seine Lage, seinen Umfang oder seine Zweckbestimmung unzumutbare Beeinträchtigungen der Antragsteller verbunden sind und das Vorhaben deshalb zu ihren Lasten gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, sind nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit ein Prozessrisiko auf sich genommen hat.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).