Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.04.2015 - 13a ZB 14.30129
Fundstelle
openJur 2015, 8227
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2014 hat keinen Erfolg.

Hinsichtlich Nr. 1 der Begründung fehlt es bereits an der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG vorgeschriebenen Darlegung eines Zulassungsgrundes. Sollte der Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts (U.v. 30.1.2014 – Diakité, C-285/12NVwZ 2014, 573) als Divergenzrüge gemeint sein, wäre sie nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG unzulässig, weil der Europäische Gerichtshof in dieser Vorschrift nicht genannt ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 45). Im Übrigen war die Frage, ob in der Provinz Kabul ein bewaffneter Konflikt i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG stattfindet, ohnehin nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht sie ausdrücklich offen gelassen hat (UA S. 14).

Hinsichtlich Nr. 2 der Begründung ist der Antrag unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ a.a.O, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob „ein junger, gesunder, lediger Afghane ohne gesundheitliche Einschränkungen, ohne familiäre Bindungen bzw. ohne soziales Netzwerk in seinem Heimatland und im Großraum Kabul in der Lage [ist], durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren“. Diese Frage sei klärungsbedürftig, da die Auskunftslage davon ausgehe, dass eine extreme Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur mit familiären Bindungen bzw. mit einem sozialen Netzwerk vermeidbar sei.

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris; U.v. 24.10.2013 – 13a B 13.30031 – juris = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS-; U.v. 22.3.2013 – 13a B 12.30044 – juris; U.v. 20.1.2012 – 13a B 11.30425 – juris; U.v. 8.12.2011 – 13a B 11.30276 – EzAR-NF 69 Nr. 11 = AuAS 2012, 35 -LS-; U.v. 3.2.2011 – 13a B 10.30394 – juris).

Im Übrigen hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; es entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09BVerwGE 137, 226 = NVwZ-RR 2011, 48).

Die vom Kläger angeführten Lageberichte und Auskünfte (bis Januar 2012) vermögen die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht zu begründen, weil sie vom Verwaltungsgerichtshof bereits berücksichtigt worden sind. Außerdem liegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aktuellere Berichte und Auskünfte als die vom Kläger zitierten zugrunde. Für eine Neubewertung der Versorgungslage geben auch neuere Berichte von UNHCR, Auswärtigem Amt und Schweizerischer Flüchtlingshilfe keinen Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.