LG Wuppertal, Urteil vom 23.04.2014 - 8 S 56/13
Fundstelle
openJur 2015, 21819
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 33 C 170/13
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 26.09.2013 (Az. 33 C 170/13) wird verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 21.11.2009 auf der G-Straße in V ereignete. Bei dem Unfall kollidierte der im Eigentum des Klägers stehende Pkw VW Golf (amtliches Kennzeichen xxxxx) mit dem von dem Beklagten zu 2) gesteuerten, von der Beklagten zu 3) gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) pflichtversicherten Pkw Peugeot (amtliches Kennzeichen xxxxx). Der Kläger rechnet auf Gutachtenbasis ab und beziffert den Wiederbeschaffungsaufwand abzüglich des Restwertes des beschädigten Golfs mit 1.650,- EUR. Weiter verlangt er die Erstattung einer Kostenpauschale in Höhe von 25,- EUR sowie die Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von 496,93 EUR.

Mit Schreiben vom 30.06.2010 meldete der Kläger Schadensersatzansprüche bei der Beklagten zu 1) an. Mit einem am 09.09.2010 der Klägerseite zugegangenen Schreiben lehnte die Beklagte zu 1) jegliche Zahlung ab, da alleinig der Kläger für den Unfall hafte. Am 27.02.2013 ist der Beklagten zu 1) in dieser Sache ein Mahnbescheid zugestellt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an das Kfz-Sachverständigenbüro D, in V, 496,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 und an den Kläger 1.675,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Durchsetzung etwaiger Ansprüche aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede gehemmt sei. Die Verjährungsfrist sei mit dem 31.12.2012 abgelaufen. Umstände die zu einer Hemmung der Verjährung führten, seien nicht vorgetragen.

Gegen das am 01.10.2013 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger unter dem 09.10.2013 Berufung eingelegt und diese auch sofort begründet. Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht des Amtsgerichts und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Er ist der Ansicht, das Amtsgericht habe verkannt, dass die Verjährung der Schadensersatzansprüche bis zur Ablehnung durch das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 01.09.2010 gehemmt gewesen sei. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag enthält die Berufungsbegründung weder in konkreter noch in pauschaler Weise.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 26.09.2013 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Wuppertal, Az. 33 C 170/13,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.675,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen;

an das Kfz-Sachverständigenbüro DD , in V, 496,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nehmen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und sind weiterhin der Ansicht, dass etwaige Ansprüche verjährt seien. Im Übrigen sei die Berufung schon nicht ausreichend begründet.

II.

Die Berufung ist nicht zulässig.

Die Berufungsbegründung genügt nach Ansicht der Kammer nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO, da sie in keiner Weise erkennen lässt, dass und inwiefern der gerügte Fehler in der Rechtsanwendung für die angefochtene Entscheidung erheblich war.

Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung des materiellen Rechts durch das Amtsgericht, da dieses zu Unrecht von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgegangen sei. Nach § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (vgl. statt aller: BGH NJW-RR 2012, 440 ff., zitiert nach juris). Der letztere Aspekt fehlt in der Berufungsbegründung des Klägers.

Im Hinblick auf die von ihm angenommene Rechtsverletzung hat der Kläger ausreichend konkret dargelegt, dass und weshalb seines Erachtens die Rechtsansicht des Amtsgerichts zur Verjährung fehlerhaft ist. Allerdings ergibt sich aus seiner Berufungsbegründung nicht, dass und weshalb die angeführte Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung im Ergebnis auch erheblich ist. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung vom 01.10.2013 weder darlegt, wie der Rechtsstreit bei Berücksichtigung seiner Rechtsansicht zu entscheiden wäre, noch hat er in konkreter oder allgemeiner Weise auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen und dieses so zum Gegenstand auch der Berufungsbegründung gemacht. Aus der Berufungsbegründung selbst ergibt sich nicht, dass und in welchem Umfang die Klage - aus Sicht der Klägers und unter Berücksichtigung seiner Rechtsansicht zur Verjährung - hätte Erfolg haben müssen. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich lediglich, dass ein "Schadensersatzanspruch" nicht wegen Verjährung gehemmt wäre. Dass ihm ein solcher Anspruch und in welcher Höhe auch tatsächlich zustünde, hat der Kläger aber weder ausdrücklich noch durch eine Bezugnahme aufgeführt. Die Nachbesserung im Schriftsatz vom 16.12.2013 konnte nicht mehr berücksichtigt werden, da diese nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgte. Da das Urteil dem Klägervertreter am 01.10.2013 zugestellt worden war, war die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO mit dem 01.12.2013 abgelaufen.

Die Kammer hat berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, regelmäßig schon die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt, ausreichen soll (vgl. BGH NJW 2006, 142). Allerdings war für die Kammer nicht erkennbar, welche Angaben und Bezugnahmen die zugrunde liegende Berufungsbegründung aufwies und auf welcher Grundlage der Bundegerichtshof zu der zitierten Einschätzung gekommen ist. Würde man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dahingehend verstehen, dass die bloße Darlegung einer Rechtsansicht - selbst ohne eine konkrete oder allgemeine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag - den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO genügt, so dürfte ein solche Verständnis auch bei einer großzügigen Auslegung mit dem Wortlaut des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr vereinbar sein. Denn letztlich würde ein solches Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einem Leerlaufen des in § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO ausdrücklich aufgeführten Erfordernisses führen, dass sich auch die Erheblich einer angeführten Rechtsverletzung aus der Berufungsbegründung entnehmen lassen muss.

Mit Beschluss vom 13.09.2012 hat der Bundesgerichtshof zu einer vergleichbaren Problematik ausgeführt (Az. III ZB 24/12):

"Soweit das Berufungsgericht in der Berufungsbegründung eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes vermisst, hat es - worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist - nicht berücksichtigt, dass sich die Entscheidungserheblichkeit der Aktivlegitimation der Klägerin unmittelbar aus dem Prozessstoff ergibt und somit keiner gesonderten Darlegung bedarf. Das Landgericht hat die Begründetheit der Klage allein mangels Nachweises der Aktivlegitimation der Klägerin verneint und dementsprechend ausdrücklich offen gelassen, ob eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung vorliegt oder ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt ist. Bei dieser Lage ist es nicht geboten, dass der Berufungsführer ausdrücklich noch einmal sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen zu den Voraussetzungen des von ihm verfolgten Klageanspruchs - das mit der (zulässigen) Berufung ohnehin vollständig in die Berufungsinstanz gelangt - wiederholt und auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit seiner Aktivlegitimation dartut."

Diese Begründung überzeugt die Kammer nicht (so auch Münchener Kommentar-Rimmelspacher, ZPO, 4. Auflage 2012, § 520 Rn. 63). Wenn (erst) die zulässige Berufung den gesamten Prozessstoff in die Berufungsinstanz bringt, kann denklogisch im Rahmen der Prüfung, ob die für eine zulässige Berufung notwendige Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 ZPO genügt, nicht bereits schon auf den gesamten Prozessstoff abgestellt werden. Vielmehr würde es einen Zirkelschluss darstellen, wenn bereits bei der Frage der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung, deren Folge ein Anlanden des gesamten Prozessstoffes in der 2. Instanz ist, der gesamte Prozessstoff zu prüfen und berücksichtigen wäre. Dass aber auch eine unzulässige Berufung den gesamten Prozessstoff in die 2. Instanz bringt, vermag die Kammer anhand der ausgewerteten Literatur und Rechtsprechung nicht zu erkennen. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass die Berufungsinstanz nicht mehr eine automatische Fortsetzung der 1. Instanz ist (vgl. Zöller-Heßler, Zivilprozessordnung, 29. Auflage 2012, § 520 Rn. 40). Im Übrigen wäre selbst bei einem entgegensetzten Verständnis der Wortlaut des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO zu berücksichtigen.

Die Kammer hat zuletzt erwogen, ob der Kläger mit der Berufungsbegründung zumindest konkludent auf seinen Vortrag erster Instanz Bezug genommen haben könnte. Ein solches Verständnis erschien der Kammer allerdings zu weitgehend und durch die Angaben in der Berufungsbegründung nicht ausreichend gestützt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die nach der Reform der ZPO ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs bieten keine sichere Orientierungshilfe zu den Anforderungen an die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Erheblichkeit eines behaupteten Rechtsfehlers iSd § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO ergibt. Die Begründung im Beschluss vom 13.09.2012 (Az. III ZB 24/12) ist für die Kammer nicht überzeugend, da sie einen Zirkelschluss enthält. Der Streitfall bietet Gelegenheit, klarere Leitsätze zur Auslegung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO aufzustellen.