BGH, Urteil vom 27.11.2007 - X ZR 18/07
Fundstelle
openJur 2011, 7190
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das am 15. Januar 2007 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt als Teilnehmerin eines später aufgehobenen Vergabeverfahrens von dem beklagten Land Schadensersatz.

Die Vergabestelle des Beklagten schrieb im Juni 1999 in öffentlicher Ausschreibung nach Abschnitt 1 der VOB/A Arbeiten für den Bau einer Hochwasserschutzanlage in der Ortslage O. aus. Im Submissionstermin lagen vier An- gebote vor, von denen sich das preiswerteste auf 9.969.165 DM brutto (rd. 8.594.108 DM netto) belief. Die Klägerin hatte mit 10.733.990 DM brutto (rd. 9.253.440 DM netto) das zweitgünstigste Angebot abgegeben. Die mit einem Angebotspreis von 11.012.507 DM brutto (rd. 9.493.401 DM netto) an dritter Stelle liegende Bietergemeinschaft W. u. a. stellte einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer wegen Unterschreitung des Schwellenwerts als unzulässig verwarf. Auf die sofortige Beschwerde dieses Bieters verlängerte der Vergabesenat des OLG Koblenz die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB (Beschl. v. 16.12.1999 - 1 Verg 1/99) und stellte in seiner instanzbeendenden Entscheidung - sachverständig beraten - fest, dass der maßgebliche Schwellenwert von 9.606.331 DM überschritten sei (Beschl. v. 6.7.2000 - 1 Verg 1/99). Daraufhin hob die Vergabestelle die Ausschreibung auf und schrieb das Vorhaben im Jahre 2002 gemeinschaftsweit aus. Die Klägerin beteiligte sich an diesem Wettbewerb, den Zuschlag erhielt aber die Bietergemeinschaft W. u. a.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Erstattung der Aufwendungen für die Ausarbeitung ihres im ersten Vergabeverfahren eingereichten Angebots, die sie auf 47.495,88 € beziffert und die sie nach ihren Behauptungen für die Erstellung des Angebots im Rahmen der Folgeausschreibung nicht hat nutzen können. Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Koblenz IBR 2007, 272). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB dem Grunde nach zu. Der hier in Rede stehende Vergaberechtsverstoß, das Vorhaben nicht europaweit ausgeschrieben zu haben, sei nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen.

Die Vergabestelle habe gegen eine im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Bestimmung verstoßen, indem sie das Vorhaben entgegen § 17a VOB/A nicht gemeinschaftsweit ausgeschrieben habe. Das stattdessen nach Abschnitt 1 der VOB/A durchgeführte Vergabeverfahren sei von vornherein mit einem schweren Verfahrensfehler behaftet gewesen, der, sobald er erkannt wurde, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens habe führen müssen. Auch bei solchen, die Aufhebung des Verfahrens rechtfertigenden Fehlern sei § 126 Satz 1 GWB entgegen der Ansicht des Beklagten anwendbar.

Der Prüfung, ob die echte Chance eines Bieters beeinträchtigt worden sei, sei der Sachverhalt zugrunde zu legen, der sich ergäbe, wenn die rechtswidrige beeinträchtigende Maßnahme hinweggedacht werde. Im Streitfall hätte die Beklagte den Auftrag dann europaweit ausgeschrieben und der Klägerin wäre dabei die Chance gesichert gewesen, die sie sich mit der Qualität ihres Angebots habe erarbeiten können.

Die Klägerin gehöre deshalb zum Kreis der nach § 126 Satz 1 GWB Anspruchsberechtigten, weil sie als Zweitplatzierte zur Spitze der Bieterliste gehört habe.

Der Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB setze ein Verschulden der Vergabestelle nicht voraus, stünde der Klägerin aber selbst dann zu, wenn die Norm als verschuldensabhängige Regelung zu verstehen wäre. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte mangels sorgfältiger Kostenberechnung die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung zu vertreten habe.

Die Klägerin könne wegen der vom Beklagten zu vertretenden fehlerhaften Ausschreibung Schadensersatzanspruch auch aus culpa in contrahendo verlangen. Bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens selbst betreffe, werde das Vertrauen jedes teilnehmenden Bieters darauf verletzt, dass seine Aufwendungen nicht von vornherein nutzlos seien.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen entscheidungserheblichen Punkten stand.

1. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Zuerkennung des Klageanspruchs nach § 126 Satz 1 GWB nicht.

Nach dieser Bestimmung kann ein Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung seines Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Auftrag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.

a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vergabestelle gegen eine i. S. von § 126 Satz 1 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat. Der herangezogene § 17a VOB/A ist allerdings nicht einschlägig. Die Bestimmung schützt die Unternehmen vor unzulänglicher Publizität der Planung von öffentlichen Bauvorhaben und ihrer Ausschreibung. Weiter reicht ihr Schutzbereich nicht. Der Verstoß der Vergabestelle gegen diese Bestimmung ist nicht ursächlich für die Beeinträchtigung der Zuschlagschancen der Klägerin geworden, weil diese von der durchgeführten Ausschreibung Kenntnis erhalten und sich daran beteiligt hat. Der im Streitfall maßgebliche Verstoß gegen Schutzvorschriften liegt in der Verletzung von § 2 Abs. 1 der zur Zeit des Vergabeverfahrens (weiterhin) einschlägigen Vergabeverordnung (VgV) vom 22. Februar 1994 (BGBl. I S. 321; vgl. dazu Beck'scher VOB/A-Komm./Marx, § 100 GWB Rdn. 6). Danach war die Vergabestelle verpflichtet, ein den in § 1a VOB/A genannten Schwellenwert erreichendes Bauvorhaben gemeinschaftsweit auszuschreiben.

b) Der Verstoß gegen die Pflicht zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung wird entgegen der Ansicht der Revision vom Schutzzweck des § 126 Satz 1 GWB erfasst. Die Revision meint, bei einem fälschlicherweise auf nationaler Ebene eingeleiteten Verfahren könne zwar im Primärrechtsschutz die gemeinschaftsweite Vergabe durchgesetzt werden, jedoch sei einem Teilnehmer des nationalen Vergabeverfahrens der Weg, über § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz zu verlangen, verschlossen. Für ein solches einschränkendes Verständnis der Bestimmung bieten indes ihre Stellung im Gesetz, ihr Wortlaut, die Entstehungsgeschichte der Norm und ihr Sinn und Zweck keinen Raum. Die Bestimmung ist Bestandteil des Vierten Teils des GWB, der - vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Ausnahmekatalogs in § 100 Abs. 2 GWB - für alle von § 100 Abs. 1 GWB i. V. mit der Verordnung nach § 127 GWB erfassten Aufträge gilt. Der Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift bei bestimmten Verstößen gegen bieterschützende Vergabebestimmungen nicht eingreifen und dass insbesondere die Durchführung eines gemeinschaftsweiten Vergabeverfahrens Voraussetzung für ihre Anwendung sein soll. Dahinstehen kann, inwieweit die Bestimmung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht zwingend erforderlich war. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 2 Abs. 1 lit. c der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21. Dezember 1989 (ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33) lediglich sicherzustellen, dass den durch einen Vergaberechtsverstoß Geschädigten Schadensersatz zuerkannt werden kann, was, wie die Revision zutreffend bemerkt, durch das Institut der culpa in contrahendo gewährleistet ist. Nur im - hier nicht berührten - Sektorenbereich sind Beweiserleichterungen zugunsten der Auftragnehmerseite vorgesehen (vgl. Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie 92/13/EWG v. 25.2.1992, ABl. Nr. L 76 v. 23.3.1992, S. 14). Da die Vergaberichtlinien des Gemeinschaftsrechts generell dem Schutz der Bieter gelten, verstößt es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn der deutsche Gesetzgeber eine bieterschützende Bestimmung wie § 126 Satz 1 GWB weiter fasst, als es gemeinschaftsrechtlich möglicherweise veranlasst war.

c) Die Revision hält § 126 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut ("bei Wertung der Angebote") nicht für anwendbar, wenn das Vergabeverfahren, wie hier, infolge eines beanstandeten Verstoßes gegen eine bieterschützende Bestimmung aufgehoben und die Wertungsphase deshalb gar nicht erreicht wird. Die fehlerhafte Ausschreibung hinweggedacht, läge überhaupt kein Vergabewettbewerb vor. Ein hypothetischer Sachverhalt dürfe nicht hinzugedacht werden. Dagegen habe das Berufungsgericht mit seiner Annahme verstoßen, die Vergabestelle hätte das Vorhaben, wenn sie den Fehler erkannt hätte, gemeinschaftsweit ausgeschrieben. Diese Reaktionsmöglichkeit sei nicht die einzige gewesen, die dem Auftraggeber zu Gebote gestanden hätte. Diese Einwände, die sich gleichermaßen gegen die Auslegung von § 126 Satz 1 GWB durch das Berufungsgericht wie gegen die Schadenszurechnung richten, sind nicht begründet.

aa) Richtig ist, dass das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob die Klägerin "bei der Wertung" eine echte Chance gehabt hätte, hypothetisch angenommen hat, dass die Vergabestelle eine gemeinschaftsweite Ausschreibung durchgeführt hätte, wenn sie deren Erforderlichkeit rechtzeitig erkannt hätte. Des Weiteren liegt dem Berufungsurteil die hypothetische Annahme zugrunde, dass das konkret in der nationalen Ausschreibung abgegebene Angebot der Klägerin bei der gedachten Wertung in dem hypothetischen gemeinschaftsweiten Verfahren eine echte Chance gehabt hätte. Diese Auslegung steht mit § 126 Satz 1 GWB in Einklang. Ob ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist, setzt nach dessen Wortlaut ("...und hätte das Unternehmen ohne diesen Verstoß...") eine hypothetische Ermittlung des Handlungsverlaufs voraus, der sich ohne den Verstoß zugetragen hätte. Wenn die Vergabestelle bei korrekter Handhabung gemeinschaftsweit ausgeschrieben hätte, ist es mit dem Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB vereinbar, darauf abzustellen, ob das abgegebene Gebot in diesem hypothetischen Verfahren eine echte Chance gehabt hätte.

bb) Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte bei richtiger Schätzung des Auftragswertes gemeinschaftsweit ausgeschrieben, hat das Berufungsgericht nicht gegen die Grundsätze der Schadenszurechnung verstoßen. Deren Grundvoraussetzung ist die Verursachung des Schadens im logischnaturwissenschaftlichen Sinn. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (allgemeine Ansicht; vgl. nur BGHZ 96, 157; BGH, Urt. v. 4.7.1994 - II ZR 162/93, NJW 1995, 127). In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, aber kein weiterer Umstand hinzugedacht werden darf. Damit sind hypothetische Handlungen des Geschädigten (vgl. BGH NJW 1995, 126, 127) oder des Schädigers (vgl. BGHZ 96, 157, 172) gemeint, deren Hinzudenken den Erfolg bei ansonsten gegebener Kausalität des schadenstiftenden Verhaltens entfallen ließe.

Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht nicht verstoßen. Es hat vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen sein kann, wenn der Schaden bei gedachtem rechtmäßigem Alternativverhalten ebenfalls entstanden wäre, und deshalb geprüft, wie sich der Auftraggeber verhalten hätte, wenn ihm die Notwendigkeit der gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte ein gemeinschaftsweites Vergabeverfahren durchgeführt, hat das Berufungsgericht keine im vorgenannten Sinne hypothetische Handlung hinzugefügt. Wie die Revision selbst nicht verkennt, entspräche es nicht der Lebenswirklichkeit, die schadenstiftende Durchführung der Ausschreibung auf nationaler Ebene im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs in schlichter Negation ersatzlos hinwegzudenken, weil der Auftraggeber, wenn er die Notwendigkeit gemeinschaftsweiter Ausschreibung rechtzeitig erkannt hätte, zwangsläufig auf die eine oder andere Weise reagiert hätte. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht Feststellungen darüber getroffen, wie die Vergabestelle sich verhalten hätte, wenn sie sich der Verpflichtung zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Das vom Oberlandesgericht in tatrichterlicher Würdigung gefundene Ergebnis, in diesem Fall wäre gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden, bindet das Revisionsgericht. Damit hat das Berufungsgericht weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßen, sondern einen zumindest naheliegenden Verlauf angenommen, der im Übrigen auch dem späteren Vorgehen der Vergabestelle entsprach.

d) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Haftung des Auftraggebers aus § 126 Satz 1 GWB kein Verschulden voraussetzt.

aa) Diese Auffassung entspricht der in der Fachliteratur überwiegenden Meinung (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx, § 126 GWB Rdn. 2; Ingenstau/Korbion/ Müller-Wrede, VOB Komm., 15. Aufl., § 126 Satz 1 GWB Rdn. 3; Verfürth in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, § 126, Rdn. 24 ff.; Boesen, Vergaberecht, § 126 Rdn. 6, 13; Heiermann/Riedl/Rusam/Kullack, VOB, 10. Aufl., § 126 GWB Rdn. 3; Dippel in: jurisPK-Vergaberecht, § 126 Rdn. 22; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Bungenberg, Kartellrecht Bd. 2, GWB, § 126 Rdn. 10; Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 4; Niebuhr in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum Vergaberecht, § 126 Rdn. 10 ff.). Die Gegenauffassung stellt im Wesentlichen darauf ab, der Gesetzgeber hätte eine etwa gewollte verschuldensunabhängige Haftung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, weil es sich dabei um eine weder europarechtlich vorgegebene noch im Gesetzgebungsverfahren auch nur angesprochene Verschärfung der Haftung des Auftraggebers handele (Immenga/Mestmäcker/Stockmann, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 9) bzw. weil eine Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht grundsätzlich Verschulden voraussetze (Byok/Jaeger/Gronstedt, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl., Rdn. 1301; Jebens, DB 1999, 1741, 1743; vgl. auch Korbion, VgRÄG 1999, § 126 Rdn. 2).

bb) Der Senat tritt der ersteren Ansicht bei. § 126 Satz 1 GWB erfordert seinem Wortlaut nach, wie z. T. auch von der Gegenauffassung eingeräumt wird (vgl. Gronstedt, aaO), kein Verschulden. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung entspricht mit Blick auf die Verschuldensunabhängigkeit derjenigen in gesetzlichen Bestimmungen, in denen eine solche Haftungsverschärfung des Schuldners angeordnet ist (vgl. § 833 BGB, § 7 Abs. 1 StVG; §§ 1, 2 HPflG, § 1 ProdHaftG; § 1 UmweltHaftG).

Die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt zudem, dass der Gesetzgeber von Anfang an eine verschuldensunabhängig konzipierte spezialgesetzliche Regelung schaffen wollte. Nach § 135 des Regierungsentwurfs für das Vergaberechtsänderungsgesetzt (VgRÄG), aus dem § 126 Satz 1 GWB hervorgegangen ist, sollte ein Schadensersatz für die Kosten des Angebots oder die Teilnahme am Vergabeverfahren verlangendes Unternehmen lediglich nachweisen müssen, dass eine seinen Schutz bezweckende Vergabevorschrift verletzt worden ist und dass es ohne diesen Rechtsverstoß bei der Wertung der Angebote in die engere Wahl gekommen wäre (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 9). Soweit die Bestimmung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens umformuliert worden ist, diente das dem Zweck, den eigentlichen Charakter der Norm als Anspruchsgrundlage zum Ausdruck zu bringen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 36) und, worauf noch zurückzukommen sein wird (nachstehend II. 1. e) bb)), dazu, den Begriff der engeren Wahl durch den der echten Chance zu ersetzen. Dass der Nachweis des Verschuldens der Auftraggeberseite nicht vorgesehen war, wurde dagegen nicht infrage gestellt und nicht korrigiert.

e) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Tatbestandsmerkmal der echten Chance auf den Zuschlag bejaht hat, begegnen dagegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Wie dieses Tatbestandsmerkmal zu konkretisieren ist, beurteilt die Fachliteratur unterschiedlich. Eine Gleichsetzung mit dem aus der Angebotswertung nach der VOB/A bekannten Begriff der engeren Wahl wird überwiegend abgelehnt (vgl. Stockmann, aaO, § 126 Rdn. 14; Gronstedt, aaO Rdn. 1287 ff., Reidt/Stickler/ Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 126 Rdn. 18 ff., jew. m.w.N.; anders Marx, aaO, § 126 Rdn. 5; zum Streitstand auch Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 194 Tz. 12). Zum Teil wird vertreten, es reiche aus, wenn das fragliche Angebot zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe gehört (vgl. Glahs, aaO Rdn. 24). Vielfach wird darauf abgestellt, ob das Angebot nach dem dem Auftraggeber zustehenden Wertungsspielraum den Zuschlag hätte erhalten können (KG, Urt. v. 14.8.2003 - 27 U 264/02, VergabeR 2004, 496; Stockmann, aaO; Gronstedt, aaO Rdn. 1294; Bungenberg, aaO, § 126 Rdn. 7; Dippel, aaO, § 126 Rdn. 13 f.; Verfürth, aaO, § 126 Rdn. 17; ähnlich Schnorbus, BauR 1999, 77, 93).

bb) Der Senat tritt der letzteren Auffassung bei. Mit dem Attribut "echt" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung hätte haben müssen. Dafür reicht es nicht aus, wenn das fragliche Angebot in die engere Wahl gelangt wäre. Das ergibt bereits die historische Auslegung. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das VgRÄG vorgeschlagen, diesen Begriff durch den der echten Chance zu ersetzen, weil Ersterer darüber hinausgehe, was Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie verlange (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 37). Dem hatte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung bezüglich des Tatbestandsmerkmals der echten Chance zugestimmt (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 51 zu Nr. 37) und mit dieser Änderung ist der Gesetzentwurf verabschiedet worden. Hinzu kommt, dass das Kriterium der engeren Wahl sich zwar in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A findet, nicht aber in den entsprechenden Regelungen der anderen Verdingungsordnungen VOL/A und VOF, was ersichtlich damit zusammenhängt, dass es sich nicht überall als eigenständige Wertungsstufe eignet. Selbst nach der Systematik des Wertungsprozesses nach der VOB/A (vgl. BGHZ 139, 273) handelt es sich bei der engeren Wahl erst um eine Vorsichtung, die noch keinen Rückschluss darauf zulässt, ob jedes darin einbezogene Angebot große Aussichten auf den Zuschlag hat. Die Zugehörigkeit zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe ist generell wenig aussagekräftig dafür, ob tatsächlich die vom Gesetz vorausgesetzten Aussichten auf den Zuschlag bestehen. In Verfahren mit - wie im Streitfall - wenigen Teilnehmern ist dieses Kriterium schon von seinen Voraussetzungen her unpassend. Dass ein Angebot eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, kann vielmehr erst dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber darauf im Rahmen des ihm zustehenden Wertungsspielraums den Zuschlag hätte erteilen dürfen.

cc) Ob die Erteilung des Zuschlags an den Schadensersatz begehrenden Bieter innerhalb des dem Auftraggeber eröffneten Wertungsspielraums gelegen hätte, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur unter Berücksichtigung der für die Auftragserteilung vorgesehenen Wertungskriterien (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 i. V. mit § 10a lit. a VOB/A 2006, § 11 Nr. 1 Abs. 1 i. V. mit § 7 Nr. 2 Abs. 2 lit. i VOB/A-SKR 2006, § 25 Nr. 3, § 25a Nr. 1, § 25b Nr. 1 VOL/A 2006, § 11 Nr. 1 VOL/A-SKR 2006, § 16 Abs. 2, 3 VOF 2006) und deren Gewichtung (Marge, Matrix, Punktsystem, o. Ä.) beantwortet werden kann. Erst durch die Wertungsmaßstäbe und ihre ermessensfehlerfreie Anwendung kann der wirkliche Rang der einzelnen Angebote bestimmt und zuverlässig festgestellt werden, welches davon eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.

dd) Das Berufungsgericht hat die echte Chance des Angebots der Klägerin allein deswegen bejaht, weil es an zweiter Stelle hinter dem "rein preislich gesehen günstigsten Anbieter" gelegen und damit zur Spitze der Bieterliste gehört habe. Da das Berufungsgericht zu den Wertungskriterien keine weiteren Feststellungen getroffen hat, ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass allein der Angebotspreis maßgeblich war. Danach aber wäre es in Anbetracht des preislichen Abstands zu dem an erster Stelle liegenden Angebot nicht vom Wertungsspielraum der Vergabestelle gedeckt gewesen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen. Die im Berufungsurteil in Bezug genommenen Unterlagen (Anlage K 1, Seite 15 der Faxkennung) weisen im Übrigen allerdings darauf hin, dass der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte annehmbarste Angebot erteilt werden sollte.

Soweit das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, es hätte noch im Ermessen der Vergabestelle gelegen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen, handelt es sich entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht um eine autonome und das Revisionsgericht bindende Feststellung, sondern um ein rechtliches Resümee, welches das allein den Preis berücksichtigende Wertungsergebnis mit anderen Worten wiederholt, aber nicht den Schluss zulässt, dem klägerischen Angebot sei unter Berücksichtigung der gesamten geltenden, lediglich nicht in den Entscheidungsgründen mitgeteilten Wertungskriterien eine echte Chance auf den Zuschlag zugemessen worden.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht den Klageanspruch aus culpa in contrahendo für gerechtfertigt angesehen hat.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Anspruchsgrundlage allerdings neben § 126 Satz 1 GWB angewendet. Mit § 126 Satz 2 GWB, wonach weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz unberührt bleiben, stellt das Gesetz nur deklaratorisch klar, dass der im Vergabeverfahren benachteiligte Bieter nicht auf die Geltendmachung des negativen Interesses beschränkt ist. Eine wie auch immer zu verstehende Exklusivität des Satzes 1 der Bestimmung für Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens ist der Regelung nicht zu entnehmen.

b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens als solche betrifft, ein in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes enttäuschter Bieter Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Angebotskosten auch dann verlangen kann, wenn er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben oder zumindest eine echte Chance auf den Zuschlag i. S. von § 126 Satz 1 GWB gehabt hat.

aa) Die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, bei der die Regeln der VOB/A anzuwenden sind, können erwarten, dass dies schon bei den im Vorfeld der Ausschreibung liegenden Schritten geschehen ist (Sen.Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99, BB 2001, 1119; v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163). Vom Schutzbereich des Anspruchs aus culpa in contrahendo ist demnach auch die richtige Wahl der Verfahrensart umfasst.

bb) Allerdings kommt ein Anspruch aus culpa in contrahendo aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, regelmäßig allein für den Bieter in Betracht, der ohne den Verstoß den Zuschlag erhalten hätte. Das Ausschreibungsverfahren ist seinem Gegenstand nach ein Wettbewerbsverfahren, bei dem sich die unter Umständen beträchtlichen Aufwendungen der Bieter für die Erstellung der Angebotskosten nur beim Gewinner amortisieren, während sie bei den übrigen Teilnehmern regelmäßig kompensationslos verloren sind (vgl. Sen.Urt. v. 27.6.2007 - X ZR 34/04 Tz. 13, NZBau 2007, 727, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen). Ein Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen zum Nachteil eines nachrangigen Bewerbers wird deshalb regelmäßig nicht kausal für den bei ihm durch die Angebotsaufwendungen zu verzeichnenden Vermögensverlust sein. Dies gilt aber nicht ausnahmslos.

cc) Der Senat hat im Urteil vom 27. Juni 2007 entschieden, dass einem Bieter, der den Zuschlag nicht erhalten hat, gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz solcher Aufwendungen zustehen kann, die er nicht getätigt hätte, wenn die Vergabestelle ihm rechtzeitig bestimmte Informationen erteilt hätte (aaO Tz. 14 f.).

Vergleichbar verhält es sich nach Art des in Rede stehenden Verstoßes hier. Der Einwand, die einem Bieter entstandenen Angebotskosten wären nur dann nicht nutzlos gewesen, wenn er als Sieger aus dem Vergabewettbewerb hervorgegangen wäre, so dass Ersatz des Vertrauensschadens auch nur unter dieser Prämisse verlangt werden kann, greift nicht, wenn der Bieter ohne Vertrauen auf die - nicht gegebene - Rechtmäßigkeit der Einleitung gar kein Angebot oder ein solches nur unter anderen Voraussetzungen eingereicht hätte. In einer solchen Fallgestaltung wären die Angebotskosten bei hinweggedachtem Vertrauenstatbestand unabhängig vom Ausgang des Wettbewerbs nicht entstanden. Deshalb kommen bei einer solchen Sachlage auch solche Bieter als Gläubiger eines auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs in Betracht, die den Zuschlag nicht erhalten oder keine echte Chance darauf gehabt hätten.

dd) Dieser Anspruch steht einem Bieter - seiner Ableitung entsprechend - aber nur dann zu, wenn er die Kosten ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit nicht oder nicht so wie geschehen aufgewendet hätte. Die Haftung des Auftraggebers knüpft an das schutzwürdige Vertrauen des Bieter in den rechtmäßigen Ablauf des Vergabeverfahrens an (vgl. Sen.Urt., NZBau 2007, 727 Tz. 8 m.w.N). Das Berufungsgericht hat dies im Ausgangspunkt nicht verkannt und ausgeführt, einem in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Einleitung enttäuschten Bieter, der sich bei Kenntnis der Sachlage am Verfahren nicht beteiligt hätte, stehe ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo zu.

Dass die Klägerin sich in Kenntnis der Umstände nicht am ersten Vergabeverfahren beteiligt hätte, hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt. Dies verstünde sich auch nicht von selbst, so dass explizite Feststellungen dazu nicht entbehrlich waren. Nach Lebenserfahrung und wirtschaftlicher Vernunft ist nämlich kaum zu erwarten, dass ein Bieter gänzlich von der Bewerbung um einen Auftrag Abstand nehmen wird, wenn und bloß weil er erkennt, dass dieser fälschlicherweise nach Abschnitt 1 der VOB/A ausgeschrieben worden ist anstatt gemeinschaftsweit. Als naheliegende hypothetische Reaktionsmöglichkeit ist vielmehr zum einen in Erwägung zu ziehen, dass der Bieter die "Vorteile" des Verstoßes, etwa eine mangels internationaler Publizität erhoffte Abwesenheit ausländischer Konkurrenz, gegen Nachteile wie Defizite im Rechtsschutz und geringere Verfahrenstransparenz abwägen und sich - ggf. unter Spekulation auf die Möglichkeit einer nachträglichen Rüge - auf den nationalen Wettbewerb einlassen könnte. Dann vertraute er aber nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens und würde, wenn dieses wegen des von ihm erkannten Mangels nicht mit der Zuschlagserteilung endet, keinen Schaden im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens erleiden. Zum anderen kommt als Reaktion infrage, dass der Bieter die als falsch erkannte nationale Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren angreifen könnte. Nur wenn hypothetisch davon ausgegangen werden kann, dass er sich - abgesehen von der, wie ausgeführt, unwahrscheinlichen Möglichkeit der völligen Abstandnahme vom Vergabeverfahren - so verhält, kommt ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens infrage.

Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, kann die auf culpa in contrahendo gestützte Verurteilung der Beklagten keinen Bestand haben.

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen ferner die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen schuldhaften, dem Beklagten zuzurechnenden Vergaberechtsverstoß bejaht hat.

aa) Zweifelhaft erscheint bereits die verfahrensrechtlich einwandfreie Feststellung des objektiven Pflichtenverstoßes. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auf die Bindungswirkung des § 124 Abs. 1 GWB verwiesen, obwohl die Klägerin nicht Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens, sondern nur einfache Beigeladene war. Ob der Auftraggeber sich als Beklagter im Schadensersatzprozess in einem solchen Fall die Bindungswirkung der im Nachprüfungsverfahren gegen einen anderen Antragsteller rechtskräftig ergangenen Entscheidung entgegenhalten lassen muss, wird in der Fachliteratur unterschiedlich beurteilt (vgl. einerseits Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Rdn. 1725; Beck'-scher VOB/A-Komm./Gröning, § 124 GWB Rdn. 6; andererseits Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rdn. 1243 mit Fn. 7; Summa in: jurisPK-Vergaberecht, § 124 Rdn. 9). Die Frage bedarf indes hier keiner abschließenden Entscheidung, weil das Berufungsgericht jedenfalls das subjektive Verschulden nicht rechtsfehlerfrei bejaht hat.

bb) Soweit sich das Berufungsgericht für die Sorgfaltswidrigkeit der Vergabestelle auf den Beschluss des Vergabesenats vom 16. Dezember 1999 gestützt hat, hat es nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist, in welchem der Vergabesenat nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des erstinstanzlich unterlegenen Antragstellers verlängert (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Zur Schwellenwertproblematik ergibt sich aus dieser Entscheidung lediglich, dass die Vergabestelle den im Planfeststellungsverfahren ermittelten Wert von rd. 6,6 Mio. DM fortgeschrieben und vor der Einleitung des Vergabeverfahrens auf 8,03 Mio. DM netto beziffert, dazu aber im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens keine den Vergabesenat bei der summarischen Prüfung, ob die Vergabestelle zu Recht einen unterhalb des Schwellenwertes liegenden Betrag angenommen hatte, substanziell überzeugenden schriftlichen Unterlagen vorgelegt hatte. Daraus, dass nur unzulängliche Unterlagen zur Schätzung des Auftragswertes eingereicht worden waren, kann nicht ohne Weiteres auf eine vorsätzlich oder fahrlässig falsche Fehleinschätzung des Auftragswerts unterhalb des Schwellenwerts geschlossen werden.

cc) Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Verschulden der Vergabestelle allein daraus hergeleitet, dass der vom Vergabesenat bestellte Sachverständige den Gesamtauftragswert auf mindestens 12.100.000 DM geschätzt hat. Auch das ist nach den gesamten Umständen nicht tragfähig.

(1) Für die Frage, ob es schuldhaft war, den Auftragswert unterhalb des Schwellenwertes anzunehmen, ist davon auszugehen, dass seinerzeit nach § 2 Abs. 1 VgV i. V. mit § 1a VOB/A in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1992 der Gesamtauftragswert ohne Umsatzsteuer zu schätzen war. Die Vergabestelle musste eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert anstellen oder erstellen lassen (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx § 100 GWB Rdn. 7). Diese Prognose hat zum Gegenstand, zu welchem Preis die in den Verdingungsunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Da öffentliche Auftraggeber Bau-, Liefer- und Dienstleistungen im Wettbewerb beschaffen - und zwar nicht nur im Geltungsbereich des Vierten Teils des GWB (vgl. § 97 Abs. 1 GWB), sondern auch im Unterschwellenbereich (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß, § 2 VOB/A Rdn. 48, 50; Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A § 2 Rdn. 13) - kann der Wettbewerb als preisbeeinflussender Faktor bei der Schätzung nicht unberücksichtigt bleiben.

(2) Wie der Vergabesenat und das ihm folgende Berufungsgericht zu Recht angenommen haben, ist Stichtag für die Schätzung des Auftragswertes bei unterbliebener gemeinschaftsweiter Ausschreibung die Einleitung des Vergabeverfahrens. Dass die späteren Angebotspreise naturgemäß noch nicht in die Schätzung eingehen konnten, beantwortet indes noch nicht die Frage, ob das anschließende Wettbewerbsergebnis im nachträglichen Streit um die richtige Schätzung des Auftragswertes prozessual unberücksichtigt zu bleiben hat. Der Vergabesenat hat dem beauftragten Sachverständigen dieses Ergebnis vorenthalten und den von ihm ohne Kenntnis dieser Daten ermittelten Schätzwert seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Diese betrifft unbeschadet der Frage der förmlichen Bindungswirkung i. S. von § 124 Abs. 1 GWB aber, worauf die Revision zutreffend hinweist, jedenfalls nur den objektiven Verstoß.

(3) Der Verwertung des Wettbewerbsergebnisses für die Prüfung des subjektiven, dem Auftraggeber zuzurechnenden Verschuldens stand kein prozessuales Hindernis entgegen. Dieses Ergebnis zu berücksichtigen lag hier auch in der Sache nahe, weil bestimmte, in anderen Segmenten des Baubereichs verfügbare Erkenntnisquellen hier für die Schätzung nicht zur Verfügung standen. Die vom Sachverständigen über den mutmaßlichen Auftragswert erstellte Prognose war dadurch mit zusätzlichen Ungewissheiten behaftet. Der zeitnah nach dem für die Schätzung maßgeblichen Stichtag durchgeführte Vergabewettbewerb lieferte demgegenüber gewichtige Daten, mit denen kontrolliert und erhärtet werden konnte, ob der Schätzwert zutreffend prognostiziert worden war.

(4) Das günstigste im Wettbewerb abgegebene Angebot lag mit nicht ganz 8,6 Mio. DM netto um rd. 3,5 Mio. DM bzw. fast 29 % unter dem vom Sachverständigen angenommenen Mindestauftragswert von 12.100.000 DM netto und um rd. eine Mio. DM unter dem einschlägigen Schwellenwert von 9.606.331 DM. Noch das an dritter Stelle liegende Angebot der - die Überschreitung des Schwellenwertes geltend machenden - Bietergemeinschaft W. u. a. unterschritt diesen Wert um über 100.000 DM und nur das mit großem Abstand an letzter Stelle liegende vierte Angebot lag über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert.

In Anbetracht dieses im Wettbewerb um die ausgeschriebene Leistung zustande gekommenen Preisniveaus und -gefüges, bei dem nur eines von vier Angeboten den Schwellenwert überschritt, dabei aber einen sehr großen Abstand zu den übrigen Geboten aufwies, während die übrigen diesen Wert zum Teil deutlich unterschritten, war es rechtsfehlerhaft, allein aus dem vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert auf eine schuldhafte Fehlschätzung des Gesamtauftragswertes zu schließen. Dies hätte vielmehr näherer eigener Prüfung durch das Berufungsgericht bedurft.

III. Für das weitere Verfahren, in dem das Berufungsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:

Im Rahmen des Anspruchs aus § 126 Satz 1 GWB hat die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass die Zuschlagserteilung an sie innerhalb des Bewertungsspielraums der Vergabestelle gelegen hätte. Den öffentlichen Auftraggeber trifft aber nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast (vgl. BGHZ 140, 156, 158 f.) die Pflicht, die zugrunde gelegten Wertungskriterien, sofern sie nicht in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen mitgeteilt worden sind, sowie ggf. deren Gewichtung vorzutragen und ggf. substanziiert darzulegen, warum sie dem Angebot des nach § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz begehrenden Bieters den Zuschlag nicht wertungsfehlerfrei hätte erteilen können.

Sofern es für die Entscheidung darauf ankommt, ob der Klägerin ein Anspruch aus culpa in contrahendo zusteht, wird das Berufungsgericht zunächst nach entsprechendem Vortrag festzustellen haben, wie die Klägerin sich hypothetisch verhalten hätte, wenn sie nicht auf die Rechtmäßigkeit der nationalen Ausschreibung vertraut hätte (oben II. 2. b) dd)). Im Rahmen der Verschuldensprüfung wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass das Verschulden nichtschon dann bejaht werden kann, wenn der Vergabestelle oder ihren Erfüllungsgehilfen bei der Ermittlung des bisher vom Beklagten genannten Schätzwertes Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt. Eine Fehleinschätzung der Gesamtkosten gereicht der Vergabestelle erst dann zum Verschulden, wenn jegliche Schätzung unterhalb des Schwellenwertes vorwerfbar war.

Melullis Keukenschrijver Richterin am Bundes- gerichtshof Ambrosius ist urlaubsbedingt ge- hindert zu unterschrei- ben. Melullis Asendorf Gröning Vorinstanzen:

LG Koblenz, Entscheidung vom 14.06.2005 - 1 HKO 23/04 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.01.2007 - 12 U 1016/05 -