Hessisches LSG, Urteil vom 14.10.2014 - L 3 U 150/09
Fundstelle
openJur 2015, 7701
  • Rkr:
Tenor

I.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.II.Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.III.Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. wegen der Folge einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) beim Versicherten. Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten B. A., der 1952 geboren war und 2013 verstorben ist. Sie hat - wie im Erörterungstermin vom 21. August 2013 angegeben - mit dem Versicherten im Jahr vor seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft gelebt.

Der Versicherte hatte ab 1966 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert und war als solcher bis 1972 in den E. Eisenwerken in E-Stadt tätig gewesen. Nach Ableistung des Wehrdienstes arbeitete er ein halbes Jahr als LKW-Fahrer bei einer Spedition und sodann von Juni 1974 bis Juni 1976 in der Montage von Aluminiumfenstern bei der Firma J. Metallbau in A-Stadt. Anschließend war er bis Februar 1977 bei der Firma K. in K-Stadt im Apparatebau tätig, bevor er von März 1977 bis Ende 1985 beim Stahlwerk der Firma L. in E-Stadt beschäftigt war. Von Januar 1986 an arbeitete er bei der Firma M., M-Werke, in M-Stadt als Meister im Bereich der Endmontage beim Zusammenbau von Stahlschränken. Eine 2004 aufgetretene Lungenkrebserkrankung führte er auf seine Tätigkeit im Stahlwerk von 1977 bis 1985 zurück.

Der Versicherte litt seit den 80er Jahren an einer chronischen Sinusitis und war deswegen 1983, 1992 und 2000 operiert worden. Wegen einer chronischen Sinusitis und Bronchitis sowie Bandscheibenbeschwerden der gesamten Wirbelsäule absolvierte er vom 30. Januar bis 24. Februar 2001 ein Heilverfahren auf Kosten der BfA in der Schwarzbergklinik Bad Rappenau, wo er anamnestisch angegeben hatte, etwa 20 Zigaretten täglich zu rauchen (Heilverfahrensentlassungsbericht in der Akte des Versorgungsamtes Gießen). Laut Vorerkrankungsverzeichnis der Techniker-Krankenkasse Düsseldorf vom 21. Juni 2009 war er deren Mitglied seit Anfang 1987; das sinubronchiale Syndrom hatte beim Versicherten wiederholt zu Arbeitsunfähigkeitszeiten ab März 1995 geführt. Am 27. Juli 2004 suchte er nach einer Erkältung und einem seit 4 Wochen andauernden Husten aufgrund einer Empfehlung des Hausarztes O. den Internisten und Lungenfacharzt Dr. N. auf, der neben einer Raucherbronchitis zudem eine obstruktive Lungenerkrankung beim Versicherten feststellte und auf dem Röntgenbild einen tumorverdächtigen gut haselnussgroßen Herd im linken Oberfeld beschrieb. Der Versicherte hatte Dr. N. gegenüber erklärt, seit 30 Jahren 20-30 Zigaretten täglich geraucht zu haben (Bericht des Dr. N. vom 20. Juli 2005 an die Beklagte). Der Versicherte wurde am 26. August 2004 bei Dr. P. vorstellig, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie des HSK-Klinikums in Wiesbaden, der den Tumorverdacht durch CT bestätigte. Der Versicherte wurde sodann ab 1. September 2004 stationär in der Klinik aufgenommen, wo am 7. September 2004 im Rahmen einer Thorakotomie mit erweiterter Lungenoberlappenresektion und Entfernung von Lymphknoten der Lungentumor entfernt wurde, der histologisch als peripher großzelliges, neuroendokrines Karzinom im Stadium II a bewertet wurde. Die weiteren Diagnosen in der Klinik lauteten auf chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinmissbrauch. Der Klinikaufenthalt endete am 5. Dezember 2004. Die Tumornachsorge übernahmen Dres. Q. und R., die neben dem Bronchialkarzinom eine obstruktive Lungenerkrankung diagnostizierten bei Zustand nach Nikotinmissbrauch und langjährigem Nikotinkonsum im Umfang von 30 Packungsjahren und ab 1. März bis Juni 2005 eine Chemotherapie in 4 Zyklen durchführten. Im April 2007 nahm der Versicherte die Arbeit bei der Firma M. bei Wechsel der Tätigkeit wieder auf. Nachdem die weitere Nachsorge in der Universitätsklinik Marburg sowie bei der Lungenfachärztin Dr. G. zunächst unauffällig verlaufen war, wurde im November 2012 beim Versicherten der Verdacht auf eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse erhoben, die unter der Diagnose B-Zell-Lymphom mit Befall von Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm im Klinikum Wetzlar bestätigt wurde und an der der Versicherte am …2013 verstarb.

Der Versicherte hatte sich am 31. April 2005 an die Beklagte gewandt mit dem Begehren, seine Bronchialkrebserkrankung als BK anzuerkennen. Er führte die Erkrankung auf seine Tätigkeit im Stahlwerk der Firma L. zurück, wo er ständig Chrom sowie Chrom-Nickel-Stäuben ausgesetzt gewesen sei. Er habe oft hoch legierte Stähle mit Elektroden und Schutzgas schweißen müssen und habe auch Asbestkontakt gehabt. Auf Veranlassung der Beklagten besuchten die Mitarbeiter T. und U. den Versicherten am 13. Mai 2005 zuhause, worüber sie den Bericht vom gleichen Tage fertigten. Darin finden sich die Angaben des Versicherten zu früheren Erkrankungen, zum Beschwerdebeginn der als BK geltend gemachten Erkrankung ab Juli 2004 sowie zum Nikotinkonsum bis zum 26. August 2004 in Höhe von etwa 20 Zigaretten täglich. Die Beklagte zog Berichte des HSK-Klinikums vom 30. August, 11. September, 5. Oktober und 2. Dezember 2004 bei, zudem histologische Befunde der Frau Prof. S. vom 10. bis 21. September 2004. Die Berichte des Dr. N. vom 20. Juli 2005 sowie der Dres. Q. und R. vom 4. April und 6. Juni 2005 wurden ebenso beigezogen wie der des Hausarztes O. vom 20. August 2005. Die Beklagte ließ das Vorerkrankungsverzeichnis der Techniker-Krankenkasse Düsseldorf vom 21. Juni 2005 übersenden und zog die Schwerbehindertenakte des Versicherten vom Versorgungsamt Gießen bei. Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als BK ließ sie die Stellungnahme der Diplomingenieure F. und T. vom 15. Juni 2005 erstatten, die eine Gefährdung im Sinne der BK Nummer (Nr.) 4104 im Umfang von 1,3 Asbestfaserjahren annahmen und in geringem Maße auch eine Gefährdung im Sinne der BK Nr. 1103 durch Chromeinwirkung. Zu den beruflichen Belastungen führte die Stellungnahme aus:

„Bei dem Mitgliedsunternehmen L., E-Stadt, war der Versicherte als Anlagenbediener in den Bereichen Glüh- und Beizlinien, Kaltbandlinie bzw. Warmbandlinie tätig. Nach 3 Jahren wurde er Vorarbeiter und nach der Meisterprüfung als Meistervertreter eingesetzt. Vor allem in den Bereichen der Öfen der Warmbandlinie fällt Zunderstaub an. Messungen durch den technischen Dienst der BG 5 ergaben in den 90-iger Jahren keine Überschreitung der Grenzwerte für die allgemeine Staubfraktion bzw. Nickel und Verbindungen. Auch wenn die verarbeiteten Edelstähle teilweise einen hohen Chromanteil besaßen, entstehen bei dieser Verarbeitung keine Chrom(VI)-Verbindungen. Das Chrom liegt als metallisches Chrom, eventuell als Chrom(III)-Verbindung vor. Als Springer war der Versicherte auch regelmäßig (ca. 2mal in der Woche über 2 - 4 Std.) an den Schweißautomaten tätig. Hier werden die Bänder nach dem Metall-Aktivgasschweißverfahren aneinander geschweißt. Die Schweißnaht muss vom Bediener kontrolliert werden, so dass er dabei Schweißrauchen ausgesetzt ist. Als Schweißzusatzstoff wird Chrom-Nickel-Stahl-Massivdraht eingesetzt. Gemäß der BGl 593 „Schadstoffe beim Schweißen“ enthält dieser Schweißrauch zwar bis zu 17% Chrom-Verbindungen, der aber fast ausschließlich dreiwertiges Chrom enthält. Bei Bandrissen musste der Versicherte die Bänder mit dem Lichtbogenhandschweißverfahren aneinander heften. Beim Lichtbogenhandschweißen mit hochlegierten Stabelektroden entstehen Konzentrationen an Chrom(VI)-Verbindungen, die häufig oberhalb des Grenzwertes liegen. Der Bandriss trat ca. 1 - 2 Mal pro Woche auf. Das Anheften dauerte ca. 0,5 Std. Die für den Betrieb zuständige Sicherheitsfachkraft, Herr V., gab an, dass bis 1985 im Bereich der Öfen für den Rollgang asbesthaltige Scheiben eingesetzt wurden. Diese mussten regelmäßig von den Bedienern ausgewechselt werden. Ab 1985 wurden keine asbesthaltigen Scheiben mehr verwendet. Die Befragung des Versicherten gab keinen Hinweis darauf, dass er bei seinen anderen Beschäftigungsverhältnissen Umgang mit Chrom(VI)-Verbindungen oder Asbest hatte.“

Zudem zog die Beklagte die Auskunft der Firma L. GmbH vom 9. August 2005 bei über die dortige Tätigkeit des Versicherten vom 4. April 1977 bis 31. Dezember 1985 und veranlasste die beratungsärztliche Stellungnahme des Lungenarztes Dr. W. vom 28. Juli 2005. Dieser verneinte das Vorliegen einer BK der Nummer 1103, da der Versicherte einer Chrombelastung nur in geringem Umfang unterlegen habe. Bei der überwiegenden Zahl der Arbeitsvorgänge sei eine Belastung mit Chrom-VI-Verbindungen nicht aufgetreten. Beim Versicherten hätten weder eine Asbestose/Minimalasbestose noch Pleuraplaques röntgenologisch festgestellt werden können. Die Asbestexposition im Umfang von 1,3 Faserjahren sei zu gering gewesen, so dass die Voraussetzungen einer BK der Nr. 4104 nicht bejaht werden könnten. Mit zwei Bescheiden vom 25. August 2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 8. Dezember 2005 lehnte die Beklagte sowohl die Anerkennung einer BK der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) wegen Chrombelastung als auch der Nr. 4104 wegen Asbestbelastung ab und bezog sich dabei auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. W.

Dagegen hatte der Versicherte am 20. Dezember 2005 vor dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klagen eingelegt (Az. S 3 U 266/05 wegen der BK Nr. 1103 und Az. S 3 U 267/05 wegen der BK Nr. 4104), die das Sozialgericht mit Beschluss vom 24. März 2008 verbunden hatte. Zur Begründung hatte der Versicherte vorgetragen, er habe zum einen einer höheren Asbestbelastung unterlegen als von der Beklagten angenommen. Zum anderen sei auch die Schweißrauchexposition in weit höherem Ausmaß anzunehmen als von der Beklagten bisher festgestellt. Wegen Einzelheiten wird Bezug genommen auf die klagebegründenden Schriftsätze vom 30.03. und 18.08.2006 (Bl. 21 ff., 33 ff. der Gerichtsakte - GA).

Die Beklagte hatte vor dem Sozialgericht die weitere Stellungnahme der Diplomingenieure F. und T. vom 16. Juni 2006 überreicht, worin diese eine erneute Asbestfaserjahrberechnung mit dem Ergebnis von 2,0 Faserjahren vorgenommen hatten.

Das Sozialgericht hatte im Kammertermin vom 27. März 2008 den Versicherten persönlich angehört sowie die früheren Mitarbeiter des Versicherten Ü., Ö., Ä. und X. als Zeugen zu den Arbeitsumständen bei der Firma L. im Stahlwerk – vor allem im Hinblick auf die Asbest- und Schweißrauchbelastung. Wegen Einzelheiten der Angaben/Aussagen wird auf das Terminprotokoll Bezug genommen (Blätter 74-85 GA). Sodann hatte es den vom Versicherten im Kammertermin überreichten Arbeitshandschuh analysieren lassen, wobei die Beteiligten darüber gestritten hatten, ob dieser asbestbelastet sei. Der Analysebericht des Gefahrstofflabors Physik vom Juli 2008 führte zu dem Ergebnis, dass der Handschuh aus Chrysotilasbest bestand. Daraufhin ließ die Beklagte die weiteren Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes vom 22. September und 16. Dezember 2008 erstatten, die unter zusätzlicher Berücksichtigung des Tragens von Asbesthandschuhen beim Ofenrollenwechsel und bei Bandrissen zu einer Asbestfaserjahrbelastung von 5,1 gelangten.

Das Sozialgericht ließ das arbeitsmedizinisch-fachinternistische Gutachten des Prof. D. vom 16. Dezember 2008 erstatten, der ein arbeitsmedizinisch-lungenstaubanalytisches Zusatzgutachten und eine Neuberechnung der Asbestfaserbelastung veranlasste. Diplom-Ingenieur Y. hatte unter dem 10. November 2008 für den Sachverständigen eine eigene Asbestfaserjahrberechnung angestellt und war unter Berücksichtigung der Berufsanamnese und der schriftlichen Angaben des Versicherten unter Verwendung des BK-Reports „Faserjahre 2007“ zu einer Gesamtschätzung von 7,5 Asbestfaserjahren gelangt. Das von Prof. D. in Zusammenarbeit mit dem Diplomchemiker Dr. Z. und dem Diplom-Ingenieur CC. erstattete Zusatzgutachten von 3.11.2008 gelangte zu dem Ergebnis, dass in der Lungenstaubanalyse eine deutlich erhöhte und für die Lungenkrebserkrankung relevante Asbestfaserstaubdosis nicht habe nachgewiesen werden können. Im Übrigen führte das Gutachten aus:

„Stattdessen konnte jedoch im Lungenstaub vermehrt Chrom festgestellt werden. … Mit der von uns durchgeführten quantitativen Elementanalyse ergab sich ein Chromgehalt von etwa 3 Masse-%. Dieses entspricht in der Asche einer Konzentration von etwa 30 mg pro Gramm. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich noch ein hoher Anteil löslicher Salze in der Asche aufgrund der Kaltveraschung befindet. Es handelt sich hierbei um die wasserunlöslichen Ascheanteile. Unter Berücksichtigung dieses Anteils würde die Abschätzung bei etwa 0,3-3 mg/g trockenem Lungengewebe Chrom entsprechen. Dies bedeutet im Vergleich zur Atomabsorptionsspektrophotometrie eine erhebliche Überschreitung der Normbereichsobergrenze von etwa 3,2 µg oder 0,03 mg/g Trockengewicht. Demzufolge lässt sich aus dem Biomonitoring eine erhebliche Chrombelastung der Lungen ableiten. Demzufolge können die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 1103 der BKV hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.“

Prof. D. selbst hat ausgeführt, die Röntgenbilder des Versicherten hätten eine Lungen- oder Pleuraasbestose nicht belegt bei folgenden Diagnosen im Übrigen:

Zustand nach Oberlappenresektion links nach nicht kleinzelligem Lungenkarzinom im Lungenoberlappen, chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinmissbrauch im Umfang von 30 Packungsjahren, anamnestisch chronisch-rezidivierende Nebenhöhlenentzündungen bei Zustand nach dreimaliger Kiefer- und Stirnhöhlenoperation. Von 1972 bis 2004 habe der Versicherte nach eigenen anamnestischen Angaben mit kurzen Rauchpausen kumulativ 30 Packungsjahre Zigarettenrauch inhaliert. Der Versicherte sei bei der Firma L. einer Reihe von Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen, die nachweislich Lungenkrebs verursachen könnten: vor allem Chromat und Asbest, im nachgeordneten Maße auch Nickel. Messergebnisse bezüglich Chromat und Nickel am Arbeitsplatz des Versicherten lägen nicht vor und eine kumulative Dosis sei bisher sicherheitstechnisch nicht ermittelt worden. Die haftungsbegründende Kausalität, an einer BK der Nrn. 1103 bzw. 4104 zu erkranken, sei danach grundsätzlich gegeben. Eine BK der Nr. 4104 sei dennoch beim Versicherten nicht anzunehmen, da keine Asbestose von Lunge oder Zwerchfell bestehe und eine Asbestfaserkonzentration im Umfang von maximal 7,5 Faserjahren bestätigt sei. Auch die BK Nr. 4109 (Nickel oder dessen Verbindung) könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der Versicherte sei Schweißrauchen mit Nickelbestandteilen ausgesetzt gewesen, ohne dass sicherheitstechnisch eine kumulative Nickeldosis habe ermittelt werden können. Bisher lägen nur wenige Daten zum Lungenkrebsrisiko in Abhängigkeit zur kumulativen Nickel-Dosis vor. Aussagekräftige Studien existierten derzeit nicht, ab welcher Nickeldosis sich das relative Risiko für Bronchialkarzinome durch Nickel verdoppele. Eine BK der Nr. 1103 sollte beim Versicherten angenommen werden bei nachgewiesener deutlicher Chrom-Lungenbelastung. Der Versicherte sei beim Schweißen gegenüber Chrom-VI-Verbindungen exponiert gewesen, wobei vor allem das Lichtbogenhand (LBH) -Schweißverfahren und das Metall-Aktivgas (MAG) -Schweißverfahren zum Einsatz gekommen seien. Diverse epidemiologische Studien belegten eine erhöhte Bronchialkarzinommortalität durch sechswertige Chromverbindungen. Gibb und andere hätten in einer Studie aus dem Jahr 2000 das Verdopplungsrisiko für Lungenkrebserkrankungen bei einer Chrom-VI-Dosis von bereits 300 µg/m³ x Jahre angenommen. Eine kumulative Chromat-Dosis sei sicherheitstechnisch nicht ermittelt worden. Die BK Nr. 1103 gebe kein Grenzkriterium vor. Das lungenstaubanalytische Gutachten habe eine erhöhte Chrombelastung des Lungengewebes belegt, was einen eindeutigen Hinweis auf eine Gefährdung durch Chrom im Biomonitoring darstelle. Die Nickel- oder die Asbestbelastung des Versicherten unter monokausalen Gesichtspunkten reichten nicht aus, um ein Bronchialkarzinom zu verursachen. Die hohe Chrombelastung der Lunge spreche für eine berufliche Verursachung des Karzinoms infolge der Schweißrauche im Sinne der Synkanzerogenese mehrerer nachweislich krebserzeugender Gefahrstoffe am gleichen Organ. Daher sei die Verursachung des Bronchialkarzinoms durch berufliche Gefahrstoffe hinreichend wahrscheinlich. Beim Versicherten habe ein konkurrierender Risikofaktor aus dem nichtberuflichen Tabakkonsum im Umfang von 30 Packungsjahren bestanden, wobei der langjährige Nikotinkonsum das Lungenkrebsrisiko verzehnfache. Aufgrund der hohen Chrombelastung der Lunge stelle der Berufsschadstoff aber eine wesentliche Teilursache der Lungenkrebserkrankung dar. Daher seien neben den arbeitstechnischen auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung des Bronchialkarzinoms im Sinne einer BK der Nr. 1103 beim Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt, woraus spätestens seit der histologischen Sicherung der Diagnose einer Lungenkrebserkrankung im September 2004 eine MdE von 100 v.H. resultiere.

Die Beklagte hatte zum Gutachten die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 18. Februar 2009 vorgelegt, wonach aufgefundene Messprotokolle vom 12. März 1993, die bei Bandrissen und damit verbundenem LBH-Schweißen erhoben worden seien, eine Chrom-VI-Belastung in Höhe von 91,9 Chrom-VI-Jahre ergeben hätten, die weit unter der von Popp und Norpoth für die Anerkennung eine BK der Nr. 1103 vorgeschlagenen Grenze von 2000 Chrom-VI-Jahren liege. Der Versicherte hatte dem widersprochen und dargelegt, die Messung aus dem Jahre 1993 sei unter völlig anderen Voraussetzungen erfolgt. Er habe im Stahlwerk noch an einer Altanlage arbeiten müssen, dem gegenüber sei an einer neu eingerichteten Anlage gemessen worden. Im Übrigen hatte er sich im Wesentlichen dem Gutachten des Prof. D. angeschlossen unter Hinweis darauf, dass er in den ersten eineinhalb Jahren nicht als Beizer, sondern als Schweißer tätig gewesen sei und insgesamt nicht 7 3/4 sondern 8 3/4 Jahre als solcher gearbeitet habe. Im Kammertermin vom 28. Mai 2009 hatte er einen Schweißvorgang bei Verbindung zweier gerissener Bänder demonstriert und ergänzend die Gesamtzahl der Schweißvorgänge sowie die Anzahl der dabei verwendeten Stabelektroden aufgelistet.

Mit Urteil vom 28. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK der Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und nach einer MdE von 100 v.H. ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu entschädigen. Im Hinblick auf die BK-Nr. 4104 habe der Versicherte die Anerkennungsvoraussetzung nicht erfüllt: Weder seien asbesttypische Veränderungen von Lunge oder Zwerchfell belegt noch eine Asbestfaserbelastung im Umfang von mindestens 25 Faserjahren. Demgegenüber sei eine BK der Nr. 1103 zu bejahen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt, wobei das Sozialgericht die Aussagen der Zeugen Ü., Ö., Ä. und X. in der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2008 sowie die Darstellung des Versicherten vom 29.03.2009 für zutreffend gehalten und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Versicherte habe von April 1977 bis Dezember 1985 im Bereich der Edelstahlbehandlungsanlagen der L. GmbH in E-Stadt gearbeitet. Zu seinen Tätigkeiten habe u.a. das Schweißen der Coils/Bänder an deren regulärem Ende sowie bei unvorhergesehenen Bandrissen mittels hochlegierter Stabelektroden gezählt. Bei den Schweißarbeiten habe sich der Schweißer mit dem Oberkörper/Kopf unmittelbar über dem Schweißpunkt befunden, um eine ordnungsgemäße Verbindung der Schweißstücke sicherzustellen. Es habe weder Absaug- noch sonstige Atemschutzmaßnahmen gegeben. In den Schweißrauchen würden lösliche Chrom-VI-Verbindungen insbesondere in Gegenwart von Sauerstoff beim Elektrohandschweißen entstehen, während beim Schutzgasschweißen verstärkt unlösliche Chrom- und Nickelverbindungen beobachtet würden. Der Versicherte sei überwiegend mit Elektrohandschweißen beschäftigt gewesen, da Schutzgasschweißen nur im Bereich der Warmbandlinie angewandt worden sei. Auch die haftungsbegründende Kausalität sei monokausal zu bejahen, da der Versicherte erheblich Chrom-VI-belastet gearbeitet habe. Weder die einmalig gemessene Chrom-VI-Belastung von 91,9 mg x Jahre noch der Vorschlag für eine Verdoppelungsdosis durch Prof. Brüning von 2000 mg x Jahre überzeugten. Nach den von Prof. D. zitierten neueren Studien bestehe auch unterhalb dieses Grenzwerts ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entstehung von Lungentumoren. Die bei Untersuchung des veraschten Lungengewebes erhobenen Chrombelastungswerte belegten, dass der Versicherte in deutlich höherem Umfang als die übrige Bevölkerung chromatexponiert gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Auftretens der Krebserkrankung passe die Expositionskarenz von über 2 Jahrzehnten. Demgegenüber trete die Raucheranamnese des Versicherten zurück. Es sei vielmehr infolge der kombinierten inhalativen Einwirkung mehrerer krebserzeugender Gefahrstoffe auf das gleiche Zielorgan Lunge vom Auftreten einer synergistischen Kanzerogenität auszugehen, wobei die daraus resultierende MdE von 100 v.H. von Prof. D. überzeugend begründet worden sei.

Gegen das ihr am 1. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. Juli 2009 Berufung eingelegt mit der Begründung, der erstinstanzlichen Entscheidung wie auch dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. D. sei nicht zu folgen. Denn die messtechnisch erwiesene Belastung mit 91,9 Chrom-VI-Jahren sei zu gering, um Lungenkrebs zu verursachen, wobei Brüning, Norpoth und Popp als Verdoppelungsdosis 2000 Chrom-VI-Jahre vorgeschlagen hätten. Es sei nicht überraschend, dass beim Versicherten ein hoher Chromgehalt im veraschten Lungengewebe festgestellt worden sei, was bei Edelstahlwerk-Mitarbeitern häufig zu beobachten sei. Für die BK Nr. 1103 sei dieser Umstand aber nicht aussagekräftig, da die Untersuchung mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) nicht zwischen lungenkrebsrelevanten und dafür irrelevanten Chromarten unterscheiden könne. Die Beklagte hat zur Begründung der Berufung die weitere Stellungnahme des technischen Aufsichtsbeamten Dr. DD. vom 15. Dezember 2009 sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. C. vom 4. März 2010 vorgelegt. Dr. DD. hat nochmals die bei den Stellungnahmen des Präventionsdienstes berücksichtigten Schweißvorgänge im Detail aufgelistet, die umfassend berücksichtigt worden seien. Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass der Versicherte die Dosis von 2000 Chrom-VI-Jahren weit verfehlt habe und dass die REM-Befunde im Hinblick auf eine Chrom-VI-Belastung des Lungengewebes nicht aussagekräftig seien. Die Chromanalyse im Lungengewebe beinhalte lediglich das Gesamtchrom in den Oxidationsstufen 0, III und VI, wobei nur Chrom in der Oxidationsstufe VI Lungentumore auslösen könne. Die Verdoppelungsdosis werde beim Versicherten auch bei synkanzerogenem Einwirken nicht erreicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 aufzuhebenund die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Versicherte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat mit Schriftsätzen vom 15. Oktober 2009 sowie vom 7. Mai 2010 auf die Berufung der Beklagten erwidert, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Blätter 317 ff., 343 ff. GA). Mit Schriftsätzen vom 13. Oktober 2010 sowie vom 6. Dezember 2010 (Blätter 420 ff., 437 ff. GA) hat er weitergehende Belastungen in seiner Tätigkeit als Schweißer geltend gemacht, die seines Erachtens ausreichen sollen, die von Brüning und Norpoth gezogene Grenze von 2000 Chrom-VI-Jahren zu übertreffen.

Der Senat hat den Bericht der behandelnden Lungenärztin Dr. G. vom 12. Juli 2011 beigezogen und die weitere Stellungnahme des Prof. D. vom 20. Juli 2010 veranlasst, der eine ergänzende arbeitsmedizinisch-lungenstaubanalytische Zusatzbegutachtung in Zusammenarbeit mit Dr. Z. und Dipl.-Ing. CC. vom 21. Juli 2010 durchgeführt hat zur Überprüfung, ob der Chromgehalt im Lungengewebe des Versicherten auf Schweißrauchpartikel zurückzuführen sei. Das Zusatzgutachten ist zu dem Ergebnis gelangt, im Lungenstaub habe Chrom mit einem Gehalt von etwa 3 Masse-% im Flächenspektrum nachgewiesen werden können. Die zusätzliche REM-Untersuchung zeige zahlreiche eisen- und chromhaltige Partikelanhäufungen sowie eisen-, chrom- und nickelhaltige Partikel. Die vorgefundenen rundlichen Formen seien typisch für Schweißrauche. Chrom-VI-Verbindungen entstünden beim Schweißen - insbesondere beim Lichtbogenschweißen mit umhüllten Stabelektroden. Der Nachweis einer erhöhten Chromatexposition infolge von Schweißrauchen sei danach beim Versicherten eindeutig erbracht und eine erhöhte Chromeinwirkung durch Schweißrauche im Biomonitoring zweifelsfrei belegt, so dass am Vorliegen einer BK der Nr. 1103 kein Zweifel zu hegen sei. Demgegenüber sei die Annahme einer Chrombelastung im Umfang der 1993 einmalig durchgeführten Messung problematisch. Die Belastung des Versicherten würde sechsfach höher ausfallen, wenn man dessen Angaben zugrunde lege. Diverse Studien aus dem Bereich der chromatherstellenden Industrie hätten ergeben, dass zumindest ab 1000 Chromatjahren die Verdoppelungsdosis gesichert sei, so dass der Wert von 2000 Chromatjahren als überholt zu gelten habe und nicht mehr dem aktuellen Wissensstand entspreche. Beim Versicherten sei von einer Synkanzerogenese von Asbest, Chrom, und Nickel auszugehen bei zumindest additiver Wirkungsweise.

Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme des Dr. C. vom 6. September 2010 vorgelegt, wonach es als spekulativ anzusehen sei, die an Beschäftigten in der Chromatindustrie gewonnenen Daten, die dort reinen Chrom-VI-Verbindungen ausgesetzt seien, auf Schweißer zu übertragen. Anders als bei der BK Nr. 4114 beim Zusammenwirken von PAH und Asbest sei für das Zusammenwirken von Chrom und Asbest bisher keine Festlegung des Verordnungsgebers erfolgt.

Der Senat hat zur Vorbereitung der abschließenden arbeitstechnischen Bewertung die beruflichen Schadstoffbelastungen des Versicherten im gerichtlichen Schreiben vom 16.03.2011 zusammengefasst, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Dieser Zusammenfassung hat der Versicherte im Wesentlichen zugestimmt und hat auf zusätzliche Belastungen verwiesen durch Verwendung des Entfettungsmittels Trichloräthylen an der Kaltbandlinie sowie die Dampfentwicklung beim Elektrolytbeizverfahren unter Einsatz von Ammoniumnitrat und Siliziumelektroden, wozu wegen Einzelheiten auf seine Schriftsätze vom 13. Oktober 2010 und 15. April 2011 (Blätter 420 ff. und 467 ff. GA) verwiesen wird. Hierzu hat der Präventionsdienst der Beklagten mit Stellungnahme vom 14. September 2011 ausgeführt, Trichloräthylen und Ammoniumnitrat seien keine lungenkarzinogenen Stoffe. Es sei unbestritten, dass der Versicherte Säuredämpfen am Elektrolytbeizbecken ausgesetzt gewesen sei, die aber ebenfalls nicht lungenkarzinogener Natur gewesen seien.

Zur Klärung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hat der Senat sodann das technische Sachverständigengutachten der Diplom-Ingenieurchemikerin H. vom 14. September 2012 eingeholt. Die Sachverständige hat beim Versicherten eine Belastung durch Asbest im Umfang von 12,66 Faserjahren ermittelt. Sie hat dabei den BK-Report 1/2007 zu Grunde gelegt sowie die Tätigkeiten des Versicherten beim Auswechseln von Asbestscheiben und von Dichtungsmaterialien und bei der Störungsbeseitigung von Bänderrissen bewertet. Bei diesen Tätigkeiten habe er Schutzkleidung aus asbesthaltigen Textilien getragen. Den Messbericht der Beklagten vom 15. März 1984 bezüglich Asbest habe sie nicht berücksichtigen können, da es sich um eine Einzelmessung gehandelt habe, die entscheidende Tätigkeiten mit Asbestexposition – beispielsweise das Auswechseln von Ofenrollen - nicht erfasst habe. Ein derartiger Messwert stelle zudem eine Momentaufnahme dar. Meßreihen lägen nicht vor. Die Analyse des Schutzhandschuhs im Gefahrstofflabor habe bestätigt, dass die Schutzkleidung, die der Versicherte getragen habe, aus Asbest gewesen sei. Die Ermittlung der Schweißrauchbelastung beim Versicherten habe ergeben, dass er als Schweißer einer Chromatexposition sowie einer Exposition gegenüber Nickel und seinen Verbindungen unterlegen habe. Beim Schweißen bestimme die Art des Schweißverfahrens die Menge der entstehenden Schweißrauche. In der Regel entstünden über 95 % der Schweißrauche aus dem Zusatzwerkstoff und nur etwa 5 % aus dem Grundwerkstoff. Sie habe verfahrensspezifische sowie werkstoffspezifische Faktoren herangezogen und die Arbeitsplatzverhältnisse berücksichtigt, wobei davon auszugehen gewesen sei, dass keine Absaugung bei den Schweißarbeiten eingesetzt worden sei. Zum zeitlichen Umfang der Schweißarbeiten habe sie die Angaben des Versicherten für den Bereich der Kaltbandlinie im Einlaufbereich, als Springer, als Vorarbeiter und Meistervertreter sowie für die Schweißarbeiten bei Bandrissen zugrunde gelegt. Gehe man von 220 Arbeitstagen im Jahr aus, so ergebe sich bei 60 Elektroden pro Tag eine Anzahl von 13.500 Elektroden pro Jahr für einen Vollschweißer. Bei einer Arbeitsdauer von 8,838 Jahren ergebe sich für einen Vollschweißer eine Summe von 119.313 Elektroden. In dem der Gerichtsakte beigefügten Video habe der Versicherte eine typische Schweißtätigkeit mit Stabelektroden vorgeführt und habe für einen Schweißvorgang bei einem Blech von 1,25 m Breite 5 Elektroden benötigt. Diese Anzahl habe er auch immer wieder angegeben. Ausgehend von einer Lichtbogenbrenndauer von bis zu 1,5 Minuten im Video sei von einer Lichtbogenbrenndauer von maximal 7,5 Minuten bei Anwendung von 5 Elektroden auszugehen. Den Angaben des Versicherten, dass er während seiner Tätigkeit etwa 41.000 Elektroden verschweißt habe, könne somit nicht widersprochen werden. Hinsichtlich des Werkstoffes sei sie davon ausgegangen, dass Edelstähle verarbeitet worden seien. Der Versicherte habe Chrom-Nickelstähle bearbeitet und verschweißt und habe überwiegend hochlegierte Stabelektroden eingesetzt, was typisch für das LBH-Schweißen sei. Nach Angaben des Versicherten seien Stabelektroden mit der Bezeichnung Novonit 4551R und 4337R in den Stärken 2,5 und 5 mm verwendet worden. Beide Stabelektroden seien rutilumhüllt - es handele sich um hochlegierte umhüllte Stabelektroden mit bis zu 29 % Chrom - und 9 % Nickelanteilen. Messergebnisse lägen für die Arbeitszeiten des Klägers nicht vor. Die Beklagtenmessung vom 12. März 1993 beziehe sich auf eine Bandschweißmaschine und sei nicht repräsentativ für Schweißarbeiten mit Stabelektroden und könne daher zur Bewertung nicht herangezogen werden. Deshalb habe sie auf den BIA-Report 2/96 „Zur Expositionssituation krebserzeugender Gefahrstoffe am Arbeitsplatz“ zurückgegriffen. Darin befänden sich für den Zeitraum von 1989 bis 1992 Messdaten für Chrom-VI-Verbindungen, die bei thermischen Prozessen als unerwünschte Reaktionsprodukte entstünden sowie für Nickel und seine Verbindungen. Bei diesen Messungen seien überwiegend basisch umhüllte Stabelektroden verwendet worden. Bei rutilumhüllten Elektroden - wie vom Kläger verschweißt - lägen geringere Expositionen vor. Für die Expositionshöhe bei der Ermittlung der Chrom-VI-Jahre seien 220 µg/m³ angesetzt worden, da weitestgehend Schweißarbeiten mit Stabelektroden durchgeführt worden seien. Für die Tätigkeit der Störungsbeseitigung habe sie den Wert der Beklagten von 400 µg/m³ übernommen, da die Bandrisse auch in unzugänglichen Bereichen hätten repariert werden müssen und dabei mit höheren Konzentrationen habe gerechnet werden müssen. Bei Ermittlung der Nickeljahre sei für die Expositionshöhe durchschnittlich ein Wert von 150 µg/m³ berücksichtigt worden. Die Anwendung des Rechenprogramms habe 307,51 Chrom-VI-Jahre und 196,04 Nickeljahre ergeben. Nach derzeitigem BK-Recht gebe es keine verbindliche Dosis - oder Grenzwerte für Chrom-VI-Verbindungen und für krebserzeugende Nickelverbindungen. Die Vorschläge von Norpoth und Popp im Umfange von 2000 Chrom-VI-Jahren und 5000 Nickeljahren basierten auf der Annahme einer zehnjährigen Exposition unter den ehemaligen TRK-Werten für diese Verbindungen. Diese Dosiswerte seien derzeit nicht rechtsverbindlich und der Versicherte habe die nicht rechtsverbindlichen Dosiswerte von Popp und Norpoth nicht erreicht. Das BK-Recht sehe zur Zeit keine technische Synkanzerogenese zwischen Asbest und Schweißrauchen in Form von Chrom und Nickel vor. Im Ergebnis sei der Versicherte bei seiner beruflichen Tätigkeit in der Firma L. GmbH lungenschädigenden Stoffen ausgesetzt gewesen. Nach der derzeitigen BKV einschließlich dazugehöriger Merkblätter und einer fehlenden gesetzlichen Synkanzerogenese lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK nach den Nrn. 4104, 1103 und 4109 nicht vor.

Der Senat hat abschließend die Stellungnahme des Prof. D. vom 27. Februar 2013 eingeholt, der sich erneut für die Anerkennung einer BK Nr. 1103 ausgesprochen hat, da in der Lunge des Versicherten eine erhebliche Chrombelastung nachgewiesen worden sei, die um etwa den Faktor 100 oberhalb der Normbereichsobergrenze gelegen habe. Diese Konzentration im Lungengewebe habe er bisher in arbeitsmedizinisch-lungenstaubanalytischen Untersuchungen nicht beobachtet. Demzufolge ergebe sich hieraus eine erhebliche Chrombelastung der Lunge, die für die Verursachung der Lungenkrebserkrankung nicht hinweggedacht werden könne. Eine Korrelation zwischen sicherheitstechnischen Schweißrauch-Dosen und Konzentrationen von Chrom im Lungengewebe sei bisher noch nicht hinreichend erfolgt. Die vielfache Dosis mit der deutlich über dem Normbereich liegenden Chrom-Konzentration im Lungengewebe und der zweifelsfreie Nachweis von Schweißrauchpartikeln bestätige die erhebliche Gefährdung, die die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung im Sinne der BK Nr. 1103 der BKV im Sinne der wesentlichen Teilursächlichkeit zumindest hinreichend wahrscheinlich machte. Die MdE betrage ab 7. September 2004 100 v.H. und für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung im September 2009 40 v.H. Den von Dr. C. mit weiterer Stellungnahme vom 10. April 2013 erhobenen Einwänden ist Prof. D. mit Stellungnahme vom 6. Mai 2013 begegnet und hat am Ergebnis vorstehender Ausführungen festgehalten. Im abschließend durchgeführten Erörterungstermin vom 21. August 2013 haben Prof. D. und Dr. Z. vom Gefahrstofflaboratorium Chemie und Physik am Institut für Arbeitsmedizin der Universität Gießen das Verfahren der elektronenmikroskopischen Untersuchung von veraschtem Lungengewebe zum Nachweis von Schadstoffeinwirkungen aus Schweißrauchen im Detail erläutert hat. Zu Inhalt und Verlauf des Termins, an dem auch der die Beklagte beratende Arbeitsmediziner Dr. C. teilgenommen hat, wird auf das Terminprotokoll (Blätter 736 ff. GA) verwiesen. Beide Beteiligte haben sich in diesem Termin mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten zu den BK-Verfahren der Nrn. 1103 und 4104 Bezug genommen, die Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen sind.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Feststellung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV und zur Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 100 v.H. in gesetzlicher Höhe wendet, ist begründet mit der Folge, dass die eine BK der Nr. 1103 feststellende und die Beklagte zur Entschädigung verurteilende Entscheidung des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 aufzuheben war. Denn es ist nicht zur Überzeugung des Senats erwiesen, dass die Belastung des Versicherten durch die berufliche Chrom-IV-Einwirkung – allein oder im Zusammenwirken mit weiteren die Atemwege belastenden Berufsstoffen - wesentlich (mit) ursächlich für die Entstehung des Lungenkrebses im linken Oberlappen geworden ist. Die Klägerin, die – wie glaubhaft vorgetragen - mit dem Versicherten im Jahre vor dessen Tode am 5. März 2013 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, ist aktiv legitimiert und macht die streitigen Lebzeitenleistungen des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 1. Buch, Allgemeiner Teil - SGB I) geltend und führt das Berufungsverfahren nach dem Tode des Versicherten fort (§§ 202 SGG i.V.m. 239 Abs. 1 Zivilprozessordnung, ZPO). Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat über die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG).

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 2, 3 und 6 SGB VII) erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Davon hat sie in der BK-Liste unter Nr. 1103 für Erkrankung durch Chrom oder seine Verbindungen Gebrauch gemacht. Eine Listen-BK beinhaltet im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale: Die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit muss zur Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen o.ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkung muss eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen weiterer Krankheitsfolgen ist sodann im Rahmen der sog. haftungsausfüllenden Kausalität zu überprüfen (dazu: BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 9/08 RBSGE 103, 59).

Unstreitig hatte sich beim Versicherten im Jahr 2004 ein peripheres nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium II A gebildet, das Dr. N. zunächst vermutet und Dr. P. sodann bestätigt hatte und das sich histologisch als großzelliges neuroendokrines Karzinom darstellte, wie dem Bericht der den Versicherten nachbehandelnden Dres. Q. und R. vom 4. April 2005 zu entnehmen ist.

Zur Feststellung des Umfanges der seine Atemwege belastenden Schadstoffeinwirkung aus der versicherten Tätigkeit im Stahlwerk der Firma L. von März 1977 bis zur Krebsdiagnose im Jahr 2004 geht der Senat auf Basis der Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten im Verwaltungsverfahren – der Stellungnahme der Diplom-Ingenieure F. und T. vom 15. Juni 2005 – und im sozialgerichtlichen Verfahren – weitere Stellungnahmen derselben vom 16. Juni 2006, 22. September und 16. Dezember 2008, des Analyseberichts des Gefahrstofflabors Physik von Juli 2008, der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Diplom-Ingenieurchemikerin H. im Gutachten vom 14. September 2012, der eigenen Angaben des Versicherten, der Auskunft der Firma L. GmbH vom 9. Oktober 2005 und der Aussagen seiner Arbeitskollegen Ü., Ö., Ä. und X. von folgenden vollbeweislich erwiesenen Arbeitsumständen des Versicherten aus:

Der Versicherte war ab April 1977 für 1,5 Jahre an der Kaltbandlinie als Schweißer beschäftigt, wo neben einem Schweißer ein Steuerer arbeitete. Ab Herbst 1978 war er als Springer überall eingesetzt und hatte dabei auch die Schweißer zu vertreten. Vom Frühjahr 1980 bis zum Ende seiner Tätigkeit bei der Firma L. 1985 war er als Vorarbeiter und Meister beschäftigt und für den Einsatz von 15 bis 16 Leuten pro Schicht bei einem Dreischichtbetrieb an 7 Tagen der Woche zuständig. Der Bereich umfasste die komplette Edelstahlbehandlungsanlage. An der Kaltbandlinie waren 2 Leute im Einlaufbereich, davon ein Steuerer und ein Schweißer, ein Beizer zur Einstellung der Ofentemperatur und zur Überwachung des Beizbehälters sowie ein Aufhaspler eigesetzt. Dieselbe Besetzung bestand an der Warmbandlinie. An der Blankglühanlage waren nochmals dieselben Leute tätig ohne den Beizer. Der Versicherte hatte als Vorarbeiter eine Kontrollfunktion, wobei Springer vorhanden waren, die bei Ausfällen einsprangen. Bei allen Störungen des Betriebs war der Vorarbeiter gefordert. Er musste beim Ausfall des Springers mitunter mitarbeiten. Dabei kam es vor, dass auch einmal tageweise geschweißt werden musste. An Stahlarten wurden 60 % Austhenit, 30 % Martensit und 10 % Ferrit verschweißt. Die Atemwegsbelastung des Versicherten resultierte aus einer Asbesteinwirkung sowie einer Belastung beim Schweißen durch Nickel und Chrom sowie eventuelle weitere Schadstoffe. Der Versicherte unterlag einer Asbestbelastung während seiner gesamten Arbeitszeit als Schweißer, Springer und Vorarbeiter, wobei weder eine Absaugung noch personenbezogene Schutzvorkehrungen vorhanden waren. Die Asbestbelastung war besonders stark beim Wechsel der Ofenrollen sowie bei der Bearbeitung derselben, die durch eigenes Personal erfolgte, wobei der Versicherte nach eigenen Angaben 2 bis 3mal wöchentlich 30 bis 45 min mit derartigen Arbeiten beschäftigt war. Hin und wieder kam es zum Wechsel des Dichtmaterials an der Ein- und Auslaufschleuse der Blankglühanlage und alle 4 bis 6 Wochen mussten die Asbestschnüre in den Mannlöchern der Blankglühanlage gewechselt werden. Einer täglichen Asbestbelastung unterlag der Versicherte durch Tragen der asbesthaltigen Schutzkleidung (Handschuhe, Schürze, Jacke) sowie bei Reinigungsarbeiten. Hinzu kam eine Asbestbelastung bei Behebung der Bänderrisse. Die beim Schweißen entstehenden Schadstoffe beruhten auf der Zusammensetzung der verwendeten Elektroden und der bearbeiteten Stahlarten Austhenit, Martensit und Ferrit sowie dem jeweils praktizierten Arbeitsverfahren beim Schweißen. Laut Sachverständiger H. rührten die Schadstoffe zu über 95 % aus den Zusatzwerkstoffen her und zu maximal 5 % aus den Schweißrauchen der Grundwerkstoffe. Für die Tätigkeit des Versicherten als Schweißer am Einlauf der Kaltbandlinie, der Vorbereitungslinie sowie der Schleiflinie ab April 1977 ist laut Angaben des Versicherten von 6 Schweißvorgängen pro Schicht beim Coilwechsel auszugehen. Die Bänder wurden im MAG-Schweißverfahren mit Stabelektroden (Novonit, 4551R und 4337R in den Stärke 2,5, 3,25 und 5,0 mm) aneinander geschweißt. Chrom-Nickel-Stahl-Massivdraht kam als Schweißzusatzstoff zur Anwendung. Beim Verschweißen der Bänder saß der Schweißer auf der Anlage und führte die Schweißarbeiten unter seinem Körper durch. Bei Bandrissen, die in der Regel zweimal wöchentlich vorkamen und eine Bearbeitungszeit von ca. 30 min benötigten, wurde im LBH-Verfahren mit hoch legierten Stabelektroden geschweißt. Teilweise wurde hier auch mit der Schweißzange gearbeitet. Ab Oktober 1978 war der Versicherte an der Kaltbandlinie, an der Warmbandlinie, der Vorbereitungsanlage, der Schleiflinie und der Blankglühanlage als Springer mit allen anfallenden Arbeiten befasst. Zweimal wöchentlich jeweils 2 bis 4 Stunden war er damals mit dem Aneinanderschweißen von Bändern beschäftigt, entsprechend etwa 15 % der Gesamtarbeitszeit. Beim hier angewandten MAG-Schweißverfahren kam es zu einer Schweißrauchbelastung bei Verwendung von Chrom-Nickel-Stahl-Massivdraht an der Kaltbandlinie. An der Warmbandlinie wurde Schutzgasschweißen praktiziert. Bandrisse wurden auch während der Tätigkeit als Springer vom Versicherten mitunter behoben. An der Warmbandlinie saß der Schweißer nicht auf der Anlage sondern stand seitlich davon. Während der Tätigkeit als Vorarbeiter und Meister ab Frühjahr 1980 bis zum Ausscheiden Ende 1985 kam es bei aktiver Mitarbeit des Versicherten als Vorarbeiter und Meister im Durchschnitt zu einem Schweißvorgang pro Tag. Die Angabe des Versicherten zur Anzahl der von ihm ausgeführten Schweißvorgänge sowie der dabei benötigten Elektroden mit Schreiben vom 29. März 2009 hatte er mit Schriftsätzen vom 13. Oktober und 6. Dezember 2010 ergänzt und war zuletzt von 8526 Schweißvorgängen und einem Verbrauch von 42.630 Stabelektroden für die Gesamtzeit seiner Beschäftigung bei der Firma L. ausgegangen. Darin ist er von der Sachverständigen H. im Gutachten vom 14. September 2012 im Wesentlichen bestätigt worden, in dem diese ausgeführt hat, ausgehend von 220 Arbeitstagen im Jahr ergebe sich beim Verschweißen von 60 Elektroden pro Tag eine Anzahl von 13.500 Elektroden pro Jahr für einen Vollschweißer. Aus einer Arbeitsdauer von 8,838 Jahren resultiere für einen Vollschweißer eine Summe von 119.313 Elektroden. Den Angaben des Versicherten, dass er während seiner Tätigkeit etwa 41.000 Elektroden verschweißt habe, hat die Sachverständige danach nicht widersprochen, so dass die im gerichtlichen Schreiben vom 16. März 2011 noch offene Frage des Elektrodenverbrauchs im Sinne des Versicherten geklärt ist.

Das Ausmaß der die Atemwege des Versicherten angesichts dieser Arbeitsumstände belastenden beruflichen Schadstoffexposition durch Chrom, aber auch weitere Lungenschadstoffe wie Asbest und Nickel, im Rahmen der Einwirkungskausalität entnimmt der Senat den Feststellungen des technischen Sachverständigengutachtens der Diplom-Ingenieurchemikerin und Fachkraft für Arbeitssicherheit H. vom 14. September 2012, die von 1990 bis 2008 Leiterin des Messtechnischen Dienstes der BG ETEM war, seitdem dort technische Referentin in der Präventionsabteilung ist und von daher über die für die Expositionsschätzung notwendige besondere Sachkunde verfügt. Die Sachverständige hat die konkreten Arbeitsumstände beachtet - beispielsweise die fehlende Absaugung der Schweißrauche und den Asbestgehalt der in der Firma L. getragenen Schutzkleidung und Handschuhe. Sie hat alle relevanten Arbeits- und Schweißverfahren sowie die werkstoffspezifischen Faktoren ermittelt und ihrer Abschätzung zugrundegelegt. Dabei hat sie die Angaben des Klägers - insbesondere auch zur Beschaffenheit und zur Anzahl der verwendeten Stabelektroden - im Wesentlichen bestätigt. Der Kläger hatte die Verwendung von 42.630 Elektroden behauptet, die Sachverständige hat 41.000 letztlich für realistisch gehalten. Die zuvor vom Berichterstatter ermittelten Belastungsumstände an den verschiedenen Einsatzorten des Versicherten hat sie zur Grundlage ihres Gutachtens gemacht. Für die verarbeiteten Werkstoffe wie auch die verwendeten Elektroden hat die Sachverständige die jeweiligen Chrom- und Nickelanteile ermittelt, das Ausmaß ihrer Freisetzung bei den unterschiedlichen Schweißverfahren dargelegt und bei ihrer Schätzung berücksichtigt. Die Asbestbelastung des Versicherten hat sie auf der Grundlage des BK-Reports Faserjahre 1/2007 ermittelt wie zuvor der Präventionsdienst der Beklagten und auch Dipl.-Ing. Y. in der Faserjahrberechnung vom 10. November 2011, wobei die Sachverständige mit 12,66 Faserjahren die letzte Abschätzung des Präventionsdienstes von September/Dezember 2008 (5,1 Faserjahre) um mehr als das Doppelte und die des Dipl.-Ing. Y. (7,5 Faserjahre) ebenfalls deutlich übertroffen hat.

Nach der sachkundigen Abschätzung der Sachverständigen erreichte die Schweißrauchbelastung des Versicherten ein Ausmaß von 307,51 Chrom-VI-Jahren und es bestand eine Nickelbelastung des Versicherten im Umfang von 196,04 Nickeljahren sowie eine Asbestfaserbelastung von 12,66 Faserjahren. Der Senat hat diese Zahlen als bestmögliche Schätzwerte seiner Entscheidung zugrunde gelegt, da durch Schadstoffmessungen der Beklagten keine exakteren Werte zu gewinnen sind. Denn für den Beschäftigungszeitraum des Versicherten bei der Firma L. im Stahlwerk in die E-Stadt von 1977 bis 1985 existiert nur ein Messergebnis des Präventionsdienstes der Beklagten vom 15. März 1984, wobei allerdings nur Asbest gemessen wurde. Dabei hatte es sich allerdings um eine Einzelmessung gehandelt, die entscheidende Tätigkeiten des Versicherten mit Asbestexposition - beispielsweise das Auswechseln der Ofenrollen - nicht erfasste und von daher von der Sachverständigen nicht maßgeblich berücksichtigt werden konnte. Die Messung des Präventionsdienstes der Beklagten vom 12. März 1993 erfasste zwar die Schweißrauchbelastung. Sie erfolgte aber mehrere Jahre nach Ausscheiden des Versicherten, so dass die zum Zeitpunkt seiner Beschäftigung herrschenden Arbeitsumstände - nachdem zwischenzeitlich neue Maschine angeschafft waren - keine Berücksichtigung finden konnten. Sie bezieht sich im Übrigen allein auf die Arbeit mit der Bandschweißmaschine und ist daher der Sachverständigen H. zufolge als einmalige Messung nicht repräsentativ für die Tätigkeit des Versicherten, die durch Schweißarbeiten mit Stabelektroden geprägt war. Eine eigene Abschätzung der Schweißrauchbelastung des Versicherten durch den Präventionsdienst der Beklagten existiert im Übrigen nicht.

Die Kritik des Versicherten am Gutachten H. im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 ist nicht gerechtfertigt und bietet keinen Anlass am Ergebnis des Gutachtens zu zweifeln oder weitere Ermittlungen durchzuführen. Der Versicherte hatte die gerichtlichen Vorgaben zur Asbest- und Schweißrauchbelastung im Schreiben vom 16. März 2011 mit Schriftsatz vom 15. April 2011 akzeptiert. Im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 hatte er im Hinblick auf die Chrombelastung beanstandet, dass der Umfang der Schweißtätigkeit als Vorarbeiter im Gutachten zu gering bemessen sei. Er hat aber über diesen pauschalen Einwand hinaus keine konkreten Angaben gemacht - auch nicht bezüglich der Anzahl der verarbeiteten Elektroden, die die Sachverständige seinen Angaben gemäß hätte zugrunde legen sollen. Die angeblich fünffach höhere Chrom-VI-Belastung bei fehlender Absaugung und Schutzausrüstung stellt eine bloße Behauptung des Versicherten dar, wobei die Sachverständige gerade diese Arbeitsumstände ausdrücklich berücksichtigt hat. Die Sachverständige hat zudem die Schweißelektroden in ihre Abschätzung einbezogen, die der Versicherte ihr benannt hatte, so dass nicht nachvollziehbar ist, warum sie zusätzlich noch die dem Versicherten vorliegenden alten Elektroden berücksichtigen und auch diese bewerten sollte. Ob und inwiefern die beim Versicherten noch vorhandenen Elektroden sich von den bewerteten unterscheiden, hat der Versicherte nicht erläutert. Inhalts- sowie Umhüllungsstoffe der ihr benannten Elektroden hat die Sachverständige H. detailliert ermittelt, so dass insbesondere an deren Rutilumhüllung - die vom Versicherten beanstandet wird - keine Zweifel gerechtfertigt sind.

Die Prüfung, ob die festgestellte berufliche Schadstoffeinwirkung die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten verursacht hat, die Feststellung der sogenannten haftungsbegründenden Kausalität, ist wie alle Zusammenhangsbeurteilungen in der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Boden der Theorie der wesentlichen Bedingung durchzuführen. Diese hat als Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio sine qua non, s. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 = BSGE 96, 196 ff.). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach einem Arbeitsunfall, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen bzw. Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Letzterer bestimmt sich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde (s. BSGE 96, 196, 297; BSGE 103, 59, 63).

Bei Würdigung der erhobenen Beweise hatte der Senat Folgendes zu beachten:

Während für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, genügt, sind die übrigen Tatbestandsmerkmale im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen (BSGE 103, 59, 60). Eine Tatsache ist im Vollbeweis bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSGE 45, 1, 9; 19, 52, 53; 7, 103, 106; Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, Kommentar, 11. Auflage, Anm. 3 b zu § 128). Die für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge geforderte hinreichende Wahrscheinlichkeit wird erreicht, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen deutlich, d.h. so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (s. BSG-Urteil vom 2. Juni 1959 in SozR § 542 Reichsversicherungsordnung –RVO– a.F. Nr. 20). Jedoch ist der ursächliche Zusammenhang nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59; 96, 196; 103, 59; Keller, a.a.O., Anm. 3c zu § 128).

Mit dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. D. geht der Senat davon aus, dass die berufliche Chrom-Belastung des Versicherten im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität für die Lungenkrebserkrankung nicht hinweggedacht werden kann und daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als naturwissenschaftliche (Mit)-Ursache dazu beigetragen hat, dass der Versicherte im Alter von 52 Jahren Mitte 2004 am Bronchialkrebs des linken Lungenoberlappens erkrankte. Prof. D. hat dies wiederholt - zuletzt mit Stellungnahme vom 27. Februar 2013 – so ausgeführt. Dabei ist für die BK Nr. 1103 die beim Schweißen aufgetretene Chromateinwirkung im Umfang von 307,51 Chrom-VI-Jahre ausschlaggebend für die Lungenschädigung bedeutsam. Denn nach dem ärztlichem Merkblatt zur BK Nr. 1103 (veröffentlicht vom Bundesarbeitsministerium am 25. Februar 1981 in Bundesarbeitsblatt 1981, 54 ff.) sind nur Chrom-VI-Verbindungen im Rahmen dieser BK relevant, während Gesundheitsschäden durch metallisches Chrom nicht bekannt sind. Chrom-III-Verbindungen sind wenig gesundheitsschädlich und auch über schädigende Wirkungen von Chrom-II, Chrom-IV und Chrom-V-Verbindungen liegen beim Menschen keine Erfahrungsberichte vor. Pathophysiologisch wird angemerkt, dass VI-wertiges Chrom unmittelbar nach der Aufnahme in die III-wertige Stufe umgewandelt wird. Der größte Teil des aufgenommenen Chroms wird relativ schnell über die Nieren ausgeschieden. Verbindungen des VI-wertigen Chroms führen durch Inhalation zu Reizerscheinungen im Bereich der oberen Luftwege. Die toxischen Wirkungen werden im Wesentlichen auf die in saurem Milieu stark oxidierenden Eigenschaften dieser Substanz und die damit verbundenen zellschädigenden Reaktionen zurückgeführt. Durch länger dauernde Einwirkung VI-wertiger Chromate können maligne Tumore der Atemwege entstehen. Sie werden überwiegend in den Chromat herstellenden Betrieben sowie in der Chromat-Pigmentindustrie beobachtet. Die Inhalation des dabei anfallenden Chromstaubs stellt vermutlich die Ursache der Krebsbildung dar. Die krebserzeugende Wirkung scheint von der Löslichkeit der jeweiligen Chrom-VI-Verbindung abzuhängen. Diesen im ärztlichen Merkblatt aufgezeigten Kenntnisstand hat Prof. D. seinem Gutachten vom 16. Dezember 2008 zugrunde gelegt (Seite 41 des Gutachtens), wonach – durch epidemiologische Studien gut dokumentiert – eine erhöhte Bronchialkarzinom-sterblichkeit durch VI-wertige Chromverbindungen belegt ist.

Prof. D. hat zur Überzeugung des erkennenden Senats – auch unter Berücksichtigung der „Kriterien für die Zusammenhangsbeurteilung berufsbedingter Krebserkrankungen“ (dazu: Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seiten 1092, 1093; ebenso Koch in: Synkanzerogenese - unfallversicherungsrechtliche Lösungsansätze, Die Berufsgenossenschaft 1996, 316, 318) – die naturwissenschaftliche Kausalität der versicherten Chrom-VI-Einwirkung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als (Mit-)Ursache für die Entstehung des Bronchialkrebses beim Versicherten im Einzelfall bejaht, wobei folgende Vorüberlegungen anzustellen waren:

Der Nachweis des beruflichen Zusammenhanges einer Krebserkrankung ist besonders schwierig, wenn eine Tumorerkrankung – wie der Lungenkrebs – keine spezielle berufliche Krebserkrankung darstellt, sondern in der Allgemeinbevölkerung auch ohne berufliche Belastung weit verbreitet ist, und die histologische Struktur des Tumors keinen Hinweis auf eine konkrete Entstehungsursache gibt. BK-rechtlich war zu berücksichtigen, dass es sich bei der BK Nr. 1103 um eine sogenannte „stochastische BK“ handelt, die mit Chrom einen konkreten Schadstoff, aber keine definierte Erkrankung als Folge der Einwirkung enthält und bei der eine für die berufliche Verursachung generell als hinreichend angesehene Dosis im BK-Text nicht genannt ist. Die Wirkungsweise des Schadstoffes Chrom ist nicht einmal soweit geklärt, dass zumindest eine Mindestdosis wissenschaftlich belegt wäre, bei deren Unterschreiten der Eintritt einer Lungenkrebserkrankung auszuschließen wäre (dazu: Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. August 2013, Az.: L 9 U 30/12 ZVW - juris). Trotzdem hat der Verordnungsgeber die BK Nr. 1103 in die Liste aufgenommen und hat damit über die Entschädigungswürdigkeit derselben entschieden, wobei diese Grundannahme durch den Unfallversicherungsträger bzw. die Sozialgerichte im Einzelfall umzusetzen ist. Da erkenntnistheoretisch in derartigen Fällen niemand definitiv weiß, wie der Krebs wirklich entstanden ist, kann die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs nur im Sinne eines „Davon - Überzeugt – Seins“ – also als eine These – begründet werden (Becker, Synkanzerogenese aus sozialjuristischer Sicht, Medizinischer Sachverständiger 2005, 115, 116). Dabei ist lediglich eine mit Hilfe der Empirie und statistisch gewonnene Verursachungswahrscheinlichkeit erreichbar. Bei Beurteilung des naturwissenschaftlich-philosophisch begründeten ursächlichen Zusammenhangs ist in diesen Fällen eine Sicherheit nicht zu erreichen und vom Sachverständigen im konkreten Falle die Frage nicht zweifelsfrei zu beantworten, ob – die Chrom-VI-Einwirkung beim Versicherten hinweggedacht – die Krebserkrankung entfallen würde (zweifelnd an der medizinisch-wissenschaftlichen Beantwortbarkeit dieser Fragestellung ebenfalls Spellbrink, Rechtsfragen der Synkanzerogenese, BPUVZ 2012, 360, 365). Eine derartige Zweifelsfreiheit kann die naturwissenschaftliche Bedingungstheorie in einer Vielzahl von Fallkonstellationen nicht erreichen. Auch wenn die Rechtsprechung und Rechtslehre seit jeher um einen möglichst engen Anschluss an das naturwissenschaftliche Denken bemüht und als ein Resultat dieses Bemühens die „Wegdenkformel“ entwickelt hat, ist die Schwäche dieser Formel nicht zu verkennen, die darin besteht, dass die Formel die Feststellung eines hypothetischen Kausalverlaufes verlangt (dazu: Kater, Ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung – Abgrenzung dispositioneller Faktoren von relevanten Vorschäden – aus juristischer Sicht Medizinischer Sachverständiger 2001, 114, 115). Ein derartiger hypothetischer Kausalverlauf ist beim Zusammentreffen vieler für einen Erfolg (mit)verantwortlicher Ursachen, die zudem über einen langen Zeitraum (bei BKen in der Regel über Jahrzehnte) wirksam geworden sind, bevor es zum Erfolg kommt und deren punktuelles Wirksamwerden meist nicht festzustellen ist, nicht exakt nachzuvollziehen und zweifelsfrei festzustellen, sondern – den Beweisvorgaben des Sozialgerichtsprozesses entsprechend – nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeiten zu begründen.

Da eine exakte Beweisführung bei offenen BKen wie der Nr. 1103 nicht möglich ist, muss eine „Indizienkette“ aufgebaut werden und nach Abwägung aller Glieder der Kette entschieden werden, ob mehr Gründe für als gegen den ursächlichen Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne sprechen. Als Kriterien für diese Indizienkette werden - ohne Unterscheidung in die Prüfungsstufen 1 und 2 im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung – folgende Einzelpunkte genannt (dazu Schönberger u.a., a.a.O., S. 1092, 1093 und hoch a.a.O.):

(1)Die Krebserkrankung muss medizinisch gesichert sein.(2)Der als Ursache der Krebserkrankung angeschuldigte Gefahrstoff muss nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft bösartige Neubildungen beim Menschen verursachen können. Der Nachweis der Kanzerogenität erfolgt durch epidemiologische Erhebungen bei entsprechend belasteten Kollektiven.(3)Der Gefahrstoff muss am Arbeitsplatz über einen angemessenen Zeitraum vorhanden gewesen sein und auf den Körper des Versicherten eingewirkt haben.(4)Risikoverdoppelung im Bezug auf die fragliche Erkrankung bei einer nach Art, Intensität und Dauer definierten Erkrankung (s. 2.3.4.2, S. 68 f.)(5)Der Nachweis des krebserzeugenden Gefahrstoffes ist möglichst quantitativ zu führen.(6)Die durch die Krebsnoxe hervorgerufenen Expositionszeichen und die aufgenommene Stoffmenge im Körper sind ergänzend zu berücksichtigen.(7)Expositionszeit, Latenzzeit und Interimszeit müssen den für die jeweilige Noxe vorliegenden Erfahrungen entsprechen. Im Einzelfall sind Ausnahmen gegeben.(8)Das Alter des Versicherten ist zu berücksichtigen.(9)Die Organlokalisation des Krebsleidens muss mit den arbeitsmedizinischen Erfahrungen übereinstimmen.(10)Der biologische Mechanismus hat den medizinischen Erkenntnissen zu entsprechen.(11)Unter dem Gesichtspunkt der Synkanzerogenese sind begünstigende berufliche und außerberufliche Faktoren der Krebsentstehung zu berücksichtigen.(12)Außerberufliche krebserzeugender Noxen (Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährungsgewohnheiten, Lebensstil) müssen als – vom Senat ergänzt um: allein –  wesentliche Ursache auszuschließen seien.(13)Bei ausreichender beruflicher Exposition ist ein Berufskrebs auch bei konkurrierenden außerberuflichen Einwirkungen wahrscheinlich, wenn der berufliche Faktor die – vom Senat als berichtigt: eine – wesentliche Mitursache darstellt.Die Prüfung dieser Kriterien (bis auf Ziffern 4, 12 und 13, die auf Stufe 2 zur Frage der Wesentlichkeit relevant werden und dort zu prüfen sein werden) ergibt, dass die Indizien für eine Mitursächlichkeit der Chrom-VI-Einwirkung im naturwissenschaftlichen Sinne am Lungenkrebs des Versicherten deutlich überwiegen. Die Krebserkrankung beim Versicherten ist medizinisch gesichert. Er war im Rahmen der Einwirkungskausalität mit Chrom-VI einem Gefahrstoff ausgesetzt, der als so genannter K1-Stoff - nachgewiesen durch epidemiologische Erhebungen - generell als beim Menschen krebserregend anerkannt ist (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 1116). Dieser Stoff ist zudem in der Lage, speziell Lungenkrebs zu verursachen, so dass die Organlokalisation des Krebsleidens mit arbeitsmedizinischen Erkenntnissen übereinstimmt. Dabei war der Versicherte vor allem beim LBH-Schweißen mit umhüllten Stabelektroden den dabei entstehenden löslichen Chrom-VI-Verbindungen ausgesetzt, wobei die Höhe der Konzentration maßgeblich von Raumhöhe, Zeitdauer sowie Belüftung und Einhaltung sicherheitstechnischer Vorkehrungen abhing. Die Arbeitsposition des Versicherten befand sich bei Bandrissen direkt über der Schweißnaht und es gab keine Absaugvorrichtung. In der unfallmedizinischen Literatur wird für das Lichtbogenhandschweißen das relative Lungenkrebsrisiko mit 1,3 bis 1,4 eingestuft (Mertens-Brandenburger, BKV, Kommentar, Anm. 5.4 zu M1103; Schönberger u.a., a.a.O., Seite 1121), was im Übrigen auch Dr. C. im Erörterungstermin vom 21. August 2013 bestätigt hat. Der Zusammenhang zwischen der Einwirkung von Chrom-VI und Lungenkrebs ist – wie von Prof. D. ausgeführt – durch entsprechende Studien klar belegt, wobei die Studie von Gibb u.a. aus dem Jahr 2000 eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos schon bei einer Chrom-VI-Dosis von 300 Chromatjahren ergeben haben soll. Hinzu kommt die durch das Biomonitoring nachgewiesene deutlich erhöhte Chrombelastung des Lungengewebes beim Versicherten, nachdem der Gefahrstoff über mehr als 8 Jahre am Arbeitsplatz auf ihn eingewirkt hatte und durch das arbeitstechnische Gutachten im Umfang von 307,51 Chromatjahren quantitativ nachgewiesen ist. Auch Expositions- und Latenzzeit bewegen sich im Rahmen arbeitsmedizinischer Erkenntnisse. Die Expositionszeiten liegen zwischen 2 und 43 im Durchschnitt bei 17 Jahren und beim Versicherten bei 8 Jahren. Die Latenzzeit, das Intervall vom Beginn der erstmaligen Einwirkung bis zum Zeitpunkt der klinischen Diagnose, soll 29 oder 30 Jahre im Mittel betragen und beläuft sich beim Versicherten mit Einwirkungsbeginn im März 1977 und Diagnosestellung im Juli 2007 auf 27 Jahre (zu vorgenannten Zeitvorgaben: Mehrtens-Brandenburger, a.a.O., Anm. 4 zu M 1103; Becker u. a., a.a.O., Anm. 3 mit § 9). Nicht bewertet ist danach allein das Alter des Versicherten, der mit 52 Jahren an Lungenkrebs erkrankte, und die Morphologie der Krebszellen, wobei eine Chromateinwirkung im Sinne der BK-Nr. 1103 vor allem Plattenepithel-Karzinome verursachen soll (Mehrtens – Brandenburger, a.a.O., Anm. 4 zu M 1103), aber auch andere Tumorarten vorkommen (Schönberger u.a., a.a.O., S. 1117).

Neben der Chrom-VI-Einwirkung hält der Senat auch die Belastung des Versicherten mit Asbest im Umfang von 12,66 Asbestfaserjahren und mit Nickel im Umfang von 196,04 Nickeljahren - die insgesamt beruflich bedingt im Sinne der Einwirkungskausalität auf ihn eingewirkt haben - mit Prof. D. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für Mitursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für die Entstehung des Lungenkrebses. Beide Schadstoffe wirken auf die Atemwege ein und es ist arbeitsmedizinisch nicht streitig, dass sie Lungenkrebs auszulösen vermögen. Neben diesen versicherten Umständen ist als unversicherte Einwirkung der langjährige Nikotinmissbrauch des Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als für die Lungenkrebserkrankung mitursächlich anzusehen, wobei die behandelnden Ärzte und der Sachverständige Prof. D. von einem Zigarettenkonsum des Versicherten in Höhe von 30 Packungsjahren ausgehen, was zu einer mehrfachen Steigerung des Lungenkrebsrisikos gegenüber einem Nichtraucherkollektiv führt - unabhängig von einer zusätzlich bestehenden Belastung durch berufliche Lungenschadstoffe.

Mit Bejahung der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität für die vorgenannten Lungenschadstoffe weicht der erkennende Senat vom Urteil des 9. Senats vom 13. August 2013 – L 9 U 30/12 ZVW – teilweise ab, in dem über einen in den wesentlichen Punkten vergleichbaren Streitfall eines Schweißers zu entscheiden war, bei dem es nach langjähriger Schweißrauchbelastung zu einer Bronchialkrebserkrankung gekommen war. Denn der 9. Senat hat im Ergebnis die naturwissenschaftliche Kausalität der Einwirkung von Chrom oder Nickel für die Entstehung der Bronchialkrebserkrankung des dortigen Versicherten als nicht nachgewiesen angesehen. Die Verursachung der Lungenkrebserkrankung durch Chrom bzw. Nickel sei zwar möglich und mit dem Vorhandensein der in BKen 1103 und 4109 genannten Listenstoffen Chrom und Nickel am Arbeitsplatz lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, solange nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein Erfahrungssatz existiere, demzufolge erst ab Erreichen einer bestimmten Mindestdosis von einer Gefährdung ausgegangen werden könne. Die Höhe der Exposition alleine will der 9. Senat allenfalls dann für die Anerkennung einer BK genügen lassen, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative innere oder äußere Ursache der Erkrankung besteht. 29,25 Packungsjahre führten beim dortigen Versicherten zu einem zehnfach erhöhten Lungenkrebsrisiko, so dass es immerhin möglich – wenn auch nicht wahrscheinlich – sei, dass die Krebserkrankungen infolge dieser privaten Ursache entstanden sei. Ob die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen sei, wenn die Verdoppelungsdosis erreicht werde, hat der 9. Senat offen gelassen, da konkret die Verdoppelungsdosis für Chrom (2000 Chromatjahre, zumindest aber 1000-1100 Chromatjahre) nicht erreicht sei. Dasselbe gelte für Nickel ausgehend von 5000 Nickeljahren als Verdoppelungsdosis. Selbst wenn man die naturwissenschaftliche Kausalität von einem oder von mehreren Listenstoffen unterstelle, sei deren wesentliche Kausalität nicht bestimmbar, da die jeweiligen Verursachungsanteile der Einzelstoffen nicht bestimmt werden könnten und danach immer möglich bleibe, dass allein wesentlich für die Krebserkrankung das Rauchen geworden sei. Entsprechende prozentuale Verursachungsanteile seien vom dortigen Sachverständigen nicht benannt worden und dies sei auch fachmedizinisch nicht möglich. Das Ausmaß der versicherten neben den unversicherten Ursachen müsse zumindest annähernd eingrenzbar sein.

Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung nicht, da die theoretische Möglichkeit einer weiteren Ursache das Wirksamwerden einer mit überwiegenden medizinischen Gründen festzustellenden Ursache nicht beseitigten kann. Dies muss sogar für den Fall gelten, dass die Konkurrenzursache - wie im Falle des Versicherten noch darzulegen sein wird - die allein wesentliche Ursache darstellt, während alle weiteren Ursachen zu sogenannten Gelegenheitsursachen werden – also zu Ursachen, die bei wertender Betrachtung auf der zweiten Ebene der Kausalitätsprüfung eine den streitigen Zusammenhang begründenden Wirkung nicht zugemessen bekommen, ohne dadurch ihren Charakter als Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne zu verlieren. Die zweistufige Kausalitätsprüfung muss jedenfalls bei stochastischen Berufskrankheiten in einem ersten Schritt aus der unbegrenzten Vielzahl der naturwissenschaftlichen Ursachen eines Erfolges (dazu Becker, Die wesentliche Bedingung – aus juristischer Sicht, Medizinischer Sachverständiger 2007, 92) diejenigen herauszufiltern, die nach aktuellem medizinischem Erfahrungswissen generell – mit der Folge der Aufnahme in die BK-Liste – und im Einzelfall – aufgrund einer qualitativ überwiegenden Mehrzahl von Indizien – in einem engen Wirkungsbezug zum Erfolg stehen, bevor sodann im zweiten Schritt in die Prüfung eingetreten wird, welche der als naturwissenschaftlich hinreichend wahrscheinlich dem Erfolg nahe stehenden Ursachen nach eingehender Würdigung ihrer jeweiligen Qualität wesentlich (mit)-ursächlich für den Erfolgseintritt geworden sind. Diese Vorgehensweise entspricht der für die Feststellung des Kausalzusammenhangs reduzierten Beweisanforderung mit dem Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit, der letztlich eine umfassende Diskussion, ein Abwägen und Bewerten aller für die BK relevanten Bedingungen fordert, wobei es letztlich immer darum geht, eine der Sachlage angemessene Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage einer abgewogenen Beweiswürdigung zu gewinnen (ebenso BSGE 45, 285, 286 sowie BSG in Breithaupt 2001, 967, 968; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 11. Auflage, Rdnr. 3 c zu § 128; Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 3. Auflage, Anm. 109 zu § 8 sowie Keller in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 334 zu § 8). Dabei trägt nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten im Rahmen der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden objektiven Beweislast jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Anm. 19a zu § 103 SGG), also die Klägerin für das Bestehen des streitigen Ursachenzusammenhangs.

Die Zurechnungsentscheidung, ob die naturwissenschaftlich-philosophisch festgestellten Ursachen für den eingetretenen Erfolg wesentlich geworden sind, trifft der Jurist - also der Bedienstete der BG oder der Richter, wobei er sich auf die aufgrund der aktuellen medizinischen Erkenntnisse gewonnenen Tatsachen stützt, die er mit Hilfe des Mediziners als Sachverständigem festgestellt hat (zur Abgrenzung der Aufgaben von Arzt und Jurist: Becker, Medizinischer Sachverständiger 2007, 92; ebenso Urteil des BSG vom 24. Juli 2012, Az.: B 2 U 9/11 R). Im konkreten Fall führt die vom erkennenden Senat angestellte Bewertung der festgestellten naturwissenschaftlichen Ursachen zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen der BK Nr. 1103 versicherte Chrom-VI-Einwirkung neben dem unversichert einwirkenden Zigarettenrauch eine derart untergeordnete Bedeutung erlangt, dass sie als wesentliche (Mit)-Ursache für die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht in Betracht kommt.

Der langjährige Nikotinkonsum des Versicherten stellt die Ursache mit der stärksten Wirkung im Hinblick auf die Entstehung seiner Lungenkrebserkrankung dar. Nach den wiederholten Angaben des Versicherten gegenüber den behandelnden Ärzten und Kliniken sowie auch gegenüber dem Sachverständigen Prof. D. anlässlich der Anamneseerhebung zum Gutachten sowie gegenüber den Mitarbeitern T. und U. der Beklagten anlässlich des Besuches vom 13. Mai 2005 hatte er über 30 Jahre hinweg zumindest 20 Zigaretten täglich geraucht, so dass der Sachverständige Prof. D. nach eigener Befragung des Versicherten davon ausging, dass dieser von 1972 bis 2004 mit kurzen Rauchpausen kumulativ 30 Packungsjahre Zigarettenrauch inhaliert hatte, bevor die Krebserkrankung diagnostiziert wurde. Damit hatte der Versicherte die statistische Wahrscheinlichkeit, an einem Lungenkrebs zu erkranken, um das Zehnfache gesteigert (ebenso Urteil des 9. Senats, a.a.O.; Schönberger u.a., a.a.O. Seite 1095 für langjähriges Rauchen), wodurch er selbst eine dem privaten unversicherten Bereich entstammende wesentliche Mitursache seiner Erkrankung gesetzt hatte, was Prof. D. nicht anders sieht.

Demgegenüber erlangt die versicherte Einwirkung von Chrom-VI-Verbindungen im Umfang von 307,51 Chrom-VI-Jahren allein kein so hohes Gefährdungspotenzial, dass sich allein darauf eine hinreichende Verursachungswahrscheinlichkeit stützen ließe, wobei für einen Vergleich der Wertigkeizweier oder mehrerer naturwissenschaftlicher Ursachen deren expositionsspezifische Erkrankungsrisiken heranzuziehen sind, wenn dies die Datenlage erlaubt (Brandenburger in Juris-PK, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Anmerkung 72 zu § 9; ähnlich Schönberger u.a., a.a.O., Seite 1083). Der Vergleich der Expositionsrisiken einerseits des Zigarettenrauchs und andererseits der Chromatbelastung des Versicherten ergibt ein durch den langjährigen Nikotinkonsum zehnfach erhöhtes Lungenkrebsrisiko während die Risikosteigerung durch die Chrom-VI-Exposition deutlich unter der sogenannten Verdoppelungsdosis liegt.

Der Senat war im Urteil vom 31. August 2010 (Az.: L 3 U 162/05 als Gegenstand des Revisionsverfahrens B 2 U 26/10 R) – wie zahlreiche Vertreter der Fachliteratur – davon ausgegangen, dass im allgemeinen die haftungsbegründende Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit monokausal begründbar ist, wenn Intensität und Dauer der Einwirkung des jeweiligen Listenstoffes zu einer Risikoverdoppelung führen (ebenso Brandenburger, a.a.O., Anmerkung 78 zu § 9; Mertens-Brandenburger, BKV, Kommentar, Anmerkung 6.2 und 27.1 zu E § 9 SGB VII, Becker in: Brackmann, SGB VII, Rn. 77 zu § 9; Schönberger u.a., a.a.O., Seiten 68, 1093). Eine Schadstoffeinwirkung im Ausmaß einer Verdoppelungsdosis wird erreicht, wenn aufgrund epidemiologischer Erkenntnisse die Einwirkung eines Berufsschadstoffes eine Grenze erreicht, die zur Verdoppelung des Erkrankungsrisikos in einer speziellen Berufsgruppe im Vergleich zum Risiko der Normalbevölkerung führt. Dem war das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. November 2011 nicht gefolgt, da der Senat mit dem Verdopplungsrisiko eine nicht unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitetes Kriterium zugrunde gelegt habe, ohne im Einzelnen die wissenschaftliche Basis dieses Kriteriums in den Prozess einzuführen, so dass klarzustellen sei, auf welchem medizinischen Erfahrungssatz die Annahme der Verdoppelungsgrenzwerte für die betroffene BK beruhe. Das Bundessozialgericht selbst hat bisher lediglich im Falle der Überschreitung einer im Verordnungstext vorgegebenen Dosis als „hartes Kriterium“ eine tatsächliche Vermutung für die Verursachung der BK angenommen (Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 15/05 R; Urteil vom 7. September 2004, Az.: B 2 U 25/03 R). Nach einer weiteren Auffassung in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur soll das Überschreiten der Verdoppelungsdosis zumindest ein starkes Indiz für den streitigen beruflichen Zusammenhang darstellen (so Koch in: Lauterbach, Unfallversicherung (SGB VII), Kommentar, Seiten 45, 77-82 zu § 9 SGB VII).

Die tatsächlichen Grundlagen für die epidemiologisch-statistisch zu begründende Verdopplungsdosis hat die (arbeits)medizinische Wissenschaft zu erbringen. Die Verdoppelungsdosis im Rahmen der BK 1103 war – wie von den Unfallversicherungsträgern langjährig praktiziert und von Dr. C. im Erörterungstermin vom 21. August 2013 dargelegt - aufgrund einer Empfehlung von Norpoth und Popp aus dem Jahr 1994 bei einer Dosis von 2000 Chrom-VI-Jahren angenommen worden (ebenso: BSG Urteile vom 12. Januar 2010, Az.: B 2 U 5/08 und vom 29. November 2011, Az.: B 2 U 26/10 R; Schönberger u.a., a.a.O., Seite 1117). Der Versicherte hätte mit 307,51 Chrom-VI-Jahren nur etwa 15 % dieser Dosis erreicht. Prof. D. hat im Erörterungstermin dargelegt, dass der von Norpoth und Popp vorgeschlagene Dosiswert nicht epidemiologisch abgeleitet war, vielmehr auf einer zehnjährigen Belastung durch Chrom im Ausmaß des damaligen TRK-Wertes basierte. Mittlerweile sind Studien erstellt worden, denen die Umstände in der chromatherstellenden Industrie zugrunde lagen und die nach Prof. D. in dessen ergänzender Stellungnahme vom 20. Juli 2010 und seiner Veröffentlichung „Lungenkrebsrisiko bei Edelstahlschweißern, Arbeitsmedizin“, Sozialmedizin, Umweltmedizin 208, 226 zur arbeitsmedizinisch gesicherten Ableitung einer Verdoppelungsdosis im Bereich von 1000 bis 1100 Chrom-VI-Jahren führen. Soweit der Senat zu Gunsten des Versicherten damit einen gegenüber früher quasi halbierten Dosisverdoppelungswert zu Grunde legen würde, würde eine Chrom-VI-Belastung von 307,51 Chrom-VI-Jahren auch nur 30 % dieser Grenze erreichen. Eine darunter liegende Dosisgrenze ist weder durch die von Prof. D. dargestellte Studie von Gibb u.a. aus dem Jahre 2000, die laut Prof. D. eine Verdoppelungsdosis bereits bei einer Belastung von 300 Chrom-VI-Jahre ergeben soll, noch durch den Hinweis des Sachverständigen auf die im Erörterungstermin vom 21. August 2013 überreichten Studien von NIOSH und des US-Department of labour zu begründen. Letztgenannte Studien sowie der von Prof. D. aufgrund dessen im Erörterungstermin genannte Dosis-Wert von 30 Chromatjahren, der eine nochmals um den Faktor 10 gegenüber Gibb reduzierte Schwelle ergeben würde, begründen lediglich Gefährdungswerte zu Präventionszwecken, wie bereits der 9. Senat im Urteil vom 23. August 2013 zutreffend dargelegt hat. Dies hat auf eine entsprechende Nachfrage durch Dr. C. auch Prof. D. im Erörterungstermin klargestellt, wonach die US Studien seines Wissens valide Dosis-Wirkungsbeziehungen für die belasteten Schweißer nicht abgeleitet haben. Dr. C. hat im Übrigen dargelegt, dass die arbeitsmedizinische Diskussion um eine Verdoppelungsdosis für Chrom-VI anhält, ausgehend davon, dass 2000 Chrom-VI-Jahre zu hoch seien, wobei zwischen den mit dieser Frage befassten Medizinern Grenzwert zwischen 300 und 1300 Chrom-VI-Jahre diskutiert würden, und sich der Ausschuss für Gefahrstoffe mit dieser Frage derzeit befasse, der ärztliche Sachverständigenbeirat (noch) nicht. Eine Dosis von unter 1000 Chrom-VI-Jahren ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Verdoppelung des Lungenkrebserkrankungsrisiko durch Chromateinwirkung auch nach den neuesten Erkenntnissen der arbeitsmedizinischen Wissenschaft nicht gesichert.

Der Vergleich der expositionsspezifischen Erkrankungsrisiken von Zigarettenrauch und Chrom VI und die Bewertung der Risiken im Hinblick auf deren Wesentlichwerden für den Eintritt der Erkrankung, die dem Richter obliegt, führt zu der Feststellung, dass einem zehnfach erhöhten Erkrankungsrisiko durch den unversicherten Nikotinmissbrauch ein nur deutlich unterhalb der Verdoppelungsdosis liegendes versichertes Risiko aus der Chromateinwirkung gegenübersteht, das dem gegenüber deutlich abfällt und nicht als wesentliche Mitursache zu bewerten ist.

Der Senat hatte zusätzlich zu prüfen, ob nach gesicherten Erkenntnissen ein Synergismus besteht, der das Erkrankungsrisiko so überproportional erhöht, dass auch die an sich untergeordnete Chrom-VI-Belastung als wesentliche (Mit)ursache bewertet werden kann (Brandenburger, a.a.O.; Keller, Sozialgerichtsbarkeit 2000, 226, 227). Ein Synergismus kommt hier durch das Zusammenwirken der Chrom-VI-Belastung mit den ebenfalls als Lungenkrebs auslösende Substanzen bekannten Nickel- und Asbesteinwirkungen in Betracht. Der erkennende Senat hatte diese Fragestellung in seiner früheren Entscheidung vom 31. August 2010 auf Vorschlag des damaligen Sachverständigen Prof. XX. auf dem Boden der Wichmann‘schen Formel zu lösen versucht, indem er für jeden als schädigend fest stehenden Schadstoff eine Verursachungswahrscheinlichkeit errechnen ließ, die sodann zu einer Verursachungswahrscheinlichkeit für alle Stoffe zusammengefasst wurde und bei Erreichen eines relativen Risiko von mehr als 2 im Sinne einer Risikoverdoppelung bewertet wurde. Den ist das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. November 2011 nicht gefolgt, da auf diese Weise nur belegt werden könne, dass die Summe der in die Formel eingestellten Noxen zu einer Erkrankung geführt haben könne, nicht aber die Frage beantwortet werde, welcher der in die Formel eingestellten Schadstoffe die Erkrankung (teil)-wesentlich verursacht habe. Vielmehr müsse die Frage beantwortet werden, ob die Einwirkung jeder der genannten BKen jede für sich betrachtet eine wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung war. Dabei könne dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich seien, so viel eigene Bedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemisches wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestandes zukomme (BSG Urteil vom 12. Juni 1990, Az.: 2 RU 19/90; BSG Urteil vom 12. Januar 2010, Az.: B 2 U 5/08 R; aus der Literatur: Becker, Medizinischer Sachverständiger 2005, 115).

Beim Versicherten stellt sich danach die Frage, ob eine Chromatbelastung im Umfang von 307,51 Chrom-VI-Jahren zur wesentlichen Mitursache für die Entstehung des Bronchialkrebses beim Versicherten wird, wenn parallel eine Nickelbelastung von 196,04 Nickeljahren und eine Asbestbelastung im Umfang von 12,66 Asbestfaserjahren eingewirkt hat. Zur synkanzerogenen Wirkungsweise von Chrom-VI, Asbest und Nickel sind belastbare Dosiswerte in der Arbeitsmedizin bisher nicht abgeleitet. Solche sind auch den aktuellen Ergänzungen der BK-Liste durch den Verordnungsgeber nicht zu entnehmen: Der Verordnungsgeber ist hinsichtlich der Ergänzung der BK Nr. 4104 um die dritte Alternative von 25 Asbestfaserjahre von einer generellen Risikoverdoppelung allein bei dieser Belastung ausgegangen (Ärztliches Merkblatt zur BK 4104 unter IV in: Bundesarbeitsblatt 1997, 32). Der Verordnungsgeber selbst hat unter der Listen-Nr. 4114 die einzige BK normiert, die durch eine Kombination von Einwirkungen – konkret durch Asbest und PAK – entsteht und er geht davon aus, dass eine Risikoverdoppelung erreicht wird, wenn die berufliche Exposition die in Anlage 2 zur BKV normierten Tabellenwerte erreicht (dazu Schönberger u.a., a.a.O., S. 1109). Auch die Vorgaben der bisherigen Rechtssprechung führen nicht weiter. Hinsichtlich der Nickelbelastung ist im Rahmen der ebenfalls offenen BK Nr. 4109 von einer Risikoverdoppelung allein bei Erreichen einer Dosis von 5000 Nickeljahren ausgegangen worden (Urteil des BSG vom 29. November 2011, Az.: B 2 U 26/10 R, Urteil des Senats vom 31. August 2010; Urteil des 9. Senats vom 23. August 2013). Dem entsprechende Erkenntnisse gibt es weder für das Zusammenwirkung von Chrom-VI mit Nickel noch mit Asbest, wie der Sachverständige Prof. D. bestätigt hat, der arbeitsmedizinisch-lungenfachärztliches Erkenntnisse über Dosisbeziehungen vorgenannter Art verneint hat. Im Ergebnis lässt sich danach eine wesentliche (Teil)-Ursächlichkeit der Chromatexposition auch unter Mitberücksichtigung der weiteren versicherten naturwissenschaftlichen Kausalfaktoren nicht bestätigen und der Senat konnte die Voraussetzungen der BK Nr. 1103 auch unter Würdigung eines synkonzerogenen Zusammenwirkens aller auf den Versicherten am Arbeitsplatz einwirkender lungenkrebsverdächtigen Schadstoffe nicht feststellen.

Dieses Ergebnis hat der Senat noch unter 2 weiteren Gesichtspunkten überprüft, ohne zu einer für die Klägerin günstigen Entscheidung zu gelangen: Dies gilt sowohl für den Einwand des Versicherten in der Anlage zum Schriftsatz vom 15. April 2011, er habe einer Nikotinbelastung von nur 19 anstatt 30 Packungsjahren unterlegen, als auch für die Ergebnisse der Lungenstaubanalyse, auf die Prof. D. im Wesentlichen die Mitursächlichkeit der Chromeinwirkung beim Versicherten stützen will.

Der Senat musste dem Einwand des Versicherten zur Nikotinanamnese nicht nachgehen – insbesondere die benannten Zeugen nicht vernehmen. Denn auch wenn er von einer um 1/3 reduzierten Zigarettenrauchbelastung des Versicherten ausgeht, verbleibt es bei einem mehr als sechsfach unversichert erhöhten Erkrankungsrisiko gegenüber einer allenfalls zu 30 % erreichten Risikoverdoppelung durch die versicherte Chrom-VI-Exposition, was an der Unwesentlichkeit der beruflichen Einwirkung nichts ändern würde.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Argumentation des Prof. D., der wiederholt - zuletzt im Erörterungstermin vom 21. August 2013 - die Chrompartikelbelastung des veraschten und im Rasterelektronenmikroskop (REM) untersuchten Lungengewebes des Versicherten als entscheidendes Argument für die wesentliche Mitursächlichkeit angeführt hat. Er hat im Erörterungstermin seine frühere Einschätzung wiederholt, dass der sicherheitstechnischen Expertise die zentrale Bedeutung bei der arbeitsmedizinischen Beurteilung des Kausalzusammenhanges zukomme, dass die Gefahrstoffanalyse der Lunge – im so genannten Biomonitoring gewonnenen – allerdings die TAD-Expertise entscheidend ergänzen könne (so schon D., Dosiswerte von Chrom und Nickel beim Schweißen aus arbeitsmedizinischer Sicht, Zentralblatt für Arbeitsmedizin 2005, 372, 379). Nach dem Ergebnis des von Dr. Z. im Erörterungstermin dargestellten Ablaufes der REM-Untersuchung kann diese letztlich nur bestätigen, dass beim Schweißvorgang Chromate entstanden und mit zahlreichen weiteren Schweißrauchpartikeln in die Lunge des Versicherten gelangt waren. Ansonsten hat die Untersuchung ergeben, dass das veraschte Lungengewebe eine erhebliche Chrombelastung von 3 % Chrom aufwies. Sie kann aber nicht zu einer Chrom-VI-Dosis-Ableitung führen, da die Chrom-VI-Partikel als leicht lösliche Stoffe in der Körperflüssigkeit innerhalb kurzer Zeit in Chrom-III-Verbindungen umgewandelt werden und sodann nicht mehr als solche nachweisbar sind. Die zum sicheren Nachweis der Chromatbelastung führende Methode setzt Prof. D. zufolge die Ermittlung der Chrom-VI-Dosisbelastung am Arbeitsplatz sowie eine zeitgleiche Belastungsermittlung des Lungengewebes voraus und wäre mit einem Eingriff ins Lungengewebe verbunden, die keinem Versicherten zumutbar wäre. Letztlich können danach die aus dem Biomonitoring - dem Beobachten des Körperinneren - gewonnenen Erkenntnisse das Ausmaß der grundsätzlich maßgeblichen von außen auf den Körper einwirkenden Chrom-VI-Belastung weder entscheidend ergänzen noch gar widerlegen. Sie lassen letztlich nur einen Rückschluss auf die Chrombelastung der Lunge zu, wobei für die BK Nr. 1103 maßgeblich nicht die Chrombelastung an sich sondern die zu Lungenkrebs führende Chrom-VI-Belastung bleibt. Den von der Beklagten und dem beratenden Dr. C. erhobenen Einwand, dass die REM-Untersuchung von veraschtem Lungengewebe eine spezifische Chromatbelastung nicht abbilden und von daher zwischen lungenkrebsrelevanten und dafür irrelevanten Chromarten nicht unterscheiden könne, konnten Prof. D. und Dr. Z. im Erörterungstermin nicht widerlegen. Maßgeblich bleibt danach der sicherheitstechnisch im arbeitstechnischen Gutachten der Diplom-Ingenieur-Chemikerin H. gewonnene Chrom-VI-Belastungsumfang, der nicht zu korrigieren ist mit der Folge, dass die im Rahmen der BK Nr. 1103 versicherte berufliche Exposition des Versicherten nach Würdigung der erschöpfend erhobenen Beweise nicht als wesentliche Mitursache seiner Bronchialkrebserkrankung feststeht. Dies geht im Rahmen der objektiven Beweislast zulasten der Klägerin, so dass die erstinstanzliche Entscheidung auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Berufung im Hinblick auf die bei Prüfung des Kausalzusammenhangs auftretenden Fragen zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).