VG Berlin, Beschluss vom 27.03.2015 - 7 K 236.14
Fundstelle
openJur 2015, 7638
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin W... für die Durchführung des Klageverfahrens VG 7 K 236.14 ist gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 S. 1 Zivilprozessordnung – ZPO – abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist aussichtslos. Dass der Beklagte die beantragte Erteilung eines Wohnberechtigungsscheines für die Klägerin (und ihre Kinder) abgelehnt hat, ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin gehört nicht zum Kreis der Berechtigten.

Gemäß § 5 des Wohnungsbindungsgesetzes wird die Bescheinigung über die Wohnberechtigung (Wohnberechtigungsschein) in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 5 des Wohnraumförderungsgesetzes – WoFG – erteilt. § 27 Abs. 2 Satz 1 WoFG bestimmt, dass der Wohnberechtigungsschein auf Antrag des Wohnungssuchenden für die Dauer eines Jahres erteilt wird. Satz 2 dieser Vorschrift regelt, dass Wohnungssuchende antragsberechtigt sind, die sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten und die rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, für sich und ihre Haushaltsangehörigen auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbstständigen Haushalt zu führen.

Danach setzt die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins nicht nur die – hier wohl berechtigte – Prognose voraus, dass der Antragsteller und seine Haushaltsangehörigen faktisch ein weiteres Jahr im Bundesgebiet verbleiben werden, sondern darüber hinaus die rechtliche Verfestigung des Aufenthaltsstatus aller in den Antrag einbezogenen Personen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm, der auf die „rechtliche und tatsächliche“ Möglichkeit einer längerdauernden Wohnsitzbegründung für den Wohnungssuchenden und seine Haushaltsangehörigen abstellt.

1. Eine solche rechtliche Verfestigung ist nur dann gegeben, wenn der Betroffene – wie im Fall eines Aufenthaltstitels oder dessen Fiktion nach den §§ 4 ff., 81 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG –, einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 des Asylverfahrensgesetzes oder eines Aufenthaltsrechts nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU – berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten. Für diese (enge) Interpretation des Kreises der Berechtigten sprechen die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Vorschrift. In den Gesetzesmaterialien wird ausgeführt, dass ein Ausländer nur dann antragsberechtigt sein soll, wenn er sich für längere Zeit „berechtigt“ im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhält (Bundestagsdrucksache 14/5538, S. 58). Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 Satz 2 WoFG ist es, nur solchen Menschen Zugang zum Markt der öffentlich subventionierten Wohnungen zu gewähren, deren dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet der Gesetzgeber auch rechtlich billigt. Eine solche Billigung kann im Hinblick darauf, dass Aufenthaltsgewährung nach dem geltenden Aufenthaltsrecht dem Prinzip des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt folgt, erst dann angenommen werden, wenn die zuständige (Ausländer-) Behörde das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts auf dem dafür vorgesehenen verwaltungsverfahrensrechtlichen Weg durch Erteilung eines der genannten Aufenthaltstitel bestätigt hat.

Es reicht daher nicht aus, dass – wie im Fall eines Abschiebungshindernisses nach § 60 AufenthG, einer Duldung nach § 60a AufenthG oder deren Fiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG – lediglich die Beendigung des unberechtigten Aufenthaltes eines Ausländers im Wege der Abschiebung ausgeschlossen ist. Es genügt auch nicht, dass ein dauerhaftes rechtliches Abschiebungshindernis gegeben ist (anders zum gleichlautenden § 4 Abs. 7 LWoFG: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2013 – 3 S 1514/12 –, juris Rn. 32 und 35). Denn ein solches bewirkt zunächst nur eine tatsächliche Verfestigung des Aufenthaltes und lässt die Ausreisepflicht fortbestehen. Die erforderliche rechtliche Verfestigung tritt in diesem Fall erst durch eine ggf. nachfolgende Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG ein. Erst deren Erteilung, nicht bereits ein ggf. bestehender materieller Anspruch, macht den Aufenthalt des Wohnungssuchenden „berechtigt“ i.S.d. § 27 Abs. 2 WoFG.

Gegen dieses Ergebnis sprechen auch nicht gesetzessystematische Gründe. Dass der Kreis der Begünstigen eines Wohnberechtigungsscheins hinter dem der Wohngeldberechtigten zurückbleibt, zu dem auch geduldete Ausländer mit tatsächlichem Aufenthalt im Bundesgebiet zählen (vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 2 des Wohngeldgesetzes), ist der Entscheidung des Gesetzgebers geschuldet, im Zuge der Neuregelung des Wohngeldrechts den Kreis wohngeldberechtigter ausländischer Personen möglichst weit zu fassen, dabei indes nur die Verweisungen zwischen beiden Gesetzen anzupassen, ohne deren Regelungen vollständig zu harmonisieren (vgl. Bundestagsdrucksache 16/6543, S. 89, 111).

Nach diesem Maßstab gehört die Klägerin nicht zum Kreis der Berechtigten, da sie und ihre Kinder bislang nicht über eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen i.S.d. § 25 AufenthG verfügen, sondern lediglich im Besitz einer Duldung i.S.d. § 60a AufenthG bzw. Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind.

2. Folgt man dagegen der Auffassung des VGH Mannheim (a.a.O.), ergibt sich nichts anderes. Denn die Kammer kann nach dem Vortrag der Klägerin und dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge nicht feststellen, dass der Klägerin aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK ein dauerhaftes Abschiebungshindernis zur Seite steht.

Insoweit kommt es darauf an, welchen Grad der Verwurzelung der Ausländer in Deutschland erreicht hat. Das Ausmaß der Verwurzelung ist unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – BVerwG 1 C 40.07 -, juris, Rn. 20). Das Recht auf Privatleben umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Gesamtheit der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines Menschen konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt. Bei der Abwägung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wobei nicht nur die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, sondern auch die Legitimität des Aufenthalts zu würdigen ist. Weiterhin sind einzustellen das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. der Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie sowie eine etwaige Strafbarkeit (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009, a.a.O., Rn. 21 ff.).

Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist eine hinreichende Verwurzelung der Klägerin im Bundesgebiet nicht festzustellen. Der Vortrag der Klägerin dazu ist substanzlos. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich darüber hinaus nichts zu Ihren Gunsten. Der Aufenthalt der Klägerin gründet seit ihrer Einreise im Wesentlichen auf ihrer Weigerung, die erforderlichen Dokumente für eine Ausreise i... zu erwerben bzw. davon Gebrauch zu machen. Wirtschaftliche Verwurzelung ist nicht eingetreten. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt, soweit ersichtlich, ausschließlich aus Leistungen der Sozialhilfe bzw. nach dem SGB II.