Bayerischer VGH, Urteil vom 12.03.2014 - 20 B 14.1441
Fundstelle
openJur 2015, 7537
  • Rkr:

Die Ausschlussfrist, Beiträge innerhalb von zwanzig Jahren nach Entstehen der Vorteilslage festzusetzen, ist verfassungsgemäß.Zwanzigjährige Ausschlussfrist für die Erhebung von Beiträgen;Verfassungsmäßigkeit;Nichtanwendung einer den Bürger belastenden Übergangsregelung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken 

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Kläger erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € für einen Dachausbau heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

Während des Widerspruchsverfahrens erwiesen sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 und deren Vorgängersatzungen als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

Die vom Kläger gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005, basierend auf der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 24. Juli 2000, geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Kläger sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 KAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab.

Mit Beschluss vom 5. März 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) für unvereinbar und hob den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - auf und verwies die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück.

Mit Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, wurden die Verjährungsvorschriften durch den bayerischen Gesetzgeber neu gefasst. Ein Beitrag ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) Spiegelstrich 1 KAG spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres nach Eintreten der Vorteilslage zu erheben. Liegt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandkräftigen Bescheid festgesetzt wurden, gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG eine Frist von 30 Jahren.

Auf die Nachfrage des Senats legte die Beklagte eine schriftliche Äußerung der Tochter der im Zeitpunkt des Dachausbaus eingetragenen, inzwischen verstorbenen Eigentümer vom 21. Mai 2014 vor. Danach sei der Dachausbau in den Jahren 1986/1987 fertig gestellt worden. Der Kläger war dagegen mit Schreiben vom 22. Mai 2014 der Meinung, dass das Dachgeschoss im Zeitpunkt 1991 mehr als 10 Jahre bereits ausgebaut gewesen sei.

Mit seiner durch den Senat zugelassenen Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 zu ändern

und den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Freising vom 26. Juni 2006 aufzuheben.

Die Neuregelung des bayerischen Gesetzgebers genüge nach wie vor nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gebot der Rechtssicherheit. Hierfür sei die gewählte Frist zu lange. Jedenfalls genüge sie den Anforderungen nicht, soweit es um Sachverhalte vor Erlass der Regelung gehe, bei denen eine Anpassung der Vertragsgestaltungen nicht mehr möglich sei. Zudem sei nicht klar, dass die Vorgängersatzungen tatsächlich nichtig gewesen seien. Dies sei im Berufungsverfahren aufzuklären, mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sein könnte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 zum Thema des Zeitpunktes des Dachausbaues Beweis erhoben durch Einvernahme der Tochter der früheren Eigentümer als Zeugin. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift sowie auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 26. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl Seite 264, BayRS 2024-1-I) zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70) sowie in den Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Beklagten vom 18. April 2005, rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 1995.

Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungseinrichtungen, wie die der Beklagten. Gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG entsteht ein zusätzlicher Beitrag, wenn sich nachträglich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände ändern. So liegt es hier.

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Beklagte mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 18. April 2005 erstmals über eine wirksame Beitragssatzung verfügt hat. Die vorausgehenden Beitragssatzungen der Beklagten enthielten eine unzulässige Regelung zur Veranlagung einzelner Geschosse innerhalb von Gebäuden oder selbständigen Gebäudeteilen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 27.2.2003 - 23 B 02.1032 - BayVBl 2003, 373; B.v. 17.5.2006, - 23 CS 06.928 - juris) zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils der Satzung führt. Die Entwässerungssatzung mit Beitrags- und Gebührenteil vom 30. Juli 1973 ist wegen einer mit dem Prinzip der gerechten Vorteilsabgeltung nicht zu vereinbarenden Begünstigung kleinerer Einfamilienhäuser beim Beitragsmaßstab Grundstücksfläche (§ 34 Abs. 2 c) im Beitragsteil als nichtig anzusehen (BayVGH, U.v. 14.4.1989 - 23 B 87.03112). Die BGS-EWS vom 12. Dezember 1960 ist allein schon wegen des nicht vorteilsgerechten Grundbeitrags mit Berücksichtigung der Geschossfläche erst ab dem dritten Vollgeschoss (§ 6 Abs. 1) nichtig (vgl. BayVGH v. 14.4.1989 a.a.O.). Diese vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung ist zutreffend und wurde vom Kläger nicht substantiell in Frage gestellt. Auf der Grundlage der rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft getretenen BGS-EWS 2005 ist die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung von 74,0 qm im Dachgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens somit erstmals am 1. April 1995 entstanden. Die persönliche Beitragsschuld trifft den Kläger als zu diesem Zeitpunkt im Grundbuch eingetragenen Eigentümer (Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG, § 4 BGS-EWS 2005).

Die Festsetzung des Herstellungsbeitrags im Jahr 2004 war noch zulässig, da die Vorteilslage für das veranlagte Anwesen frühestens im Jahr 1987 eintrat.

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist § 169 der Abgabenordnung (AO) in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (vgl. Art. 19 Abs. 2 KAG). Durch die Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist der bayerische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichtes, welches die Vorgängerregelung, die bei einer nichtigen Beitragssatzung keine zeitliche Begrenzung der Beitragserhebung nach dem Entstehen der Vorteilslage vorsah, für verfassungswidrig erklärte (BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BGBl I 2013, 820 = BayVBl 2013, 465), nachgekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 45, 46):

„Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.“

25Gemessen an diesen Anforderungen ist die vom bayerischen Gesetzgeber gewählte zwanzigjährige Ausschlussfrist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst wurde dadurch erstmals eine zeitliche Höchstgrenze für die Erhebung eines Beitrages nach Art. 5 KAG eingeführt und dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, so dass der Bürger nunmehr eine klare Höchstfrist vor Augen hat und nicht mehr im Unklaren ist. Bei der Bestimmung der Dauer der Frist ist mit zwanzig Jahren kein unangemessen langer Zeitraum gewählt worden. Entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts hatte der Gesetzgeber hier einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Bürgers an baldiger Rechtssicherheit und dem öffentlichen Interesse an einem Vorteilsausgleich für die Zurverfügungstellung einer öffentlichen Einrichtung der Daseinsvorsorge durchzuführen. Dem Gesetzgeber steht hier ein weiter Gestaltungsspielraum zu und die Vorteile, die die öffentliche Einrichtung vermittelt, können hier noch relativ lange fortwirken. So hält der 6. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgesehen von der hier einschlägigen Konstellation allgemein eine 30jährige Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG für angemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsanspruch aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Wege des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung in Anlehnung an § 53 Abs. 2 VwVfG eine 30jährige Ausschlussfrist entgegen gehalten werden und zwar unabhängig von der Entstehung des Anspruches (BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211, ebenso VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.1.2015 - 2 S 1840/14 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 4.12.2014 - 4 L 220/13 - juris). Im Hinblick darauf bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Zwanzigjahresfrist keine Bedenken. Zum einen hat der bayerische Gesetzgeber eine im Vergleich zu vorstehenden Erwägungen wesentlich kürzere Frist gewählt, zum anderen handelt es sich um eine klar ersichtliche gesetzliche Ausschlussfrist, die den Bürgern unabhängig von den Umständen des Einzelfalls Rechtsklarheit verschafft. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der unterschiedlichen Interessen (vgl. LT-Drs. 17/370 Nr. 2) ist von sachgerechten Erwägungen getragen und hält sich im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums.

Bei Ergänzungsbeitragen für die Verwirklichung zusätzlicher Geschossflächen kann man für den Beginn der Ausschlussfrist aber nicht auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Einrichtung abstellen. Hier wird der (zusätzliche) Vorteil, den die öffentliche Einrichtung vermittelt, erst mit der tatsächlichen Fertigstellung der betreffenden Geschossflächen vermittelt und muss damit Ausgangspunkt der Betrachtung sein.

Der Dachausbau des streitgegenständlichen Anwesens wurde frühestens im Jahre 1987 fertiggestellt. Dies steht nach der in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 durchgeführten Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugin ... zur Überzeugung des Senats fest. Die Zeugin hat mit ihrer Aussage nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass sie sich dieser zeitlichen Einordnung ziemlich sicher sei, weil sie 1985, als sie 18 Jahre alt war, ihre Berufstätigkeit begonnen habe und sich damals die Frage stellte, ob sie ausziehen solle oder im elterlichen Haus bleiben könne. Die Familie habe sich dann entschlossen das Dach als Wohnung für die Zeugin auszubauen. Diese zu keinen Zweifeln Anlass gebende Aussage wurde auch vom Kläger bei der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Frage gestellt. Demnach ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Dachausbau im Jahre 1987 fertiggestellt wurde. Folglich begann die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit Ablauf des Jahres 1987 am 1. Januar 1988 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die Festsetzung des Beitrags erfolgte jedoch mit der Bekanntgabe des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2004, dessen Rechtsgrundlage die BGS-EWS vom 18. April 2005 ist, und damit vor Ablauf der Zwanzigjahresfrist.

Damit erfolgte die Festsetzung des Ergänzungsbeitrags noch rechtzeitig und es kommt nicht auf die Anwendung der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG an. Nach dieser Vorschrift gilt für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt. Diese Norm hätte zwar im hier zu entscheidenden Fall Anwendungsvorrang, weil der streitgegenständliche Ergänzungsbeitrag durch vor dem 1. April 2014 nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt worden ist. Der Senat hegt jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, ob die Übergangsregelung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV zu vereinbaren ist. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung von Beitragsfestsetzungen die vor dem 1. April 2014 mit nicht bestandskräftigem Bescheid festgesetzt worden sind und Beitragsfestsetzungen, die nach diesem Zeitpunkt erfolgt sind, erschließt sich dem Senat - jedenfalls bisher - nicht. Die im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes gegebene Begründung (LT-Drs. 17/370 S. 18) überzeugt nicht. Sie beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken, dass eine unterschiedliche Behandlung von (ausgesetzten) Widerspruchsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, aufgrund der unterschiedlich maßgeblichen Entscheidungszeitpunkte, vermieden werden soll. Eine solche Erwägung spielt aber erkennbar keine Rolle, weil es bei Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG maßgeblich auf die Festsetzung des Beitrags und somit auf die Bekanntgabe des Beitragsbescheids ankommt. Nachdem im hier zu entscheidenden Fall bereits die regelmäßige zwanzigjährige Ausschlussfrist eingehalten wurde, kann die Frage, ob die Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG verfassungsgemäß ist oder gegebenenfalls einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, jedoch dahinstehen.

2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.  

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.197,32 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).