OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2015 - 6 W 154/14
Fundstelle
openJur 2015, 7125
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 18. 7. 2014 - 84 O 213/12 SH III - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Gegen die Schuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot aus dem Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 19. 10. 2012 - 84 O 213/12 - ein Ordnungsgeld von

16.000,00 EUR

verhängt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 - 84 O 213/12 - hat das Landgericht Köln gegen die Schuldnerin eine einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt erlassen:

"Die [Schuldnerin] hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Wettbewerb geschäftlich handelnd

a) Verbraucher ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung zum Zwecke der Kundenakquise anzurufen;

und/oder

b) zu behaupten, die [Gläubigerin] habe in einem Schreiben eine 37-prozentige Strompreiserhöhung angekündigt;

und/oder

c) zu behaupten, die Firma ,T. Strom‘ arbeite mit der [Gläubigerin] zusammen."

Dieser Beschluss ist der Schuldnerin am 24. Oktober 2012 zugestellt worden.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2013 (84 O 213/12 SH I) hat das Landgericht wegen eines Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld in Höhe von 6.000 EUR verhängt. Mit Beschluss vom 24. Juli 2013 (84 O 213/12 SH II) hat das Landgericht wegen eines weiteren Verstoßes ein Ordnungsgeld in Höhe von 8.000 EUR gegen die Schuldnerin verhängt.

Am 30. Oktober 2013 erhielt eine Kundin der Gläubigerin einen Werbeanruf von einem Kundenwerber der Schuldnerin, obwohl sie vorher nicht in Werbeanrufe eingewilligt hatte.

Darüber hinaus hat die Gläubigerin sechs weitere Fälle unzulässiger Telefonwerbung behauptet, die sämtlich von einer Mobiltelefonnummer 0152-23730033 aus erfolgt seien. Bei allen Anrufen habe es sich um unzulässige Werbeanrufe im Auftrag der Schuldnerin gehandelt. Wegen dieser insgesamt sieben Anrufe hat die Gläubigerin beantragt, gegen die Schuldnerin ein empfindliches Ordnungsgeld festzusetzen.

Die Schuldnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe sämtliche Vertriebspartner, so auch den, in dessen Auftrag der Anruf vom 30. 10. 2013 erfolgt sei, darauf hingewiesen, Anrufe bei Kunden nur bei vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Kunden durchzuführen. Die Anrufe, die von der Nummer 0152-23730033 erfolgt seien, seien nicht von ihr veranlasst worden. Sie hätte diese Nummer keinem von ihr beauftragten Callcenter zuordnen können und bestreite daher Inhalt und Ablauf der Gespräche mit Nichtwissen.

Das Landgericht hat wegen des Anrufs bei der Zeugin S ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 EUR verhängt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Insoweit hat es zur Begründung ausgeführt, die Schuldnerin habe dargelegt, dass sie erfolglos versucht habe, die Nummer 0152-23730033 einem ihrer Vertriebspartner zuzuordnen. Aus dem vorangegangenen Ordnungsmittelverfahren sei bekannt, dass die Schuldnerin Anrufe, die sich ihren Vertriebsunternehmen zuordnen ließen, auch zugestehe. Es lasse sich daher nicht ausschließen, dass die Anrufe von einem Mitarbeiter eines Vertriebsunternehmens in bewusster und gewollter Missachtung der Anweisungen der Schuldnerin getätigt worden seien; hierfür habe die Schuldnerin aber nicht einzustehen.

Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt die Gläubigerin ihren Ordnungsmittelantrag wegen der Anrufe von der Nummer 0152-23730033 aus weiter. Zur Begründung trägt sie vor, es spräche ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Schuldnerin für die in ihrem Interesse verfolgten Anrufe verantwortlich sei. Sie bediene sich eines umfangreichen Vertriebsnetzes, zu dem Handelsvertreter, "Promoter" und "Affiliates" gehören würden, ferner setze sie externe Callcenter ein. Ihr Vortrag zu ihren Nachforschungen und zur Überwachung dieses Vertriebsnetzes sei unzureichend.

Auf Hinweis des Senats, dass - unterstellt, die Anrufe seien mit dem von der Gläubigerin vorgetragenen Inhalt erfolgt - der Vortrag der Schuldnerin nicht geeignet sein dürfte, sie zu entlasten, hat sie vorgetragen, sie habe ihre Callcenter ausdrücklich angewiesen, keine unaufgeforderten Kundenanrufe zu tätigen, und entsprechende vertragliche Vereinbarungen auch durch Vertragsstrafen abgesichert. Auch ihre Vertriebspartner habe sie durch Rundschreiben - mehrfach - auf die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben verpflichtet.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat auch in der Sache Erfolg. Auch die Anrufe von der Rufnummer 0152-23730033 aus stellen Verstöße gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln dar, die sich die Schuldnerin zurechnen lassen muss.

1. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sind die von der Gläubigerin vorgetragenen Anrufe von der Rufnummer 0152-23730033 aus im Auftrag und im Interesse der Schuldnerin erfolgt.

Der Zeuge S2 hat ausgesagt, der Anrufer, der ihn am 26. November 2013 angerufen habe, habe angegeben, er sei von der Firma "F.". Der Beweiswert diese Aussage wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass auf den handschriftlichen Notizen des Zeugen dieser Name mit Kugelschreiber eingetragen worden ist, während die anderen Notizen zum Verlauf des Gespräches mit Bleistift geschrieben worden sind. In den mit Bleistift geschrieben Notizen findet sich nämlich auch der Vermerk der Bezeichnung "T.-tarif T19", unter der die Schuldnerin ihre Leistungen anbietet, wie sich auch aus den - unstreitigen - Angaben der Zeugin S ergibt. Selbst wenn die Bezeichnung der Schuldnerin in den Notizen des Zeugen S2 nachträglich eingesetzt worden wäre, so belegen diese Notizen doch, dass jedenfalls der Name des Produkts der Schuldnerin im Telefonat erwähnt worden ist, so dass davon auszugehen ist, dass der Anruf der Bewerbung dieses Produkts diente und damit im Interesse der Schuldnerin erfolgt ist.

Ebenso hat der Zeuge O ausgesagt, er sei am 27. November 2013 angerufen worden, wobei sich der Anrufer zunächst als Mitarbeiter der Gläubigerin ausgegeben habe. Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe er angegeben, er rufe für ein Unternehmen "T. Strom" an, so dass auch dieser Anruf die Bewerbung eines Produkts der Schuldnerin betraf. Gleiches gilt für die Aussage der Zeugin E, der gegenüber ebenfalls die Bezeichnung "T. Strom" gebraucht wurde. Schließlich hat auch die Zeugin M bestätigt, dass in dem Gespräch mit ihr, das von der betreffenden Rufnummer aus geführt wurde, die Bezeichnung "F." gefallen ist. Auch wenn die Zeugin Schwierigkeiten hatte, die Bezeichnung aufgrund der Gesprächsqualität sicher zu verstehen, ist ihre Aussage in Verbindung mit den anderen Aussagen eine hinreichend sichere Grundlage, um auch diesen Anruf im Februar 2014 der Schuldnerin zuzurechnen.

Aufgrund dieser Aussagen ist davon auszugehen, dass die Anrufe, die von der Rufnummer 0152-23730033 aus getätigt worden sind und in denen der Anrufer die Angerufenen auf Stromtarife ansprach, im Interesse der Schuldnerin getätigt worden sind. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs kann davon ausgegangen werden, dass auch die Anrufe von dieser Nummer aus, bei denen weder der Name der Schuldnerin noch der ihres Produkts "T. Strom" fielen (gegenüber den Zeugen O2 und P) im Auftrag und im Interesse der Schuldnerin erfolgt sind. Aufgrund der Parallelen zu den anderen Anrufen ist weiterhin davon auszugehen, dass es sich auch bei diesen Anrufen um Werbeanrufe im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelte, auch wenn der Anrufer nicht dazu kam, die Einzelheiten seines Anliegens zu erläutern.

Dagegen spricht nicht, dass die Schuldnerin nach ihren Angaben nicht in der Lage war, die fragliche Telefonnummer einem ihrer Vertriebspartner zuzuordnen. Aus der Aussage des Zeugen S2 wie auch den unstreitigen Angaben der Zeugin S lässt sich entnehmen, dass der Anrufer für Rückfragen jeweils eine Telefonnummer aus dem Münchener Raum angegeben hat. Wäre es zu einem Vertragsangebot kommen, wäre daher im Zweifelsfall diese Münchener Nummer in den Unterlagen genannt worden.

Der Vortrag der Schuldnerin, sie habe die von ihr beauftragten Callcenter angewiesen, keine Mobiltelefone zu verwenden, spricht ebenfalls nicht gegen die Zuordnung der Anrufe zu ihr. Die Gläubigerin hat darauf hingewiesen, dass die Schuldnerin neben Callcentern auch zahlreiche ("mehrere hundert") andere Vertriebspartner einsetzt bis hin zu individuellen Handelsvertretern, bei denen der Einsatz eines Mobiltelefons näher liegt als bei einem Callcenter. Indirekt hat die Schuldnerin den Vortrag der Gläubigerin mit ihrem letzten Schriftsatz noch bestätigt, in dem sie ausdrücklich zwischen Callcentern (mit denen sie sogar Vertragsstrafen vereinbart haben will) und sonstigen Vertriebspartnern differenziert.

2. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Beschwerdeverfahren hat sich die Schuldnerin nicht entlastet.

a) Der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgebots muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugutekommt. Maßgebend ist insoweit, ob der Schuldner mit Verstößen durch Dritte ernstlich rechnen muss und welche rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Schuldner auf den Dritten hat. Zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen durch Dritte kann es gehören, auf sie durch Belehrungen und Anordnungen entsprechend einzuwirken und deren Beachtung zu überwachen. Die Belehrung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und muss auf die Nachteile aus einem Verstoß, sowohl hinsichtlich der vertraglichen Beziehung (Kündigung) als auch der Zwangsvollstreckung, hinweisen. Es reicht also nicht aus, die betreffenden Dritten nur über den Inhalt des Titels zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern. Vielmehr muss die Einhaltung der Anordnungen auch überwacht werden, und angedrohte Sanktionen müssen bei Verstößen auch verhängt werden, um ihre Durchsetzung sicherzustellen. Genügt der Schuldner diesen Anforderungen nicht, kann er sich nicht darauf berufen, dass der Wettbewerbsverstoß ohne sein Zutun erfolgt sei (OLG Nürnberg WRP 1999, 1184 = NJW-RR 1999, 723, 724; LG Frankfurt WRP 2008, 691, 692 = juris Tz. 7, bestätigt durch OLG Frankfurt, OLGR 2009, 78; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 12 Rn. 6.7).

b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Schuldnerin nicht. Sie hat lediglich Rundschreiben vorgelegt, in denen darauf hingewiesen wurde, dass bei Werbeanrufen ohne vorheriges Einverständnis des Angerufenen die Bundesnetzagentur Bußgelder verhängen könne; auch könnten Wettbewerber Vertragsstrafen und Ordnungsgelder geltend machen. Dass die Antragsgegnerin bei Verstößen ihrerseits gegen den betreffenden Vertriebspartner vorgehen werde, ergibt sich aus diesen Schreiben nicht.

Auch der Vortrag im Schriftsatz vom 12. 12. 2014, der als Reaktion auf den Hinweis des Senats erfolgt ist, ist nicht geeignet, die Schuldnerin zu entlasten. Sie trägt (wie schon erstinstanzlich) lediglich vor, mit den von ihr beauftragten Callcentern habe sie Vertragsstrafen vereinbart. Dieser Vortrag ist einmal zu unsubstantiiert, da weder die Voraussetzungen der Fälligkeit der Strafe fällig noch deren Höhe vorgetragen werden. Im übrigen wäre zu erwarten gewesen, dass ein entsprechender Vertrag vorgelegt wird. Ferner betrifft dieser Vortrag ausdrücklich nur die Callcenter, nicht aber die sonstigen Vertriebspartner, die in dem Schriftsatz gesondert aufgeführt werden. Er kann daher nur so verstanden werden, dass mit den sonstigen Vertriebspartnern keine Vertragsstrafen vereinbart worden sind.

Außerdem hat die Schuldnerin erneut ein Rundschreiben vorgelegt, das ihrem Vortrag nach am 1. 7. 2013 versandt worden sein soll, und in dem den Adressaten angekündigt wird, sie würden wegen Schäden, die der Schuldnerin aus der Nichtbefolgung ihrer Anweisungen entstehen würden, in Regress genommen. Es erscheint bereits fraglich, ob die Schuldnerin nicht darüber hinaus auch weitere vertragliche Konsequenzen, bis hin zur dauerhaften Beendigung der Zusammenarbeit, androhen musste. Ausschlaggebend ist, dass die Schuldnerin nicht dargelegt hat, dass sie Konsequenzen aus den vorangegangenen Ordnungsmittelbeschlüssen vom 27. 2. 2013 und vom 24. 7. 2013, die mithin beide zeitlich deutlich vor den hier in Rede stehenden Vorfällen erlassen worden sind, gezogen hat und konkrete Sanktionen gegen die für die jeweiligen Verstöße Verantwortlichen verhängt hat. Allein deswegen ist davon auszugehen, dass sie ihre Überwachungs- und Kontrollpflicht verletzt hat und sich nicht darauf berufen kann, die Anrufe seien unter Missachtung ihrer Anweisungen erfolgt.

3. Unter Berücksichtigung der nunmehr nachgewiesenen weiteren Verstöße gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln erscheint dem Senat die Verhängung eines Ordnungsgeldes in einer Gesamthöhe von 16.000 EUR erforderlich, aber auch ausreichend. Zugunsten der Schuldnerin ist zu unterstellen, dass die Verstöße, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, tatsächlich unter Missachtung ihrer Anordnungen begangen worden sind, so dass ihr lediglich ein unzureichendes Kontroll- und Sanktionssystem vorzuwerfen ist. Über das vom Landgericht bereits verhängte Ordnungsgeld hinaus erscheint ein (weiteres) Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 1.000 EUR pro Anruf, die alle von der gleichen Quelle ausgingen und mithin auf einem einheitlichen Tatentschluss beruhten, angemessen.

(Ersatz-) Ordnungshaft kann dagegen nicht verhängt werden, da diese bislang gegenüber den gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin nicht angedroht worden ist. Dies steht zwar der Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin nicht entgegen, führt aber dazu, dass eine Vollstreckung an ihren gesetzlichen Vertretern nicht zulässig ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 15. 6. 2004 - 2 W 32/04 - juris Tz. 4).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 ZPO.