OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.07.2014 - 15 A 2052/13
Fundstelle
openJur 2015, 6125
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. Juli 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.645,43 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Der Kläger hat keinen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. März 2007 ? 1 BvR 2228/02 ?, juris, Rdnr. 25 (= NVwZ-RR 2008, 1).

Der Einwand, das mit Beschluss vom 30. Mai 2007 vom Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehrsplanung beschlossene Ausbauprogramm sei nicht hinreichend bestimmt, weil es sich allein auf eine zeichnerische Darstellung stützen könne, geht an den maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht lediglich auf die den Ausschussmitgliedern vorgelegte Ausbauplanzeichnung abgestellt, sondern angenommen, der Umfang des Ausbaus ergebe sich darüber hinaus aus den schriftlichen Darlegungen in der Beschlussvorlage (Urteilsabdruck Seite 8).

Soweit der Kläger meint, es fehle an der Umsetzung eines wirksam beschlossenen Ausbauprogramms, setzt er sich mit der eingehend begründeten Gegenauffassung des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck Seite 9 f.) nicht auseinander. Von daher erschließt sich nicht, warum das angefochtene Urteil in diesem Punkt falsch sein sollte.

Entsprechendes betrifft die nicht näher erläuterte Rüge, der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehrsplanung sei für die Aufstellung des Bauprogramms nicht zuständig gewesen. Auch hier bleibt offen, weshalb richtigerweise dieser Ansicht und nicht der auf einer Betrachtung des einschlägigen Ortsrechts beruhenden gegenteiligen Bewertung des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck Seite 9) zu folgen wäre. Dass das Bauprogramm nicht notwendig durch den Rat festgelegt werden muss, ist in der Senatsrechtsprechung geklärt.

Ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, die beitragsrechtlich relevante räumliche Ausdehnung der abzurechnenden Anlage bestimme sich hier abweichend vom Bauprogramm. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats davon ausgegangen, dass sich dann, wenn die Satzung ? wie hier ? den sog. weiten Anlagenbegriff zugrunde legt, die konkrete Begrenzung der Anlage im Einzelfall zwar aus dem Bauprogramm ergibt, die Maßgeblichkeit des Bauprogramms für die Abgrenzung der Anlage jedoch gewissen rechtlichen Schranken unterliegt. Diese Schranken, die sich aus dem dem Straßenbaubeitragsrecht zugrunde liegenden Vorteilsgedanken ergeben, können dazu führen, dass die räumliche Ausdehnung einer Anlage über das Bauprogramm hinausgeht oder hinter diesem zurückbleibt. Da der wirtschaftliche Vorteil ein Erschließungsvorteil ist, muss die Anlage so begrenzt werden, dass ihr erkennbar eine Erschließungsfunktion für bestimmte Grundstücke zukommt. Das setzt voraus, dass die Anlage selbst durch örtlich erkennbare Merkmale (z. B. die Einmündung einer Straße) oder nach rechtlichen Gesichtspunkten abgrenzbar ist. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Abgrenzung der Anlage alle Grundstücke erfasst werden, denen durch die Ausbaumaßnahme annähernd gleiche wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Das Ende der Ausbaustrecke ist für sich allein kein taugliches Begrenzungsmerkmal; auch nicht für den Anfang eines später daran anschließenden Ausbaus.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 10. April 2008 ? 15 A 355/08 ?, juris, Rdnr. 2 f., und vom 22. Januar 2009 ? 15 A 3137/06 ?, juris, Rdnr. 33 f. (= NWVBl. 2009, 269), jeweils mit weiteren Nachweisen; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Aufl. 2013, Rdnr. Rdnr. 44 ff.

Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht mit Recht entschieden, dass die abzurechnende Anlage am nördlichen Ende über den im Bauprogramm festgelegten Bereich hinausgeht und sich auch auf den schon zu einem früheren Zeitpunkt ausgebauten, gut 20 m langen Abschnitt bis zur Kreuzung W.-------straße erstreckt. Die G. -F. -Straße verläuft in dem Abschnitt von W.-------straße bis M.------straße durchgängig, ohne dass sie durch einmündende Straßen unterbrochen würde. Sonstige eine anderweitige Abgrenzung rechtfertigende Umstände liegen nicht vor. Dass das nunmehr verlegte Gehwegpflaster ? nach den vom Kläger der Zulassungsbegründung beigefügten Lichtbildern zudem nur geringfügig ? heller ist als das in dem früher ausgebauten Abschnitt verwendete, ist für eine örtlich erkennbare Anlagenbegrenzung in dem oben genannten Sinne nicht geeignet. Im Ergebnis Gleiches gilt für die im Zuge des früheren Ausbaus erfolgte Verschwenkung der G. -F. -Straße im Bereich des klägerischen Grundstücks. Wenn die G. -F. -Straße, bevor sie auf die W.-------straße stößt, nicht mehr in gerader Linie verläuft, sondern eine leichte Rechtskurve beschreibt, beeinflusst dieser Aspekt ihre Erschließungsfunktion für die Grundstücke in dem abgerechneten Abschnitt, anders als der Kläger meint, weder in räumlicher noch gar in rechtlicher Hinsicht.

Ebenfalls richtig erscheint nach den obigen Maßstäben die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, die beitragsrechtlich relevante Anlage ende im südlichen Bereich bereits mit der Einmündung der M.------straße. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die durch das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt werden, setzt sich die Straße im Anschluss an den ausgebauten Straßenteil auf 220 m Länge selbständig nutzbar fort (Urteilsabdruck Seite 13). Vor diesem Hintergrund beinhaltet das programmgemäße tatsächliche Ausbauende etwa 20 bis 30 m jenseits der Einmündung der M.------straße keine taugliche Begrenzung für die ausgebaute Anlage, da es an örtlich erkennbaren Abgrenzungsmerkmalen fehlt. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Straße auf Höhe des Grundstücks G. -F. -Straße 2 ihre postalische Bezeichnung ändert. Die postalische Bezeichnung eines Straßenabschnitts stellt für sich genommen ? wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat ? kein für die Begrenzung taugliches Merkmal dar. Unter Abgrenzungsgesichtspunkten unerheblich ist schließlich entgegen der Zulassungsbegründung der Wunsch der Beklagten, mit der Pflasterwahl eine optische Einheitlichkeit von der G. -F. -Straße bis in die Fußgängerzone hinein zu erreichen.

Die Auffassung des Klägers, die Kosten für die Arbeiten an der Fahrbahn sowie für die Erneuerung der Straßenbeleuchtung hätten gemäß dem Beschluss vom 30. Mai 2007 nicht in Ansatz gebracht werden dürfen, trifft nicht zu. Ausgehend von den auf entsprechenden Erläuterungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung fußenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck Seite 17) ist schon nicht ersichtlich, dass der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehrsplanung hinsichtlich dieser Teileinrichtungen auf eine mögliche Beitragserhebung verzichten wollte und nicht lediglich ? rechtsirrig ? von einer fehlenden Beitragsfähigkeit ausgegangen ist. Im Übrigen wäre eine solche Beschlussfassung rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gemeinden von Gesetzes wegen grundsätzlich dazu verpflichtet sind, Straßenbaubeiträge zu erheben (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW). Dies schließt es in aller Regel aus, in Erfüllung des Bauprogramms entstandenen beitragsfähigen Aufwand außer Betracht zu lassen. Anderes gilt nur im Ausnahmefall, wenn besondere, atypische Umstände ein Abweichen von der Beitragserhebungspflicht rechtfertigen.

Vgl. dazu Dietzel/Kallerhoff, a. a. O., Rdnr. 9 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen.

Derartige atypische Umstände sind hier nicht ansatzweise erkennbar und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass nach dem Zulassungsvorbringen die Umgestaltung der G. -F. -Straße im Hinblick auf die Anbindung zur Fußgängerzone erfolgt ist.

2. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen weist die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

3. Ebenso dringt die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht durch. Die behauptete Abweichung des angegriffenen Urteils von der Rechtsprechung des Senats besteht nicht. Eine solche wird vom Kläger in Wahrheit auch gar nicht geltend gemacht. Vielmehr beanstandet er der Sache nach lediglich eine vermeintlich unrichtige Anwendung von in der Senatsrechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätzen auf seinen Fall.

4. Schließlich legt der Kläger mit dem Hinweis auf eine unterbliebene Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit keinen Verfahrensmangel dar, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Auf einen Gehörsverstoß kann sich der bereits in erster Instanz anwaltlich vertretene Kläger nicht berufen, weil er sein Rügerecht insoweit verloren hat. Denn er hat nicht alle ihm zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Zu den verfahrensrechtlichen Befugnissen, von denen ein anwaltlich vertretener Beteiligter erforderlichenfalls Gebrauch machen muss, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör durchzusetzen, gehört insbesondere die Stellung eines förmlichen Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung. Diese Befugnis haben der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht wahrgenommen, sondern es bei einer bloßen schriftsätzlichen Beweisanregung belassen. Dieser musste das Verwaltungsgericht auch im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachkommen. Die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann verletzt, wenn sich dem Gericht die weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne einen förmlichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen. Das ist hier mit Blick auf die obigen Ausführungen nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).