VG München, Urteil vom 14.01.2015 - M 25 K 13.3143
Fundstelle
openJur 2015, 6044
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind irakische Staatsangehörige und begehren die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Der am ... 1982 in ...Irak geborene Kläger zu 1. reiste am ... August 1999 ins Bundesgebiet ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom ... August 1999 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass beim Kläger zu 1. die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Irak vorliegen. Mit rechtkräftigem Bescheid vom ... Oktober 2004 widerrief das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 53 AuslG nicht vorliegen. Am ... Dezember 1999 erhielt der Kläger zu 1. erstmals eine Aufenthaltsbefugnis, seit ... Juni 2007 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG.

Im November 2002 reiste seine Ehefrau, welche er am ... 2002 im Irak in Abwesenheit geheiratet hatte, ins Bundesgebiet ein. Die Kläger zu 2. und 3. sind am ... 2003 bzw. ... 2006 im Bundesgebiet geboren und erhielten erstmals am ... November 2007 befristete Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 32 AufenthG (derzeit befristet bis 11.4.2017).

Am ... Oktober 2009 beantragten die Kläger ihre Einbürgerung.

Die Beklagte führte am ... November 2010 sowie am ... März 2012 eine sicherheitsrechtliche Befragung des Klägers zu 1. durch, da nach polizeilichen und verfassungsschutzrechtlichen Erkenntnissen Anhaltspunkte für Kontakte des Klägers zu 1. zu Personen mit terroristischem Hintergrund vorlagen.

Mit Bescheid vom ... Juni 2013 lehnte die Beklagte die Anträge auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG ab.

Zur Begründung wurde angeführt, die Einbürgerung sei ausgeschlossen, da der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG beim Kläger zu 1. vorliege. Es lägen in der Gesamtwertung tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zu 1. bis in die jüngste Vergangenheit die islamistisch-terroristische Organisation Ansar al-Islam (AAI) unterstützt habe bzw. in Kontakt zu Personen stand oder stehen würde, die als Mitglieder dieser Organisation verurteilt worden seien. Trotz eines relativ geringen Einkommens habe der Kläger zu 1. in der Vergangenheit zahlreiche Auslandsreisen u.a. in die Niederlande, Norwegen, die Schweiz und den Irak durchgeführt. ... mit dem er im November/Dezember 2009 eine Hadsch gemacht habe, sei von ihm als guter Freund beschrieben worden. Herr ... sei jedoch als Kontaktperson zu Mullah ..., dem ehemaligen Führer der Ansar al-Islam, bekannt. Im Jahr 2007 sei er zu einem gewissen ... nach Norwegen gereist. Im Jahr 2009 habe er mit seiner Frau Kontakt zu Frau ... und deren Ehemann ... in der Schweiz gehabt. Im Jahr 2011 sei er erneut mit dem aus Norwegen kommenden ... in die Schweiz zur Familie ... gereist. Herr ... habe als Sekretär bzw. rechte Hand des Mullah ... fungiert und sei u.a. Mittelsmann zum al-Qaida Kurdistan Bataillon (AQKB) im Irak gewesen. Das Aussageverhalten des Klägers zu 1. in den sicherheitsrechtlichen Befragungen sei taktisch motiviert gewesen. In der Befragung vom ... März 2012 habe er ursprünglich erklärt, Herrn ... auf Lichtbildvorlagen nicht zu erkennen und lediglich einen Besuch in der Schweiz eingeräumt. Erst nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt habe er einen weiteren Kontakt im Jahr 2011 gemeinsam mit Herrn ... zugegeben und anschließend eindeutig Herrn ... erkannt. In der Gesamtschau der sicherheitsrechtlichen Erkenntnisse sowie des Aussageverhaltens in beiden Befragungen sei festzustellen, dass der Kläger zu 1. seine tatsächlichen Kontakte und zumindest frühere Unterstützungshandlungen zugunsten der Ansar al-Islam zu verschleiern versuche. Der Kläger zu 1. habe selbst Kontakte zu Personen und Reisetätigkeiten eingeräumt, die nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden dem Spektrum der Ansar al-Islam zuzurechnen seien. Es sei nicht glaubhaft, dass die Tätigkeiten dieser Personen dem Kläger zu 1. nicht bekannt gewesen seien. Die Verhaltensweisen während des gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet seien weitere Indizien für verfassungsfeindliche Unterstützungshandlungen des Klägers zu 1. Der Kläger zu 1. habe eingeräumt, Pakete von Privatleuten und Familien zu einer Firma in die Niederlande transportiert zu haben, von wo aus diese weiter in den Irak verschickt worden seien. Es sei bekannt, dass die Ansar al-Islam vor allem in Skandinavien und den Niederlanden logistische Stützpunkte betreibe und dort ein ausgedehntes Netz aus Mitgliedern und Unterstützern besitze. Auch die gegen den Kläger zu 1. durchgeführten Strafverfahren (wegen des Verstoßes gegen das Wirtschaftsembargo) würden darauf hindeuten, dass der Kläger zu 1. tatsächlich dem islamistischen Terrorismus nahestehe. Urkunds-, Schleusungs- und Finanzierungsdelikte würden Verdachtsindikatoren für eine Unterstützung des islamistischen Terrorismus darstellen. Eine glaubhafte Distanzierung von den Inhalten und Zielen der Ansar al-Islam sei nicht erkennbar. Auch die Einbürgerungsanträge der beiden minderjährigen Kinder (Kläger zu 2. und 3.) seien abzulehnen. Eine Miteinbürgerung nach § 10 Abs. 2 StAG komme nach Ablehnung des Einbürgerungsantrags des Vaters nicht in Frage. Eine eigenständige Einbürgerung der Kläger zu 2. und 3. sei nicht möglich, da die erforderliche Zeit eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts von acht Jahren nicht gegeben sei.

Mit Schriftsatz vom ... Juli 2013, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am gleichen Tag eingegangen, erhob der Bevollmächtigte der Kläger Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom ... Juni 2013 die Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Zur Begründung wurde vorgebracht, hinsichtlich der vorgeworfenen Kontakte zu den im Bescheid genannten Personen sei deren Einvernahme erforderlich.

Die im Schreiben der Bundesnachrichtendienstes vom ... Juni 2013 erwähnte Überweisung von Herrn ... sei erfolgt, weil der Kläger zu 1. einem „Familienangehörigen (Herrn ...)“ Geld für die Bezahlung einer Strafe geliehen habe, welches zum Teil durch die Überweisung aus Norwegen zurückgezahlt worden sei.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom ... August 2013,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2015 wiederholten die Beteiligten die bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge. Der beteilige Vertreter des öffentlichen Interesses beantragte Klageabweisung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom ... Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung in den deutschen Staatsverband, § 113 Abs. 5 VwGO.

1. Der beantragten Einbürgerung des Klägers zu 1. nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG steht der zwingende Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Danach ist die Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltpunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Bestrebungen in diesem Sinne sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebiets gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebiets gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – juris).

Dabei müssen die Bestrebungen nicht objektiv geeignet sein, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es reicht vielmehr aus, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die genannten Grundprinzipien zu beeinträchtigen. Der Ausschlussgrund der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Verfassungsschutzes. Damit sind Handlungen und Tatbestände erfasst, die strafrechtlich noch nicht relevant sind und keine fassbare Gefährdung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland mit sich bringen. Deshalb greift die Vorschrift nicht erst dann, wenn die Sicherheitsbedenken tatsächlich vorliegen. Erforderlich und hinreichend sind vielmehr „tatsächliche Anhaltspunkte“ hierfür. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass von der Vorschrift erfasste Aktivitäten in der Regel nicht in aller Öffentlichkeit und transparent entfaltet werden (vgl. Berlit in GK StaR, Stand: Oktober 2014, § 11 Rn. 66). Ergeben sich die Sicherheitsbedenken aus der Zugehörigkeit zu einer Organisation, bezieht sich der herabgestufte Maßstab der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ notwendigerweise auch auf diese. Denn die für den Gesetzgeber maßgeblichen Nachweisschwierigkeiten und Risiken betreffen die Frage, ob eine Organisation Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolgt oder unterstützt in gleicher Weise wie die Frage nach dem Umfang der Tätigkeit des Einbürgerungsbewerbers in dieser Organisation. Die strengen Anforderungen bei dem Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sind auf das Staatsangehörigkeitsrecht nicht zu übertragen (BayVGH, U.v. 24.4.2013 – 5 BV 11.3036 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 7.6.2012 – 5 B 5.10 – juris).

Gemessen an diesen Vorgaben liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ansar al-Islam (AAI) bzw. deren Nachfolgeorganisation Jaish Ansar al-Sunna (AAS) durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

Die Ansar al-Islam (AAI) wurde im September 2001 gegründet und nannte sich anfangs Dshund al-Islam. Sie vereinigte ursprünglich islamistische Kurden aus dem Nordirak mit dem Ziel, dort einen islamischen Staat Kurdistan nach dem Beispiel der Taliban-Herrschaft in Afghanistan zu errichten. Dies gelang ihr in einem kleinen Teil des irakischen Kurdengebietes. Zu Beginn des Irak-Krieges 2003 wurde dieses Gebiet von den USA aus der Luft angegriffen und von nicht islamistischen kurdischen Kräften wieder eingenommen. In der Folgezeit reorganisierte sich die AAI wieder. Im Dezember 2001 übernahm der Iraker ..., genannt Mullah ..., die Führung der Ansar al-Islam, die er zwischenzeitlich an seinen Nachfolger, seinen früheren Stellvertreter, ... abgegeben hat. Inzwischen bezeichnet sich die Ansar al-Islam auch als Jaish Ansar al-Sunna (AAS). Durch ihr Zusammenwirken mit der al-Qaida im Irak ist die AAI Bestandteil des internationalen Terrornetzwerks. Die AAI ist für eine Vielzahl von Terroranschlägen im Irak mit Hunderten von Toten und Verletzten verantwortlich (Verfassungsschutzbericht Bayern 2013, S. 58/59 der Internetversion). Auch in Europa sind mehrere islamistisch-kurdische Netzwerke aktiv, deren spirituelle Leitfigur der in Norwegen lebende Mullah ... ist. In Bayern sind derzeit etwa 40 Anhänger der AAI bekannt, die die Organisation durch Beschaffung von Geld unterstützen; die Schwerpunkte liegen in München und Augsburg (vgl. Verfassungsschutzbericht a.a.O.). Die Ansar al-Islam ist eine terroristische Organisation/Vereinigung, die ihre (politischen) Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt (BayVGH, U.v. 2.9.2013 – 10 B 10.1713 – juris).

Es liegen auch tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger zu 1. Bestrebungen unterstützt hat, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

Als „Unterstützung“ in diesem Sinn ist jede Handlung des Ausländers anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. Hierfür reicht jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt, namentlich deren innere Organisation und den Zusammenhalt fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer durch Nr. 1 inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. Berlit in GK StaR, Stand: Oktober 2014, § 11 Rn. 96). Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen.

Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – juris).

Gemessen an diesen Vorgaben ergeben sich bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der Kontakte des Klägers zu 1. zu führenden Mitgliedern der Ansar al-Islam, seiner Reisetätigkeit sowie seiner Tätigkeit im Rahmen der Verschickung von Paketen in den Irak tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger zu 1. die Ansar al-Islam bzw. die Nachfolgeorganisation AAS unterstützt hat bzw. noch unterstützt.

Der Kläger zu 1. räumt Kontakte zu ..., ... alias ... und ... ein.

Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden fungierte Herr ... alias ... als „Sekretär“ bzw. „rechte Hand“ des Mullah ..., der die Entscheidungen hinsichtlich Propagandaarbeit, Sammlung und Transport von Geldern nach Irak und den Aufbau der terroristischen Vereinigung „Zentrum DIDI NWE Auslandsabteilung“ (ZDNAA) traf. Bis zu seiner Festnahme im November 2008 fungierte Herr ... u.a. als Mittelsmann des Mullah ... zu den Organisationen „Ansar al-Islam (AAI), Ansar al-Sunna (AAS) bzw. al-Qaida Kurdistan Bataillon (AQKB)“ im Irak. Herr ... wurde mit Urteil des Schweizer Bundesstrafgerichts vom ... Mai 2014 wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation (al-Qaida-Netzwerk) sowie Urkundenfälschung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt (Mitteilung der Schweizer Bundesanwaltschaft vom ...12.2014). Gegen Herrn ... bestehen im Ausländerzentralregister unbefristete Einreisebedenken wegen des Schleusens von Ausländern. Bei Herrn ... handelt es sich um eine Kontaktperson zu Mullah ...

Soweit der Kläger zu 1. vorbringt, der Kontakt zu den genannten Personen folge aus verwandtschaftlichen bzw. freundschaftlichen Beziehungen seiner Ehefrau zu den Ehefrauen von Herrn ... und Herrn ... bzw. zufälligen Bekanntschaften und der Kläger zu 1. habe keinerlei Kenntnis von deren Tätigkeit gehabt, ist dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Der Kläger zu 1. bringt vor, er habe gemeinsam mit seiner Frau Herrn ... im Jahr 2007 in Norwegen besucht, da dessen Ehefrau die Cousine seiner Frau sei. Selbst wenn man als Anlass dieser Reise die verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden Ehefrauen zugrunde legt, vermochte der Kläger zu 1. nicht nachvollziehbar zu erklären, weshalb er im Jahr 2011 gemeinsam mit Herrn ... und dessen Familie in die Schweiz gefahren ist und Herrn ... besucht hat. Vielmehr drängt sich hier auf, dass der Kläger zu 1. Herrn ..., gegen den wegen der Schleusung von Ausländern unbefristete Aufenthaltsbedenken bestehen, am Flughafen in Düsseldorf abgeholt hat und ihn persönlich in die Schweiz gefahren hat, um einen persönlichen, unverfänglichen und unüberwachten Kontakt mit Herrn ... herzustellen. Der Kläger zu 1. hat mit dieser Maßnahme auch eine Unterstützungsleistung für die AAI erbracht, da er damit die unüberwachte Kommunikation zwischen Herrn ... und Herrn ... ermöglicht hat. Dem Kläger zu 1. musste auch aufgrund des mehrwöchigen Aufenthalts in Norwegen bekannt sein, dass Herr ... im Rahmen der Schleusung von Ausländern aktiv beteiligt war. Die Schleusung von Ausländern stellt ein Finanzierungsmittel für terroristische Organisationen dar.

Nicht glaubhaft sind die Angaben des Klägers zu 1. zu den Kontakten zu Herrn ... in die Schweiz. Der Kläger zu 1. führt hierzu aus, die Ehefrau von Herrn ... sei eine Freundin seiner Ehefrau, die sich aus dem Irak kennen würden. Dies könnte zwar den, wie der Kläger zu 1. vorbringt, ersten Besuch seiner Ehefrau in der Schweiz im Jahr 2009 erklären. Widersprüchlich ist jedoch das Vorbringen des Klägers zu 1. hinsichtlich der Kenntnis von einem Inhaftierungsgrund des Herrn ... Während er in der ersten Anhörung am ... November 2010 (S. ...) und in der zweiten Anhörung vom ... März 2012 (S. ... und ... des Protokolls) angab, nicht zu wissen, weshalb Herr ... in Haft sei, erklärte er in der mündlichen Verhandlung, seine Ehefrau habe von Frau ... erfahren, dass ihr Ehemann wegen Geldgeschäften im Gefängnis sitze und ihm dies so gesagt. Nicht glaubhaft ist des Weiteren das Vorbringen des Klägers zu 1., der zweite Besuch bei Herrn ... in der Schweiz sei ein reiner Freundschaftsbesuch gewesen und man habe nur Fernsehen geschaut und sich über allgemeine Sachen unterhalten. Es widerspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass bei einem Zusammentreffen mit einem führenden Mitglied des al-Qaida-Netzwerkes nicht über Fragen der Organisation und der Tätigkeit dieses islamistischen Netzwerkes gesprochen wurde. Des Weiteren ist hier zu erwähnen, dass der Kläger zu 1. den Besuch im Jahr 2011 erst nach einigem Zögern einräumte, als ihm klar wurde, dass, aufgrund der durchgeführten Polizeikontrolle, ein Aufenthalt in der Schweiz nachgewiesen werden konnte. Der Verdacht, dass der Kläger zu 1. sowohl von der Tätigkeit des Herrn ... wusste und in diesem Netzwerk auch unterstützend tätig wurde, wird auch durch das Verhalten des Klägers zu 1. bei der Identifizierung von Herrn ... bekräftigt. Während er anfangs angab, Herrn ... auf den vorgelegten Lichtbildern nicht zu erkennen, identifizierte er ihn erst nach erneuter Vorlage und nachdem er den zweiten Besuch in der Schweiz im Jahr 2011 eingeräumt hatte (vgl. Niederschrift über die Anhörung vom ...3.2012, S. ... und ...). Auch die Aussage zu seinen persönlichen Kontakten zu Herrn ... ist widersprüchlich. Während er anfangs sagte, er habe diesen nie persönlich gesehen, er sei nie in seinem Haus gewesen, gab er später (nach der Unterbrechung der Anhörung) zu, ihn in seinem Haus getroffen zu haben. Dieses Verhalten des Klägers zeigt zur Überzeugung des Gerichts, dass er die Funktion des Herrn ... innerhalb des Terrornetzwerks kannte und mit allen Mitteln versuchte, seine Beziehung zu diesem zu verschleiern.

Auch die Aussagen des Klägers zu 1. zu einem rein freundschaftlichen Verhältnis zu Herrn ... sind nicht glaubhaft. Bei Herrn ... handelt es sich nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden um eine Kontaktperson zu Mullah ... Auch wenn er diesen über den gemeinsamen Kindergartenbesuch der Kinder im Jahr 2008 kennen gelernt haben sollte, ist nicht glaubhaft, dass er mit diesem Ende 2009 auf einer mehrwöchigen Hadsch in Saudi Arabien war und nicht über politische Probleme gesprochen hat. In diesem Zusammenhang ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1. am ... November 2008 gemeinsam mit Herrn ... und Herrn ... von der Polizei auf der BAB 9 kontrolliert wurde. Während die Personen damals angaben, nach Leipzig zu fahren, um mit Herrn ... Sehenswürdigkeiten anzuschauen, erklärte er in der mündlichen Verhandlung, dass Herr ... einen Bekannten in Leipzig besuchen wollte. Eine glaubhafte Begründung, weshalb der Kläger zu 1. mit nach Leipzig gefahren ist, konnte er nicht liefern. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass Herr ..., der als Verbindungsmann zu Mullah ... gilt, Kontakt zu weiteren Personen in Leipzig herstellen wollte und der Kläger zu 1. hier bewusst mitreiste, um weitere Kontakte, die für das Netzwerk wichtig sein könnten, zu knüpfen.

Hinsichtlich der Angaben zum Kontakt zu den genannten Personen sowie der Kenntnis von deren Tätigkeit in der Ansar al-Islam bzw. im al-Qaida-Netzwerk erscheint der Kläger zu 1. auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks nicht glaubwürdig. Sein Aussageverhalten erscheint taktisch motiviert, wie dies bereits bei den Anhörungen am ... November 2010 und am ... März 2012 nach Einschätzung der damaligen anhörenden Personen der Fall war. Sobald er mit seinen widersprüchlichen Angaben konfrontiert wurde, beschränkte er sich auf die Angabe, er wisse nicht, wieso er diese Aussage gemacht habe bzw. er korrigierte sie.

Auch die Auslandsreisen des Klägers zu 1. rechtfertigen den Verdacht der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.

Der Kläger zu 1. hat im Jahr 2001 sowie 2002 – nach eigenen Angaben mehrwöchige, bis zu zwei Monaten dauernde – Reisen nach Syrien unternommen. Für die Reise nach Syrien im Jahr 2001 erhielt er eine Bestätigung von Herrn ..., einem Funktionär der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK), wonach er Mitglied der DPK sei. Bei einer Ausreise von Syrien in den Irak werden aufgrund dieser Bestätigung keine Ein- bzw. Ausreisestempel in den Pässen angebracht. Der Name des Klägers zu 1. ist auf einer sichergestellten Liste des Herrn ... mit Reisepassnummer und Geburtsdatum eingetragen (Bl. ... der vorgelegten Ausländerakte des Klägers zu 1.). Während er in der Anhörung vom ... Februar 2010 leugnete, die Aufnahme in die Liste selbst betrieben zu haben („Ich weiß nicht wie mein Name auf die Liste des Herr ... kommt“), gab er in der mündlichen Verhandlung zu, die Aufnahme beantragt zu haben und hierfür auch Geld bezahlt zu haben. Dieses widersprüchliche Verhalten zeigt, dass der Kläger zu 1. bemüht ist, unter allen Umständen eine Reise in den Irak, die einen Bezug zu einer Tätigkeit für die Ansar al-Islam darstellen könnte, zu leugnen. Auch die vom Kläger zu 1. eingeräumten weiteren Reisen in den Irak im Jahr 2008 und vom ... Dezember 2009 bis ... Februar 2010 unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Hadsch und die Reise in den Irak vom ... April 2012 bis ... Mai 2012 (Mitteilung der Bundespolizeidirektion München vom ... Mai 2012, Bl. ... der Ausländerakte) stellen im Zusammenhang mit den Kontakten des Klägers zu 1. zu den genannten Personen mit Bezug zu terroristischem Hintergrund tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme dar, dass der Kläger zu 1. auf diesen Reisen auch für die AAI bzw. AAS unterstützend tätig geworden ist. Seine Angabe, seine Auslandsreisen seien allein aus Familiengründen erfolgt, ist nicht glaubhaft.

Schließlich stellt auch die seit 2009 ausgeübte Tätigkeit des Klägers zu 1. im Rahmen der Verschickung von Paketen über eine in den Niederlanden ansässige Firma ein weiteres Indiz für den Verdacht der vorgeworfenen Tätigkeit dar. Die Ansar al-Islam betreibt in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und in den Niederlanden logistische Stützpunkte und verfügt in diesen Ländern über ein ausgedehntes Netz aus Mitgliedern und Unterstützern.

Diese Verdachtsmomente werden des Weiteren durch die vom Kläger zu 1. vom August 2001 bis November 2002 durchgeführten Geldüberweisungen im sog. „Hawala Prinzip“ von Deutschland in den Irak gestützt.

In der Gesamtschau des Verhaltens des Klägers zu 1. seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet bestehen somit tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Kläger zu 1. die Ansar al-Islam bzw. das al-Qaida-Netzwerk bewusst unterstützt hat bzw. jetzt noch unterstützt.

Ein glaubhaftes Abwenden von der Unterstützung der Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG liegt nicht vor, da dies erfordert, dass der Kläger zu 1. die Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit einräumt bzw. nicht bestreitet. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Aufgrund des zwingenden Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorliegen. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die Identität des Klägers zu 1. (Familienstand) eindeutig geklärt ist. Der Kläger zu 1. hat dem Gericht bislang die Originalvollmacht vom ... Januar 2001 nicht vorgelegt. Aus der vorgelegten Generalvollmacht vom ... Oktober 2011 des Notariatsamts ... ergibt sich, dass die Originalvollmacht am ... Januar 2001 vom Kläger zu 1. persönlich vor dem Notariat in ... unterschrieben wurde, was in Widerspruch zur Aussage des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung steht, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht im Irak war und die Vollmacht in Deutschland unterschrieben hat .

2. Auch die Kläger zu 2. und 3. haben keinen Anspruch auf Einbürgerung. Eine Miteinbürgerung nach § 10 Abs. 2 StAG ist nicht möglich, da der Kläger zu 1. keinen Anspruch auf Einbürgerung hat. Ein eigenständiger Anspruch der Kläger zu 2. und 3. gemäß § 10 Abs. 1 StAG scheitert am Fehlen eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, da die Kläger zu 2. und 3. erstmals am ... November 2007 eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Des Weiteren scheitert der Anspruch an § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG, da der irakische Staat die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit von der Volljährigkeit abhängig macht und dies keine unzumutbare Bedingung i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG darstellt (BVerwG, U.v. 21.2.2013 – 5 C 9/12 – juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR, für den Zeitraum der Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung auf 60.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs).