LAG Hamm, Urteil vom 22.01.2015 - 11 Sa 1228/14
Fundstelle
openJur 2015, 5873
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.07.2014 - 3 Ca 693/14 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses auf den 15.07.2014 durch die Verlängerungsvereinbarung vom 21.03.2013 zum Arbeitsvertrag vom 03.07.2012.

Der 1958 geborene Kläger hat in den vergangenen Jahren wiederholt im Betrieb der Beklagten gearbeitet.

Der Kläger gibt an, vom 25.10.2005 bis zum 31.12.2006 als Leiharbeitnehmer der Q AG & Co KG im Betrieb der Beklagten gearbeitet zu haben. Er legt Kopien entsprechender Vertragsunterlagen vor (Bl. 48 - 52 GA). Die Beklagte bestreitet einen solchen Einsatz mit Nichtwissen. Sie verfüge über keine Unterlagen dazu.

Vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2008 war der Kläger auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages mit der Beklagten im Betrieb tätig.

In der Zeit vom 15.03.2010 bis zum 31.08.2011 und sodann in der Zeit vom 01.09.2011 bis zum 15.07.2012 war der Kläger über zwei verschiedene Unternehmen als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Beklagten eingesetzt.

Am 03.07.2012 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Laufzeit vom 16.07.2012 bis zum 15.07.2013 (Bl. 6 - 10, 15 - 18 GA). Mit Vertrag vom 21.03.2013 verlängerten die Parteien die Laufzeit bis zum 15.07.2014 (Bl. 14 GA). Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.500,00 €. Mit Schreiben vom 07.04.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis zum 15.07.2014 ende (vgl. Bl. 4 GA).

Gegen das Auslaufen des Vertrages kraft Befristung wendet sich der Kläger mit der am 29.04.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass seine Einstellung mit einem sachgrundlos befristeten Vertrag gemäß den Bestimmungen des Teilzeitund Befristungsgesetzes (TzBfG) wegen seiner Vorbeschäftigung bei der Beklagten unzulässig gewesen sei. Insgesamt sei er im Zeitraum vom 25.10.2005 bis zum 15.07.2014 rund 7,5 Jahre bei der Beklagten tätig gewesen. Sein Einsatz sei immer in der gleichen Abteilung unter dem Meister L erfolgt. Die Beklagte habe unter Ausnutzung der dem Gesetzestext widersprechenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Zustandekommen eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger verhindert.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des befristeten Vertrages vom 21.03.2013 mit Ablauf des 15.07.2014 endet;

2. für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter in der Fertigung weiter zu beschäftigten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach ein früheres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG dann nicht entgegenstehe, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege. Diese Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichtes sei nicht verfassungswidrig; insbesondere habe sich das Bundesarbeitsgericht ausführlich mit der Verfassungsmäßigkeit seiner Auffassung auseinander gesetzt. Die Einsatzzeiten als Leiharbeitnehmer seien ohnehin nicht zu berücksichtigen. Sie sei eine andere juristische Person als die Verleihunternehmen, bei denen der Kläger beschäftigt gewesen sei und damit nicht im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG derselbe Arbeitgeber. Die Vorbeschäftigungszeit bei ihr, der Beklagten, liege länger als drei Jahre zurück. Einer von der Rechtsaufassung des Bundesarbeitsgerichtes abweichenden Bewertung des vorliegenden Sachverhalts stehe auch der Gedanke der Rechtssicherheit entgegen. Wenn ein Arbeitgeber im Vertrauen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes mit einem Mitarbeiter, der vor mehr als drei Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließe, so müsse er in diesem Vertrauen geschützt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2014 abgewiesen. Die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 TzBfG als sachgrundlose Befristung zulässig. Nach den Urteilen des BAG vom 06.04.2011 und vom 21.09.2011 stehe das frühere Vertragsverhältnis der Parteien aus den Jahren 2007 / 2008 der Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen, da diese Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliege. Die Befristung sei auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger in der Vergangenheit als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten tätig geworden sei.

Dass Urteil ist dem Kläger am 01.08.2014 zugestellt worden. Der Kläger hat am 28.08.2014 Berufung eingelegt und die Berufung am 30.09.2014 begründet.

Der Kläger wendet ein, der Rechtsauffassung des BAG in den genannten Urteilen aus 2011 sei nicht zu folgen. Die Argumente gegen diese neue Rspr. des BAG seien beispielsweise in dem Urteile des LAG Baden-Württemberg vom 26.09.2013 - 6 Sa 28/13 - ausgeführt. Auch seine Tätigkeit im Betrieb der Beklagten als Leiharbeitnehmer vom 15.03.2010 bis zum 31.08.2011 für die Firma R und anschließend für die Leiharbeitsfirma B stehe der Wirksamkeit der Befristung entgegen. Seinerzeit habe der Mitarbeiter der Beklagten L ihm mitgeteilt, dass er bei der Firma R zum 31.08.2011 kündigen solle, die Beklagte arbeite zukünftig mit der Firma B. Diese Vorgehensweise belege, dass die Beklagte gezielt mit Leiharbeitsfirmen zusammenarbeite.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.07.2014, Az.: 3 Ca 693/14, abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 21.03.2013 mit Ablauf des 15.07.2014 beendet worden ist.

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter in der Fertigung weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Mit zutreffenden Erwägungen habe das Arbeitsgericht die Klage auf der Grundlage der Rspr. des BAG abgewiesen. Der Rspr. des BAG zur Problematik der Vorbeschäftigung sei zu folgen. Dieser Rspr. seien ein großer Teil der Literatur und auch etliche Gerichte der Instanzrechtsprechung gefolgt (weitere Einzelheiten: Berufungsbeantwortung vom 05.12.2014. Bl. 111 - 124 GA). Die Zusammenarbeit mit der Firma R sei eingestellt worden, weil diese nicht die von ihr behaupteten Tarifverträge angewandt habe. Ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mit Leiharbeitsfirmen, um Befristungsmöglichkeiten aneinanderreihen zu können, sei nicht gegeben. Einen Mitarbeiter L, den der Kläger als Zeuge für dessen Aufforderung zur Kündigung (zum 31.08.2011) benannt habe, gebe es bei ihr nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Argumente der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, nimmt auf dessen zutreffende Begründung Bezug (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und beschränkt sich im Hinblick auf die eingelegte Berufung auf die nachstehenden zusammenfassenden und ergänzenden Ausführungen.

Auch die Berufungskammer folgt der aktuellen Rspr. des BAG zum sog. Vorbeschäftigungsverbot (BAG 06.04.2011 - 7 AZR 716/09 - AP TzBfG § 14 Nr. 82; BAG 21.09.2011 - 7 AZR 375/10 - AP TzBfG § 14 Nr. 84). Danach steht die Vorbeschäftigung des Klägers in den Jahren 2007/2008 der streitgegenständlichen sachgrundlosen Befristung zum 15.07.2014 nicht entgegen, weil die Vorbeschäftigung bei Abschluss des streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages länger als drei Jahre zurücklag. Die sonstigen Wirksamkeitserfordernisse für die sachgrundlose Befristung sind gewahrt. Die Befristung ist in der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG vereinbart worden. Die schriftliche Verlängerungsvereinbarung erfolgte vor Erreichen des zunächst vereinbarten Befristungstermins (15.07.2013). Die Verlängerungsvereinbarung beachtet die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG und beschränkt sich auf ein Hinausschieben des Endtermins bei sonst gleichbleibenden Vertragsbedingungen. Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Tätigkeit des Klägers als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Beklagten in den Jahren 2011 / 2012 der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegensteht. Der Leiharbeitgeber ist ein anderes Unternehmen als die Beklagte. Die Vorbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber steht einer anschließenden sachgrundlosen Befristung nicht entgegen und zwar auch dann nicht, wenn es sich bei der vorangegangenen Beschäftigung um eine Arbeitnehmerüberlassung in den Betrieb des nachfolgenden Vertragsarbeitgebers handelt (vgl. BAG 09.02.2011 AP TzBfG § 14 Nr. 80; BAG 09.03.2011 AP TzBfG § 14 Nr. 81; ErfK-Müller-Glöge, 15.Auflage 2015, § 14 TzBfG Rn. 95). Eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung im Einzelfall im Sinne der BAG-Urteile vom 09.02.2011 und 09.03.2011 hat der Kläger nicht aufgezeigt (vgl. BAG aaO Rn.26 ff bzw. Rn. 20 ff).

Die Kostenentscheidung fußt auf § 97 ZPO.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Instanzrechtsprechung ist der neueren Rspr. des BAG zum Teil nicht gefolgt und hat unter Berufung auf frühere Entscheidungen des BAG und des BVerfG gegen die Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots auf einen Dreijahreszeitraum entschieden. Die Revisionsentscheidungen des BAG zu diesen abweichenden Urteilen stehen aus. Die Problematik der Reichweite des Vorbeschäftigungsverbots liegt außerdem aufgrund von Verfassungsbeschwerden und einer gerichtlichen Vorlage nach Art. 100 GG (ArbG Braunschweig) dem Bundesverfassungsgericht vor. Auch die dortigen Entscheidungen stehen aus.