Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2015 - L 8 KR 339/11
Fundstelle
openJur 2015, 5567
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21.09.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zur Liposuktion ihrer Oberschenkel beidseits.

Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Nach einem Gewichtsverlust von ca. 40 kg wurde bei der Klägerin im Jahr 2006 eine Bruststraffung beidseits, Hautstraffung der Oberarminnenseiten beidseits und eine Abdomenplastik auf Kosten der Beklagten durchgeführt. Die Übernahme der Kosten einer Liposuktion zur Behandlung eines Reithosen-Phänomens wurde seinerzeit abgelehnt.

Am 04.06.2009 ging bei der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme einer Liposuktion beider Oberschenkel ein. Dazu führte die Klägerin aus, sie leide dort an einer schmerzhaften subkutanen Fettverteilungsstörung. Auch leide sie psychisch, da sie beim Kauf von Hosen diese 4 Nummern größer nehmen müsse als die übrige Bekleidung. Mittels ärztlicher Atteste befürworteten Dr. med. E. (Facharzt für Plastische Chirurgie) und Dr. med. F. (Facharzt für Allgemeinmedizin – Sportmedizin) den Antrag der Klägerin.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK), die am 30.06.2009 durch Frau Dr. med. G. durchgeführt wurde. In ihrem Gutachten vom 02.07.2007 führte sie aus, eine medizinische Notwendigkeit der beantragten Liposuktion sei nicht nachvollziehbar. Diese Maßnahme habe kosmetisch-ästhetischen Charakter. Die Klägerin habe vorgetragen, sie könne die Fülle der Oberschenkel nicht kaschieren. Es liege eine gynoide Fettverteilung (Unterhautfettgewebe im Hüft-, Gesäß- und Oberschenkelbereich) bei Adipositas vor. Die Oberschenkel seien kräftig in Anbetracht des Gewichts der Klägerin (97,5 kg bei 162 cm entspreche BMI 37). Im Bereich der Ober- und Unterschenkel seien keine blauen Flecke erkennbar. Ein Druckschmerz werde nicht angegeben. Es bestehe eine deutliche Varikosis beider Beine. An beiden Oberschenkelaußenseiten zeigten sich am Übergang von Hüfte zu Oberschenkel vermehrte subkutane Fetteinlagerungen. Die Fetteinlagerung führe zu keiner mechanischen Behinderung. Hautreizungen seien nicht vorhanden. Eine grobe Körperbildentstellung sei nicht gegeben.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15.07.2009 ab unter Bezug auf das Gutachten des MDK.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Aufgrund der Fetteinlagerung könne sie nachts nicht richtig schlafen. Sie könne ausschließlich noch auf dem Rücken liegend schlafen. Das Liegen auf der Seite bereite ihr nach kurzer Zeit starke Schmerzen, die sie nicht zur Ruhe kommen ließen. Eine neue Matratze habe keine Besserung gebracht und kein Arzt habe ihr bisher helfen können. Des Weiteren legte die Klägerin eine Bescheinigung von Frau Dr. med. H. (Fachärztin für Dermatologie und Venerologie) vom 15.10.2009 vor. Darin wird ausgeführt, es liege bei der Klägerin eine Fettverteilungsstörung mit kombinierten Lip- und Lymphödemen vor. Die Klägerin leide unter massiv ausgeprägten Reithosen. Sie habe Schmerzen beim Liegen auf der Seite und leide deshalb auch unter Schlafstörungen. Ein operativer Eingriff mit Fettabsaugungen im Reithosen- und Hüftbereich beidseits werde danach als medizinisch indiziert erachtet.

Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 09.11.2009 ein, in dem die bisherige Auffassung bestätigt und ergänzend ausgeführt wurde, die gynoide Fettverteilung sei bei adipösen Frauen häufig anzutreffen. Lipödem und Lymphödem sowie Lipomatosis dolorosa der Beine seien nicht feststellbar gewesen.

Daraufhin legte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung von Dr. med. J. vom 08.12.2009 vor, der eine medizinische Indikation befürwortete und ergänzend ausführte, die Liposuktion sei bei der Klägerin unter Vollnarkose und im Rahmen eines mehrtägigen stationären Aufenthalts wegen der ausgeprägten Varikosis durchzuführen.

Eine erneute, ergänzende Stellungnahme des MDK vom 15.01.2010 wiederholte die bisherige Auffassung.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2010 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat dagegen am 20.07.2010 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.

Ergänzend hat die Klägerin ausgeführt, auch in Anbetracht der bestehenden Colitis ulcerosa sei eine Liposuktion in stationärer Behandlung erforderlich.

Das Sozialgericht hat Befundberichte und Krankenunterlagen bei der Ärztin K. (Fachärztin für Allgemeinmedizin), Dr. med. L. (Internisten und Gastroenterologen), Frau Dr. med. H. und Dr. med. M. (Arzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie) eingeholt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.09.2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend den Antrag der Klägerin abgelehnt. Die weitere Sachaufklärung des Gerichts habe im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung geführt. Auf der Grundlage der schlüssigen und in sich nachvollziehbaren Gutachten des MDK bestehe keine medizinische Indikation für die von der Klägerin beantragte operative, vollstationäre Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V. Die von der Klägerin vorgelegten Atteste widerlegten nicht die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK. Es liege im rechtlichen Sinne kein regelwidriger behandlungsbedürftiger Körperzustand vor. Eine Krankheit liege nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn die anatomische Abweichung entstellend sei. Eine behandlungsbedürftige Krankheit bestehe nicht, weil ihr die beantragte Maßnahme nur ein anderes Aussehen verschaffen würde. Eine für den streitigen Anspruch rechtlich erhebliche Entstellung liege nicht vor. Eine mögliche psychische Belastung der Klägerin rechtfertige den beantragten operativen Eingriff auf Kosten der GKV ebenfalls nicht. Es könne insoweit lediglich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie beansprucht werden. Im Übrigen sei die beklagte Schmerzsymptomatik schmerztherapeutisch zu behandeln. Nach den beigezogenen Krankenunterlagen sei diese Therapie nicht ausgeschöpft. Für die vorliegend streitige stationäre Leistungserbringung sei zwar auf eine positive Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 135 SGB V nicht abzustellen. Die Liposuktion sei im Rahmen einer stationären Krankenbehandlung zu Lasten der Krankenkasse grundsätzlich möglich, solange keine negative Stellungnahme des GBA gem. § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V vorliege. Die Klägerin besitze gleichwohl keinen Anspruch auf die Liposuktion im Rahmen einer stationären Behandlung. Es fehle an der individuellen Notwendigkeit einer Liposuktion im Rahmen einer Krankenhausbehandlung (§12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung richte sich nach medizinischen Erfordernissen (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007, Az. GS 1/06). Es bedürfe neben der generellen Behandlungsmöglichkeit auch und gerade der individuellen Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall. Vorliegend fehle es an der individuellen Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung. Es liege bei der Klägerin kein regelwidriger operationsbedürftiger Krankheitszustand vor. Dies ergebe sich aus den Gutachten des MDK.

Gegen das am 07.10.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.11.2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt, mit der sie den geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, es bestehe eine medizinische Indikation für die streitige stationäre Behandlung. Diese begründe sich im Bestehen einer Fettverteilungsstörung in Form der Lip- und Lymphödemen mit starken Schmerzen und Beinanschwellungen. Sie habe Kompressionsstrümpfe anlässlich der stationären Behandlung 2007 anprobiert. Da diese sich heruntergerollt und einschnitten hätten, habe sie diese nach der stationären Behandlung nicht mehr angelegt. Kompressionsstrumpfhosen könne sie nicht tragen, da zu erwarten sei, dass diese aufgrund ihrer Körperform einschneiden. Auch sei ihr das Tragen nicht zumutbar. Sie arbeite in einer Küche mit einer Raumtemperatur von 40 – 50 °C. Manuelle Lymphdrainage habe sie nicht ausprobiert. Nach ärztlicher Auskunft (Ärztin für Allgemeinmedizin K. vom 26.08.2013) sei dies nicht sinnvoll, da sich allenfalls ein kurzzeitiger Erfolg zeige. Nach Maß angefertigte Kompressionsstrümpfe und -strumpfhosen habe sie noch nicht ausprobiert. Schon bei geringer Belastung bildeten sich bei ihr Hämatome. Ihre Konfektionsgröße am Oberkörper betrage 44 und am Unterkörper 48-50.

Der Senat hat ein Gutachten von Amts wegen bei Prof. Dr. med. C. (Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin C-Stadt) vom 05.11.2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 08.04.2013 eingeholt. Zusammenfassend führt Prof. Dr. med. C. in seinem Gutachten aus, bei der Klägerin bestehe

•Colitis ulcerosa•Z.n. Gebärmutterkrebs•Z.n. Bauchdeckenplastik- und Bruststraffungsoperation•primär vernarbende Gallenwegsentzündung der Leber•Z.n. Gallenblasenentfernung•Chronisch venöse Insuffizienz•schmerzhaftes Lipödem•Adipositas.Es gäbe in der wissenschaftlichen Literatur Daten, die suggerierten, dass eine Liposuktion eine realistische Chance biete, das Beschwerdebild eines Lipödem (Schmerzen, mechanische Beeinträchtigung, Flüssigkeitseinlagerungen) dauerhaft zu bessern. Randomisierte Studien von hoher Qualität lägen nicht vor. Die Fettabsaugung sei in den aktuellen Leitlinien als aussichtsreiches Verfahren der Behandlung des Lipödems erwähnt. Wegen der großen Mengen des abzusaugenden Fettgewebes und wegen spezifischer Komplikationsmöglichkeiten (Fettembolie) sei eine stationäre Überwachung zu befürworten. Als alternative Behandlungsmöglichkeiten stünden manuelle Lymphdrainage, Kompressionsstrümpfe, Bewegungstherapie und Hautpflege zur Verfügung. Diese Therapien seien rein empirisch und nicht durch randomisierte Studien abgesichert. Der Behandlungserfolg sei nur kurzfristig. Die Notwendigkeit der lebenslangen Behandlung mache diese kostspielig. Dauerhafte Therapieerfolge seien nicht ausreichend dokumentiert. Aufgrund der sehr ausgeprägten Fettpolster an den Oberschenkeln der Klägerin rollten sich Kompressionsstrümpfe ein und -strumpfhosen schnitten in die Hüfte. Die Klägerin toleriere dies nicht wegen der daraus resultierenden Schmerzen. Wegen der Vorerkrankungen der Klägerin sei eine medikamentöse Schmerztherapie nur eingeschränkt möglich. Die Schmerzhaftigkeit sei objektiv nicht zu belegen. Chronische Schmerzen seien gleichwohl ein schwerwiegendes Problem bei Lipödem. Da eine Evidenz für den Erfolg einer Liposuktion bestehe, halte er diese Behandlung i.S. eines Heilversuchs für berechtigt.

Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme des MDK vom 31.05.2013, erstellt von Frau Dr. med. G., vorgelegt. Danach sei die Diagnose „Lipödem“ wegen der allein durchgeführten Sonographie nicht schlüssig. Nach den gültigen Leitlinien sei ein Sonografiebefund als wenig spezifisch anzusehen. Unter der Hypothese, es liege ein Lipödem vor, sei eine weitere Gewichtsreduktion und eine physikalisch-entstauende Behandlung vorrangig.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Frau D. (Fachärztin für Arbeitsmedizin, praktische Ärztin) vom 07.08.2014 eingeholt. Danach leidet die Klägerin an

•Lipodystrophie (Fettverteilungsstörung) mit Fetteinlagerung an Hüft- und Oberschenkeln und Lymphödem (Störung des Lymphabfluss mit lokalen Ödemen und Stauungsödemen)•Chronisch venöser Insuffizienz mit Stamm- und Seitenastvarikosis der Vena saphene magna links•Colitis ulcerosa in Remission, nicht ausgeheilt•PSC (primär sklerosierende Cholangitis: chronische Entzündung der Gallengänge).Es bestehe eine medizinische Indikation für die streitige Liposuktion. Ohne Korrektur der Reithosenadipositas werde die ausgeprägte Varikosis noch zunehmen. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen und –strumpfhosen sei aufgrund der hohen Temperaturen am Arbeitsplatz der Klägerin (Großküche) nicht zumutbar. Lymphdrainage bringe nur eine kurzfristige Linderung der Stauungsbeschwerden und könne nicht täglich durchgeführt werden.

Die Beklagte hat dazu eine weitere Stellungnahme des MDK vom 29.08.2014 vorgelegt. Danach sei weiterhin die Diagnose Lipödem nicht nachvollziehbar. Weiter hat die Beklagte das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden- und Produktbewertung“ vom 06.10.2011 einschließlich des Zwischenergebnisses vom 15.04.2014 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21.09.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie im Rahmen eines vollstationären Krankenhausaufenthalts mit einer Liposuktion beider Oberschenkel zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen ist.

Gründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin besitzt gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine Liposuktion beider Oberschenkel im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

Versicherte haben gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dieser Anspruch umfasst gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 u.a. auch Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.

Bei der Klägerin liegt eine Krankheit in Form eines schmerzhaften Lipödems vor. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten von Prof. Dr. med. C. vom 05.11.2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 08.04.2013. Danach stellte Prof. Dr. C. auf seinem Fachgebiet (Dermatologie, Venerologie und Allergologie) aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin unter Auswertung der vorliegenden anderen ärztlichen Unterlagen ein schmerzhaftes Lipödem fest. Demgegenüber konnten die Einwände der Beklagten, gestützt auf die Stellungnahme des MDK, nicht überzeugen. Im Wesentlichen wird die Diagnose von Prof. Dr. med. C. durch den MDK angezweifelt, weil dieser seine Diagnose auf den durch Sonographie erhobenen Befund stützt. Mit diesem Einwand hat sich Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2013 jedoch eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, dass seine Diagnose maßgeblich auf der Grundlage des von ihm erhobenen klinischen Befundes basiert.

Der geltend gemachte Anspruch scheitert aber daran, dass die vorliegend streitige Behandlung (Liposuktion im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung) dem Qualitäts- und Wissenschaftsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht entspricht.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse knüpft an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an. Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung werden solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt sind. Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Eine neue Behandlungsmethode gehört deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich sind. Erforderlich ist daher, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Januar 2014, Az. L 1 KR 229/10, Rdnr. 47, mwN, zitt. nach Juris).

Für die Durchführung einer neuen Behandlungsmethode im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV bedarf es allerdings – anders als im Bereich der ambulanten Krankenbehandlung - keiner ausdrücklichen positiven Beurteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Im stationären Bereich gilt vielmehr gem. § 137c Abs. 2 Satz 2 Satz 2, 1. Halbsatz SGB V der sogenannte Verbotsvorbehalt. Danach dürfen neue (d.h. im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthaltene) stationäre Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange zu Lasten der GKV erbracht werden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss diese negativ bewertet und dies in einer Richtlinie regelt. Auch wenn damit die Beziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse geregelt wird, entspricht der Zahlungsanspruch des Krankenhauses dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung gegenüber der Krankenkasse (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2013, Az. B 3 KR 2/12 R, Rdnr. 11, zitt. nach Juris).

Allein das Fehlen einer negativen Beurteilung des GBA für die stationäre Behandlung eines Versicherten mit Liposuktion führt jedoch noch nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf die begehrte stationäre Krankenhausbehandlung. Auch im stationären Bereich gilt, dass die begehrte Behandlung den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 SGB V entsprechen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens über die Zweckmäßigkeit der Therapie besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen diese den Stand der medizinischen Erkenntnisse (Bundessozialgericht, Urteil vom 21.03.2013, Az. B 3 KR 2/12 R).

Alle Behandlungsformen, auch die in den Krankenhäusern durchgeführt werden, unterliegen diesen festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen. Dies entspricht auch dem aus den Gesetzesmaterialien abzuleitenden Gesetzeszweck. Durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 sollte die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden. Der GBA wurde beauftragt für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - erforderlich sind für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten (BT-Drs. 14/1245, S. 57). Zudem soll die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (BT-Drs. 14/1245, S. 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht somit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 SGB V. Die Anwendung der §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V entspricht auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm. Ihnen ist nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten (dazu: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2013, Az. B 3 KR 2/12 R, Rdnr. 20, zitt. nach Juris).

Die unterschiedliche Gestaltung von § 135 Abs. 1 SGB V als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" für die ambulante vertragsärztliche Versorgung auf der einen Seite und von § 137c Abs. 1 SGB V als "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" für die stationäre Versorgung im Krankenhaus auf der anderen Seite sowie Wortlaut und Regelungszweck von § 137c Abs. 1 SGB V gebieten es nicht, unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im ambulanten oder stationären Versorgungsbereich anzuwenden. Denn die Methodenbewertung einer Behandlung ist prinzipiell bereichsübergreifend angelegt (Bundessozialgericht, Urteil vom 06.05.2009, Az. B 6 A 1/08 R, Rdnr. 58, zitt. nach Juris).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Soweit der 1. Senat des erkennenden Gerichts in seiner Entscheidung vom 05.02.2013 (Az. L 1 KR 391/12) in Bezug auf eine Liposuktion im Rahmen stationärer Behandlung die Auffassung vertreten hat, im Rahmen der stationären Behandlung müssten die Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht erreicht werden und insoweit genüge ein abgesenkter Maßstab, kann dies angesichts der klarstellenden Äußerungen des Bundessozialgerichts in der zeitlich nachfolgenden Entscheidung vom 21.03.2013 (Az. B 3 KR 2/12 R) nicht mehr aufrechterhalten bleiben.

Nach Überzeugung des Senats sind zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zurzeit keine dem Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechenden zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen möglich. Es fehlen bislang wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der streitigen Behandlungsmethode (so auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.01.2014, L 1 KR 229/10, Rdnr. 47, zitt. nach Juris). Dies ist dem Gutachten des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenversicherung e.V. – SEG 7 – mit dem Titel „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 06.10.2011 zu entnehmen. Ausweislich des Gutachtens, das eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vornimmt, gab es im Mai 2011 nur zwei kontrollierte Studien, deren Aussagewert nicht ausreicht, um einen langfristigen Nutzen der Liposuktion zu belegen. Alle übrigen im Mai 2011 zugänglichen Veröffentlichungen wiesen einen noch geringeren Aussagewert auf. Daraus folgt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war und weitere randomisierte Studien erforderlich waren, um sie als eine den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechende Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Daran hat sich nichts geändert. Dem Zwischenbericht der Expertengruppe vom 15.04.2014 ist zu entnehmen, dass keine weiteren kontrollierten Studien identifiziert werden konnten. Zur einzigen relevanten Folgepublikation führt der Bericht aus:

„Schwerpunkt der aktuellen Publikation [Hasson 2012b) ist die Messung der Lebensqualität mit validierten Messinstrumenten, wie dem PGWB-(Psyholigical Gerneral Wee-Being Indes)(Fragebogen zur Erfassung der psychologischen Komponente der Lebensqualität) und des Nottingham Health Profile (NHP). Das NHP wurde Ende der 70er Jahre in Großbritannien entwickelt und ist seitdem als Instrument zur Patientenselbstbeurteilung der subjektiven Gesundheit im englischen Sprachraum genutzt.Auch in der aktuellen Publikation der Studie wurden die Ergebnisse der Vorpublikation bestätigt, es zeigte sich nur nach 3 Monaten eine diskrete Verbesserung der Lebensqualität. Diese Differenz konnte beim PGWP bereits nach 1 Jahr nicht mehr nachgewiesen werden, während nach 3 Jahren sich auch beim NHP kein signifikanter Unterschied mehr zeigte.“

Dem kann die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie „Lipödeme der Beine“ (Version vom 25. Juni 2009, zurzeit in Überarbeitung) nicht entgegengehalten werden. Es handelt sich insoweit um eine Leitlinie „S1“. Eine solche „S1-Leitlinie“ ist kein Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode im Sinne der Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Auf einer Evidenz-Recherche beruhen Leitlinien der Stufe „S2k“ oder „S3“ (http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/Werkzeuge/ll-glossar.pdf „Klassifizierung von Leitlinien“).

Dem entspricht auch der Hinweis von Prof. Dr. med. C. in seinem Gutachten vom 05.11.2012, eine randomisierte Studie von hoher Qualität läge nicht vor. Dem widerspricht das Gutachten der Ärztin Frau D. vom 07.08.2014 nicht. Dem Gutachten sind zur Dokumentation der Wirksamkeit der streitigen Behandlung keinerlei Angaben zu entnehmen.

Es bestehen keine Bedenken, die Ergebnisse der Recherche der SEG 7 der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (§ 275 Abs. 5 SGB V). Gutachten des MDK können somit auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.23.2004, Az. B 1 KR 84/04 B, veröffentl. in Juris).

Anhaltspunkte für einen Anspruch der Klägerin nach den Grundsätzen eines Systemversagens sieht der Senat nicht. Ein Systemversagen liegt nur vor, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungs- und Untersuchungsmethode durch den GBA darauf zurückzuführen ist, dass das erforderliche Verfahren beim GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 26.9.2006, Az. B 1 KR 3/06 R, Rdnr. 24, zitt. nach Juris; Bundessozialgericht, von Urteil vom 07.11.2006, Az. B 1 KR 24/06 R, Rdnr. 18, zitt. nach Juris). Auf Antrag der Patientenvertreter hat der GBA mit Beschluss vom 22.05.2014 beschlossen, ein Bewertungsverfahren nach §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V zur Liposuktion bei Lipödem einzuleiten und den Unterausschuss „Methodenbewertung“ mit der Durchführung der Bewertung beauftragt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die antragsberechtigten Stellen aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen nicht früher einen Antrag im Hinblick auf die Behandlung von Lipödem mittels Liposuktion gestellt haben (Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.5.2012, Az. B 1 KR 78/11 B, Rdnr. 6, zitt. nach Juris). Zwar mag die Liposuktion von Ärzten großflächig angeboten werden und auch in der bereits genannten Leitlinie erwähnt worden sein. Gleichwohl erlauben die bisherigen Studien keine verlässliche Nutzen-Risiko-Abwägung. Auf der Grundlage der Recherche der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes, „Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ mit Stand vom 6.10.2011 und dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. med. C. vom 08.04.2013 ist davon auszugehen, dass die Liposuktion zur Therapie des Lipödems und des Lymphödems noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ist und weitere (randomisierte) Studien erforderlich sind. Die vorhandene Leitlinie ist nicht evidenzbasiert.

Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 347/98), die mittlerweile durch § 1a SGB V gesetzlich ausgeformt worden ist, stützen. Diese erfordert eine notstandsähnliche Situation im Sinne eines zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarfs. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.