VG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.02.2015 - 6 K 2442/12
Fundstelle
openJur 2015, 5163
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus nebst Garage bebauten Grundstücks O.-----straße 3 in H. . Das Grundstück ist an der südlichen Grundstücksgrenze durch eine Einfriedung von der öffentlichen Verkehrsfläche der O1.-----straße getrennt, wobei die Einfriedung teilweise gemauert ist und teilweise aus weißgetünchten Zaunelementen besteht. An der südöstlichen Grundstücksgrenze befindet sich ein schmiedeeisernes Tor zur Einfahrt zu der rückwärtig gelegenen, grenzständig errichteten Garage. Etwas weiter westlich befindet sich ein weiteres metallenes Tor zum Vorgarten des Grundstücks. Das Haus der Klägerin steht gut sechs Meter von der südlichen Grundstücksgrenze entfernt auf dem Grundstück auf, die Eingangstür befindet sich im östlichen Bereich der südlichen Gebäudewand. Zwischen dem Gartentor und dem Tor zur Garagenzufahrt und unmittelbar westlich an die Garagenzufahrt und südlich an die in diesem Bereich gemauerte Grundstückseinfriedung angrenzend liegt ein von Steinen eingefasstes Beet, welches sich bis etwa zweieinhalb bis drei Meter südlich der Haustür erstreckt. In diesem Beet wurzelt - gut vier Meter von der südlichen Gebäudewand entfernt - eine Rosskastanie, deren Stamm bis in den Kronenbereich hinein mit Efeu bewachsen ist und deren Krone das Wohngebäude der Klägerin weit überragt. Der übrige Bereich des Vorgartens des Grundstücks ist vollständig mit Betonsteinen gepflastert.

Mit Schreiben vom 16. April 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Fällgenehmigung für die vorgenannte Rosskastanie. Zur Begründung führte sie an, nachdem ihr Mann bereits vor einiger Zeit vergeblich zwei Anträge auf Fällgenehmigung gestellt habe, seien die Schäden auf ihrem Grundstück so gefährlich geworden, dass sie sich schwer verletzt und einen Nasenbeinbruch, starke Blutergüsse im Gesicht und eine Schulterprellung erlitten habe. Auch Besucher seien schon über die durch die Baumwurzeln hochgedrückten Steine gestolpert. Es sei ihr nicht möglich, für auftretende Schäden aufzukommen. Die Kastanie stehe lediglich 3,70 Meter vom Hauseingang entfernt. Zudem wüchsen die Wurzeln immer weiter in Richtung Haus. Da es sich um ein Holzhaus handele, seien weitere Schäden nicht auszuschließen. Dem Antrag war die Ablichtung einer Bescheinigung des St. K. -Hospitals in H1. vom 21. März 2012 beigefügt, ausweislich der die Klägerin dort an diesem Tage wegen eines Sturzes behandelt worden war und in der eine Gesichtsprellung und ein Nasenbeinbruch diagnostiziert wurden. Weiter lagen dem Antrag Ablichtungen vom Grundstück der Klägerin und der streitgegenständlichen Rosskastanie bei.

Anlässlich einer am 20. April 2012 durchgeführten Ortsbesichtigung stellte die Beklagte in einem mit "Bearbeitung Fällantrag nach Baumschutzsatzung" bezeichneten Formular des Betriebshofs H. fest, dass die Rosskastanie einen Umfang von ca. 200 cm habe, einen Abstand zum Wohngebäude von ca. vier Metern aufweise und vital sei. Als Besonderheit war in dem Formular aufgeführt:

"1. Begutachtung Okt. 2005 Pflaster angehoben ? regulieren. 2. Begutachtung Oktober 2006 ´´ ? regulieren".

Unter Punkt 2. - weitere Besonderheiten - war vermerkt: "Fällantrag 4.8.2007 Fällantrag abgelehnt, Pflaster ist zu regulieren. Anhebungen in Pflaster bis 2,5 cm".

Mit Bescheid vom 20. April 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung an, die Rosskastanie gehöre zu den nach § 3 der Satzung zum Schutz des Baumbestandes in der Stadt H. vom 28. November 1995, zuletzt geändert durch Satzung vom 17. August 2011 (Baumschutzsatzung - BSS) geschützten Bäumen. Ausnahme- und Befreiungstatbestände des § 6 BSS seien nicht erkennbar. Eine Fällung der Rosskastanie wegen Pflasteranhebungen im Eingangsbereich sei nicht notwendig. Die Unebenheiten im Pflaster könnten durch eine Neuverlegung der betroffenen Bereiche mit zumutbarem Aufwand beseitigt und die Unfallgefahr damit abgestellt werden. Die Rosskastanie erscheine vital und weise äußerlich keine Morschungen auf. Vereinzelt vorhandenes Totholz könne beseitigt werden. Die Sicht auf den Baum sei durch Efeubewuchs stark eingeschränkt. Hinweise auf durch den Baum verursachte Gebäudeschäden gebe es von außen nicht.

Am 18. Mai 2012 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, von der Rosskastanie gehe eine Gefahr für Personen und Sachen von bedeutendem Wert aus, die nicht mit zumutbarem Aufwand zu beseitigen sei. Der Baum sei um die 20 Meter groß und befinde sich etwa 3,50 Meter vor dem Haus im Bereich des Zugangsweges. Die Wurzeln hätten zwischenzeitlich im Bereich der kompletten Zuwegung die "Knochenpflaster" nach oben gedrückt und so Stolperkanten bis zu einer Höhe von fünf Zentimetern gebildet. Selbst bei vorsichtigem Gehen bestehe eine erhebliche Stolpergefahr, insbesondere für Besucher, die sich mit der Örtlichkeit nicht genau auskennten. Wegen der hochgedrückten Pflasterung lasse sich auch das Gartentor nicht mehr öffnen und schließen. Die Unebenheiten in der Pflasterung könnten entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit zumutbarem Aufwand durch die Neuverlegung der betroffenen Bereiche beseitigt werden; dies habe sie versucht, eine Neuverlegung scheide aber wegen der starken Wurzeln aus. Dafür müsse sie den kompletten Zugangsbereich aufnehmen, aufschütten und die Pflaster neu verlegen lassen, was ihr nur mit unzumutbarem Aufwand möglich sei. Außerdem müsse das Grundstück dann auch insgesamt in diesem Bereich angehoben werden, um eine Pflasterung zu ermöglichen. Wegen des Wurzelwachstums werde dies aber nicht von Dauer sein. Sie sei auch nicht in der Lage, einen anderen Belag zu verlegen, der mit hohen Kosten verbunden sei. Die Änderung des Belages sei nicht sinnvoll und nicht zielführend. Eine wassergebundene Wegedecke sei ebenfalls problematisch, da diese immer mit Dreck und Staub einhergehe. Zudem müssten dann mehr als zwei Meter um den Baum herum ausgespart werden, da die Wurzeln ja auch die weiter entfernten Pflastersteine hochhöben. Auch dies sei ihr nicht zumutbar. Da sich der Baum zudem noch in der Wachstumsphase befinde, würden die Schäden in Zukunft erneut auftreten. Ihr Ehemann habe nach der Zurückweisung der Fällanträge vom Oktober 2005 und Oktober 2006 das Pflaster der Einfahrt und des Zugangs zum Hausgrundstück regulieren lassen. Bereits nach etwa drei bis fünf Monaten habe sich das Pflaster erneut an den gleichen Stellen gehoben. Bei der Beseitigung des Baums entstünde hingegen keine erhebliche finanzielle Belastung, da sie Personen finden würde, die die Beseitigung kostenlos vornähmen. Zudem seien bei den vergangenen Stürmen Äste mit einem Querschnitt von bis zu fünf Zentimetern vom Baum auf das Grundstück gefallen. Darüber hinaus bestehe eine Gefahr für ihr Haus. Die Wurzeln drohten die Außenwand zu durchdringen und ihr Haus irreparabel zu beschädigen. Die Abwasserleitungen, die ordnungsgemäß verlegt und nicht undicht seien, seien bereits stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Zudem sei der Baum krank, er müsse beseitigt werden, ohne dass sie zur Vornahme von Ersatzpflanzungen verpflichtet werden könne.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides des Zentralen Betriebshofs vom 20. April 2012 eine Fällgenehmigung für die auf dem Grundstück O1.-----straße 3 in H. befindliche Rosskastanie gegen Anordnung einer Ersatzpflanzung entsprechend den Regelungen der Baumschutzsatzung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ergänzt sie ihre Ausführungen im Ablehnungsbescheid. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme und Befreiung von der Baumschutzsatzung lägen nicht vor, insbesondere gehe von dem Baum keine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert aus. Die Anhebungen im Pflaster könnten mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden, wobei der hierfür erforderliche Aufwand geringer sei als der Fällaufwand. Soweit die Klägerin sich nicht in der Lage sehe, einen anderen Belag zu verlegen und dies mit angeblich hohen Kosten begründe, habe sie keine Belege für ihre Behauptung eingereicht, insbesondere seien keine Kostenvoranschläge angefordert worden. Sie, die Beklagte, schätze die Kosten für eine wassergebundene Wegedecke auf etwa 250,- Euro bis 300,- Euro, die für den Ausbau der Steine und der Sandausgleichsschicht, den Einbau einer Schotterschicht Recycling-Schotter 0/22mm, Einbau einer Dolomitdecke 3 cm und Überwurf mit Splitt 2 - 5 mm anfallen würden. Diese Kosten erschienen vertretbar. Soweit die Klägerin vortrage, der Baum könne durch Privatpersonen kostenlos beseitigt werden, sei anzumerken, dass die Nähe zum Haus den Einsatz eines Hubsteigers oder eines Fällkrans verlange und der Verkehrsraum gesichert werden müsse. Da sie, die Beklagte, ähnliche Arbeiten des Öfteren ausführen müsse, habe sie Erfahrung hinsichtlich der anfallenden Kosten, die bei etwa 450,- Euro netto lägen. Für Privatpersonen ergäben sich höhere Preise. Unabhängig von der Frage, ob der Baum privat oder durch eine Fachfirma beseitigt würde, wäre eine Ersatzpflanzung von zwei Laubbäumen (Hochstämme, Stammumfang 16 cm) oder eine Ausgleichszahlung von 600,- Euro zu leisten. Ob die Wurzeln des Baumes in die Abwasserleitungen hineinwüchsen oder dies bereits geschehen sei, könne dahinstehen. Grund hierfür seien regelmäßig Undichtigkeiten der Leitungen, die auf - angesichts des Alters des Gebäudes nicht unüblichen - Brüchen und Versetzungen beruhten.

Am 19. Mai 2014 hat die Einzelrichterin einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das über den Ortstermin gefertigte Protokoll Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darüber hinaus auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 4. Dezember 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Gericht kann im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Versagung der begehrten Fällgenehmigung durch Bescheid vom 20. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahme bzw. Befreiung von den Verboten der Baumschutzsatzung.

Die streitgegenständliche Rosskastanie ist nach Maßgabe der Baumschutzsatzung der Stadt H. geschützt, da sie in einem Meter Höhe einen Stammumfang von mehr als 80 cm hat, § 3 Abs. 2 Satz 1 BSS. Die Rosskastanie ist nicht nach § 2 Abs. 5 BSS vom Anwendungsbereich der Satzung ausgenommen, da weder ihr Abstand zur öffentlichen Verkehrsfläche mehr als sechs Meter beträgt noch innerhalb eines Radius von acht Metern ein Baum innerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche steht. Für die Beseitigung der Bäume bedarf die Klägerin nach § 6 BSS einer Ausnahme oder Befreiung, da die Entfernung geschützter Bäume im Geltungsbereich der Satzung verboten ist, § 4 Abs. 1 Satz 1 BSS.

Die Voraussetzungen für eine Ausnahme oder Befreiung liegen nicht vor. Als zu prüfender Ausnahmetatbestand kommt vorliegend § 6 lit. c) BSS in Betracht. Danach ist eine Ausnahme von den Verboten des § 4 BSS zu genehmigen, wenn von dem geschützten Baum Gefahren für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert, die nicht gegenwärtig sind, ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden können. Eine Gefahr in diesem Sinne liegt vor, wenn der Eintritt eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Kläger zur Begründung seines Begehrens einen Sachverhalt darlegt, der den Schadenseintritt wahrscheinlich erscheinen lässt.

Vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 4. Januar 2011 - 8 A 2003/09 -, m.w.N.; VG Gelsenkirchen , Urteil vom 1. Februar 2013 - 6 K 4399/11 -, juris.

Dies berücksichtigt liegen - im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Schädigung des in ihrem Vorgarten verlegten Pflasterbelags durch die Wurzeln der streitgegenständlichen Rosskastanie und die mit der Anhebung der Pflasterung verbundene Gefahr für die Klägerin und sich auf ihrem Grundstück aufhaltende Besucher - die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nicht vor.

Vorliegend kann dahinstehen, ob die durch die Wurzeln der Rosskastanie aufgeworfenen Pflastersteine im Bereich des Zugangs zum Haus eine Gefahr im vorgenannten Sinne darstellen. Es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung, dass die Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden kann. Der Klägerin ist zumutbar, den Eingangsbereich ihres Grundstücks auszubessern. Im gerichtlichen Ortstermin hat die Klägerin erklärt, die Pflasterung sei zuletzt im Jahr 2008 für einen Betrag von 300,- Euro erneuert worden. Dabei sei der Boden abgetragen worden und dieselben Pflastersteine seien erneut verlegt worden. Angesichts der im Ortstermin festgestellten Anhebung der Pflastersteine um bis zu zwei Zentimeter hält es das Gericht ? auch in Ansehung des monatlichen Einkommens der Klägerin von etwas über 1.000,- Euro ? für zumutbar, dass ihr in einem Intervall von ungefähr sechs Jahren Kosten etwa in der von ihr angegebenen Höhe von 300,- Euro (ggf. zzgl. Steuern) für die Erneuerung ihrer Pflasterung in dem das Beet umgebenden Bereich ihres Vorgartens entstehen.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Klägerin - wofür einiges sprechen dürfte - zumutbar sein könnte, geeignete Bodenbeläge wie etwa eine wassergebundene Wegedecke zu verlegen. Im gerichtlichen Ortstermin haben die Vertreter der Beklagten auf die Möglichkeit hingewiesen, im Umkreis von zwei Metern um das Beet herum, in dem der Baum wurzelt, eine wassergebundene Wegedecke, etwa eine Dolomitdecke, anzulegen. Im Nachgang zu dem Ortstermin hat die Beklagte detailliert ausgeführt, dass sich die bei der Verlegung einer solchen Decke entstehenden Kosten ihrer Einschätzung nach auf etwa 250,- Euro bis 300,- Euro belaufen würden. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Der - von der Beklagten in Frage gestellte - Umstand, dass die Klägerin die in Rede stehende Rosskastanie möglicherweise kostenlos fällen lassen kann, führt jedenfalls nicht dazu, dass ihr die Erneuerung des Bodenbelags im Eingangsbereich ihres Grundstücks und die damit einhergehenden Kosten nicht zumutbar wären.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, die Wurzeln des Baumes zögen die Abwasserleitungen ihres Hauses in Mitleidenschaft, hat sie bereits das Vorliegen einer eine Ausnahme nach § 6 lit. c) BSS rechtfertigenden Gefahr nicht dargelegt. Die Klägerin hat im Ortstermin selbst ausgeführt, sie habe lediglich einmal vor vier bis fünf Jahren Probleme mit den Abwasserleitungen gehabt. Eine von den Mitarbeitern des damals beauftragten Unternehmens empfohlene Kamerafahrt durch die Leitungen zur Aufklärung der Ursache der Probleme habe sie indes nicht durchführen lassen. Im Hinblick auf ihren weiteren Vortrag, die Wurzeln des Baumes drohten, die Außenwand ihres Holzhauses zu durchdringen, hat die Klägerin im Ortstermin eingeräumt, dass das Fundament und der Kellerbereich des Hauses aus Mauerwerk bzw. Beton bestünden und dass - soweit sie beurteilen könne - Schäden daran oder an der darüber liegenden Holzkonstruktion nicht aufgetreten seien.

Soweit die Klägerin weiter geltend macht, bei Sturm verliere der Baum Äste, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Erteilung einer Ausnahme nach § 6 Abs. 1 lit. c) BSS. Bei der Gefahr, dass Bäume bei starken Stürmen umstürzen oder dass sie vom Blitz getroffen werden können, handelt es sich um allgemeine, grundsätzlich auch jeden gesunden Baum bei derartigen extremen Wetterbedingungen möglicherweise treffende - katastrophale - Folgen, die als solche eine Ausnahmegenehmigung nicht zu rechtfertigen vermögen. Das Gleiche gilt für bei starken Unwettern abbrechende gesunde Äste. Derartige Unglücksfälle gehören zum allgemeinen Lebensrisiko; sie ließen sich, wenn überhaupt, allenfalls dadurch vermeiden, dass in besiedelten Bereichen sämtliche größeren Bäume beseitigt würden.

Vgl. VG Weimar, Urteil vom 4. August 2014 - 7 K 1392/12 We, -, juris; VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 - M 8 K 11.4105 -, juris.

Im Hinblick auf vorhandenes Totholz hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 20. April 2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass dieses (genehmigungsfrei) beseitigt werden könne.

Auch eine Ausnahme nach § 6 Abs. 1 lit. d) BSS liegt nicht vor. Danach ist eine Ausnahme zu erteilen, wenn der geschützte Baum krank ist und die Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist. Eine entsprechende Erkrankung der Rosskastanie kann vorliegend nicht festgestellt werden. Insoweit hat der für den Bereich Baumschutz zuständige Sachbearbeiter der Beklagten im durch das Gericht durchgeführten Ortstermin nach kurzer Begutachtung des Kronenbereichs des Baumes ausgeführt, dieser sei voll belaubt und wesentliche Schäden seien - mit Ausnahme eines Totholzastes - nicht zu erkennen. Dem ist die Klägerin nicht konkret entgegengetreten. Dass der dichte Efeubewuchs eine Begutachtung des Stammbereichs verhinderte, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Die Klägerin hat die Entfernung des Efeus im Ortstermin wiederholt abgelehnt. Vor diesem Hintergrund vermag die im Schriftsatz der Klägerin vom 22. August 2014 erstmals pauschal behauptete Erkrankung des streitgegenständlichen Baumes die Erteilung einer Ausnahme nicht zu rechtfertigen.

Eine Befreiung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BSS kommt ebenfalls nicht in Betracht. Danach kann von den Verboten des § 4 BSS im Einzelfall eine Befreiung erteilt werden, wenn das Verbot zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und eine Befreiung mit den öffentlichen Interessen vereinbar ist. Eine nicht beabsichtigte Härte ist hier nicht erkennbar.

Die in Baumschutzsatzungen geregelten Befreiungstatbestände erfassen ausschließlich atypische Fallgestaltungen. Deshalb kommt eine Befreiung regelmäßig nicht in Betracht bei typischerweise von Bäumen ausgehenden Belastungen wie etwa Schattenwurf, Laubfall, Samenflug oder Beeinträchtigungen durch Wurzeln, soweit nicht der Grad einer Gefahr erreicht wird. Eine unbeabsichtigte Härte liegt danach allenfalls dann vor, wenn die genannten Beeinträchtigungen ein Ausmaß erreichen, mit dem bei einem innerörtlichen Baumbestand nicht zu rechnen ist, und dadurch die jeweilige Grundstücksnutzung unzumutbar eingeschränkt wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 1995 - 7 A 2646/92 - und Beschluss vom 13. Februar 2002 - 8 A 5373/99 -, juris. VG Köln, Urteil vom 21. Januar 2014 - 14 K 3986/11 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. März 2007 - 6 K 1020/05 -.

Derartige unzumutbare Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung sind weder von der Klägerin substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.