LG Bonn, Urteil vom 25.06.2013 - 3 O 31/13
Fundstelle
openJur 2015, 5103
  • Rkr:

Auch nach der Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie und Einführung des § 675u BGB haben die Grundsätze des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29.04.2008 - XI ZR 371/07, BGHZ 176, 234 ff.) über den Ausschluss der unmittelbaren Nichtleistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger im Falle der versehentlichen Zuvielüberweisung durch die Bank des Zahlers weiterhin Geltung.

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung durch eine angebliche Zuvielüberweisung.

Die Ärztin Frau Dr. Q ist Kundin der Klägerin und unterhält bei dieser u.a. ein Girokonto. Am 22.02.2012 schloss Frau Dr. Q mit der Beklagten einen notariellen Kaufvertrag über eine Teileigentumseinheit in einem Objekt in L, die die Beklagte zum Verkauf anbot. Frau Dr. Q war zuvor mit ihrer gynäkologischen Praxis Mieterin der verkauften Teileigentumseinheit. Als Kaufpreis wurden 195.000,00 € vereinbart. Der Kaufvertrag enthielt einen weitgehenden Gewährleistungsausschluss.

Gegenstand des Kaufvertrages war auch ein mit dem Teileigentumsrecht verbundenes Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz in der Tiefgarage des Objektes. Hinsichtlich dieses Stellplatzes gab es Unstimmigkeiten zwischen den Kaufvertragsparteien. Mit Faxschreiben vom 14.06.2012 (Anlage K 1, Bl. # d.A.) bat Frau Dr. Q "entgegen meiner Weisung vom 12.06.2012" die Klägerin um Überweisung eines Betrages von 185.000,00 € direkt auf das Konto der Beklagten. Auch auf einem von der Klägerin als Anlage K 4 (Bl. ... d.A.) überreichten Notarschreiben hatte Frau Dr. Q unter dem 12.06.2012 handschriftlich vermerkt, "wegen noch nicht stattgefundener Stellplatzabnahme bitte ich den Kaufpreis um € 10.000,- zu reduzieren und € 185.000,- zu überweisen."

Am 18.06.2012 zahlte die Klägerin demgegenüber an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 195.000,00 € und belastete das Konto ihrer Kundin in gleicher Höhe.

Nachdem Frau Dr. Q gegenüber der Klägerin persönlich und mit Schreiben vom 02.07.2012 (Anlage K 6, Bl. ... f. d.A.) sowie mit Rechtsanwaltsschreiben vom 14.08.2012 (Anlage K 2, Bl. # d.A.) die nach ihrer Ansicht erfolgte Zuvielüberweisung von 10.000,00 € gerügt hatte, erstattete die Klägerin ihrer Kundin diesen Betrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der angeblichen Überzahlung mit Schreiben vom 26.09.2012 (Anlage K 3, Bl. # d.A.) unter Fristsetzung bis zum 19.10.2012 auf. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin behauptet unter Hinweis auf die Anlagen K 1 und K 4, eine Zahlungsanweisung von Frau Dr. Q habe nur für den Betrag von 185.000,00 € vorgelegen. Die abweichende irrtümliche Ausführung müsse auf einem Buchungsfehler beruhen. Sie ist der Ansicht, nach der Neufassung der Vorschriften über den Zahlungsverkehr sei ihr eine Inanspruchnahme von Frau Dr. Q nach § 675u BGB unmöglich, so dass abweichend von der früheren Rechtslage nunmehr eine Nichtleistungskondiktion gegen die Beklagte als unmittelbare Zahlungsempfängerin möglich sein müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Entscheidung des BGH vom 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - wonach die Bank von dem gutgläubigen Zahlungsempfänger die irrtümliche Zuvielüberweisung nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion herausverlangen könne. Daran habe auch die Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie nichts geändert. Ansprüche der Frau Dr. Q im Hinblick auf den Stellplatz, den sie bereits seit Jahren angemietet habe, bestünden keine. Im Übrigen behauptet sie, dass Frau Dr. Q gegenüber der Klägerin die Anweisung zur Überweisung von 195.000,00 € autorisiert habe.

Die Beklagte hat gegen Frau Dr. Q, der beide Parteien in diesem Verfahren den Streit verkündet haben, unter dem Aktenzeichen 3 O 135/13 LG Bonn Klage auf Freistellung von den Ansprüchen der Klägerin in dem vorliegenden Prozess erhoben. Die Akte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den vorgelegten Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2013 (Bl. ... f. d.A.) verwiesen.

Gründe

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 10.000,00 € aus ungerechtfertigter Bereicherung.

1.a.

Zwischen den Parteien besteht keine unmittelbare Geschäftsverbindung und somit auch keine Leistungsbeziehung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vollzieht sich grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses. Nach dem vom Bundesgerichtshof entwickelten bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Zahlungsdienstleister mit der Bewirkung der Zahlung an den Zahlungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Zahler im sog. Deckungsverhältnis und zugleich eine Leistung des Zahlers an den Zahlungsempfänger im sog. Valutaverhältnis (BGH NJW 2008, 2331 Rn 9 m.w.N. aus der BGH-Rechtsprechung). Ausnahmen macht die Rechtsprechung nur bei Fehlen einer wirksamen Anweisung und wenn diese dem anweisenden Zahler auch nicht zuzurechnen ist.

b.

Die Klägerin ist aber auch mit der sogenannten Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) ausgeschlossen. Dabei kann dahinstehen, ob in der Fallkonstellation der versehentlichen Zuvielleistung nicht ohnehin eher eine fehlerhafte Ausführung einer grundsätzlich wirksamen Anweisung des Zahlers anzunehmen ist, mit den Folgen nicht des § 675u sondern des § 675y BGB (vgl. Mayen, in: Schimansky u.a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rn 9 unter Hinweis auf Müller WM 2010, 1293 ff. und m.w.N.). Denn jedenfalls haben die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - (NJW 2008, 2331 ff.) aufgestellten Grundsätze über den Ausschluss der unmittelbaren Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) gegen die Zahlungsempfängerin auch nach Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie und Einführung des § 675u BGB weiterhin Geltung.

Der Bundesgerichtshof hat mit dem vorgenannten Urteil vom 29.04.2008 seine differenzierte Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Direktkondiktion im Dreipersonenverhältnis bei Fehlen/Mängeln einer Anweisung im Deckungsverhältnis gegen Angriffe aus Literatur und Rechtsprechung verteidigt und ausgeführt, dass ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger ausscheide, wenn eine versehentliche Zuvielüberweisung bei einer grundsätzlich vorliegenden Anweisung erfolgt sei. Der Fehler im Deckungsverhältnis sei in einem solchen Fall auch in diesem Verhältnis zu bereinigen (Rn 22 ff.). Das Schutzinteresse des redlichen Zahlungsempfängers müsse insoweit den Ausschlag geben (Rn 25), da der Anweisende gegenüber einem gutgläubigen Zahlungsempfänger die Ursache für den Anschein einer vollständigen Zahlung gesetzt habe (Rn 28). Der Anweisende werde auch nicht unzumutbar belastet, da er von der für den Fehler verantwortlichen Überweisungsbank die wertstellungsneutrale Wiedergutschrift des zu viel überwiesenen Betrages gegen Abtretung seines Bereicherungsanspruchs gegen den Überweisungsempfänger beanspruchen könne (Rn 26).

Nach Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie und Inkrafttreten des § 675u BGB ist streitig geworden, ob § 675u BGB n.F. unter Berücksichtigung des Vollharmonisierungsprinzips des Art. 86 der Zahlungsdiensterichtlinie jegliche Ansprüche der Überweisungsbank und damit auch Bereicherungsansprüche gegen den Überweisenden ausschließt, so dass die Überweisungsbank als Zahlungsdienstleister nur einen unmittelbaren Anspruch aus Nichtleistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger haben könne und müsse, da sie sonst ungerechtfertigt auf dem Schaden sitzen bleiben würde. Diese von einem Teil der Literatur vertretene Ansicht wird vor allem damit begründet, dass die Zulassung eines Bereicherungsanspruchs des Zahlungsdienstleisters gegenüber seinem Kunden dessen vertraglichen Erstattungsanspruch bei nicht autorisierten Zahlungen nach § 675u BGB entwerten würde (Casper, in: MünchnerKommentar zum BGB, 6. Aufl., § 675u Rn 21 ff.; Erman/v. Westphalen, BGB, 13. Aufl., § 675u Rn 12; Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 812 Rn 107a; Langenbucher, in: Langenbucher u.a., Bankrechts-Kommentar, § 675u Rn 22 ff. m.w.N.; Winkelhaus BKR 2010, 441, 446 ff.; LG Hannover ZIP 2011, 1406 ff.; vgl. auch die ausführliche, im Ergebnis aber offene Darstellung von Mayen in: Schimansky u.a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 50 Rn 23-27 m.w.N.).

Demgegenüber vertritt ein anderer Teil der Literatur die Auffassung, dass sich durch die Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie nichts an dem bisherigen Ausschluss der Direktkondiktion gegenüber dem Zahlungsempfänger geändert habe (vgl. insbesondere Grundmann WM 2009, 1109, 1116 f.; ders., in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., BankR II, Rn II 98 f.; Nobbe, WM Sonderbeilage Nr. 1 zu Heft 37/2012, S. 23; ders., in: Ellenberger u.a., Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, § 675u Rn 20; Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., BankGesch Rn C/78; Rademacher NJW 2011, 2169, 2170 f.).

Die Kammer schließt sich der letztgenannten Ansicht an, wonach es bei dem Ausschluss der Direktkondiktion bleibt und die Bank von ihrem Kunden zwar keinen Aufwendungsersatz, aber jedenfalls die Herausgabe seines Anspruchs gegen den Zahlungsempfänger, und wenn dieser nicht begründet ist, Herausgabe der dort durch Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Valutaverhältnis eingetretenen ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann. Dem stehen weder die Zahlungsverkehrsrichtlinie noch § 675u BGB entgegen. Die Richtlinie regelt ausweislich Erwägungsgrund 47 ausschließlich vertragliche Ansprüche zwischen dem Zahler und dem Zahlungsdienstleister und lässt gesetzliche Ansprüche, wie etwa Bereicherungsansprüche, unberührt (vgl. Mayen a.a.O. Rn 27; Winkelhaus BKR 2010, 441, 445). Ein insoweit abschließender Charakter des § 675u BGB, der gesetzliche Ansprüche gegen den Zahlungsdienstnutzer ausschließen würde, lässt sich auch § 675z BGB nicht entnehmen. Eine Anwendung bereicherungsrechtlicher Ansprüche muss vielmehr zur Vermeidung von Widersprüchen gegenüber den Fallgruppen der widerrufenen bürgerlichrechtlichen Anweisung bzw. den gesperrten Schecks (vgl. Nobbe, WM Sonderbeilage Nr. 1 zu Heft 37/2012, S. 23) bzw. zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse im Anwendungsbereich des § 675y BGB (vgl. vgl. Mayen a.a.O. Rn 27) weiterhin möglich bleiben. Sie führt auch nicht zu einer Entwertung des § 675u BGB, da es bei dem grundsätzlichen Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs des Zahlungsdienstleisters bleibt, der Zahlungsdienstenutzer vielmehr nur dasjenige herausgeben muss, um das er bereichert ist und etwaige Durchsetzungsschwierigkeiten den Zahlungsdienstleister treffen.

b.

Ausgehend von den somit weiter anwendbaren Grundsätzen der BGH-Entscheidung vom 29.04.2008 ist die unmittelbare Nichtleistungskondiktion der Klägerin gegen die Beklagte ausgeschlossen, da die Beklagte bei Empfang der Zahlung gutgläubig war. Da der notariell vereinbarte Kaufpreis 195.000,00 € betrug und nicht vorgetragen ist, dass schon vor der Überweisung konkrete Mängelgewährleistungsrechte gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden sind oder die Beklagte auf andere Weise von der beabsichtigten Kürzung des Kaufpreises Kenntnis erlangt hatte, konnte die Beklagte eine etwaige der Auftraggeberin nicht zuzurechnende Zuvielüberweisung nicht erkennen, so dass sie darauf vertrauen durfte, den Betrag insgesamt zu behalten.

c.

Eine Abtretung etwaiger Ansprüchen der Frau Dr. Q gegen die Beklagte an die Klägerin hat diese nicht geltend gemacht.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.