KG, Beschluss vom 08.10.2014 - 3 UF 38/14
Fundstelle
openJur 2015, 4797
  • Rkr:

1. Kein Vorrang des Anspruchs auf Familienunterhalt gemäß § 1360 BGB gegenüber dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l Abs. 2 BGB.

2. Anteilige Haftung des mit der Mutter nicht verheirateten Vaters analog § 1606 Absatz 3 Satz 1 BGB bei konkurrierenden Betreuungsunterhaltsansprüchen der Mutter gegen ihren Ehemann einerseits und den nicht mit ihr verheirateten Vater ihres Kindes andererseits auch bei intakter Ehe der Mutter.

3. Kein Wegfall des Anspruchs der Mutter auf Betreuungsunterhalt gegen den nicht mit ihr verheirateten Vater ihres Kindes gemäß § 1586 Abs. 1 BGB analog bei Fortsetzung der mit einem anderen Mann zum Zeitpunkt der Zeugung des Kindes bereits bestehenden Ehe.

4. Ausschluss des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt (§ 1615l Abs. 2 BGB) gemäß § 1579 Nr. 2 BGB analog nur bei grober Unbilligkeit.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - vom 30. Januar 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.982,76 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner Betreuungsunterhalt wegen Pflege und Erziehung des gemeinsamen minderjährigen Kindes ..., geboren am ... . Mai 20... . Beide Beteiligten leben in ehelicher Gemeinschaft mit ihrem jeweiligen Ehegatten zusammen. Beide haben ein bzw. zwei Kinder aus ihren jeweiligen ehelichen Beziehungen. In dem Haushalt des Antragsgegners leben außer seiner Ehefrau seine beiden derzeit 8 und 14 Jahre alten Töchter, L... -A... und E... -L... . Die Antragstellerin lebt mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen derzeit 11-jährigen Tochter N... L... und C... zusammen. C... ist aus einem außerehelichen Verhältnis der Beteiligten hervor gegangen. Die Beteiligten haben nie zusammen gelebt. Die Vaterschaft des Antragsgegners zu C... wurde durch einen außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest geklärt. Am 8. Mai 2012 erkannte der Antragsgegner die Vaterschaft vor dem Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zur Beurk.-Reg. Nr. ... an. Am 20. September 2012 wurde gerichtlich festgestellt, dass der Ehemann der Antragstellerin nicht der Vater von C... ist. Der Beschluss ist seit dem 30. Oktober 2012 rechtskräftig. Unter dem 12. November 2012 stimmte die Antragstellerin der Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsgegner vor dem Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zur Beurk.-Reg. Nr. ... zu. Am 29. Oktober 2013 reichte die Antragstellerin Antrag auf Zahlung von Betreuungsunterhalt gegen den Antragsgegner beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg – Familiengericht – ein.

Die Antragstellerin hat der Berechnung ihres Bedarfs nicht ihre ehelichen Lebensverhältnisse (Einkommen des Ehemannes: nach Angaben des Antragsgegners mindestens 4.000,00 EUR netto als Beamter beim Zoll, Einkommen der Antragstellerin aus Teilzeitbeschäftigung als Englischlehrerin: 1.150,74 EUR netto), sondern ihr Einkommen vor Geburt des Kindes zugrunde gelegt. Ausgehend von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.150,74 EUR hat sie erstinstanzlich für die Zeit vom 22. September 2011 bis zum 22. März 2012 unter Berücksichtigung des von ihr bezogenen Elterngeldes einen monatlichen Unterhalt von 1.150,75 EUR – (771,00 EUR Elterngeld – 330,00 EUR gem. § 11 BEG) = 679,74 EUR geltend gemacht. Für die Zeit ab dem 23. März 2012, ab dem sie kein Elterngeld mehr bezog, hat sie monatlich unter Berücksichtigung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Antragsgegners im Hinblick auf anderweitige Unterhaltspflichten für zwei minderjährige Kinder einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 683,72 EUR bis Mai 2014 beansprucht. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Seiten 5 - 6 der Antragsschrift vom 25. Oktober 2013 (Bl. 5-6 d.A.) Bezug genommen.

Das Familiengericht hat dem Antrag der Kindesmutter überwiegend statt gegeben. Es hat den Anspruch der Antragstellerin aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach bejaht. Dabei ist es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur anteiligen Haftung analog § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB bei konkurrierenden Betreuungsunterhaltsansprüchen der Mutter ehelicher und nichtehelicher Kinder gegen den getrennt lebenden Ehemann einerseits und den nichtehelichen Vater andererseits (BGH, Beschluss vom 21. Januar 1998, FamRZ 1998, 541- 544) von einer im Grundsatz gleichrangigen Unterhaltspflicht ausgegangen. Ein Rangverhältnis in der Form, dass der Anspruch gegen den Ehemann der stärkere sei und der gegen den nichtehelichen Vater dahinter zurücktrete, gebe es nicht. Die Tatsache, dass die Mutter ihre bis zur Geburt des Kindes C... ausgeübte Erwerbstätigkeit als Englischlehrerin allein wegen der Geburt und Betreuung des Kindes C... aufgegeben habe, während das ehelich geborene Kind der Antragstellerin, N... L..., bereits in einem Alter gewesen sei, dass es einer Berufstätigkeit der Antragstellerin nicht entgegen gestanden habe, rechtfertige es, für den Betreuungsunterhalt den Antragsgegner als den Vater des Kindes C... allein heranzuziehen. Hinsichtlich des Bedarfs der Antragstellerin hat das Familiengericht zu Gunsten des Antragsgegners auf deren eigene Einkommensverhältnisse (und nicht deren ehelichen Lebensverhältnisse) abgestellt. Allerdings ist es davon ausgegangen, dass nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass die Antragstellerin ab Juli 2013 wieder berufstätig gewesen sei und ein monatliches Nettoeinkommen von 1.150,00 EUR erzielt habe. Zwar sei es zutreffend, dass dieses Einkommen als überobligatorisches Einkommen wegen § 1615l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1577 Abs. 2 BGB nicht voll in Ansatz zu bringen sei, die Antragstellerin könne diesen Betrag aber nicht vollständig von ihrem Bedarf absetzen, vielmehr sei lediglich ein Betreuungsbonus außer Ansatz zu lassen, den das Familiengericht mit 10 % des Nettoeinkommens als angemessen angesehen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Beschlusses (Seite 6 des Beschlusses, Bl. 92 d.A.) Bezug genommen.

Eine analoge Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass der streitgegenständliche Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Betreuungsunterhalt wegen ihrer weiterhin bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann entfällt, hat das Familiengericht abgelehnt. Ein Fall wie der unter dem 17. November 2004 vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall (FamRZ 2005, 347-353), in dem die Wiederheirat der nichtehelichen Mutter zu einem Ausschluss des Anspruchs aus § 1615l BGB geführt hatte, sei vorliegend nicht gegeben. Der Bundesgerichtshof habe in dortiger Entscheidung den entscheidenden Unterschied zu der im Jahr 1998 entschiedenen Fallkonstellation dargelegt. Er sei darin zu sehen, dass der Ehemann in dem im Jahr 2004 entschiedenen Fall die nichteheliche Mutter in Kenntnis der nichtehelichen Mutterschaft geheiratet habe und diesen Umstand bewusst in den Schutz der neuen Ehe einbezogen habe. Bei dem im Jahr 1998 entschiedenen Fall hingegen sei der Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt erst entstanden, als die noch verheiratete Mutter von ihrem Ehemann bereits getrennt gelebt und ihr ein Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann gemäß § 1361 BGB bereits zugestanden habe. Auf diese Ereignisse habe der Ehemann keinen Einfluss gehabt, der Anwendungsbereich des § 1586 Abs. 1 BGB sei gar nicht erst eröffnet worden. Der Fortfall des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt werde also vom Bundesgerichtshof ausdrücklich auf den Fall beschränkt, dass die Kindesmutter einen Anspruch auf Familienunterhalt nachträglich erwerbe, nicht aber auf den Fall angewendet, dass ein Anspruch auf Familienunterhalt bereits zur Zeit der Geburt des (außerehelichen) Kindes bestehe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Bundesgerichtshof den Fall der Geburt eines außerehelichen Kindes während anderweitig bestehender Ehe nur deshalb anders behandeln sollte, weil die Ehegatten nicht in Trennung, sondern nach wie vor in familiärer Gemeinschaft lebten.

Das Familiengericht hat der Antragstellerin neben einem monatlich im voraus fälligen Anspruch von 115,00 EUR für die Zeit von Oktober 2013 bis Mai 2014 unter Hinweis auf § 1613 Abs. 2 Nr. 2.a) BGB (Verhinderung an der Geltendmachung aus rechtlichen Gründen) auch Unterhalt für die Vergangenheit für den Zeitraum vom 22. September 2011 bis einschließlich Oktober 2012 zugesprochen.

Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die im Beschluss des Familiengerichts ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt an die Antragstellerin insgesamt. Er meint, dass im Hinblick auf die fortbestehende Ehe der Antragstellerin im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2004 die Bestimmung des §1586 Abs. 1 BGB analog zur Anwendung kommen müsse. Ansprüche der Antragstellerin nach § 1615l BGB auf Betreuungsunterhalt gegen ihn seien danach ausgeschlossen. Es könne keinen Unterschied machen, ob eine Kindesmutter nach der Geburt des nichtehelichen Kindes einen anderen Mann heirate oder ob sie die bereits mit einem anderen Mann bestehende Ehe fortsetze. Lediglich für die Fälle eines Trennungsunterhaltsanspruches habe der Bundesgerichtshof eine Konkurrenz der Ansprüche gegen den getrennt lebenden Ehegatten und den Vater des nichtehelichen Kindes und eine anteilige Haftung des nichtehelichen Vaters für die Bedarfsdeckung der Mutter angenommen.

Das Familiengericht habe außerdem die Vorschrift des § 1579 Nr. 2 BGB außer Acht gelassen, deren Rechtsgedanke hier ebenfalls zu einem Ausschluss des Anspruchs der Antragstellerin führe. Zudem sei der Bedarf der Antragstellerin über ihren Ehemann vollständig gedeckt, es sei unbillig, darüber hinaus ihn in Anspruch zu nehmen.

Schließlich seien die Voraussetzungen für eine Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen auch für die Vergangenheit nach § 1613 BGB nicht gegeben. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin habe es keine E-Mail vom 12. Februar 2012 gegeben, in der die Antragstellerin ihn im Hinblick auf den ihr (vermeintlich) zustehenden Betreuungsunterhalt zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert habe. Die Antragstellerin selbst habe die notwendigen Schritte zur Feststellung seiner Vaterschaft nicht zügig betrieben. Sie habe ihn erstmals im Juni 2011 über die Existenz und Geburt des Kindes informiert. Dabei habe sie ihm zunächst mitgeteilt, dass sie überhaupt keinen Unterhalt für das Kind haben wolle. Das habe sich geändert, als er eine Wiederherstellung der Beziehung zur Antragstellerin abgelehnt und ihr mitgeteilt habe, dass er seine Ehefrau über seine mögliche Vaterschaft zu dem Kind informiert habe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 30. Januar 2014 dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin abgewiesen wird.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere nach Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses am 4. Februar 2014 an die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 27. Februar 2014 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim zuständigen Amtsgericht (§ 64 Abs. 1 FamFG) eingelegt und mit Eingang der Beschwerdebegründung am 2. April 2014 bei dem Kammergericht rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründet.

In der Sache bleibt die Beschwerde indes ohne Erfolg.

Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Zahlung von Betreuungsunterhalt für die Pflege und Erziehung des minderjährigen Kindes C... aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB in der vom Familiengericht tenorierten Höhe zu. Dieser Anspruch ist weder durch die analoge Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB noch durch entsprechende Anwendung des § 1608 BGB noch auch durch den Rechtsgedanken oder die analoge Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB ausgeschlossen.

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB sind erfüllt. Die Ausführungen des Familiengerichts sind insoweit zutreffend. Entsprechendes gilt für die Ausführungen zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB (Betreuungsunterhalt) und § 1360 BGB (Familienunterhalt) und die sich daraus im Grundsatz ergebende anteilige Haftung des Antragsgegners als nicht ehelicher Vater des Kindes C... ... und des Ehemannes der Mutter aus § 1606 Abs. 1 Satz 3 BGB. Auch die Ausführungen des Familiengerichts dazu, hier den Antragsgegner allein zum Unterhalt heranzuziehen, weil die beruflichen Einschränkungen der Antragstellerin allein mit Geburt und Betreuung des neugeborenen Kindes C... ... in Zusammenhang stehen, während für das eheliche Kind der Antragstellerin ein entsprechender Betreuungsbedarf nicht besteht, stehen im Einklang mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1998 (XII ZR 85/96, FamRZ 1998, 541), die nach wie vor Gültigkeit hat, wie sowohl die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2004 (XII ZR 183/02, FamRZ 2005, 347) und die dort vorgenommene Differenzierung als auch dessen Entscheidung vom 17. Januar 2007 (FamRZ 2007, 1303-1306) zeigen.

Der Senat teilt die Rechtsansicht des Familiengerichts, dass eine analoge Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB auf den vorliegenden Fall mit der Folge, dass der streitgegenständliche Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Betreuungsunterhalt wegen ihrer weiterhin bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann entfallen würde, ausscheidet. Zwar hat der Bundesgerichtshof diese Fallkonstellation bisher nicht entschieden, das Familiengericht hat aber das entscheidende Differenzierungskriterium zwischen den beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1998 und dem Jahr 2004 zutreffend herausgearbeitet. Dieses ist in der freiwilligen Einbeziehung des nichtehelichen Kindes in den Schutzbereich der Ehe und die Dokumentation dieses Willens durch Heirat zu sehen. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2004 hat der Bundesgerichtshof dementsprechend zutreffend ausgeführt, dass der Fall einer geschiedenen Ehefrau, die sich wiederverheirate, mit dem einer nichtehelichen Mutter, die sich verheirate, vergleichbar sei. Insoweit ist der Bundesgerichtshof von einer Regelungslücke in Bezug auf den Anspruch nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB und der Vergleichbarkeit beider Fälle ausgegangen. Eine solche Vergleichbarkeit, die die Freiwilligkeit der Einbeziehung eines nichtehelichen Kindes in den Schutzbereich der Ehe voraussetzt, ist in Konstellationen, in denen das nichteheliche Kind in eine bestehende eheliche Beziehung drängt, nicht gegeben. Die analoge Anwendung des § 1586 BGB auf die Fälle auszudehnen, in denen ein Kind außerehelich gezeugt wird, dies aber nicht zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und Begründung einer neuen Lebensgemeinschaft mit dem Vater des außerehelich gezeugten Kindes führt, würde auf eine doppelt analoge Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB hinauslaufen, für die es keine Rechtfertigung gibt. § 1586 Abs. 1 BGB setzt nämlich nicht nur eine Wiederheirat voraus, an deren Stelle vorliegend die Fortsetzung der Ehe treten soll, sondern außerdem, dass ein anderweitiger Unterhaltsanspruch bereits besteht, der durch die Wiederheirat zum Erlöschen gebracht wird. Der Anspruch aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB wird hier aber nicht durch die Fortsetzung der Ehe mit dem Ehemann zum Erlöschen gebracht, sondern soll angesichts bestehender Ehe erst gar nicht zur Entstehung gelangen. Für einen solch weitgehenden Analogieschluss ist der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2004 nichts zu entnehmen. Er würde im Widerspruch zu den Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinen Entscheidungen aus den Jahren 1998 und 2007 stehen, in denen der Bundesgerichtshof ausführliche Billigkeitserwägungen zur Höhe der jeweiligen Haftungsanteile im Rahmen des § 1606 Abs. 3 BGB gemacht hat. Dieser Erwägungen bedürfte es nicht, wenn es für die Frage des Wegfalls oder Ausschlusses eines Anspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB allein darauf ankäme, ob der Bedarf der nichtehelichen Mutter durch eine anderweit bestehende eheliche Beziehung gedeckt ist.

Hier kommt es eben nicht nur auf die Interessen- und Versorgungslage der Mutter, sondern auch auf die Sicht des Ehemannes der Mutter an, der an der Zeugung des Kindes unbeteiligt war und die damit einher gehenden finanziellen Belastungen hinnehmen muss, will er weitergehende Auswirkungen auf sein Familienleben - wie etwa die Trennung von der Kindesmutter - vermeiden (für eine Ablehnung der analogen Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB auf diese Fallkonstellationen vgl. Menne in Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013, Kap. 2, Rdnr. 1551 mit umfangreichen Literaturnachweisen [Fn. 2651]; die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 26. April 2001, OLGR München 2002, 144-146 betrifft nicht die hiesige Fallkonstellation, sondern die Frage des Wiederauflebens eines Anspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB nach einer Heirat und nachfolgender Trennung von ihrem Ehemann).

Der Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners steht auch nicht die gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechend anzuwendende Bestimmung des § 1608 BGB entgegen. Der Vater des nichtehelichen Kindes kann den Verwandten der Mutter nicht gleichgesetzt werden; die Sonderbestimmung des § 1615l Abs. 3 Satz 2 BGB, nach der die Unterhaltspflicht des Vaters des nichtehelichen Kindes vor derjenigen der Verwandten rangiert, geht als lex specialis dem § 1608 BGB vor (vgl. Hahne, FF 2006, 24 ff.).

Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners folgt vorliegend auch aus der Vorschrift des § 1579 Nr. 2 BGB nichts anderes. Das OLG Nürnberg hat dazu in seiner Entscheidung vom 26. August 2010 (FamRZ 2011, 735-736) ausgeführt, eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Betreuungsunterhalt sei bereits deshalb zweifelhaft, weil der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 zwar die Bestimmungen des § 1615l BGB und des § 1570 BGB einander angeglichen habe, es jedoch trotz der Diskussion über die Verwirkungsproblematik beim Unterhaltsanspruch nicht verheirateter Eltern (vgl. z.B. Peschel-Gutzeit, FPR 2005, 344; Schilling, FPR 2005, 513) bei der Verweisung auf das Verwandtenrecht belassen habe. Diesen Überlegungen ist in der Literatur zu Recht das Argument entgegen gehalten worden, bei der Änderung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes habe der Gesetzgeber sich auf die Anpassung der Vorschriften über den Betreuungsunterhalt beschränken können, denn nur dies sei ihm vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 28. Februar 2007 (NJW 2007, 1735) auferlegt worden (vgl. etwa Griesche in FamFR 2011, 51 [52]). Dieses Argument ist zutreffend. Möglicherweise hat der Gesetzgeber einen darüber hinausgehenden Handlungsbedarf in Bezug auf die Angleichung der Vorschriften über den Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB an den nachehelichen Betreuungsunterhalt (statt wie bisher an den Verwandtenunterhalt) gerade deshalb nicht gesehen, weil er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur analogen Anwendung der entsprechenden Vorschriften von Fall zu Fall für die bessere Lösung hielt.

Entscheidend ist aber das zweite Argument des OLG Nürnberg, § 1579 Nr. 2 BGB passe nicht auf den Fall des Anspruchs aus § 1615 l Abs. 3 BGB, vor allem nicht generell, da diese Vorschrift ein (früheres) Zusammenleben und eine daraus resultierende engere Verbundenheit der Eltern nicht voraussetze. Entscheidender Umstand für die Versagung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB sei indes, dass sich ein geschiedener Ehegatte durch die neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der nachehelichen Solidarität herauslöse und zu erkennen gebe, dass er diese nicht mehr benötige (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drucks. 16/1830, S. 21). Eine derartige Situation bestehe bei § 1615l BGB nicht, weshalb eine analoge Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB abzulehnen sei (OLG Nürnberg, a.a.O., Tz. 26 bei juris).

Unabhängig davon, ob man der Argumentation des OLG Nürnberg in dieser Allgemeinheit folgen will oder danach differenzieren will, ob die Eltern des nicht ehelichen Kindes jedenfalls zeitweise zusammen gelebt oder jedenfalls die Begründung einer außerehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigt hatten, scheitert ein Ausschluss des Betreuungsanspruchs der Antragstellerin gegen den Antragsgegner hier jedenfalls an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 BGB, die neben der Erfüllung eines der in § 1579 BGB aufgeführten Härtegründe – hier der einer anderweitig verfestigten Lebensgemeinschaft (Nr. 2) – in jedem Einzelfall zusätzlich die Feststellung einer groben Unbilligkeit erfordern (Hollinger, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 1579 Rn. 9; Eschenbruch, in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013, Kap. 1, Rdnr. 1708 - 1714). Eine solche ist hier nicht gegeben, weil die Beteiligten zu keinem Zeitpunkt in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt und ein solches Zusammenleben auch zu keinem Zeitpunkt geplant hatten.

Das Argument des Antragsgegners, das Familiengericht habe hier nicht ausreichend gewertet, dass der Ehemann der Antragstellerin voll leistungsfähig und die Antragstellerin nicht bedürftig sei, überzeugt nicht. Zwar können solche Erwägungen im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen Haftungsanteile nach § 1606 Abs. 3 BGB eine Rolle spielen, wenn der nichteheliche Vater seinerseits nicht leistungsfähig wäre. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Antragsgegners aufgrund seiner anderweit bestehenden Unterhaltsverpflichtungen ist in der Entscheidung des Familiengerichts aber schon bei der Höhe des Anspruchs der Antragstellerin berücksichtigt bzw. der Antrag der Antragstellerin von vornherein entsprechend beschränkt worden. Der generelle Ausschluss eines Anspruchs nach § 1615l Abs. 3 BGB bei bestehender Leistungsfähigkeit des Ehemannes ist mit den Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1998, die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2007 (FamRZ 2007, 1303-1306) noch einmal bestätigt wurde, nicht in Einklang zu bringen.

Auch der Höhe nach gibt es keinen Anlass zur Abänderung der Entscheidung des Familiengerichts, zumal die Entscheidung insoweit von der Beschwerde nicht angegriffen wurde. Dass das Familiengericht - dem Antrag der Antragstellerin folgend - für die Bemessung des Bedarfs der Antragstellerin im Rahmen ihres Anspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB nicht die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern ihre mit der Aufgabe der Teilarbeitsstelle anlässlich der Geburt des Kindes hinzunehmenden Einkommenseinbußen zugrunde gelegt hat, hat sich unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Antragsgegners, dass der Ehemann der Antragstellerin als Zollbeamter mindestens 4.000,00 EUR netto im Monat verdiene, zu seinen Gunsten ausgewirkt. Auch die vom Familiengericht ab Juli 2013 vorgenommene Berücksichtigung des eigenen Einkommens der Antragstellerin, die unter dem Gesichtspunkt der überobligatorischen Berufstätigkeit wertend vorzunehmen war, ist aus Sicht des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Die Beschränkung der Absetzbarkeit auf einen Betreuungsbonus von 10 % des Nettoeinkommens der Antragstellerin, die bei der Bedarfsbemessung außer Ansatz geblieben sind, liegt eher im unteren Bereich der in der Rechtsprechung üblichen Margen von 5 % bis 30 %.

Nicht durchgreifend sind schließlich die Ausführungen des Antragsgegners, das Familiengericht habe zu Unrecht auf Unterhalt für die Vergangenheit erkannt, die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 2 Nr. 2.a) BGB seien nicht erfüllt, weil die Antragstellerin zum einen die Klärung der Vaterschaftsverhältnisse selber nicht nachhaltig genug betrieben habe und andererseits mit der Geltendmachung der Ansprüche bis Oktober/November 2013 gewartet habe. § 1613 Abs. 2 Nr. 2.a) BGB (rechtliche Hindernisse) enthält sich – anders als § 1613 Abs. 2 Nr. 2.b) BGB (tatsächliche Hindernisse) jeder rechtlichen Wertung, in wessen Verantwortungsbereich die rechtlichen Hindernisse fallen. Es reicht, dass sie bestehen. Auf die Frage, ob die Antragstellerin bei entsprechendem Nachdruck eine frühere Klärung der Abstammungsverhältnisse hätte erreichen können, kommt es dementsprechend grundsätzlich nicht an. Solche Erwägungen könnten allenfalls im Rahmen der Prüfung eines Verwirkungstatbestandes nach § 242 BGB eine Rolle spielen (vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1613 Rdnr. 13). Anhaltspunkte sind dafür vorliegend nicht gegeben.

Dass die Antragstellerin den Unterhaltsanspruch trotz Klärung der Abstammungsverhältnisse spätestens mit ihrer Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung des Antragsgegners am 12. November 2012 gerichtlich hätte geltend machen können, dies aber erstmalig im Oktober/November 2013 gemacht hat, ist zutreffend, spielt für die Entscheidung aber keine Rolle. Für den Zeitraum von Oktober 2012 bis September 2013 hat die anwaltlich beratene Antragstellerin offenbar mit Blick auf die Vorschrift des § 1613 BGB nämlich von vornherein keinen Unterhalt verlangt. Insoweit kommt es auf die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 2013 (XII ZB 249/12, zit.n.juris) nicht an. Sie verhält sich nur zu der Frage, ob § 1615l Abs. 3 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB enthält und für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 BGB erfüllt sein müssen oder – wie teilweise im Schrifttum vertreten – aus der in § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB ausgesprochenen Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB folgt, dass die in Absatz 2 Nr. 1 enthaltene einjährige „Ausschlussfrist“ nicht nur für den dort allein aufgeführten Sonderbedarf, sondern für den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter gelten soll. Diese Frage ist für den hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht erheblich. Auch auf die von der Antragstellerin behauptete, vom Antragsgegner bestrittene frühere Geltendmachung eines entsprechenden Auskunftsanspruchs gegenüber dem Antragsgegner per E-Mail vom 12. Februar 2012 kommt es hier dementsprechend nicht an. Die vom Familiengericht ausgesprochene Unterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit bezieht sich nur auf den Zeitraum vom 22. September 2011 bis einschließlich Oktober 2012, als es noch keine endgültige Klärung der Vaterschaftsverhältnisse gab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, weil er mit seiner Beschwerde in vollem Umfang unterlegen ist (§ 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG) und andere Gesichtspunkte, die eine andere Kostenentscheidung rechtfertigen würden, nicht ersichtlich sind. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus den §§ 51, 40 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist im Hinblick darauf, dass die hier zugrunde liegende Fallkonstellation einer Konkurrenz zwischen dem Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB und einem Anspruch auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden ist, im Interesse der Fortbildung des Rechts (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG) zuzulassen. Die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 1586 Abs. 1 BGB auf diese Fallkonstellation hat über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist für die Allgemeinheit von Interesse.