LG Berlin, Urteil vom 07.10.2014 - 36 O 176/13
Fundstelle
openJur 2015, 4796
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreit hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, eine AG, ist die örtliche Gasgrundversorgerin. Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 14.9.2006 die Räume der streitgegenständliche Verbrauchsstelle ..., ... str. ... in Berlin zum 1.10.2006 von den Eigentümerinnen ... und ... an.

Die Klägerin übersandte mit Schreiben vom 16.5.2011 an die Hausverwaltung der Immobilie ... str. ... eine Schlussrechnung zur Verbrauchsstelle ... . Mit Antwortschreiben vom 20.5.2011 teilte diese mit, dass die Beklagte die Pächterin sei. Es wird auf die Anlage KR1, Blatt 51 der Akte, Bezug genommen.

Mit Rechnung vom 11.9.2012 machte die Klägerin von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 5.823,74 € für die Zeit vom 14.12.2008 bis 30.4.2010 geltend. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K1, Blatt 13ff. der Akte, Bezug genommen.

Mit Antwortschreiben vom 15.9.2012 schickte die Beklagte die Rechnung zurück und teilte mit, dass sie nie dort gewohnt habe oder ein Gewerbe betrieben habe. Es wird auf die Anlage KR2, Blatt 52 der Akte, Bezug genommen.

Auf Nachfrage der Klägerin teilte die Hausverwaltung der Immobilie mit, dass die Beklagte bis zum 31.7.2012 Mieterin des Lokals gewesen sei und sie berechtigt gewesen sei, dieses unterzuvermieten. Es wird auf die Anlage KR5, Blatt 60 der Akte, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.1.2013 antwortete die Beklagte auf ein Schreiben der Klägerin und teilte u.a. mit, dass sie das Lokal bereits am 30.9.2006 weitervermietet habe und niemals betrieben habe. Es wird auf die Anlagen KR6 und KR7, Blatt 61ff. der Akte, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 18.2.2013 mahnte die Klägerin die Zahlung an.

Mit Schreiben vom 28.2.2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass kein anderer Nutzer für den Verbrauch bekannt geworden sei.

Der Klägervertreter forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.3.2013 erneut zur Zahlung auf. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K2, Blatt 19 der Akte, Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Verbrauchsstelle zum Zähler ... für die Zeit vom 14.12.2008 bis 30.4.2010 gehabt und sei ein Haushaltskunde. Der festgestellte Verbrauch würde 9.068m³ betragen und stünde auf Grund der Zählerdifferenz fest.

Sie meint, zwischen den Parteien habe zur Vertragsnummer ... ein Erdgaslieferungsvertrag im Grundversorgungstarif bestanden, der durch Entnahme von Erdgas seitens der Beklagten als Mieterin der Verbrauchsstelle am 14.12.2008 zu Stande gekommen sei.

Die Beklagte sei nach § 17 GasGVV mit ihren Einwänden ausgeschlossen.

Mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 12.9.2014 meint sie, ein Vertrag sei bereits am 1.10.2006 zu Stande gekommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagtenpartei zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.823,74 €, nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 28.9.2012 sowie Mahnkosten in Höhe von 5,00 € und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 239,70 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf die vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie habe nie Gas aus dem streitgegenständlichen Anschluss entnommen. Es habe sich bei der Verbrauchsstelle um eine Gaststätte gehandelt, die nie von ihr betrieben worden sei. Sie habe die Räume mit Vertrag vom 15.10.2006 an die ... GmbH (im folgenden: GmbH) vermietet und nimmt Bezug auf die Anlage B1, Blatt 83ff. der Akte. Vertragsbeginn sei der 1.10.2006 gewesen.

Sie bestreitet die abgerechneten Verbräuche mit Nichtwissen und erhebt die Einrede der Verjährung.

Sie meint, sie sei kein Haushaltkunde i.S.d. § 3 Nr. 22 EnWG. Die Klägerin müsse selbst ihrer Vertragspartner feststellen und hätte dies hier mit geringem Aufwand machen können.

Die Klägerin repliziert und bestreitet mit Nichtwissen, dass die Verbrauchsstelle nicht von der Beklagten betrieben worden sei, dass es sich um Geschäftsräume handele und die Räume direkt weitervermietet worden seien.

Sie meint, der Vortrag zum Untermietvertrag sei verspätet. Eine etwaiger Untermietvertrag sei nicht geeignet gewesen einen zuvor per Realofferte geschlossenen Vertrag zwischen den Parteien zu beenden. Ohne Genehmigung der Klägerin sei eine Vertragsübernahme durch die GmbH nicht möglich. Die Beklagte sei darlegungs- und beweisbelastet für einen vermeintlich anderen Vertragspartner. Sie habe mit Vorsatz der sittenwidrigen Schädigung gehandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 26.8.2014 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 5.823,74 €, da sie dafür beweisfällig geblieben ist, dass diese Vertragspartnerin geworden ist und die Voraussetzungen anderer Anspruchsgrundlagen hier nicht gegeben sind.

1.

Ein vertraglicher Anspruch scheidet aus, da die Klägerin beweisfällig dafür blieb, dass die Beklagte Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die streitgegenständliche Verbrauchsstelle für eine nicht nur geringfügige Zeit war.

a)

Der Beklagtenvortrag, wonach sie die Räumlichkeiten, in der die Verbrauchsstelle liegt, direkt weiter vermietet habe, war erheblich.

Die Grundsätze des BGH-Entscheidung vom 2.7.2014, Az. VIII ZR 316/13 (vgl. BGH WM 2014, 1833-1835) auf die beide Seiten Bezug genommen haben, sind nach Auffassung des Gerichts auch auf den hiesigen Sachverhalt einer Untervermietung und bei einer Gaslieferung anwendbar.

Danach ist zunächst Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Dies ist zunächst der Eigentümer.

Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann aber grds. auch eine andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks, da diesem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassenen Miet- oder Pachtsache eingeräumt wird.

Die gleiche Überlegung gilt nach Auffassung des Gerichts auch für einen Untermieter, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt auf Grund eines Untermietvertrages überlassen wurde, wenn wie hier dem Mieter das Recht zur Untervermietung vom Eigentümer eingeräumt wurde.

Nach der oben zitierten Entscheidung ist auch unerheblich, ob die Beklagte Angang Oktober 2006 für kurze Zeit Inhaberin der tatsächlichen Gewalt war.

Der BGH (a.a.O.) führte hierzu aus:

„Selbst wenn, wie von der Klägerin vorgetragen, in diesem Zeitraum Strom in geringfügigem Umfang - etwa zum Zweck einer Besichtigung - ausschließlich von dem Eigentümer entnommen worden wäre, führte dies bei einer Auslegung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten (vgl. zu diesem Kriterium: BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - VII ZR 181/02, NJW 2004, 2156 unter II 2; Staudinger/Singer, aaO Rn. 2, 52 ff.) nicht dazu, dass der Eigentümer hiermit eine an ihn gerichtete Realofferte zum Abschluss eines unbefristeten Grundversorgungsvertrags angenommen hätte, der mangels Kündigung auch den späteren Verbrauch durch den Pächter erfasst und einem Vertragsschluss mit dem Pächter entgegen gestanden hätte. Derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen sind bei der Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen. Nur ein solches Verständnis wahrt das bei einer beiderseits interessengerechten Auslegung einzubeziehende Anliegen aller Beteiligten, stabile Vertragsbeziehungen zu erreichen und verhindert, dass aufwendige - und angesichts fehlender Zwischenzählerstände voraussichtlich in aller Regel erfolglose - Ermittlungen zwischenzeitlich möglicherweise erfolgter Kleinstbezüge erforderlich sind, um festzustellen, wer Vertragspartner eines Versorgungsvertrags geworden ist.“

Dem schließt sich das Gericht für den hiesigen Fall an. Darüber hinaus wurde der Gasverbrauch von Anfang Oktober 2006 bis zum 12.12.2008 offensichtlich vom damaligen Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt bezahlt, da die Klägerin erst ab dem 13.12.2008 offene Forderungen geltend macht.

b)

Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen. Der insofern erfolgte vorgerichtliche Schriftverkehr hat für die Darlegungslasten im Prozess keine Bedeutung.

Spätestens mit dem Schriftsatz vom 5.8.2014 hat sie ausreichend substantiiert dargelegt, dass sie die Räume an die GmbH vermietet habe.

Der Vortrag war auch schon deshalb nicht verspätet, da die beweisbelastete Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 12.9.2014 keinen geeigneten Beweis angeboten hat und beweisfällig blieb.

c)

Die Klägerin trägt hier nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung die Beweislast dafür, dass mit der Beklagten ein Vertrag nach den oben dargestellten Grundsätzen der Realofferte zu Stande kam.

Insofern verkennt der Klägervertreter im nachgelassenen Schriftsatz vom 12.9.2014 die Reichweite der sekundären Darlegungslast. Diese führt nur dazu, dass die Beklagte die in ihrem Kenntnisbereich liegenden Tatsachen ausführlich darlegen muss und insofern den Klägervortrag ergänzen muss, was grundsätzlich im Zivilprozess sonst nicht gefordert wird (vgl. Zöller, 29. Auflage, § 138 ZPO, Rn. 8). Die sekundäre Darlegungslast führt aber nicht dazu, dass die Beklagte diese Tatsachen auch beweisen müsste (vgl. Zöller, 29. Auflage, vor § 284 ZPO, Rn. 34).

Nach dem Vortrag der Beklagten hätte die Klägerin auch ohne weiteres Zeugen zum Beweis des Gegenteils benennen können, dies aber nicht gemacht, sondern sich auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränkt. Dieses war aber unerheblich, da, wie erörtert, die Klägerin die Beweislast trägt.

Soweit als einziges Beweisangebot ein Sachverständigengutachten angeboten wurde zum Beweis der Tatsache, dass die Anlage B1 nicht echt sei, war dieses bereits ungeeignet zur Erbringung des Vollbeweises dessen, dass kein Untermietvertrag mit der GmbH seit dem Oktober 2006 bestand. Bei unterstellten Erfolg dieser Beweiserhebung stünde nur fest, dass die Anlage B1 nicht echt ist, dies wäre nur ein starkes Indiz, dass eine solche Vereinbarung nicht geschlossen wurde, aber nicht der mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit zu erbringende Vollbeweis.

Denn ein starkes Indiz für die Untervermietung ist die Tatsache, dass die Klägerin anscheinend vom 1.10.2006 bis 13.12.2008 sowie vom 30.4.2010 bis zum 31.7.2012 von anderen Personen als der Beklagten bezahlt wurde, obwohl während der gesamten Dauer die Beklagte Hauptmieterin war.

d)

Der Einwendungsausschluss nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 GasGVV greift hier nicht, da bereits kein Vertrag zwischen den Parteien feststeht.

2.

Soweit die Klägerin ihren Klageanspruch auf § 826 BGB stützt, liegen die Voraussetzungen nach dem Parteivortrag nicht vor.

Es ist schon nicht ersichtlich, worin hier konkret eine sittenwidrige deliktische Handlung liegen soll, die bei der Klägerin zu einem vorsätzlich herbeigeführten Schaden geführt haben soll. Die Beklagte hat zumindest prozessual nicht verspätet im hiesigen Verfahren die Daten ihrer behaupteten Untermieterin mitgeteilt. Daraufhin hat die Klägerin der GmbH den Streit verkündet, so dass ein Schaden auch bisher nicht ersichtlich ist.

Soweit die Klägerin sich auf ein Urteil des OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Urteil vom 23. Mai 2014 - 2 U 2401/12 -, juris) stützt, ist der dortige Sachverhalt nicht hinreichend mit dem hiesigen vergleichbar. Dort wurde der Director und damit gesetzliche Vertreter einer Limited dafür nach § 826 BGB persönlich haftbar gemacht, dass er auf Nachfrage des Versorgungsunternehmens nicht aufklärte, wer tatsächlicher Inhaber der Verfügungsgewalt war, nämlich die von ihm vertretene Limited, obwohl er hierzu aufgrund seiner Stellung ohne weiteres in der Lage gewesen wäre. Dabei war auch eine weitere Besonderheit, dass er mit seiner Ehefrau auch dort wohnte und weitere 5 (!) Gesellschaften dort gemeldet waren.

3.

Die geltend gemachten Nebenforderungen sind mangels Anspruch auf die Hauptforderung unbegründet.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen bezüglich der Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO und bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.