VG Augsburg, Urteil vom 27.01.2015 - Au 3 K 14.1617
Fundstelle
openJur 2015, 4579
  • Rkr:

Erstattungsanspruch; jugendhilferechtliche Kostenerstattung; Geltendmachung; zwölfmonatige Ausschlussfrist; Fristberechnung; Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09); Prozesszinsen

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger für die Zeit vom 14. Januar bis 24. August 2010 geleistete Kostenerstattung i.H.v. EUR 45.038,42 zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7. November 2014 zurückzuerstatten.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von EUR 45.038,42, die er zu Unrecht im Rahmen einer jugendhilferechtlichen Kostenerstattung geleistet haben will.

1. Mit Schreiben vom 23. August 2011 – eingegangen am 25. August 2011 – wandte sich das Jugendamt der Beklagten an den Kläger als überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Es wurde ein Kostenerstattungsanspruch bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise aus § 89d SGB VIII hinsichtlich ... (geboren am 8.6.1993 in Algerien) geltend gemacht. Für den Genannten sei durch die Beklagte erstmals ab dem 14. Januar 2010 Jugendhilfe in Form einer Inobhutnahme gewährt worden. Diese habe bis 2. März 2011 angedauert. Ab dem 3. März 2011 sei sodann auf Antrag des Amtsvormunds Hilfe zur Erziehung geleistet worden. Grundlage der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der erstmaligen Jugendhilfegewährung sei der tatsächliche Aufenthalt nach § 87 SGB VIII gewesen. Die nunmehrige örtliche Zuständigkeit des Klägers ergebe sich aus einer Bestimmungsverfügung des Bundesverwaltungsamts nach § 89d SGB VIII vom 18. März 2010, die – neben anderen Dokumenten – dem Schreiben beigefügt war.

Mit Schreiben vom 19. September 2011 erklärte sich daraufhin der Kläger grundsätzlich zur Kostenerstattung für Zeiträume ab dem 25. August 2010 bis längstens zum 21. Lebensjahr des jungen Menschen bereit. Eine Erstattung für die Zeit vom 14. Januar bis 24. August 2010 sei nicht möglich, da dieser Zeitraum außerhalb der Ausschlussfrist des § 111 SGB X liege.

Auf Anforderung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 hin erstattete der Kläger dieser sodann für den Zeitraum vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011 (Ende der Jugendhilfemaßnahme) Gesamtaufwendungen i.H.v. EUR 25.928,82.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2013 nebst Kostenaufstellung machte die Beklagte darüber hinaus auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 eine Kostenerstattung für Gesamtaufwendungen i.H.v. EUR 45.038,42 geltend. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09) die Ausschlussfrist des § 111 SGB X durch die Beklagte gewahrt worden. Die Zwölfmonatsfrist beginne erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtmaßnahme. Es wurde daher um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 gebeten.

Ausweislich eines internen Vermerks des Klägers vom 15. März 2013 schloss man sich dort nach Prüfung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Rechtsauffassung der Beklagten an.

Mit Schreiben vom 8. April 2013 teilte der Kläger der Beklagten daher mit, dass man aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr auch eine Kostenerstattungspflicht für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 anerkenne. In der Folge wurde der seitens der Beklagten geltend gemachte Betrag i.H.v. EUR 45.038,42 durch den Kläger erstattet.

Mit Schreiben vom 12. März 2014 zog der Kläger seine Kostenerstattungszusage vom 8. April 2013 jedoch wieder zurück und forderte die Beklagte auf, den erstatteten Betrag zurückzuzahlen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09) zur Berechnung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X durch die Beteiligten unzutreffend derart ausgelegt worden sei, dass die Zwölfmonatsfrist erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtmaßnahme anlaufe. Richtigerweise könne eine Erstattung im Lichte der neueren Rechtsprechung jedoch erst ab dem 25. August 2010 erfolgen, zwölf Monate rückwirkend ab Eingang des Erstattungsantrags der Beklagten am 25. August 2011.

Mit E-Mail vom 12. Mai 2014 teilte die Beklagte zunächst auf Nachfrage mit, dass die Angelegenheit derzeit geklärt werde. Es wurde um Geduld gebeten.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 bat der Kläger um Herbeiführung einer Entscheidung und Rückerstattung des gegenständlichen Betrags bis spätestens 31. August 2014. Ansonsten behalte man sich rechtliche Schritte vor.

2. Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 lehnte die Beklagte schließlich das Rückzahlungsbegehren des Klägers ab. Man halte an der bereits im Jahr 2013 geäußerten Auslegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Berechnung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X fest. Ein Rückerstattungsanspruch des Klägers bestehe daher nicht.

Mit E-Mail vom 2. September 2014 teilte der Kläger mit, dass er an seinem Rückerstattungsbegehren festhalte. Zur Begründung wurde ergänzend auf einen beigefügten Fachaufsatz (Häußler, Aktuelle jugendhilferechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DVBl 2013, 1001) verwiesen, der die klägerische Auslegung stütze. Sollte die Beklagte dem klägerischen Rückerstattungsbegehren nicht in angemessener Frist nachkommen, werde der Verwaltungsrechtsweg beschritten.

Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.

3. Mit seiner am 6. November 2014 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 45.038,42 nebst Zinsen von 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung folge aus § 112 SGB X, da die an die Beklagte geleistete Kostenerstattung zu Unrecht erfolgt sei. Nach § 111 Satz 1 SGB X scheide eine Erstattung aus, soweit der Berechtigte den Anspruch nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tags, für den die Leistung erbracht wurde, geltend mache. Vorliegend könne daher eine Erstattung frühestens ab 25. August 2010 (zwölf Monate vor Zugang des Erstattungsantrags am 25.8.2011) erfolgen; für Zeiträume davor seien jegliche Erstattungsansprüche verfristet. Entgegen der Auffassung der Beklagten folge aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09) nichts anderes. Ausweislich eines klarstellenden Fachaufsatzes eines Richters des fünften Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Häußler, Aktuelle jugendhilferechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DVBl 2013, 1001) sei es im Rahmen von § 111 SGB X ausreichend, dass ein Jugendhilfeträger binnen eines Jahres nach Anfang der Leistungsgewährung Kostenerstattung verlange. Dies entspreche auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (VG Augsburg, U.v. 3.4.2012 – Au 3 K 11.1669; VG Regensburg, U.v. 24.10.2013 – RO 7 K 13.218; VG Würzburg, U.v. 24.1.2013 – W 3 K 11.1060). Hingegen sei die seitens der Beklagten vertretene Auslegung, die eine Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs innerhalb von zwölf Monaten nach Beendigung der Hilfegewährung genügen lassen will, mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren. Denn es sei nicht sachgerecht, bei ununterbrochener Leistungsgewährung während der gesamten Kinderzeit die verpflichteten Träger noch Jahre oder gar Jahrzehnte später mit Kostenerstattungsansprüchen zu konfrontieren.

4. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des gegenständlichen Betrags. Die Voraussetzungen des § 112 SGB X seien nicht gegeben, da die Kostenerstattung durch den Kläger objektiv zu Recht erfolgt sei. Insbesondere habe die Beklagte richtigerweise die vorliegend allein streitige Ausschlussfrist aus § 111 Satz 1 SGB X gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09) sei insoweit bei einem Anspruch auf Erstattung von Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine (Gesamt-)Leistung zu werten seien, jede innerhalb der zwölfmonatigen Frist erfolgte Geltendmachung nach Beginn der (Gesamt-)Leistung ausreichend; die zwölfmonatige Frist laufe mit Beendigung der Hilfe an, eine zeitabschnittsweise Betrachtung erfolge nicht. Vorliegend habe die Jugendhilfemaßnahme am 13. Juni 2011 geendet; das Schreiben der Beklagten vom 23. August 2011 zur Geltendmachung der Kostenerstattung sei daher ohne weiteres fristgerecht gewesen. Die Rechtsauffassung der Beklagten werde von der Kommentarliteratur (Kunkel/Pattar, SGB VIII, § 89f Rn. 30; Eschelbach/Schindler in: Münder, FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5) sowie von den kommunalen Spitzenverbänden in Baden-Württemberg geteilt. Das hiergegen seitens des Klägers angeführte Argument einer nicht sachgerechten zeitlich unbegrenzten Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen überzeuge nicht; denn nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 111 SGB XII analog verjähre der Kostenerstattungsanspruch innerhalb von vier Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist.

5. Mit Schriftsätzen vom 22. Dezember 2014 bzw. 13. Januar 2015 haben die Beteiligten auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

6. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

Das Urteil kann aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 112 Abs. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Erstattung von EUR 45.038,42.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind gemäß § 112 SGB X die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat an die Beklagte im Jahr 2013 zu Unrecht auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 eine Kostenerstattung i.H.v. EUR 45.038,42 geleistet. Ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus § 89d des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) bestand nicht.

Grund hierfür ist, dass der dem Grunde nach gegebene Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus § 89d SGB VIII mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen ist (vgl. allgemein zur Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X auf § 89d SGB VIII: BVerwG, U.v. 19.8.2010 – Az. 5 C 14/09 – juris Rn. 12 f.).

a) Nach § 111 Satz 1 SGB X ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

Ein anderweitiger Beginn der Frist ergibt sich hier nicht aus § 111 Satz 2 SGB X. § 111 Satz 2 SGB X ist bei jugendhilferechtlichen Erstattungsansprüchen nicht anwendbar, ohne dass deshalb auch die Anwendbarkeit von § 111 Satz 1 SGB X entfallen würde (vgl. BayVGH, U.v. 21.5.2010 – 12 BV 09.1973 – juris Rn. 39).

Für den Ablauf des Leistungszeitraums ist bei wiederkehrenden Leistungen gemäß § 111 Satz 1 SGB X der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet wurde; die Ausschlussfrist beginnt deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. Bei laufend, z.B. monatlich, gewährten Leistungen ist nicht erforderlich, dass der Erstattungsanspruch laufend, z.B. monatlich, neu geltend gemacht wird. Es ist ausreichend, wenn das Erstattungsverlangen einheitlich auch für die Erstattung aller zukünftigen Leistungen gestellt wird, weil der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkte Jugendhilfeleistungen abschnittsweise gewährt werden und für die Konkretisierung des Leistungs-(teil-)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris Rn. 3; VG Regensburg, U.v. 24.10.2013 – RO 7 K 13.218 – juris Rn. 16; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 6 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze war zum Zeitpunkt des Eingangs des Erstattungsverlangens der Beklagten am 25. August 2011 die Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X bereits verstrichen. Denn hinsichtlich des streitgegenständlichen Leistungszeitraums vom 14. Januar bis 24. August 2010 endete die Frist aus § 111 Satz 1 SGB X zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, mithin bereits am 24. August 2011.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (Az. 5 C 14/09BVerwGE 137, 368/374 ff.) nicht entnehmen, dass wegen des darin erfolgten Abstellens auf den Beginn der (Gesamt-)Leistung eine Abkehr vom Beginn der Ausschlussfrist nach Ablauf einzelner Teilzeiträume zu erfolgen hätte und diese stattdessen erst mit dem Ende der (Gesamt-)Leistung anlaufen würde. Diese Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt (BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris).

Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts trifft lediglich eine Aussage zum Begriff der Leistung i.S.v. § 111 Satz 1 SGB X und zu ihrem Beginn, nicht hingegen zu dem Zeitraum, für den die Leistung erbracht wird. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass entgegen dem Wortlaut des § 111 Satz 1 SGB X, der mit der Formulierung "Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde" eindeutig auf einen abgegrenzten Leistungszeitraum abstellt, die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig aufgegeben werden sollte. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X nicht vereinbar (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris Rn. 4; VG Regensburg, U.v. 24.10.2013 – RO 7 K 13.218 – juris Rn. 17).

Die Regelung des § 111 Satz 1 SGB X will erreichen, dass Erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden müssen. Der Erstattungspflichtige soll bereits kurze Zeit nach der Leistungserbringung wissen, welche Ansprüche auf ihn zukommen und welche Rückstellungen er gegebenenfalls bilden muss (vgl. hierzu Roller, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 2 m.w.N.). Dieser Intention des Normgebers wäre nicht mehr Rechnung getragen, wenn sich beispielsweise bei einer Gesamtleistung von Hilfe zur Erziehung und anschließender Hilfe für junge Volljährige im Extremfall ein Leistungszeitraum von 27 Jahren ergeben könnte und die Ausschlussfrist von zwölf Monaten erst nach Ablauf dieses Zeitraums beginnen würde (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris Rn. 5; VG Regensburg, U.v. 24.10.2013 – RO 7 K 13.218 – juris Rn. 17).

In dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall – im Gegensatz zum vorliegend zu entscheidenden – war die Anmeldung des Anspruchs bereits innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgt, es hatte sich lediglich die der Hilfegewährung zu Grunde liegende Rechtsgrundlage verändert (vgl. hierzu näher BVerwG, U.v. 19. August 2010 – 5 C 14/09BVerwGE 137, 368/369). Demgegenüber sind vorliegend bereits Teilzeiträume verstrichen, ohne dass insoweit eine Anmeldung erfolgt wäre. Die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegende Sachverhaltskonstellation ist demzufolge mit der hier gegebenen nicht zu vergleichen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris Rn. 6; VG Regensburg, U.v. 24.10.2013 – RO 7 K 13.218 – juris Rn. 16).

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (Az. 5 C 14/09BVerwGE 137, 368/374 ff.) betrifft nach alledem ausschließlich solche Fallgestaltungen, in denen die Hilfegewährung im Rahmen eines einheitlichen Hilfeprozesses auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt wurde und die Anmeldung des Anspruchs bereits innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgt war. Nur in dieser – hier nicht gegebenen – Konstellation genügt eine (einzige) innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgte Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 12 ZB 13.2512 – juris Rn. 7/10).

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Die Beklagte hat die Rückerstattungsforderung des Klägers unter sinngemäßer Anwendung von § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit einem Zinssatz i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Während Verzugszinsen für öffentlich-rechtliche Ansprüche nur bei einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gewährt werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.1977 – III C 72.76 – juris Rn. 21; U.v. 13.7.1979 – IV C 66.76 – juris Rn. 12), können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB für öffentlich-rechtliche Geldforderungen grundsätzlich verlangt werden, es sei denn, das geschriebene Fachrecht weist eine diesen allgemeinen Grundsatz derogierende Regelung auf (BVerwG, U.v. 22.2.2001 – 5 C 34/00 – juris Rn. 6). Eine solche ist vorliegend nicht ersichtlich. Auch wenn mit § 44 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (SGB I) kein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass rückständige Geldleistungen grundsätzlich zu verzinsen sind (BSG, U.v. 18.12.1979 – 2 RU 3/79 – juris Rn. 12), und § 27 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) für Erstattungsansprüche im Bereich der Sozialversicherung eine besondere Verzinsungsregelung getroffen hat, so schließt dies nicht aus, § 291 BGB auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen als allgemeinen Grundsatz anzusehen, der gilt, sofern er nicht ausdrücklich abbedungen worden ist (vgl. BGH, U.v. 1.10.1981 – III ZR 13/80 – juris Rn. 26; Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 291 Rn. 2). Dies gilt für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche jedenfalls insoweit, als zwischen den Parteien, zwischen denen die öffentlich-rechtliche Geldforderung geltend gemacht wird, – wie vorliegend – ein einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis angenähertes öffentlich-rechtliches Gleichordnungsverhältnis besteht (vgl. BGH U.v. 13.7.1989 – III ZR 64/88BGHZ 108, 268 – juris Rn. 14; Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 11). Denn in diesem Fall ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und dem unbestritten § 291 BGB unterliegenden zivilrechtlichen Erstattungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB kein wesensmäßiger Unterschied erkennbar, der eine Anwendung der Regelung des § 291 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausschlösse (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.1976 – III C 56.75BVerwGE 51, 287 – juris Rn. 11 ff. – siehe zum Ganzen: VG München, U.v. 30.4.2013 – M 18 K 12.4144 – juris Rn. 42).

Die vom Kläger mit Eingang der Klageschrift am 6. November 2014 erhobene Klage wurde gemäß § 90 Abs. 1 VwGO an diesem Tag rechtshängig. Die Verzinsungspflicht gemäß § 291 Satz 1 BGB hat damit gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 7. November 2014, 0.00 Uhr, begonnen (Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 291 Rn. 6). Die Zinshöhe richtet sich gemäß § 291 Satz 2 nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Höhere Zinsen gemäß § 288 Abs. 2 BGB waren nicht beantragt (§ 88 VwGO – vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 30.4.2013 – M 18 K 12.4144 – juris Rn. 43).

3. Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).  

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 45.038,42 festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).