AG Marl, Urteil vom 19.05.2014 - 24 C 464/13
Fundstelle
openJur 2015, 3585
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 516,45 € aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, 115 VVG.

Dem Kläger ist durch den Verkehrsunfall vom ... auf der G-Straße in N bei dem Betrieb des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs ein Schaden an seinem Fahrzeug entstanden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach wegen des Verkehrsunfalls ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger kann daher gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Reparaturkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Insofern bewegt sich der Kläger grundsätzlich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrundelegt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH NJW 2003, 2086). Vorliegend hat der Kläger ein Gutachten des Sachverständigenbüros Q eingeholt, das zur Ermittlung der Reparaturkosten die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt (VW) zugrundegelegt und diese in Höhe von 1.538,68 € netto beziffert hat.

Allerdings muss sich der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der Werkstatt X-GmbH in E verweisen lassen. Dementsprechend hat die Beklagte die erstattungsfähigen Reparaturkosten zu Recht um 516,45 € netto, der Klageforderung, gekürzt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2010, 606; BGH NJW 2010, 2941) kann der Schädiger den Geschädigten nämlich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO.

Die Beklagte hat den Kläger mit dem Prüfbericht vom 12.07.2013 auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit bei der Firma X-GmbH verwiesen.

Die Vorlage des Prüfberichts genügte für den Werkstattverweis. Der Kläger konnte dem Prüfbericht vom 12.07.2013 nämlich entnehmen, dass die Beklagte bei der Kalkulation der Reparaturkosten die notwendigen Reparatur-, Instandsetzungs- und Lackierarbeiten aus dem von dem Kläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigenbüros Q übernommen hat. Lediglich bei den Lohn- und Lackierkosten sind die Stundenverrechnungssätze der Firma X-GmbH in Ansatz gebracht worden, sodass sich eine Differenz von 516,45 € ergab. Dem Prüfbericht waren alle wesentlichen Daten in Bezug auf die Referenzfirma X-GmbH zu entnehmen. Für den Kläger war es deshalb nach Erhalt des Prüfberichts ohne weiteres möglich, mit einem Anruf bei der Firma X-GmbH festzustellen, dass die Reparatur dort zu den angegebenen Preisen ausgeführt würde.

Nach der Beweisaufnahme ist das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Referenzbetrieb X-GmbH in E das Fahrzeug des Klägers vom Qualitätsstandard her vergleichbar einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren kann und dieser Betrieb für den Kläger mühelos und ohne weiteres zugänglich ist.

Der Zeuge I hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei ausgesagt, dass es sich bei der Firma X-GmbH um ein zertifiziertes Fachunternehmen nach DIN 9001 handelt. Das Personal wird regelmäßig geschult und ist daher immer auf dem neuesten Stand der Technik. Bei den Reparaturen werden ausschließlich Originalersatzteile und auch Spezialwerkzeuge des jeweiligen Herstellers verwendet. Die Reparaturen erfolgen nach Herstellervorgaben. Auf die Reparaturen wird eine Garantie von zwei Jahren gewährt. Zudem werden ein Mietwagenservice, ein Abschleppdienst sowie ein kostenloser Hol- und Bringservice angeboten. Die Stundenverrechnungssätze lagen im Jahr 2013 bei 91,00 € zuzüglich Materialaufschläge. Für Uni- Lack wurde ein Aufschlag von 25 % und bei Metallic- Lack von 35 % erhoben. Bei dem Stundenverrechnungssatz von 91,00 € handelte es sich im Jahr 2013 um den festen Preis der X-GmbH, der sich aus dem B System ergab, und der immer dann veranschlagt wurde, wenn eine Haftpflichtversicherung für den Schadensfall aufzukommen hatte, also ein so genannter Versicherungsfall vorlag. Bei Privatpersonen wurde ein Stundenverrechnungssatz von 65,00 € zuzüglich Materialaufschlägen erhoben. Der Preisunterschied ergab sich dadurch, dass auf dem freien Markt ein höherer Stundenverrechnungssatz als 65,00 € aufgrund der Konkurrenzsituation nicht zu realisieren war.

Aufgrund dessen geht das Gericht davon aus, dass der Reparaturbetrieb X-GmbH in E für den in N1 wohnenden Kläger mühelos und ohne weiteres zugänglich ist, da die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und der Werkstatt wenige Kilometer beträgt und die Firma X-GmbH über einen kostenlosen Hol- und Bringservice sowie die Möglichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verfügt.

Des Weiteren sind die von der Firma X-GmbH durchgeführten Reparaturen vom Qualitätsstandard her einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichzusetzen. Da für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO gilt (vgl. BGH NJW 2010, 2941) und der Zeuge I die Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Gleichwertigkeit glaubhaft geschildert hat, konnte das Gericht die Gleichwertigkeit auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens annehmen. Wie der Zeuge I überzeugend geschildert hat, handelt es sich bei der Firma X-GmbH nämlich um einen zertifizierten Meisterbetrieb, der ausschließlich Originalersatzteile und Lacke verwendet, die auch bei den Herstellern Verwendung finden. Zudem wird auf die Arbeit eine zweijährige Garantie gewährt. Insofern bestehen keine Zweifel an der Gleichwertigkeit der Reparaturarbeiten im Vergleich zu einer markengebundenen Reparaturwerkstatt.

Auch wenn der Zeuge I eingeräumt hat, dass es sich bei dem Stundenverrechnungssatz von 91,00 € zuzüglich Materialaufschlägen um den mit den Versicherungen vereinbarten Preis handelt, steht dies einer Gleichwertigkeit der Reparatur und Zumutbarkeit des Werkstattverweises nicht entgegen. Denn der Zeuge I hat ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei dem Stundenverrechnungssatz von 91,00 € um den üblichen und allgemein zugänglichen Preis für alle Kunden handelt, wenn eine Fahrzeugreparatur über eine Haftpflichtversicherung abgerechnet wird. Des Weiteren hat der Zeuge I dargetan, dass der Stundenverrechnungssatz auf dem freien Markt für Privatkunden sogar nur 65,00 € zuzüglich Materialaufschlägen beträgt. Danach liegt der Stundenverrechnungssatz für Privatkunden sogar noch unter dem Stundenverrechnungssatz, der gegenüber einer Versicherung abgerechnet wird, sodass es sich bei dem Stundenverrechnungssatz von 91,00 € jedenfalls um den allgemein zugänglichen Preis handelt.

Schließlich ist es für den Kläger auch im Übrigen nicht unzumutbar, sich im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung auf eine freie Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn das Fahrzeug des Klägers wurde unstreitig bereits am 25.02.2000 zugelassen und war damit zum Zeitpunkt des Schadensereignisses mehr als 13 Jahre alt. Der Kläger hat auch nicht dargelegt und bewiesen, dass das Fahrzeug bislang regelmäßig in einer W-Werkstatt gewartet, scheckheftgepflegt oder repariert worden ist.

Nach alledem ist die von der Beklagten zugrunde gelegte Schadenskalkulation nicht zu beanstanden und der Werkstattverweis für den Kläger zumutbar, sodass die Beklagte die Reparaturkosten zu Recht in Höhe der streitgegenständlichen 516,45 € gekürzt hat. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch des Klägers besteht daher nicht.

Mangels Zahlungsanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Ebenso scheidet ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 257 BGB, 115 VVG nebst diesbezüglicher Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB aus.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 516,45 € festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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