OLG Köln, Beschluss vom 13.11.2014 - 19 U 99/14
Fundstelle
openJur 2015, 3553
  • Rkr:
Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 30.05.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 65/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat den Beklagten mit zutreffender Begründung und im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von 20.604,17 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten verurteilt. Die Klägerin kann vom Beklagten Rückerstattung geleisteter Provisionsvorschüsse bzw. nicht verdienter Provisionen im geltend gemachten Umfang aus §§ 87a Abs. 3, 92 Abs. 4 HGB; 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit dem Agenturvertrag vom 23.03./16.04.2014 verlangen.

1. Die Rüge des Beklagten, die im Agenturvertrag niedergelegten Provisionsregelungen seien wegen Verstoßes gegen § 87 a Abs. 5 HGB, gegen Art. 11 der EG-Handelsvertreter-Richtlinie (RL 86/653/EWG) bzw. gegen § 307 BGB unwirksam, bedarf keiner Erörterung. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde das erstinstanzliche Urteil hierauf nicht beruhen. Denn das Landgericht hat den Beklagten weder aufgrund eines Saldoanerkenntnisses noch aufgrund einer von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zur Provisionsrückzahlung verurteilt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen eines nach dem Gesetz bestehenden Rückzahlungsanspruches schlüssig dargelegt und auch bewiesen habe, dass sie ihrer Pflicht zur Nachbearbeitung der stornogefährdeten Verträge durch die automatisierte Übersendung von Provisionsabrechnungen nebst Wochenblättern und Inkasso-Nachbearbeitungslisten nachgekommen sei mit der Folge, dass die Nichtausführung des Geschäftes (Nichtzahlung der Prämien bzw. die Stornierung der einzelnen Verträge) im Sinne von § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB nicht auf Umständen beruhe, die von der Klägerin zu vertreten seien. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Der Beklagte war für die Klägerin als Versicherungsvertreter im Sinne von § 92 HGB tätig. Abweichend von § 87a Abs. 1 HGB bestimmt § 92 Abs. 4 HGB, dass der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision hat, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. An die Stelle der als aufschiebende Bedingung für die Entstehung des Provisionsanspruchs des Warenvertreters nach § 87a Abs. 1 S. 1 HGB maßgeblichen Geschäftsausführung durch den Unternehmer tritt beim Versicherungsvertreter die aufschiebende Bedingung der Prämienzahlung durch den Versicherungsnehmer. Leistet der Versicherungsnehmer die vereinbarte Prämie nicht, tritt die für die Entstehung des Provisionsanspruchs maßgebliche aufschiebende Bedingung nicht ein; die Entstehung des Provisionsanspruchs ist also gehindert (vgl. Küstern/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 4. Aufl. 2012, Kap. V Rn. 503). Hiervon unberührt bleibt allerdings die Anwendbarkeit des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB und die daraus abgeleitete Nachbearbeitungspflicht des Unternehmers. Dementsprechend behält der Versicherungsvertreter seinen Provisionsanspruch (bzw. muss sich das Unternehmen so behandeln lassen, als ob der Versicherungsnehmer die geschuldete Prämie gezahlt und dies zum Eintritt der für die Entstehung des Provisionsanspruchs erforderlichen aufschiebenden Bedingung geführt hätte), wenn das Unternehmen seiner Pflicht zur Nachbearbeitung stornogefährdeter Verträge (durch eigene Maßnahmen oder durch Stornogefahrmitteilungen an den Vertreter) nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Denn in diesem Fall hat der Unternehmer die Nichtzahlung der Prämie zu vertreten. Dies gilt auch in Bezug auf geleistete Vorschüsse (vgl. EBJS/Löwisch, HGB, 3. Aufl. 2014, § 92 Rn. 33).

3. Macht der Unternehmer die Rückzahlung geleisteter Provisionen bzw. Vorschüsse geltend, hat er grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass die Nichtzahlung der Prämien bzw. die Nichtausführung des Geschäftes feststeht und dies nicht auf Umständen beruht, die er zu vertreten hat. Der Unternehmer muss dabei im Grundsatz für jede einzelne Provisionsrückforderung die Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB darlegen und beweisen. Weil der Vertreter mit dem Abschluss des auf seine Tätigkeit zurückzuführenden Vertrags bereits einen aufschiebend bedingten Provisionsanspruch erwirbt, braucht er, anders als bei Vorschüssen im eigentlichen Sinn, nicht die Berechtigung eines erhaltenen Vorschusses nachzuweisen (vgl. EBJS/Löwisch, a. a. O., Rn. 37). Im Rahmen der dem Unternehmer obliegenden Nachbearbeitung hat dieser die Wahl, ob er selbst Maßnahmen zur Rettung des stornogefährdeten Vertrages ergreift oder ob er dies dem Vertreter überlässt. War dem Vertreter die Nachbearbeitung überlassen, muss der Unternehmer nur die ordnungsgemäße, insbesondere rechtzeitige, Übermittlung von inhaltlich ausreichenden Stornogefahrmitteilungen beweisen. Den (rechtzeitigen) Zugang beim Vertreter muss er hingegen nicht beweisen, sofern er die Stornogefahrmitteilung auf eine Weise versendet, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigen Eingang bei dem Versicherungsvertreter zu rechnen ist (vgl. BGH, NJW 2011, 1590).

Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach schlüssig dargelegt und auch bewiesen hat, dass sie die Nichtzahlung der Prämien nicht zu vertreten hat.

a. Mit den Darlegungen in der Anspruchsbegründung (Bl. 12 ff. GA) i. V. m. den als Anlage K4 zur Akte gereichten Provisionsabrechnungen nebst Anlagen lässt sich die Klagesumme ohne Weiteres nachvollziehen. Der Beklagte hat die Richtigkeit der Provisionsabrechnungen trotz Möglichkeit nicht substantiiert bestritten, weshalb sie gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zumindest rechnerisch als zugestanden zu behandeln ist. Dies hat insbesondere deshalb zu gelten, weil der Beklagte die Plausibilität der Provisionsabrechnungen vorgerichtlich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft infrage gestellt hat. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.06.2013 (Bl. 146 GA) geltend gemacht hat, dass er die Provisionsabrechnungen schon vor Vertragsende mit Schreiben vom 19.04.2012 beanstandet habe, trifft dies jedenfalls in diesem Kontext nicht zu. In der E-Mail vom 19.04.2012 (Bl. 184 GA) beanstandet der Beklagte nämlich nicht die rechnerische Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit der Abrechnungen, sondern er macht (lediglich) geltend, dass ihm nach gesetzlicher Regelung unabhängig von etwaigen Vertragsstornierungen und nicht gezahlten Prämien ein Provisionsvorschuss zustehe. Dass den einzelnen Belastungsbuchungen keine tatsächlichen Vertragsstornierungen oder Prämienrückstände zugrundeliegen, hatte er gerade nicht infrage gestellt. Der Beklagte zeigt auch in der Berufung nicht auf, weshalb der von der Klägerin dargelegte und durch die Anlage K4 im Einzelnen belegte Minussaldo seines Provisionsskontos rechnerisch unzutreffend sein soll. Damit steht aber gleichsam fest, dass den jeweiligen Belastungsbuchungen entsprechende Prämienausfälle bzw. Vertragsstornierungen zugrundeliegen. Einer weitergehenden Beweisführung der Klägerin bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

b. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ebenfalls angenommen, dass die Nichtzahlung der Prämien bzw. die einzelnen Vertragsstornierungen von der Klägerin nicht zu vertreten sind. Der Einwand des Beklagten, aus den Provisionsabrechnungen ergebe sich nicht, aus welchen Gründen die Verträge nicht durchgeführt wurden und welche Partei dies zu vertreten habe, geht im Ergebnis fehl. Aus welchen Gründen die einzelnen Belastungsbuchungen vorgenommen bzw. die Verträge nicht durchgeführt worden sind, ergibt sich in hinreichender Deutlichkeit aus den lückenlos zur Gerichtsakte gereichten Anlagen zu den Provisionsabrechnungen sowie den Inkasso-Nachbearbeitungslisten. In den wöchentlichen Anlagen zu den streitigen Provisionsabrechnungen ist jede einzelne Buchung unter Angabe des betroffenen Versicherungsvertrages mit den jeweiligen versicherungsvertragsspezifischen Daten aufgeführt. Hieraus lässt sich die Zusammensetzung der im jeweiligen Abrechnungsmonat gebuchten Provision nachvollziehen. Ebenso wird in Spalte 12 jeweils der Buchungsgrund angegeben (z. B. STO= Storno, DYN=Dynamikerhöhung, RED=Reduzierung, ERH=Erhöhung, NEU=Neuzugang, u. s. w., vgl. Erläuterung zur Anlage der Abrechnung, Anl. K3). Richtig ist im Weiteren zwar, dass den Provisionsabrechnungen nicht zu entnehmen ist, welche Partei dies (etwa ein Storno oder eine Beitragsreduzierung) zu vertreten hat. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn die Klägerin begründet ihren Rückzahlungsanspruch ausnahmslos mit reduzierten oder nicht gezahlten Versicherungsbeiträgen und darauf beruhenden Vertragskündigungen bzw. Stornierungen. Dass die Klägerin die Nichtzahlung der Prämien und die einzelnen Vertragskündigungen aufgrund eigenen Fehlverhaltens (Beratungsfehler, Regulierungsfehler, schlechter Service etc.) unmittelbar verursacht hätte, ist nicht ersichtlich und wird so auch vom Beklagten nicht behauptet, weshalb ein "Vertretenmüssen" der Klägerin letztlich nur im Zusammenhang mit der Verletzung von Nachbearbeitungspflichten denkbar ist. Deshalb ist die Klägerin in dieser Hinsicht auch nur gehalten, den Nachweis zu führen, dass sie der Pflicht zur Nachbearbeitung ordnungsgemäß nachgekommen ist, was aber nicht zwingend aus den Provisionsabrechnungen selbst hervorgehen muss.

c. Diesen Nachweis hat die Klägerin auch geführt. Insofern ist es mit dem Landgericht ausreichend, dass die Klägerin den Beklagten durch die monatliche Übersendung der Provisionsabrechnungen nebst Wochenanlagen sowie der Inkasso-Nachbearbeitungslisten über Stornogefahren in Kenntnis gesetzt und ihm sodann die Nachbearbeitung in eigener Verantwortung überlassen hat. Dass die Klägerin die Post auch nach Vertragsbeendigung bis Ende August 2012 an die ehemalige Büroadresse des Beklagten verschickt hat, ist unschädlich. Entgegen der Meinung des Beklagten begründet dies keinen "unregelmäßigen" Postverlauf. Die Klägerin war nämlich nicht zwingend gehalten, nach Vertragsbeendigung jegliche Post ausschließlich an die Privatadresse des Beklagten zu versenden. Die Stornogefahrmitteilung muss auf eine Weise übermittelt werden, dass bei normalem Verlauf mit dem rechtzeitigen Eingang bei dem Versicherungsvertreter gerechnet werden darf. Dies kann auch die vormalige Büroanschrift des Vertreters sein, wenn berechtigterweise erwartet werden kann, dass ihn die Post auch unter dieser Anschrift weiter erreicht, sei es durch einen Nachsendeauftrag oder infolge Weiterleitung durch den Nachfolger (wovon der Beklagte auch selbst ausgegangen ist, vgl. Seite 5 der Berufungsbegründung). Das vom Beklagten zitierte Urteil des BGH vom 28.06.2012 in VersR 2012, 1174 steht dem nicht entgegen. Richtig ist zwar, dass hiernach die Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den Bestandsnachfolger nicht ausreichend ist, weil dieser den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen wird, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen zu wollen. Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht, weil die Klägerin die Mitteilungen nicht an den Bestandsnachfolger, sondern weiterhin an den Beklagten persönlich adressiert hat und die provisionserhaltende Nachbearbeitung gerade nicht dem Nachfolger überlassen wollte. Die Klägerin hat sich lediglich weiterhin der alten Büroadresse des Beklagten in dem Vertrauen bedient, dass ihn die Post dort noch erreicht bzw. sein Bestandsnachfolger für eine Weiterleitung an den Beklagten Sorge tragen wird. Dass sie hierauf nicht vertrauen konnte, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Beklagten nicht aufgezeigt. Ob die Post den Beklagten tatsächlich nicht erreicht hat, ist dagegen unerheblich, zumal die Klägerin nach dem ersten Rückbrief im August 2012 ihre Zustellpraxis unverzüglich geändert und nunmehr Mitteilungen an die Privatadresse des Beklagten versendet hat.

d. Das Landgericht ist nach Würdigung des Beweisergebnisses zu der Einschätzung gelangt, dass den Provisionsabrechnungen an den Beklagten auch nach Beendigung des Agenturvertrages die wöchentlichen Anlagen und Inkasso-Nachbearbeitungslisten beigefügt waren. Dass die Positionsabrechnungen mit den genannten Anlagen inhaltlich ausreichend waren, um den Beklagten in die Lage zu versetzen, den eingetretenen Stornogefahren durch eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen zu begegnen, unterliegt keinen Zweifeln. Ein monatliches Übersenden von Stornogefahrmitteilungen ist - nicht zuletzt in Ansehung der dem Unternehmen zustehenden Überlegungsfrist - auch als unverzüglich zu werten. Ob das Beweisergebnis tatsächlich eine ausreichende Grundlage für die Feststellung bietet, dass die Klägerin auch den Zugang von wöchentlichen Anlagen und Inkasso-Nachbearbeitungslisten ab Juni 2012 beim Beklagten bewiesen hat, kann dahinstehen, weil es hierauf letztlich nicht ankommt. Das Landgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nämlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin routinemäßig in automatisierter Verfahrensweise Provisionsabrechnungen nebst Anlagen und Inkasso-Nachbearbeitungslisten auch nach Beendigung des Vertretervertrages monatlich an die Vertreter versendet. Dies ist im Massengeschäft auch durchaus ein übliches Procedere. Selbst wenn der Beklagte ab Juni 2012 zu den unstreitig zugegangenen Provisionsabrechnungen (versehentlich) keine Anlagen und Inkasso-Nachbearbeitungslisten mehr erhalten haben sollte, würde dies allein noch nicht dazu führen, dass die Klägerin die Nichtausführung des Geschäftes im Sinne von § 87a Abs. 3 S. 2 HGB zu vertreten hätte. Denn der Beklagte zeigt nicht auf, dass der Klägerin dieser "Fehler" in den automatisierten Verfahrensabläufen hätte auffallen müssen, etwa weil konkrete Anhaltspunkte hierfür vorhanden waren oder auch nur die Überwachung der automatisierten Abläufe durch die Klägerin defizitär wäre. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte das angebliche Fehlen der wöchentlichen Anlagen und Inkasso-Nachbearbeitungslisten vorgerichtlich nicht gerügt hat, was aber zu erwarten gewesen wäre, wenn sie ihn tatsächlich nicht erreicht hätten. Insofern teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass sein Bestreiten angesichts der übrigen Umstände nicht nachvollziehbar und unbeachtlich ist.

e. Soweit der Beklagte mit der Berufung wiederholt geltend macht, dass die Zeugen M, B und N ihre Verträge nicht kündigen, sondern lediglich vorübergehend beitragsfrei stellen wollten, hat die Klägerin bereits erstinstanzlich dargelegt, dass die mit Schreiben vom 30.05.2012 beantragte Beitragsfreistellung im Fall des VN M zu 1 FV-6656181 mangels Erreichens der Mindestsumme nicht möglich war und der Vertrag gemäß § 165 VVG mit der ausgesprochenen Beitragsfreistellung mangels Rückkaufswertes ohne Wert erloschen ist (vgl. Bl. 115 GA). Hierzu verhält sich auch das Antwortschreiben der Klägerin an den VN M vom 05.06.2012 (Anlage K 25, Bl. 146 GA). Im Fall der VN B ist dem Kündigungsschreiben vom 27.07.2012 (Bl. 151 GA) eindeutig zu entnehmen, dass sie die Verträge 1LV -331XXX und 3LV -331XXXX kündigen wollte. Lediglich der Vertrag 1FV-331XXXX sollte mit sofortiger Wirkung beitragsfrei gestellt werden. Allerdings bedeutet eine Beitragsfreistellung faktisch auch eine Nichtzahlung der Prämie, was nach entsprechender Bevorschussung unter den - hier auch gegebenen - Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 S. 2 HGB ebenfalls zu einer Rückzahlungspflicht des Vertreters führt. Das schlichte Bestreiten einer Kündigungserklärung im Fall des VN N ist angesichts des Antwortschreibens der Klägerin vom 29.08.2012 (Anlage K 28, Bl. 152 GA) unbeachtlich.

f. Aufgrund der Übertragung der Nachbearbeitung auf den Beklagten ist es unerheblich, ob und inwieweit die Klägerin selbst gegenüber den Versicherungsnehmern geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Stornogefahr entfaltet hat.

g. Im Hinblick auf die Eigenverträge des Beklagten, wozu auch jene seiner Ehefrau zählen, kommt es auf eine Nachbearbeitung und/oder die Mitteilung von Stornogefahren durch die Klägerin ohnehin nicht an, weil hier eine Nachbearbeitungspflicht grundsätzlich nicht besteht. Dies trifft auch auf die gekündigten Verträge der Eheleute A zu, weil der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 27.09.2012 (Anlage K26, Bl. 148 GA) als Inhaber des für die Zahlung des Rückkaufswertes benannten Kontos bei der Postbank mit unterzeichnet und damit unmittelbar Kenntnis von der Stornogefahr erlangt hat.

4. Die im 2. Rechtszug erklärte (Hilfs)-Aufrechnung des Beklagten mit behaupteten Ausgleichsansprüchen nach § 89b HGB geht ins Leere. Die bereits in 1. Instanz durch Aufrechnung und Hilfswiderklage geltend gemachte Ausgleichsforderung ist durch das Landgericht rechtskräftig aberkannt worden. Weil der Beklagte die Abweisung der Hilfswiderklage mit der Berufung nicht angegriffen hat, ist die Entscheidung des Landgerichts gemäß § 322 ZPO insoweit in materielle Rechtskraft erwachsen. Damit ist rechtskräftig (präjudiziell) festgestellt, dass dem Beklagten Ausgleichsansprüche gegen die Klägerin im Zusammenhang mit der Beendigung des streitgegenständlichen Agenturvertrages zum 31.05.2012 nicht zustehen. Dem Senat ist es mithin verwehrt, die entschiedene Vorfrage über das Bestehen eines Ausgleichsanspruches erneut selbständig beurteilen. Er hat vielmehr das insoweit rechtskräftige Judikat der ersten Instanz ohne sachliche Prüfung seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Deshalb kommt es im Ergebnis auch nicht drauf an, ob der Beklagte einen über den von der Klägerin bereits vorprozessual akzeptierter und mit Provisionsrückzahlungsansprüchen verrechneten Betrag hinausgehenden Ausgleichsanspruch der Höhe nach substantiiert dargelegt hat, was allerdings mit dem Landgericht ebenfalls zu verneinen sein dürfte.

II.

Der Beklagte wird auf die Möglichkeit der Berufungsrücknahme und die damit einhergehende Kostenersparnis nach Nr. 1220 KV-GKG hingewiesen.