LG Detmold, Urteil vom 05.11.2014 - 12 O 275/12
Fundstelle
openJur 2015, 3488
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.450,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2012 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche des Klägers aus und im Zusammenhang mit dessen Beteiligung mit der Vertragsnummer ...#/... zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von etwaigen Zahlungsverpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an der Beklagten stehen, den jeweiligen Gesellschaften sowie Dritten gegenüber freizustellen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der abgetretenen Rechte in Verzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 627,13 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 2.2.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung des Klägers an der Beklagten als atypisch stiller Gesellschafter.

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 9.3.2006 als atypisch stiller Gesellschafter mit einer Einlageverpflichtung von insgesamt 9.000,00 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 540,00 € unter der Vertragsnummer #/ an der Beklagten in der Beteiligungsvariante „S“. Auf die Kopie der Beitrittserklärung vom 9.3.2006 (Bl. 19 d.A.) wird Bezug genommen.

Bei dieser Beteiligungsform erfolgt die Einlagenzahlung ratenweise.

Ausweislich des Emissionsprospekts (Anlage B5) sah das Unternehmenskonzept der Beklagten vor, Logistikimmobilien für große international tätige Transport- und Logistikunternehmen in Europa zu planen, zu kaufen, zu entwickeln und zu vermieten. Die Beklagte betraute das Emissionshaus R AG mit der Projektierung und dem Vertrieb der Emission und der Zuführung von Beteiligungskapital durch Vermittlung atypisch stiller Gesellschafter (vgl. Emissionsprospekt Seite 100).

Die der Beteiligung voran gegangene Beratungssituation ist bezüglich der erfolgten Beratungsgespräche, deren Inhalten und der hieran beteiligten Personen zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger leistete Zahlungen inklusive des Agios in Höhe von insgesamt 5.450,00 €

Die Beklagte wurde mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.7.2012 aufgefordert Schadensersatz in Höhe von 5.500,00 € bis zum 6.8.2012 zu leisten. Auf das Schreiben vom 23.7.2012 (Bl. 24 f. d.A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger zahlte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 €.

Der Kläger behauptet, vor der Vertragsunterzeichnung habe wenigstens ein Beratungsgespräch mit dem Zeugen L stattgefunden, in welchem dieser eine Bestandsanalyse gefertigt und das Anlagemodell als seinen Anforderungen entsprechend vorgestellt habe. Am Ende des letzten Beratungsgesprächs am 9.3.2006 habe er dann den Anlagevertrag unterschrieben. Die Zeichnungsunterlagen habe der Zeuge L über die Firma O3, mit welcher die Beklagte einen Kooperationsvertrag geschlossen habe, bekommen.

Er behauptet weiter, er habe eine sichere Anlage als ergänzende Vermögensvorsorge gewünscht. Er sei von dem Zeugen L fehlerhaft, nicht vollständig und nicht anlegergerecht über die beteiligungsimmanenten Risiken des Anlagemodells der Beklagten aufgeklärt worden. Insbesondere habe eine Aufklärung darüber, dass gewinnunabhängige Entnahmen das zur Verfügung stehende Investitionskapital mindern und eine Aufklärung über die „weichen Kosten“ des Anlagemodells nicht stattgefunden. Auch sei über die anfallenden Emissionskosten nicht aufgeklärt worden und auch der Emissionsprospekt habe hierzu keine klaren Angaben enthalten. Das Konzept der Mitunternehmerschaft und der Verlustzuweisung und das spezifische Risiko einer atypischen stillen Beteiligung an den Verlusten der Kapitalanlagegesellschaft beteiligt zu werden seien nicht erläutert worden. Auch das Risiko eines Totalverlustes und einer möglichen Nachschusspflicht seien nicht angesprochen worden.

Der Kläger behauptet, der Emissionsprospekt sei nicht übergeben worden und die Beratung auf der Grundlage des Kurzexposés (Kopie als Anlage K2, Bl. 20 ff. d.A.) erfolgt. Die Risikohinweise auf dem Zeichnungsschein seien von dem Zeugen relativiert und die Geldanlage als absolut sicher beschrieben worden. Der Kläger sei weiter auch pflichtwidrig nicht über das sog. „Blind-Pool-Risiko“, den Liquiditätsvorbehalt und die eingeschränkte bzw. fehlende Fungibilität der Beteiligung aufgeklärt worden.

Der Kläger ist der Ansicht, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft und die Beklagte müsse sich ein Verschulden des Zeugen L zurechnen lassen.

Er behauptet, er hätte bei zutreffender Aufklärung über die Risiken der Anlage die Beteiligung nicht gezeichnet.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.550,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2012 Zug um Zug gegen Abtretung seiner sämtlichen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit seinen Beteiligung mit der Vertragsnummer #/ zu zahlen;

2. die Beklagte zu verpflichten, ihn von etwaigen Zahlungsverpflichtungen, die im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Beklagten stehen, den jeweiligen Gesellschaften sowie Dritten gegenüber freizustellen;

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der abgetretenen Rechte in Verzug befindet;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 627,13 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 2.2.2013 zu zahlen.

Er beantragt hilfsweise unter der Bedingung, dass das Gericht die Beklagte als eine mehrgliedrige atypische stille Gesellschaft ansieht, die Beklagte zu verurteilen,

1. Auskunft zu erteilen über die Höhe des Abfindungsguthabens für seine Beteiligung an der Beklagten zur Vertragsnummer #/ zum Stichtag 31.12.2011;

2. die Auskunft zu Ziffer 1. an Eides statt zu versichern;

3. das Abfindungsguthaben zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 2.2.2013 an ihn zu zahlen;

4. an ihn 5.550,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2012 zu zahlen unter Anrechnung des Abfindungsguthabens gemäß Ziffer 1.;

5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 627,13 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 2.2.2013 zu zahlen.

Weiter hilfsweise beantragt er,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Schadensersatz zu zahlen gemäß Hilfsantrag zu Ziffer 4.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.

Die Beklagte behauptet, ausweislich des Zeichnungsscheins sei der Kläger mündlich durch den Zeugen S2 und durch die Übergabe des Emissionsprospekts zutreffend und umfassend über den Inhalt und die Risiken einer atypisch stillen Beteiligung an ihr aufgeklärt worden. Der Emissionsprospekt sei so rechtzeitig vor Abgabe der Beitrittserklärung ausgehändigt worden, dass eine umfassende Auseinandersetzung damit möglich gewesen sei. Der Zeuge S2 habe den Kläger auch anhand des Kapitels zu den Risiken im Emissionsprospekt über sämtliche Risiken aufgeklärt, insbesondere auch zu dem Risiko des Totalverlustes. Eine über die Einlagensumme hinausgehende Nachschusspflicht habe bei der Beteiligungsform gar nicht bestanden. Auch der Hinweis auf der Beitrittserklärung, dass es sich um keine mündelsichere Kapitalanlage sondern eine unternehmerische Beteiligung sowie die unterzeichneten Erklärungen auf dieser, würden eine entsprechende Beratung indizieren und eine von dem Inhalt des Emissionsprospekts abweichende Erklärung ausschließen.

Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der deutlichen Hinweise in der Beitrittserklärung auf die Risikodarstellungen im Emissionsprospekt seien sämtliche Ansprüche des Klägers jedenfalls verjährt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst dazu überreichten Anlagen, sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.12.2013 (Bl. 102 d.A.) und 8.10.2014 (Bl. 250 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über das Beratungsgespräch mit dem Kläger über die Anlage bei der Beklagten durch Vernehmung des Zeugen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.10.2014 (Bl.250 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Detmold auch örtlich zuständig.

Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 Abs.1 ZPO. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der Kläger macht Schadensersatz aus einer fehlerhaften Anlageberatung geltend, welche bei ihm erfolgte. Hier war demnach eine korrekte Beratung geschuldet.

Unstreitig ging die Initiative zu dem Beratungsgespräch zudem von der Beklagten aus, sodass sich auch aus § 29c ZPO die Zuständigkeit ergibt.

Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b ZPO kam vorliegend nicht zur Anwendung. Denn der Kläger hat mit der Klage ausdrücklich einen Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen nicht geltend gemacht. Soweit er sich mit den Schriftsätzen vom 18.3.2014 und 19.9.2014 auf die fehlerhaften Kapitalmarktinformationen beruft, ändert dies an der Zuständigkeit nichts. Denn die begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts wird auch durch eine spätere Änderung der maßgeblichen Umstände nicht berührt, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Dies gilt auch für eine ausschließliche Zuständigkeit (Zöller- Greger, ZPO, 30. Aufl., § 261, Rn. 12; BGH, Urteil vom 26. 4. 2001 - IX ZR 53/00).

II.

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen der Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.450,00 € nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung.

1.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Beklagte den Kläger bezüglich der Unternehmensbeteiligung nicht hinreichend aufgeklärt hat.

Die Beklagte war als kapitalsuchendes Unternehmen verpflichtet, dem Kläger ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt als solches zu vermitteln. Die Beklagte musste den Kläger daher über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufklären (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 – II ZR 69/12).

Dass die Beklagte die Beitrittsverhandlungen selbst führte war hierfür nicht erforderlich. Nach dem Vertriebskonzept sollte der Anlageprospekt von Vermittlern an Anlageinteressenten übergeben werden.

Unrichtige Angaben des Vermittlers muss sich die Beklagte dann zurechnen lassen, § 278 BGB.

1.1.

Der Zeuge L ist als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der Beklagten tätig geworden.

Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird.

Der Zeuge L hat glaubhaft ausgesagt, dass der Zeuge S2 für die O3 gearbeitet hatte und er wiederum als Vermittler für diesen bestimmte Produkte vermittelte. Der Zeuge S2 habe dann von der Fa. O3 Provisionen erhalten und er selbst wiederum von dem Zeugen S2.

Im Zeichnungsschein auf dessen Seite 2 ist die Firma O3 als Vermittlerin genannt. Die Beklagte hat durch die Annahme des Angebotes die Tätigkeit der Vermittlerin jedenfalls gebilligt. Die Kenntnis welche weitere Hilfsperson tätig war, ist nicht erforderlich (OLG Oldenburg, Urteil vom 5.7.2012- Az. 8 U 28/12; Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 278, Rn. 9).

Der Beklagten musste auch klar sein, dass bei einer Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft ein erheblicher Aufklärungsbedarf bei Privatpersonen besteht und ausführliche Beratungen erfolgen müssen. Soweit sie sich hierfür einer Vermittlungsfirma bedient, kann sie sich dieser Verantwortung nicht völlig entziehen. Mit dem Einsatz von weiteren Untervermittlern musste die Beklagte jedenfalls auch rechnen (OLG Hamm, Urteil vom 27.12.2012- Az. I- 34 U 84/12). Soweit im Rahmen des Pflichtenkreises der Beklagten ein Vermittler unrichtige oder von dem Emissionsprospekt abweichende Erklärungen abgibt, ist eine Haftung der Beklagten nach § 278 BGB begründet. Dem steht auch nicht entgegen, dass in dem Beitrittsformular auf die mangelnde Berechtigung des Vermittlers zur Abgabe abweichender Erklärungen hingewiesen wurde (OLG Hamm, Urteil vom 08. Juli 2009 – 8 U 45/09).

1.2.

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass eine schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflicht des Zeugen L vorliegt, welche sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen muss.

1.2.1.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Zeuge L seine Pflicht zur Aufklärung jedenfalls bezüglich möglicher Verlustrisiken, welche bis zum Totalverlust reichen können, verletzt hat.

Der Zeuge L hat ausgesagt, der Kläger habe eine Altersvorsorge gewollt, wenn auch nicht mit der höchsten Sicherheitsstufe um möglichst viel Rendite zu erzielen. Ob er insofern auch über das Risiko eines Totalverlustes aufgeklärt hat, konnte der Zeuge nicht mehr sicher sagen. Er habe zwar üblicherweise mit einem Standardsatz darauf hingewiesen, dass man bei dieser Beteiligung auch alles verlieren könnte. Das Risiko sei aus seiner Sicht aber nur theoretisch vorhanden gewesen und konnte eigentlich gar nicht eintreten.

Ob danach aufgrund des Begehrens einer Altersvorsorge bereits in der Empfehlung einer risikoreichen Beteiligung ein Beratungsfehler liegt, konnte vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls hat der Beklagte nicht mit der gebotenen Deutlichkeit auf das der Beteiligung innewohnende Risiko hingewiesen.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass, selbst wenn ein Hinweis auf das Risiko eines vollständigen Verlustes erfolgt sein sollte, eine ordnungsgemäße Beratung diesbezüglich nicht stattgefunden hat.

Denn der Zeuge hat mehrfach betont, dass es sich aus seiner Sicht bei der Beteiligung um eine sichere Anlage handelte. Nach dem persönlichen Eindruck der Kammer war der Zeuge vollständig, auch aufgrund eines Treffens mit dem nach seiner Menschenkenntnis seriösen hanseatischen Kaufmanns, von der Anlage überzeugt und ist es - nach dessen eigener Aussage - auch bis heute. Da der Zeuge von einer nur theoretischen und äußerst unwahrscheinlichen Gefahr eines Totalverlustes ausgegangen ist, ist die Kammer davon überzeugt, dass er dies auch so dem Kläger vermittelt hat. Wenn auch über die Gefahr aufgeklärt worden sein sollte, so wurde dieses Risiko jedenfalls so relativiert, dass dies einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die Ernsthaftigkeit und Wahrscheinlichkeit eines solchen Risikos nicht gerecht wurde.

1.2.2.

Dass eine weitere Beratung durch den Zeugen S2 stattgefunden hat, konnte die Kammer nicht feststellen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2013 glaubhaft ausgesagt, er sei ausschließlich von dem Zeugen L beraten worden. Ein Herr S2 sei ihm nicht bekannt.

Die Aussage wird auch durch die des Zeugen L bestätigt. Dieser hat ausgesagt, er sei ziemlich sicher, dass der Zeuge S2 bei den Beratungsgesprächen deshalb nicht zugegen war, weil es keinen besonderen Anlass dafür gab. Üblicherweise sei ein Fachberater nur zu Beratungsgesprächen hinzugezogen worden, wenn es einer speziellen Aufklärung über ein bestimmtes Produkt bedurfte.

Eine Vernehmung des Zeugen S2 musste nicht mehr erfolgen, da die Beklagte auf dessen Vernehmung verzichtet hat.

2.

Das pflichtwidrige Verhalten des Zeugen L war für die Anlageentscheidung des Klägers auch ursächlich. Ihm kommt insoweit die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zugute (OLG Hamm, Urteil vom 27.12.2012- Az. I- 34 U 84/12). Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07). Die Beklagte hat keine diese Vermutung widerlegenden Umstände vorgetragen.

3.

Eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft ist vorliegend nicht gegeben.

3.1.

Eine fehlerhafte Gesellschaft liegt dann vor, wenn ein geschlossener Gesellschaftsvertrag an Mängeln leidet, die nach allgemeinen Grundsätzen zu einer Rückabwicklung führen müssten.

Dann ist es einem Gesellschafter grundsätzlich verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen. Er ist vielmehr auf seinen Abfindungsanspruch beschränkt.

Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft sind auch auf eine stille Gesellschaft anwendbar, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als typische oder atypische stille Gesellschaft (BGH, Urteil v. 21.3.2005- Az. II ZR 140/03).

Bei einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft unterliegt diese nicht den Beschränkungen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft, weil bei einer Beteiligung an einer AG, die Rechtsbeziehung des Beitretenden auf diese beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil v. 19.11.2013- Az. II ZR 383/12). Ein Auseinandersetzungs- oder Schadensersatzanspruch richtet sich demnach gegen dieselbe Person.

Handelt es sich um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft, hat der Kläger lediglich einen Abfindungsanspruch, wegen des vorrangigen Interesses der Mitgesellschafter an einer geordneten Abwicklung der Gesellschaft (BGH, Urteil v. 19.11.2013-Az.II ZR 383/12). Eine solche Gefährdung droht jedoch dann nicht, wenn und soweit das Vermögen des Geschäftsinhabers im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch des Klägers als einzelnen Anleger sowohl die zu diesem Zeitpunkt hypothetisch bestehenden Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter, als auch den Schadensersatzanspruch des Klägers deckt (BGH, Urteil v. 19.11.2013-Az.II ZR 383/12).

3.2.

Nach dem Wortlaut des dem Emissionsprospekts beiliegenden Gesellschaftsvertrags (dort Seite 112 ff.) handelt es sich bei der streitgegenständlichen atypischen Gesellschaft nicht um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.12.2012- Az. I- 34 U 84/12). Vorliegend ist von einer Vielzahl zweigliedriger Beteiligungen auszugehen, welche lediglich von der gemeinsamen Organisation überlagert werden, so dass ein Nebeneinander von zweiseitigen Rechtsbeziehungen und mehrgliedriger Organisation besteht (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 19.7.2012, Az. 8 U 27/12).

Der Vertrag über die Beteiligung wird vorliegend zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Anleger geschlossen.

Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrags entscheidet die Hauptversammlung der AG über die Aufnahme neuer atypischer Gesellschafter. Eine Aufnahme erfolgt danach nicht durch Vertrag mit allein bereits Beteiligten, Vertragspartnerin ist vielmehr allein die Beklagte, sodass eine Vielzahl zweigliedriger atypisch stiller Gesellschaftsbeteiligungen bestehen. Ein gegenteiliger Hinweis in dem Gesellschaftsvertrag findet sich nicht. Der bloße Umstand, dass in dem atypisch stillen Gesellschaftsvertrag Regelungen enthalten sind, die auf die von der Beklagten mit weiteren stillen Gesellschaftern gebildeten stillen Gesellschaften Bezug nehmen, macht diese Anleger nicht zu Vertragspartnern des Klägers (BGH, Urteil vom 29. November 2004 – II ZR 6/03).

Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers ist mithin nicht durch die Grundsätze der in Vollzug gesetzten fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen.

4.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt.

Die nach § 195 BGB geltende dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – also hier der Kläger – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen können.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits bei der Zeichnung der Beteiligung im Jahr 2006 bzw. bis Ende 2009 positive Kenntnis etwa davon hatte, dass sein investiertes Kapital in relevantem Umfang verloren gehen kann, konnte die Beklagte nicht darlegen.

Auch eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers liegt nicht vor. Diese liegt nur dann vor, wenn dem Kläger die Kenntnis deshalb gefehlt hat, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

Die grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergibt sich nicht schon daraus, dass der Kläger es unterlassen hat, einen ihm übergebenen Prospekt durchzulesen und hierbei auf die von ihm bemängelten Punkte zu stoßen, da ein Vertrauen auf den Rat des Beraters oder Vermittlers nicht unverständlich ist (vgl. BGH, Urteil v. 8.7.2010- Az. III ZR 249/09).

Es konnte vorliegend auch dahin stehen, ob der Kläger die dortigen Erklärungen unterschrieben hat. Denn es stellt aus Sicht der Kammer bereits keine Obliegenheitsverletzung dar, dass sich der Kläger trotz Kenntnis des Inhalts des Zeichnungsscheins nicht genauer mit den im Prospekt dargestellten Risiken befasste. Vorliegend fand nämlich eine mündliche Beratung des Klägers statt. Der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen (BGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – III ZR 249/09 –, BGHZ 186, 152-164). Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis zurück und ist daher für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar" (BGH, a.a.O.).

5.

Der Kläger kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Aufklärungspflichtverletzung stünde.

5.1.

Er hat somit einen Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag und Ersatz seiner nutzlos erbrachten Aufwendungen, also die Rückgewähr der gezahlten Einlage nebst Agio in Höhe von insgesamt 5.450,00 €. Nachdem der Kläger zunächst 5.500,00 € verlangt hat, hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8.10.2014 unstreitig gestellt, dass er lediglich Raten in Höhe von insgesamt 5.450,00 € gezahlt hat.

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten wurde der Beklagten eine Frist zur Zahlung von 5.500,00 € bis zum 6.8.2012 gesetzt. Der Anspruch auf Zinsen ab dem 7.8.2012 ergibt sich dann aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.

Der Kläger kann weiter verlangen, dass die Beklagte ihm im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB von weiteren Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit der Beteiligung freistellt.

Weiter besteht auch ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 €. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann zwar nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dabei handelt es sich um eine feste Kappungsgrenze, deren Einhaltung im vollen Umfang überprüfbar ist. Mit dem einem Anwalt bei der Gebührenbemessung in §?14 RVG gegebenen Ermessen, die zur „Toleranzrechtsprechung“ geführt hat, hat die Anmerkung zu Nr.?2300 VV nichts zu tun (Mayer, Kroiß- Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, Nr. 2300, Rn. 5 ff.). Die Kammer hält jedoch die Erhöhung der Gebühr unter Berücksichtigung der erforderlichen Recherche und Beratung auch im Anbetracht einer vielseitigen Rechtsprechung für angemessen.

Der Zinsanspruch hieraus ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

5.2.

Zum Zwecke des Vorteilsausgleichs hat der Kläger der Beklagten das seinerseits Erlangte, nämlich die gezeichneten Beteiligungen, Zug um Zug herauszugeben.

5.3.

Spätestens mit der Klageerhebung ist die Beklagte auch in Annahmeverzug geraten.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte obsiegt mit einem Betrag in Höhe von 50,00 €, was insgesamt zu einem Teilobsiegen von weniger als 10 % führt. Sie war danach kostenmäßig so zu behandeln, als wäre sie komplett unterlegen.

C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.

D. Der Streitwert wird auf bis zu 6.000,00 € festgesetzt.