OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.12.2014 - 12 A 815/14
Fundstelle
openJur 2015, 3483
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Gerichtsbescheid wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind Eltern zweier Kinder, die im hier fraglichen Kindergartenjahr 2012/2013 beide eine Kindertageseinrichtung in kirchlicher Trägerschaft im Bezirk der Beklagten besuchten.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 wurde der Beitrag für beide Kinder jeweils auf 0,- € festgesetzt; im Falle der Tochter, weil sie zum Ende des Kindergartenjahres eingeschult werden sollte, im Falle des jüngeren Sohnes, weil er als Geschwisterkind der Schwester beitragsfrei gestellt war. Dem lag zugrunde, dass die Elternbeitragssatzung in der damals geltenden Fassung in § 9 Abs. 2 einen Satz 2 enthielt, wonach die Geschwisterkindbefreiung auch gelten sollte, wenn das erste Kind als Vorschulkind gesetzlich von der Beitragspflicht befreit war.

Mit Blick auf die Teilnahme an den Vergünstigungen des Stärkungspaktgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen hatte der Rat der Beklagten allerdings bereits im September 2012 beschlossen, u.a. die vorerwähnte Geschwisterkindbefreiung aufzuheben; man erhoffte sich dadurch eine Ertragserhöhung von 56.000,- Euro bezogen auf das Kalenderjahr 2013. Auf dieser Basis änderte der Rat mit Beschluss vom 21. November 2012 § 9 Abs. 2 Satz 2 EBS mit Wirkung zum 1. Januar 2013 dahin, dass die Geschwisterkindbefreiung nicht eintritt, wenn ein Kind wegen zum nächsten Schuljahr bevorstehender Einschulung befreit ist.

Dies nahm die Beklagte zum Anlass, unter dem 18. April 2013 den hier angefochtenen Beitragsbescheid zu erlassen, in dem sie für den Sohn der Kläger einen Beitrag in Höhe von 132,- Euro für die Monate Januar bis Juli 2013 festsetzte.

Mit der am 17. Mai 2013 erhobenen Klage machten die Kläger geltend, der Bescheid aus dem April 2013 verletze ihr Vertrauen in den Bestand des Bescheides vom Oktober 2012 und entfalte insofern eine unzulässige Rückwirkung, als er belastend in einen laufenden Veranlagungszeitraum (Kindergartenjahr 2012/2013) eingreife. Die erhoffte Einsparung von 56.000,- Euro auf das ganze Kalenderjahr 2013 rechtfertige angesichts des Gesamtvolumens der geplanten Einsparungen sowie von Möglichkeiten anderweitigen Ausgleiches diesen Eingriff nicht.

Die Kläger haben sinngemäß beantragt,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 insoweit aufzuheben, als darin ein Elternbeitrag für die Zeit vom Januar bis Juli 2013 erhoben wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der landesrechtlichen Vorgabe, die kommunalen Einsparmöglichkeiten für das Haushaltsjahr 2013 auszuschöpfen, habe man die Satzungsänderung schon zu Beginn des Kalenderjahres in Kraft gesetzt; ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Vorgängerbescheides habe nicht entstehen können, weil die Bescheide durchweg unter dem Vorbehalt monatlicher Geltung "bis zur Erstellung eines neuen Bescheides" ergingen.

Unter dem 29. Juli 2013 hatte das Gericht der Beklagten aufgegeben, mit Blick auf die rechtlichen Anforderungen an die getroffene Regelung unter Vorlage geeigneter Nachweise und Belege (Vergleichsberechnungen, Verwaltungsvorlagen für die beteiligten kommunalen Gremien; etwaige interne Rechtsgutachten) dartun, auf welche Höhe sich die durch die hier streitige Änderung der Satzungsregelung zum Geschwisterrabatt erzielten Mehreinnahmen im Vergleich zu einer Berechnung auf Basis der Vorgängerreglung und die Defizite des kommunalen Haushaltes im Bereich der Kindertageseinrichtungen im fraglichen Zeitraum belaufen; des Weiteren darzutun, dass die nun angeführten wirtschaftlichen Erwägungen und die besonderen rechtlichen Anforderungen an einen solchen Eingriff in die geltende Satzungslage im laufenden Kindergartenjahr explizit Gegenstand der Beratungen der zuständigen Gremien zu der hier streitigen Satzungsänderung gewesen sind; und schließlich aufzuzeigen, welche rechtlichen Folgen eine den aufgezeigten Divergenzen in den Zeitvorgaben (Kalenderjahr/Kindergartenjahr) Rechnung tragende Inkraftsetzung der fraglichen Satzungsänderung entweder schon zu Beginn den Kindergartenjahres 2012/2013 oder erst zum Beginn des folgenden Kindergartenjahres mit Blick auf den Stärkungspakt Stadtfinanzen hätte haben können.

Die Beklagte hat dem Gericht daraufhin im September 2013 ein Konvolut an Kopien von weit über einhundert Blatt eingereicht mit dem Bemerken, die Höhe der Mehreinnahmen könne nicht exakt bestimmt werden, die Höhe der Defizite möge man der beigefügten "Rechnung aus dem Jahr 2011" entnehmen, "Beratungsverlauf und Komplexität der Beratungen" ergäben sich "im Wesentlichen aus den als Anlage 3 - teils auszugsweise - beigefügten Niederschriften der Hauptausschuss- und Ratssitzungen" aus der Zeit von Mai bis September 2012.

Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 12. März 2014 hat das Verwaltungsgericht der Anfechtungsklage stattgegeben und dazu den Standpunkt eingenommen, § 9 Abs. 2 der Elternbeitragssatzung in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung komme als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht, weil die Regelung unwirksam sei. Indem sie auf ein bestehendes Rechtsverhältnis nachteilig verändernd einwirke, komme ihr eine Rückwirkung zu, die mangels hinreichender Rechtfertigung durch ausnahmsweise überwiegende öffentliche Interessen gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte der Kläger verstoße und daher nichtig sei. Das öffentlichrechtliche Beitragsverhältnis knüpfe an die Jahresbetriebskosten und damit an das Kindergartenjahr an, für das ein Kind - vorbehaltlich des Vorhandenseins eines Nachrückkindes - auch im Falle eines vorzeitigen Abbruchs des Besuches der Kindertagesstätte den vollen Beitrag zahlen müsse. Als ein Fall der echten Rückwirkung sei die Veränderung der Bemessungskriterien zum 1. Januar 2013 verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zulässig. Einer der in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung anerkannten Ausnahmetatbestände, die voraussetzten, dass sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts habe bilden können oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig gewesen sei, greife vorliegend nicht. Wegen der Argumentation des Verwaltungsgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides verwiesen.

Mit Beschluss vom 2. Juni 2014 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen die vorstehende Entscheidung zugelassen, weil die Frage, ob eine Einschränkung der Geschwisterkindbefreiung im laufenden Kindergartenjahr - als Beispiel für eine Änderung der Beitragssatzung zulasten der beitragspflichtigen Eltern - den Voraussetzungen für eine echte Rückwirkung oder denen für eine unechte Rückwirkung unterfällt, grundsätzlicher Natur ist.

Zur Begründung ihrer Berufung verteidigt die Beklagte die Wirksamkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 der Elternbeitragssatzung in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung vom 30. November 2012. Auch wenn man unterstelle, es handele sich hier um eine echte Rückwirkung, unterfiele die Regelung insofern vom Bundesverfassungsgericht gebildeten Ausnahmegruppen für eine zulässige echte Rückwirkung, als in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von der Satzung zurückbezogen werde, mit einer solchen Regelung zu rechnen gewesen sei, als durch die Satzungsänderung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht werde und als - entgegen der Sichtweise des Verwaltungsgerichts - zwingende Gründe des gemeinen Wohls - die Teilhabe am Stärkungspakt - die Rückwirkungsanordnung rechtfertigten. Über die Änderung der Beitragssatzung - insbesondere die Streichung des Geschwisterrabatts - sei sowohl in der Printpresse, der Online-Presse als auch in einem Internet-Bürgerforum auf der Homepage der Beklagten schon im Zeitraum von Juni bis August 2012 im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung ausführlich berichtet worden. Außerdem habe die Stadtverwaltung am 28. August 2012 einen Bügerinformationsabend veranstaltet, bei welchem die Bürger sich über die geplanten Haushaltssanierungsmaßnahmen hätten informieren können und auch die Streichung des Geschwisterrabatts kontrovers diskutiert worden sei.

Gemessen an den Einkommensverhältnissen der Kläger, die über ein bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigendes Jahreseinkommen in der Gruppe von 50.001,- Euro bis 61.000,- Euro verfügten, beliefe sich die konkrete Mehrbelastung durch die Neufestsetzung der Elternbeiträge auf 924,- Euro; das seien 1,5 % bei einem Jahreseinkommen von 50.001,- Euro und 1,51 % bei einem Jahreseinkommen von 61.000,- Euro. Aufs Ganze gesehen habe die Streichung des Geschwisterrabatts - grob überschlagen - eine zusätzliche Belastung der Eltern zwischen 1,5 % und 3,5 % ihres Jahreseinkommens bewirkt. Bei dieser Größenordnung sei nicht davon auszugehen, dass Eltern auf bestimmte - insbesondere größere - Aufwendungen verzichten würden und sich in ihrer Dispositionsfreiheit wesentlich beeinträchtigt gesehen hätten, wenn ihnen bereits zu Beginn des Kindergartenjahres 2012/2013 die Streichung des Geschwisterkinderrabatts bekannt gewesen wäre. An der Haushaltskonsolidierung habe ein gewichtiges öffentliches Interesse bestanden, das hier dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet gewesen sei. Zwar könne die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, für sich genommen den Vertrauensschutz betroffener Abgabepflichtiger nicht überwinden. Im vorliegenden Fall habe indes eine noch fortdauernde haushalterische Notlage bestanden, der die Beklagte - in sorgfältiger Abwägung vor dem Hintergrund eines moderateren eigenen Sanierungsvolumens - durch freiwillige Teilnahme an dem durch Landesgesetz aus Dezember 2011 ins Leben gerufenen Stärkungspakt begegnet sei, nachdem der Landrat des Kreises Wesel das Haushaltssicherungskonzept für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 mit Verfügung vom 1. März 2012 nicht genehmigt habe und für die Stadt aufgrund drohender Überschuldung damit das Nothaushaltsrecht gegolten habe. Betroffene Kommunen würden nach Maßgabe des Stärkungspaktes hingegen über zehn Jahre eine jährliche Finanzhilfe erhalten, wenn sie sich im Gegenzug verpflichteten, in absehbarer Zukunft ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Dazu sei ihr auferlegt worden, einen Haushaltssanierungsplan vorzulegen, der am 26. September 2012 vom Rat für die Jahre 2012 bis 2021 im Rahmen der Teilnahme am Stärkungspakt Stufe 2 beschlossen worden sei und der unter der Nr. 26 in Teil A die "Rücknahme Geschwisterermäßigung bei beitragsfreiem Kindergartenjahr" einbezogen habe. Weil haushaltsrechtlich das Zeitjahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember gelte, sei eine Umsetzung der Maßnahme durch eine bereits zum 1. Januar 2013 in Kraft tretende Änderung der Beitragssatzung alternativlos gewesen.

Es möge zutreffend sein, dass die Streichung des Geschwisterrabatts mit einem auf der Basis der Vorgängerregelung kalkulierten - erst nachträglich exakt festzustellenden - Einsparvolumen durch Mehreinnahmen von jährlich 56.000,- Euro - also für das Restkindergartenjahr 2012/2013 mit sieben Monaten von rund 32.000,- Euro - nicht der zentrale Baustein des Haushaltssanierungsplans gewesen sei. Nichtsdestotrotz habe es sich hierbei aber um einen wichtigen Bestandteil gehandelt, zumal der Maßstab "Ausgleich zunächst im betroffenen Produktbereich" sonst unweigerlich in eine allgemeine Erhöhung der Elternbeiträge gemündet hätte. Der Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 29. November 2012 zum Haushaltssanierungsplan 2012 bis 2021 enthalte Ausführungen, aus denen deutlich werde, dass jeder einzelne Baustein des Haushaltssanierungsplanes von besonderer Wichtigkeit sei und aus denen sich die rechtlichen Konsequenzen eines "Wegfalls" eines der Bausteine ergäben. Sollten sich die Prognosen der Haushaltsplanung oder die Annahmen der Wirkungen der im Haushaltssanierungsplan beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen nicht realisieren und die Ziele des Haushaltssanierungsplanes dadurch gefährdet werden, habe die Stadt N. danach entsprechende Kompensationsmaßnahmen zu ergreifen. Es sei ferner festgelegt worden, dass die im Haushaltssanierungsplan beschlossenen Maßnahmen verbindlich umzusetzen seien und Gegensteuerungsmaßnahmen getroffen werden müssten, wenn sich abzeichnen sollte, dass eine Maßnahme nicht oder nicht in der vorgesehenen Höhe umgesetzt werden könne. Eine vollständige Streichung von Maßnahmen oder ihr Ersatz durch Kompensationsmaßnahmen habe der vorigen Abstimmung mit der Finanzaufsicht bedurft. Aus alledem ergebe sich, dass im rechtlichen Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Land NRW ein Baustein des Haushaltssanierungsplanes nicht einfach konsequenzenlos wegfallen dürfe. Sollte dies geschehen, müsse die Stadt "Gegensteuerungsmaßnahmen" treffen. Die Gewährung eines Geschwisterrabattes stelle im Übrigen eine "freiwillige Leistung" dar, die durch anderweitige Maßnahmen erst recht hätte kompensiert werden müssen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass die schlichte Höhe der Einsparungen oder Ertragserhöhungen durch einen bestimmten Baustein des Haushaltssanierungsplanes nicht von entscheidender Bedeutung sei, da er Bestandteil eines sorgfältig austarierten Gesamtgefüges an Maßnahmen darstelle. Es könne daher nicht damit argumentiert werden, dass der Betrag von 56.000,- Euro bei einem Gesamtvolumen von mehr als 4 Millionen Euro im Jahr 2013 nicht entscheidend ins Gewicht fallen würde.

Dies alles könne aber im Wesentlichen auf sich beruhen, wenn man richtigerweise davon ausgehe, dass es sich vorliegend um einen Fall der unechten Rückwirkung handelt. Wie das OVG NRW im Zulassungsbeschluss ausgeführt habe, werde aufgrund von § 7 Abs. 1 der Elternbeitragssatzung der Beitragstatbestand nämlich durch "den Besuch der Kindertageseinrichtung" erfüllt. Wenn dann mit Wirkung zum 1. Januar eines Jahres irgendeine Beitragsermäßigung in der Satzung gestrichen werde, greife dies nicht nachträglich in einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ein. Die Elternbeiträge knüpften nur "kalkulatorisch" an die Kindergartenjahresbetriebskosten an, weil das Kindergartenjahr vom 1. August eines Jahres bis zum 31. Juli des Folgejahres dauere. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 der Satzung würden die Beiträge aber als volle Monatsbeiträge erhoben, wobei nach § 7 Abs. 3 Satz 6 der Satzung das gesetzliche Schuljahr nur der Beitragszeitraum sei. Dementsprechend seien die maßgeblichen Bestimmungen nicht dahingehend zu interpretieren, dass das Kindergartenjahr - beitragsrechtlich gesehen - ein einheitlicher, unteilbarer Lebenssachverhalt sei. Wenn in § 7 Abs. 3 Satz 5 der Elternbeitragssatzung der Beklagten alter wie neuer Fassung geregelt sei, dass die Beiträge "als volle Monatsbeiträge" erhoben würden, ließe sich dem vielmehr entnehmen, dass sich das Beitragsschuldverhältnis Monat für Monat aktualisiere und demzufolge denklogisch nicht in einen bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt eingegriffen werden konnte, als im Januar 2013 durch Streichung des Geschwisterrabatts neue Beitragssätze gegolten hätten.

Auch § 90 Abs. 1 SGB VIII oder § 23 KiBiz bzw. zu diesem Komplex ergangenen Gerichtsentscheidungen könne im Übrigen nicht entnommen werden, dass es sich bei dem Beitragsschuldverhältnis zwischen den beitragspflichtigen Eltern und der Kommune um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handele, der einer rückwirkenden Veränderung nicht zugänglich sei. Es müsse zudem zwischen dem Beitragsschuldverhältnis einerseits und dem Nutzungsverhältnis zwischen den Eltern bzw. dem Kind und der Kindertageseinrichtung andererseits differenziert werden. Für die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Beitragsschuldverhältnis hätten andere Maßstäbe zu gelten als für die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Anstaltsbenutzungsverhältnis. Insbesondere stellten die ursprünglich erlassenen Elternbeitragsbescheide, die noch den "Geschwisterkinderrabatt" enthalten hätten, für die Kläger keine begünstigenden Verwaltungsakte dar, sondern beschränkten sich auf ausschließlich eine Belastung in Form der Festsetzung der jeweiligen Beitragsschuld. Auch könne lediglich eine Kündigung des Benutzungsverhältnisses im letzten - von der Schließung der Einrichtung wegen der Ferienzeit geprägten - Monat des Kindergartenjahres ggfs. rechtsmissbräuchlich sein. Es treffe folglich nicht zu, dass Eltern durchweg und ohne Ausnahme Monat für Monat den Elternbeitrag weiter zahlen müssten, selbst wenn ihr Kind die Einrichtung - aus welchen Gründen auch immer - während des laufenden Kindergartenjahres nicht mehr besuche.

Entsprechendes ergebe sich auch aus § 7 Abs. 3 Satz 4 der Elternbeitragssatzung, wie sie die Beklagte praktiziere, wenn dort geregelt sei, dass die Beitragspflicht grundsätzlich solange bestehe, wie der Platz vorgehalten werde. Die Verwendung des Wortes "grundsätzlich" stelle klar, dass es auch hier Ausnahmen von einem Vorhalten eines Platzes in der Tageseinrichtung gebe. So handhabe die Beklagte Wünsche von Eltern, die Beitragspflicht entfallen zu lassen, weil die Einrichtung nicht mehr besucht werde, dahingehend, dass der konkrete Einzelfall betrachtet werde. Bei einem Nachrückerkind oder dem Verziehen der Eltern in eine viele Kilometer entfernt liegende Stadt verzichte die Beklagte auf die weitere Beitragserhebung und hebe den Beitragsbescheid auf.

Das betroffene Beitragsschuldverhältnis bilde nach alledem einen Sachverhalt, der zwar vor der Verkündung der Änderung der Elternbeitragssatzung ins Werk gesetzt worden sei, der aber fortgedauert habe und noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Daher stelle die Streichung des Geschwisterkinderrabattes lediglich einen Fall der unechten Rückwirkung dar. Diese sei grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig. Letzteres sei nur dann der Fall, wenn eine Abwägung ergebe, dass das Interesse des Einzelnen am Fortbestand der alten Rechtslage schutzwürdiger sei als das Interesse der Allgemeinheit an der geänderten Regelung. Wie aufgezeigt, sei die hier die in Rede stehende Rückwirkung jedoch sogar dann ausnahmsweise zulässig, wenn es sich um einen Fall der echten Rückwirkung handeln sollte. Hieraus könne zwingend geschlussfolgert werden, dass dann erst recht die unechte Rückwirkung zulässig sein müsse.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. März 2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Es handele sich um einen Fall der echten Rückwirkung. Die Aufspaltung in ein Beitragsschuldverhältnis und ein Nutzungsverhältnis sei künstlich, gewollt und sachfremd. Die Höhe des Elternbeitrags sei bereits für den gesamten Beitragszeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Juli des Folgejahres geregelt gewesen. Dagegen spreche auch nicht § 7 Abs. 3 Satz 5 der Elternbeitragssatzung, soweit es dort heiße, dass die Beträge als volle Monatsbeiträge erhoben würden. Die Betonung liege hier auf "voll", und wolle zu einer Erhebung von Beiträgen für halbe Monate oder Bruchteile von Monaten abgrenzen. Die Beklagte habe selbst vortragen lassen, dass die Beiträge im Regelfall für ganze Kindergartenjahre zu entrichten seien und es in der Verwaltungspraxis nur gelegentliche Ausnahmen von diesem Grundsatz gebe. Dieser Grundsatz sei durch das Urteil des OVG Münster - 16 A 275/95 - nicht relativiert, sondern gestärkt worden. Die Beklagte habe in erster Instanz eingeräumt, dass Veranlagungszeitraum das gesetzliche Kindergartenjahr sei, es sich also um einen Jahresbetrag handele, der nur in monatlichen Raten gezahlt werde. Die Bescheide der Beklagten über die Festsetzung des Elternbeitrags bezögen sich hier dementsprechend nicht nur auf das ganze Kindergartenjahr, sondern sogar auf die gesamte voraussichtliche Dauer des Kindergartenbesuchs des bzw. der Kinder bis zur voraussichtlichen Einschulung. Eine Änderung zu Lasten der Kläger im Januar 2013 greife deshalb rückwirkend ein. Selbst wenn man aber auf eine Monatsbetrachtung abstellen wolle, handele es sich indes immer noch um eine echte Rückwirkung, da der angegriffene Bescheid vom 14. Januar 2013 eine Fälligkeit rückwirkend zum 10. Januar 2013 vorgesehen habe.

Wenn die Gegenseite vortrage, dass sich eine echte Rückwirkung als zulässig darstelle, wenn mit einer Änderung zu rechnen gewesen sei, greife dies vorliegend nicht. Denn der ursprüngliche Bescheid, mit dem die Geschwisterkindbefreiung festgesetzt worden sei, stamme schon vom 26. Juli 2012, also einem Zeitpunkt, nachdem die ersten Pressemitteilungen erschienen seien. Gerade deshalb hätten die betroffenen Eltern davon ausgehen können, dass im gerade angelaufenen Kindergartenjahr vom 1. August 2012 bis zum 31. Juli 2013 noch keine Aufhebung der Geschwisterkindbefreiung erfolge. Im Kindergartenjahr 2012/2013 sei das Vertrauen der Elternschaft noch schutzwürdig gewesen; etwas anderes könne erst ab dem Kindergartenjahr darauf gelten.

Soweit von einer Zulässigkeit der echten Rückwirkung ausgegangen werde, wenn nur ein unerheblicher Schaden durch die Änderung erfolge, treffe auch dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Für die Kläger bedeute die Änderung, dass von ihnen immerhin monatlich 177,- Euro abverlangt würden, ein Betrag, der in etwa der Höhe des Kindergeldes (= 184,- Euro monatlich) entspreche. Kindergeld diene der Entlastung des Haushaltseinkommens wegen der Kosten für Kinder, ein Zweck, der durch die Erhebung des Kindergartenbetrags in Höhe von 177,- Euro praktisch vollständig unterlaufen werde. Dieser Betrag stelle sich deshalb für die Kläger nicht als unerheblich dar. Gerade auch bei einem Familieneinkommen von unter 50.000,- Euro im Jahr und zwei kleinen Kindern machten sich die Kosten von 177,- Euro im Monat vielmehr spürbar bemerkbar.

Die Rücknahme sei auch nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls geboten. Dass die Rücknahme der Geschwisterermäßigung bei beitragsfreien Kindern "alternativlos" gewesen sei, stelle eine bloße unbelegte Behauptung dar. Die Rücknahme der Geschwisterermäßigung sei auch keineswegs durch die zwei abweichenden Zeitvorgaben (Kindergartenjahr/Haushaltsjahr) geboten gewesen. Die zwei abweichenden Zeiträume hätten sich auch bei jeder anderen Änderung im Kindergartenbeitragsrecht ergeben und sprächen deshalb nicht dagegen, die Neuregelung im Kindergartenbeitragsrecht erst ab dem 1. August 2013 eintreten zu lassen. Sofern die Stadt N. auf die Beantragung der freiwilligen Teilnahme am Stärkungspaket abstelle, besage dies noch nichts über die Geschwisterkindbefreiung im beitragsfreien Kindergartenjahr. Für die Beantragung der freiwilligen Teilnahme sei die Geschwisterkindbefreiungsaufhebung im laufenden Kindergartenjahr keine unabdingbare Voraussetzung gewesen. Durch die Weitergewährung der Geschwisterkindbefreiung bis einschließlich Juli 2013 wäre das Einsparvolumen kaum reduziert worden und sei immer noch weit höher, als von der Landesregierung gefordert. Die vorgezogene Regelung sei zudem auch unausgewogen, denn sie belaste die Eltern einseitig und in unnötiger Weise. Kein anderer Einsparposten im Haushaltskonzept greife in rückwirkender Weise belastend ein. Die einzige Ausnahme sei eben die Geschwisterkindbefreiung im beitragsfreien Kindergartenjahr. Diese Maßnahme passe danach in keinster Weise in das Gesamtkonzept. Gegen eine generelle Erhöhung des Kindergartenbeitrags neben dem Wegfall der Geschwisterkindbefreiung ab dem 1. August 2013 wäre demgegenüber nichts einzuwenden gewesen, weil eine Rückwirkung insoweit unstreitig nicht vorgelegen hätte.

Die Ausführungen im Bescheid der Bezirksregierung vom 29. November 2005 würden die Frage der Aufhebbarkeit der Geschwisterkindbefreiung nicht berühren, sondern neben der Sache liegen, denn auch bei Beibehaltung der Geschwisterkindbefreiung im hier streitigen Kindergartenjahr hätten sich die im Haushaltssanierungsplan beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen realisieren lassen. Wenn das Einsparvolumen sich in den ersten sieben Monaten des Jahres 2013 auf die lediglich erhofften 32.000,- Euro belaufe und die vom Kämmerer vorgeschlagenen Maßnahmen insgesamt ein Einsparvolumen von 112,3 Millionen Euro bedeuteten, sei das notwendige Einsparvolumen von 68,7 Millionen Euro zur Teilnahme am Stärkungspaket nämlich bei weitem überschritten worden, so dass es auf die Frage der Einsparung von 32.000,- Euro durch die frühzeitige Kappung des Geschwisterrabattes nicht wirklich angekommen sei. Selbst wenn bloß von einer unechten Rückwirkung auszugehen sei, müsse daher von einer Verletzung des Vertrauensschutzes ausgegangen werden, weil dies schon dann der Fall sei, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete (unechte) Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich sei oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwögen.

Außerdem sei die Maßnahme Nr. 26 "Rücknahme Geschwisterkindermäßigung bei beitragsfreiem Kindergartenjahr" nach Inkrafttreten der Änderung des Kinderbildungsgesetzes zum 1. August 2014 gesetzlich nicht mehr zulässig, wenn in § 23 Abs. 5 KiBiz ein Satz 3 eingefügt worden sei, wonach bei Geschwisterregelungen Kinder, deren Tagesbetreuung nach § 23 Abs. 3 KiBiz elternbeitragsfrei sei, so berücksichtigt werden müssten, als ob für sie ein Elternbeitrag zu leisten wäre. Die Rücknahme der Geschwisterkindermäßigung sei somit aus dem Haushaltssicherungsplan ab dem Haushaltsjahr 2015 zu streichen und sie werde von der Beklagten seit Sommer 2014 auch bei der Bescheidung zu den Elternbeiträgen für den Besuch von Kindertagesstätten nicht mehr praktiziert. Hintergrund der Gesetzesergänzung sei es gewesen, dass die Ministerin Löhrmann die Kommunen angewiesen habe, im Rahmen der Stärkungspakete die Geschwisterkindbefreiung im beitragsfreien Kindergartenjahr nicht aufzuheben, sofern sie einmal von der Kommune beschlossen worden sei. So gesehen verstoße die streitgegenständliche Belastung der Kläger mit Elternbeiträgen auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG. Die Wiedereinführung der Geschwisterkindbefreiung im beitragsfreien Kindergartenjahr zeige im Übrigen beispielhaft, dass diese Regelung zur Teilnahme am Stärkungspaket eben nicht erforderlich gewesen sei. Stattdessen habe die Beklagte soeben für das Haushaltsjahr 2015 eine Erhöhung der Grundsteuer beschlossen, durch die die Kosten der Wiedereinführung der Geschwisterkindbefreiung mehr als nur aufgewogen würden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände), der als Verwaltungsvorgang angelegten Pressemitteilungen, des von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorganges und der als Teil der Beiakte 1 zum Parallelverfahren 12 A 816/14 genommen Satzungsunterlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Senat kann im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung hat Erfolg, denn sie ist nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 ist insoweit, als darin Elternbeiträge für die Zeit von Januar 2013 bis Juli 2013 für den Sohn der Kläger erhoben werden, rechtmäßig und verletzt letztere nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Elternbeiträgen ist die Satzung über die Erhebung der Elternbeiträge für den Bereich der Kindertagesbetreuung der Stadt N. in der Fassung vom 30. November 2012, die am 13. Dezember 2012 im Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Soweit der Satzungsgeber insoweit mit Ratsbeschluss vom 21. November 2012 seine Entscheidung vom 26. September 2012, die Geschwisterermäßigung bei beitragsfreiem Kindergartenjahr zurückzunehmen, durch Streichung des Satzes 2 des Absatzes 2 des § 9 der Elternbeitragssatzung der Stadt N. vom 2. November 2011 in der Fassung vom 15. November 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2013 umgesetzt hat, ist das auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Regelung des § 9 Abs. 2 der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Elternbeitragssatzung, dass, "besuchen mehr als ein Kind einer Familie/pro Beitragspflichtigen gleichzeitig ... eine Kindertageseinrichtung auf dem Gebiet der Stadt N. , ... die Elternbeiträge für das zweite und jedes weitere Kind entfallen", ist ohne den gestrichenen Zusatz dahin zu verstehen, dass die Kläger mit ihrem Sohn neben dessen Schwester, die im Kindergartenjahr 2012/2013 nach § 9 Abs. 1 der Elternbeitragssatzung i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 1 KiBiz Beitragsfreiheit genossen hat, nicht auch noch den Vorteil einer weiteren Beitragsfreiheit in Anspruch nehmen konnten, sondern die Beitragspflicht für den Jungen mit dem Stichtag entstand.

Die Anwendung der Geschwisterermäßigung nach § 9 Abs. 2 der Beitragssatzung setzt nämlich - wenn etwas "entfallen" soll - zwingend voraus, dass mehrere Kinder gleichzeitig die Elternbeitragspflicht auslösende Angebote, wie sie im KiBiz geregelt sind, in Anspruch nehmen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Februar 2014 - 12 A 2550/13 -, juris; vom 24. Januar 2013 - 12 A 2492/12 -, juris; vom 12. September 2011 - 12 B 728/11 -, juris, und vom 17. Mai 2011 - 12 A 642/11 -, juris, jeweils m. w. N.

Die Regelung beruht auf der Ermessen einräumenden Ermächtigungsgrundlage des § 23 Abs. 5 Satz 2 KiBiz. Diese Vorschrift und damit auch § 9 Abs. 2 der Elternbeitragssatzung knüpfen mit ihrem Regelungsgehalt an § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung an. Auch diese Vorschrift sah eine Befreiung vom Elternbeitrag für das zweite und jedes weitere Kind vor, sofern mehr als ein Kind einer Familie oder von Personen, die nach § 17 Abs. 1 GTK a. F. an die Stelle der Eltern traten, gleichzeitig eine der klassischen Tageseinrichtungen i. S. v. § 1 GTK a. F. besuchten. Sowohl das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen als auch das Bundesverwaltungsgericht haben sich mehrfach mit der Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK a. F. auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Vorschrift auch in Bezug darauf, dass sie nur einen beschränkten Familienlastenausgleich ermöglicht, verfassungsrechtlich unbedenklich ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2008

- 12 A 1157/08 -, juris, m. w. N.

Entscheidend ist insoweit die Funktion der Elternbeiträge als Kostenbeteiligung der Eltern im Gefüge der abgesehen von Trägeranteil ansonsten - überwiegend - staatlicherseits erfolgenden Finanzierung (vgl. §§ 20 und 21 KiBiz).

Vgl. zu diesem Ansatz: OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2011 - 12 B 728/11 -, a. a. O.

Die so geartete Wiedereinführung der Beitragspflicht für solche Kinder, die keine beitragspflichtigen Geschwister haben, hat Rechtsfolgen nur für die Zukunft - nämlich erst ab dem 1. Januar 2013 - bewirkt. Ein Eingriff in bereits abgeschlossene Tatbestände im Wege der echten Rückwirkung ist damit ersichtlich nicht verbunden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfaltet eine Rechtsnorm eine - grundsätzlich unzulässige - "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn also der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, d. h. gültig geworden ist.

Vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 14. November 1961 - 2 BvL 15/59 -, BVerfGE 13, 206, 212 und vom 5. Juli 1972 - 2 BvL 6/66 u.a. , BVerfGE 33, 265, 293; Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239, 263; Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. -, juris und vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. -, juris, jeweils m.w.N.).

Liegt eine echte Rückwirkung mithin nur bei einem nachträglich ändernden Eingriff in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörige Tatbestände vor,

vgl. etwa auch OVG NRW, Urteil vom 27. April 2009 - 12 A 1519/08 -, juris, m.w.N.,

trifft das auf die durch den Rat am 21. November 2012 beschlossene und durch Veröffentlichung der Satzung in ihrer Neufassung im Amtsblatt vom 13. Dezember 2012 umgesetzte Neuregelung zum 1. Januar 2013 (vgl. § 12 der Satzung), dass die Befreiung von der Beitragspflicht nicht gilt, wenn ein Geschwisterkind nach Abs. 1 oder 1a befreit ist, hier nicht zu. Der Besuch von Einrichtungen als beitragsauslösende Tatsache ist ein fortlaufender Prozess mit der Folge, dass sich das Beitragsverhältnis entsprechend der Anknüpfung an die "Jahresbetriebskosten" über das gesamte Kindergartenjahr erstreckt, also im Januar 2013 noch nicht abgeschlossen war. Die kalkulatorische Anknüpfung der nach § 7 Abs. 3 Satz 5 der Elternbeitragssatzung in Form voller Monatsbeiträge erhobenen "Abgabe besonderer Art" an die Jahresbetriebskosten im vom 1. August bis zum 30. Juli des Folgejahres dauernden Kindergartenjahr ist zwar für die Auskömmlichkeit des Beitrags der Höhe nach von Bedeutung, führt aber nicht dazu, dass der Beitragszeitraum, wie er in § 7 Abs. 3 Satz 6 der Elternbeitragssatzung definiert wird, bereits vor dem Ende des Kindergartenjahres abläuft.

Selbst wenn man von einer echten Rückwirkung ausgehen wollte, tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, dennoch zurück, wenn sich kein Vertrauen auf dem Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.

Vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 3140/06 -, NVwZ-RR 2007, 433, juris.

Davon ist u. a. dann auszugehen, wenn der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen war, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte,

vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64, 86, juris, m.w.N., und vom 21. Juli 2010 a.a.O., m.w.N.,

wenn sich also kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene - hier allerdings ohnehin zukünftige - Zeiträume bilden konnte.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509/91 -, 1 BvR 1648/91 -, BVerfGE 88, 384, 404 und vom 15. Oktober 1996, a.a.O.; Urteil vom 23. November 1999, a.a.O.; Beschluss vom 27. Februar 2007, a.a.O.

Stellt man auf den Beginn des Kindergartenjahres im August 2012 ab, hat sich schutzwürdiges Vertrauen durch die - auch in den Medien ausgetragene - Diskussion im politischen Raum aber kaum eingestellt.

Ferner kommt Vertrauensschutz auch bei einer echten Rückwirkung nicht in Betracht, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007, a.a.O. unter Hinweis auf die Entscheidung vom 19. Dezember 1961, a.a.O., den Beschluss vom 25. Mai 1993, a.a.O. und das Urteil vom 23 November 1999, a.a.O.

Auch das Vorliegen derartiger Umstände ist vor dem Hintergrund der Haushaltsschwierigkeiten der Beklagten gegeben, wobei der Bürger das politische - hier jedenfalls bis zur Einführung des neuen Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz durch Gesetz vom 17. Juni 2014 (GV.NRW S. 336) nicht ersichtlich durch rechtliche Vorschriften eingeengte - Ermessen einer Gemeinde zu respektieren hat, an welcher Stelle sie den Sparstift ansetzt.

Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 -, BVerfGE 63, 343, 356; Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 242 f., juris, vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 68, 78 f., juris, und vom 5. Februar 2002 - 2 BvR 305/93 u.a. -, BVerfGE 105, 17, 37 f.

Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Gesetz für die Zukunft Rechtsfolgen an ein Ereignis knüpft, das in der Vergangenheit liegt. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den demokratisch gewählten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen in seiner Gestaltungsbefugnis lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung z. B. im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. März 1983, a.a.O., 357; Beschluss vom 5. Februar 2002, a.a.O.,

40; Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258, 301.

Der Gesetzgeber - auch der Ortsgesetzgeber - muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abwägen,

vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O., 300, m.w.N.,

d. h. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein.

vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706/08 u.a. -, BVerfGE 123, 186, 157, m.w.N.

Eine unechte Rückwirkung ist insoweit mit den Grundsätzen rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung eines gesetzlich erlauben Zweckes geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. -, juris, m.w.N.

Im Fall der Annahme einer unechten Rückwirkung wäre diese Voraussetzung hier erfüllt. Dabei kommt dem Gericht unter dem Gesichtspunkt des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden, ihrer Haushaltshoheit und des insoweit bestehenden Gestaltungsspielraums nur eine beschränkte Überprüfungsmöglichkeit zu.

Mittels der Streichung der Geschwisterkindermäßigung bei beitragsfreiem Kindergartenjahr des weiteren Kindes den städtischen Haushalt zu konsolidieren, war über die Legitimation durch das Stärkungspaktgesetz vom 9. Dezember 2011 i. V. m. den Regeln der kommunalen Haushaltführung hinaus nicht durch § 23 Abs. 5 KiBiz verboten. Denn dessen Satz 2 hat ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder ausdrücklich in das Ermessen des Jugendamtes bzw. Satzungsgebers gestellt ("kann"), rechtfertigte also gerade auch einen Verzicht auf solche Vergünstigungen für die Eltern. Insoweit kann die Bedeutung des erst zum 1. August 2014 eingefügten § 23 Abs. 5 Satz 3 KiBiz dahingestellt bleiben.

Dass die Abschaffung der Geschwisterermäßigung geeignet war, einen Beitrag zur Konsolidierung des städtischen Haushaltes zu leisten, unterliegt ebenso wenig Zweifeln. Nach den überschlägigen Berechnungen sollten nämlich jährlich ca. 56.000,- Euro zusätzliche Elternbeiträge in den Haushalt fließen. Nicht vorausgesetzt werden kann, dass die Maßnahme zur Konsolidierung des Haushalts nach Maßgabe der Regeln für den Stärkungspakt auch auskömmlich ist.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die haushaltspolitische Einschätzung der Beklagten, dass alle beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit für die Sanierung der städtischen Haushalte der nächsten Jahre erforderlich sein würden. Dabei reicht es hinsichtlich der Einzelposten - hier Streichung der Geschwisterkindermäßigung bei beitragsfreiem Kindergartenjahr - aus, wenn sie einen - wenn auch nur geringfügigen - Teil eines Konzeptes darstellten, das nach dem damaligen politischen Willen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufwandsreduzierung und Ertragsoptimierung bewahrte, ohne wesentliche Eckpfeiler der sozialen, kulturellen und sportlichen Infrastruktur der Stadt in Frage zu stellen. Unter dieser Prämisse ist die Zusammenstellung der Konsolidierungsmaßnahmen als fortgeschriebener Sanierungsplan hier vom Rat beschlossen und von der Bezirksregierung E. im Rahmen des Stärkungspaktes genehmigt worden. Der Beitritt zum Stärkungspakt erforderte die Einhaltung des genehmigten Sanierungsplans mit seinen einzelnen Bestandteilen.

Der sich daraus ergebenden Dringlichkeit, den besagten Geschwisterkindrabatt schon für das Haushaltsjahr 2013 zum 1. Januar 2013 aus der Elternbeitragssatzung herauszunehmen, steht vorliegend auch nicht in dem Maße ein Vertrauen der Eltern auf den Fortbestand der begünstigenden Regelung gegenüber, dass es die Streichung noch im laufenden Kindergartenjahr unzumutbar erscheinen ließ. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, nämlich keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u. a. -, a. a. O., m. w . N.

Hier kommt entscheidend hinzu, dass die Modifikation der Geschwisterkinderermäßigung als Teil des Haushaltssanierungskonzept schon vor Beginn des Kindergartenjahres 2012/2013 am 1. August 2012 in der politischen Diskussion und Gegenstand der Berichterstattung in den Medien war. Auch noch nach dem Beschluss des Rates, die Elternbeitragssatzung entsprechend zu ändern, konnten die Eltern zudem rechtzeitig die Konsequenzen aus der neuen Rechtslage ab dem 1. Januar 2013 etwa durch Kündigung des Benutzungsverhältnisses, aus dem die Pflicht zur beitragsauslösenden Vorhaltung eines Kindergartenplatzes i. S. v. § 7 Abs. 3 Satz 4 der Elternbeitragssatzung erwächst, ziehen, weil § 6 Abs. 2 Satz 3 der Elternbeitragssatzung eine Kündigung nur für die letzten 3 Monate vor dem Ende des Kindergartenjahres - d. h. erst ab dem 1. Mai - grundsätzlich für nicht möglich erklärt. Einer Kündigung zum 1. Januar 2013 anlässlich des Wegfalls der Geschwisterkindermäßigung hätte sich die Beklagte nach ihrer Praxis kaum widersetzen können.

An der maßgeblichen Ausgangslage ändert sich auch dadurch nichts, dass der Landesgesetzgeber durch Gesetz vom 17. Juni 2014 mit Wirkung zum 1. August 2014 an den § 23 Abs. 5 KiBiz den Satz 3 angefügt hat, wonach bei Geschwisterregelungen Kinder, deren Tagesbetreuung nach § 23 Abs. 3 KiBiz elternbeitragsfrei ist, so zu berücksichtigen sind, als ob für sie ein Elternbeitrag zu leisten wäre. Soweit die neue Regelung Veranlassung gibt, das Haushaltskonsolidierungskonzept mit Blick auf die Geschwisterkindermäßigung zu ändern und die Elternbeitragssatzung nunmehr anders zu handhaben, betrifft das nicht den streitbefangenen Beitragszeitraum und kann deshalb die für ihn getroffenen Regelungen nicht beeinflusst haben.

Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Vorwurf der Klägerseite, die streitgegenständliche Belastung verstoße mit Blick auf die zwischenzeitlich andere Handhabung der Geschwisterkindermäßigung durch die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG als substanzlos und irrig. Die geänderte Rechtslage schließt eine Vergleichbarkeit der Situationen aus.

Auch auf der Ebene der ergangenen Bescheide stellt es keinen rückwirkenden Eingriff in eine geschützte Position dar, wenn die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 18. April 2013 die Festlegung "beitragsfrei" für den Sohn der Kläger F. K. im Zeitraum 1. August 2012 bis zum 31. Juli 2013 aus dem Bescheid vom 24. Oktober 2012 durch die Festsetzung von monatlich 132,- Euro ersetzt hat. Ansonsten würde die maßgebliche und in der Rechtsprechung des Senates gefestigte Auffassung, verkannt dass es sich bei einem Elternbeitragsbescheid - und zwar ungeachtet von entsprechenden Hinweisen oder einem Widerrufsvorbehalt - nicht um einen begünstigenden Verwaltungsakt des Inhalts handelt, dass über den festgesetzten Elternbeitrag - hier sinngemäß 0,00 Euro - hinaus zukünftig keine weiteren Elternbeiträge mehr verlangt werden.

Vgl. etwa: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 12 A 2003/12 -, juris; Beschluss vom 19. Mai 2014 - 12 E 236/14 -, jeweils m. w. N.

Eine vorteilhafte oder auch nur vertrauensbildende Wirkung muss immer von einer Regelung i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG bzw. § 31 Satz 1 SGB X oder zumindest einem rechtsrelevanten positiven Tun ausgehen und es reicht nicht aus, wenn die entsprechende Begünstigung als bloßer rechtlicher Reflex einer Regelung oder eines rechtsunerheblichen Unterlassens in Erscheinung tritt. Rechtlich gesehen beschränkt sich auch die Festsetzung des Elternbeitrags auf 0,00 Euro auf die Regelung der jeweiligen Beitragslast und stellt grundsätzlich keinen begünstigenden Verwaltungsakt des Inhalts dar, dass über den festgesetzten Elternbeitrag - hier 0,00 Euro - hinaus für den jeweiligen Beitragszeitraum zukünftig keine weiteren Elternbeiträge mehr verlangt werden.

So schon zur Heranziehung nach dem GTK: OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2008 - 12 A 1860/08 -, m. w. N. sowie OVG NRW, Urteil vom 28. März 2001 - 16 A 4212/00 -, juris, m. w. N.; Beschluss vom 15. Januar 2013 - 12 A 2444/12 - , juris, m. w. N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Dezember 2007 - 15 K 902/07 -, juris.

Es richtet sich maßgeblich nach der jeweiligen materiellen Rechtsmaterie - hier also dem Kindergartenbeitragsrecht - ob ein Abgabenbescheid, dessen Inhalt dem Tenor nach belastender Art ist, zugleich auch eine den Adressaten begünstigende und insoweit auf Vertrauensschutz begründende Regelung beinhaltet.

Vgl. dazu etwa: OVG NRW, Beschluss vom

9. April 2003 - 16 B 896/03 -, juris, m. w. N.

Die Kostenentscheidung beruht auf. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.