AG Fürth, Urteil vom 04.02.2015 - 1 C 111/13
Fundstelle
openJur 2015, 3382
  • Rkr:

1. Vereinbart der Geschädigte eines Verkehrsunfalls mit dem von ihm mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe beauftragten Kfz-Sachverständigen, daß die Grundvergütung als Pauschale nach dem Gegenstandswert geschuldet wird, so ist diese Vereinbarung regelmäßig dahingehend auszulegen, daß die Gutachtenerstellung mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll und daneben lediglich tatsächlich angefallene Auslagen ersetzt verlangt werden können.

2. Schreibgebühren, Bürokosten und Kosten für Lichtbilder sind mit dem Grundhonorar bereits abgegolten, da die schriftliche Erstellung des Gutachtens mit einer sachgerechten Schadensdokumentation Gegenstand der Hauptleistungspflicht des abgeschlossenen Werkvertrags ist.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 466,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 75 % und die Klägerin 25 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert wird festgesetzt auf 570,00 Euro.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht der A als Eigentümerin des Fahrzeugs Subaru Legacy Outback mit dem amtlichen Kennzeichen […], das bei dem Verkehrsunfall am 29.01.2010 auf der […], Fahrtrichtung […], von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Renault mit dem amtlichen Kennzeichen […] beschädigt worden ist, gegen diese einen Anspruch auf Ersatz restlicher Kosten für das bei ihr eingeholte Sachverständigengutachten vom 29.01.2010 in Höhe von 466,29 Euro gemäß den §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die volle Haftung der Beklagten für die von der Zedentin durch den Unfall erlittenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist allein die Frage, in welcher Höhe die der Zedentin von der Klägerin in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten zu ersetzen sind. Ausweislich der vorgelegten Auftragserteilung und Vergütungsvereinbarung vom 29.01.10 (Bl. 34. d. A.) war zwischen diesen vereinbart, daß sich die Grundvergütung nach dem Gegenstandswert berechnet. Auf die Rechnung der Klägerin vom 01.02.2010 (Bl. 32 d. A.) über einen Betrag in Höhe von 956,00 Euro wird Bezug genommen. Hierauf hat die Beklagte 386,00 Euro gezahlt, so daß die Klägerin den Restbetrag in Höhe von 570,00 Euro nunmehr gerichtlich geltend macht.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Sicherungsabtretung zwischen der Klägerin und der Zedentin vom 29.01.10 (Bl. 33 d. A.) ist wirksam. Eine ausdrückliche Freigabeerklärung bzw. Rückübertragungsverpflichtung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die formularmäßige Vereinbarung über eine erfüllungshalber erfolgte (Sicherungs-)Abtretung eines Schadensersatzanspruchs, da der Zedent einen Rückabtretungsanspruch für den Fall der Zahlung auch unabhängig vom Vorliegen einer entsprechenden Klausel hat (vgl. BGHZ 137, 212 = NJW 98, 671).

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens sind erstattungsfähig, da sie zu dem nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 07, 1450 Rn 11). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 07, 1450 Rn 17). Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muß nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH NJW 07, 1450 Rn 17; 14, 1947 Rn 7).

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH NJW 14, 1947 Rn 8; NZV 14, 163 Rn 27; NJW 14, 3151 Rn 16). Im übrigen gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot nur dann, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen, wenn der Geschädigte erkennen kann, daß der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen (BGH NJW 14, 1947 Rn 9; NJW 14, 3151 Rn 17).

Danach stellt das der Zedentin in Rechnung gestellte Grundhonorar in Höhe von 682,01 Euro netto erforderlichen Herstellungsaufwand dar. Die Pauschalierung desselben nach der Höhe des Gegenstandswerts ist zulässig (BGH NJW 07, 1450; 06, 2472; NJW-RR 07, 56). Zwar hat die Zedentin die Rechnung zu keinem Zeitpunkt beglichen. Die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert und damit nicht durchgreifend bestritten, daß es sich hierbei nicht um den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand handelt. Ungeachtet der Tatsache, daß sie sich für ihren Vortrag weder auf die für den Unfallzeitpunkt einschlägige BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 noch auf die für den Ort der Gutachtenerstellung maßgebliche regionale Auswertung bezogen hat, ergeben sich schon aus der herangezogenen BVSK-Honorarbefragung 2008/2009 keine durchgreifenden Bedenken gegen das Grundhonorar der Klägerin. Bei dem von der Beklagten genannten „Maximalwert“ handelt es sich nur um die Grenze jener Spanne, innerhalb derer 40 % und 60 % der Befragten in der jeweiligen Schadenshöhe ihr Honorar berechnen. Insofern wird dieser Wert von einer beachtlichen Zahl der Befragten noch überschritten. Ungeachtet der Tatsache, daß zu erwarten ist, daß das abgerechnete Grundhonorar aufgrund einer inflationsbedingten Honorarsteigerung bei der BVSK-Honorarforderung 2010/2011 noch innerhalb des entsprechenden Honorarkorridors liegen dürfte, ist nicht ersichtlich, daß die marginale Überschreitung des oberen Korridorwertes um 4,01 Euro für die Zedentin als deutliche Überschreitung der in der Branche üblichen Preise erkennbar war. Anhaltspunkte dafür, daß dies hier dennoch der Fall war, hat auch die Beklagte nicht vorgetragen.

Anders als das Grundhonorar kann die Klägerin Teile der in der Rechnung aufgeführten Nebenkosten nicht von der Beklagten verlangen. Grundsätzlich bestehen zwar keine Bedenken dagegen, daß ein Sachverständiger neben einem Grundhonorar für die Erstellung eines Schadensgutachtens, das er in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientiert, die ihm im Rahmen der Auftragsabwicklung gesondert entstehenden Auslagen als „Nebenkosten“ bei der Bemessung seines Gesamthonorars berücksichtigt (vgl. BGH NJW-RR 07, 56 = NZV 07, 182 Rn 20).

Vereinbaren die Parteien des Gutachtenauftrags jedoch eine solche Pauschale als Grundhonorar, ist diese Vereinbarung regelmäßig dahingehend auszulegen, daß damit die Gutachtenerstellung abgegolten sein soll und daneben lediglich tatsächlich angefallene Auslagen ersetzt verlangt werden können. Daher darf der Sachverständige die Erhebung solcher Nebenkosten über ein pauschales Grundhonorar hinaus nicht dazu ausnutzen, die Vergütung für seine Tätigkeit über das vereinbarte Maß hinaus künstlich zu erhöhen. Die Geltendmachung der Nebenkosten ist deshalb auf den Ersatz der tatsächlichen Aufwendungen beschränkt, die allenfalls im Rahmen des nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge durchschnittlich anfallenden Aufwands pauschaliert werden können. Auf die Üblichkeit (einer gegebenenfalls allgemein vorgenommenen Überhöhung) kommt es insofern nicht an. Weder dürfen mit den Nebenkosten allgemeine Betriebskosten auf den Auftraggeber abgewälzt noch Gewinnanteile in sie eingepreist werden. Daraus ergibt sich im einzelnen:

„Schreibgebühren/Bürokosten“ sind durch das Grundhonorar bereits abgegolten. Ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstellen hat, ist ein Werkvertrag (BGH NJW 06, 2472). Vertragsgegenstand ist nicht lediglich die Inaugenscheinnahme des beschädigten Fahrzeugs und eine Schadensschätzung durch den Sachverständigen, sondern die Vorlage einer schriftlichen Ausarbeitung, welche die gewonnen Erkenntnisse beinhaltet. Entgelt hierfür ist das Grundhonorar. Die Klägerin kann daher für die Erstellung des Produkts bzw. für ihre allgemeinen Betriebskosten („Bürokosten“) schon aus Rechtsgründen kein gesondertes Entgelt verlangen.

Dasselbe gilt für „Fotokosten/Lichtbilder“. Die sachgerechte Schadensdokumentation ist Gegenstand der Hauptleistungspflicht der Klägerin aus dem Werkvertrag. Bei der heute üblichen Verfahrensweise, Gutachten einschließlich digitaler Lichtbilder unmittelbar in mehreren Ausfertigungen auszudrucken, entfällt die gesonderte Anfertigung von Papierabzügen auf Fotopapier. Im übrigen hat die Klägerin zur Höhe der geltend gemachten Fotokosten von 2,22 Euro pro Bild trotz des Bestreitens der Beklagten nichts Konkretes vorgetragen.

Dagegen hat sie auf das Bestreiten der Beklagten substantiiert zur Entstehung und zur Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten vorgetragen. Bei für die Fahrt vom Sitz der Klägerin in B an den Untersuchungsort, dem Autohaus C in D, entstandenen Fahrtkosten in Höhe von 14,80 Euro netto (2 x 10 km x 0,74 €/km) bestehen gegen die geltend gemachte Pauschale von 19,50 Euro (netto) (noch) keine Bedenken.

Gegen eine Pauschale für Porto und Telefon in Höhe von 14,70 Euro netto bestehen ebenfalls keine Bedenken.

Damit ergeben sich folgende erstattungsfähige Kosten:

Grundhonorar        682,01 EuroFahrtkosten        19,50 EuroPorto / Telefon            14,70 Euroinsgesamt        716,21 EuroMwSt 19 %          136,08 EuroSumme         852,29 EuroZieht man hiervon den von der Beklagten bereits gezahlten Betrag in Höhe von 386,00 Euro ab, verbleibt ein Rest in Höhe von 466,29 Euro. In dieser Höhe war der Klage stattzugeben.

Die Verzugszinsen ergeben sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 58,50 Euro war die Klage abzuweisen. Bereits ein Auftrag der Klägerin an ihre Prozeßbevollmächtigten zur vorgerichtlichen Tätigkeit ist nicht schlüssig vorgetragen. Das in Bezug genommene Abrechnungsschreiben vom 15.02.2010 haben diese nicht für die Klägerin erstellt. Dementsprechend hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, daß ihr die Anwaltskosten in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt worden sind. Es ist auch nicht vorgetragen worden, daß etwaige Ansprüche der Zedentin A auf Ersatz von Anwaltskosten gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten worden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 ZPO). Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung findet daher nicht statt.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte