VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14
Fundstelle
openJur 2015, 3323
  • Rkr:

1. Der Gemeinde entsteht kein beitragsfähiger Aufwand, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen.

2. Im Falle eines nachträglich als nichtig erkannten Erschließungsvertrags entstehen der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten. Die Beitragspflicht entsteht daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde.

3. Durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben kann die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211).

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Juli 2014 - 2 K 3146/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.

Sie sind seit dem 05.05.2008 als Eigentümer des Grundstücks ... (Gemarkung ..., FIst.Nr. .../...), das mit einem Wohnhaus bebaut ist, im Grundbuch eingetragen. Das Anwesen liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „Mühläcker-St. Peter", der am 08.08.1997 in Kraft getreten ist. Von der ... führt ein Stichweg zum Grundstück der Kläger.

Bereits am 03.03.1997 hatte die Beklagte mit der ... ...G, deren Alleingesellschafterin sie ist, einen Erschließungsvertrag geschlossen. Zur Refinanzierung ihres Erschließungsaufwandes hatte die ...G mit den damaligen Grundstückseigentümern Verträge geschlossen, nach denen sich diese zur anteiligen Bezahlung der Erschließungskosten verpflichtetet hatten. Nach § 13 Abs. 6 des Erschließungsvertrages sollte die Beklagte nach Abrechnung und Fertigstellung u.a. die Aufmaße und Bestandspläne über die hergestellten Erschließungsmaßnahmen sowie sämtliche Rechnungs- und Zahlungsbelege erhalten. Die Beklagte prüfte die Richtigkeit der Schlussabrechnung und bestätigte diese gegenüber der ...G unter dem 03.06.2005. Mit Schreiben vom 09.06.2005 machte die ...G gegenüber den Grundstückseigentümern die Erschließungskosten geltend.

Einer Klage von Grundstückseigentümern, die an die ...G gezahlte Abschlagszahlungen zurückgefordert hatten, gab das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz mit Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - statt. Dabei ging es davon aus, dass sowohl der zwischen der Beklagten und der ...G geschlossene Erschließungsvertrag als auch die zwischen der ...G und den Grundstückseigentümern geschlossenen Kostenerstattungsvereinbarungen nichtig seien. Mit Schreiben vom 13.07.2011 wurden die Kläger darüber informiert, dass das von ihnen erworbene Grundstück hiervon betroffen sei. Die ...G zahlte in der Folgezeit die erhaltenen Zahlungen - unter anderem auch an die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks - zurück und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 30.05.2012 für die von ihr verauslagten Kosten, die Betreuungsgebühr und Zinsen insgesamt 1.309.164,93 EUR in Rechnung. Unter dem 10.10.2012 teilte die Beklagte der ...G mit, dass sie die Rechnung bezüglich der Betreuungsgebühr korrigiert und einen Betrag von 1.262.081,23 EUR für den 31.10.2012 zur Auszahlung angewiesen habe.

Mit Bescheiden vom 15.06.2012 zog die Beklagte die Kläger auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006, in Kraft getreten am 01.02.2006, gesamtschuldnerisch zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt 6.444,35 EUR heran. Dabei wurde der von der ... abzweigende Stichweg, an dem sich das Anwesen befindet, im Wege der Abschnittsbildung („Entscheidung“ vom 10.10.2011) gesondert abgerechnet. Der Beitragssatz betrug ca. 9,65 EUR/m².

Am 02.07.2012 legten die Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 zurückwies.

Am 21.09.2012 haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Erschließungsbeitragsforderung sei bereits verjährt, da die Rechnungsstellung der ...G im Jahr 2012 nicht die letzte Unternehmerrechnung darstelle. Die beitragsfähigen Kosten seien der Beklagten seit der Mitteilung des Erschließungsträgers vom 03.06.2005 bekannt. Darauf, dass ihr damals die Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages nicht bekannt gewesen sei, komme es nicht an.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht: Verjährung sei nicht eingetreten, da die Beitragspflicht erst mit der endgültigen Herstellung entstehe. Dies sei regelmäßig bei Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall. Die ...G habe der Beklagten ihren entstandenen Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 in Rechnung gestellt. Der Lauf der Festsetzungsfrist habe daher erst Ende des Jahres 2012 beginnen können.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.07.2014 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Beitragserhebung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte zunächst durch Abschluss des städtebaulichen Erschließungsvertrags eine Entscheidung für das privatrechtliche Rechtsregime getroffen habe. Das Bundesverwaltungsgericht nehme für den Fall der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages auch die Nichtigkeit des Kostenerstattungsvertrages an, da beide Rechtsverhältnisse in einem Akzessorietätsverhältnis stünden. Sei der Erschließungsvertrag nichtig, entfalle die Leistungspflicht des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde. Diese Akzessorietät habe zur Folge, dass dem Rückabwicklungsanspruch aus dem Kostenerstattungsvertrag des Grundstückseigentümers gegen den Erschließungsträger ein Rückabwicklungsanspruch des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde folge.

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Die Verjährungsfrist habe hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Gemäß § 41 KAG entstehe die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Nach allgemeiner Auffassung sei eine endgültige Herstellung erst dann eingetreten, wenn der entstandene Aufwand feststellbar sei. Daher sei die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungsstellung durch die ...G am 30.05.2012 entstanden. Ein beitragsfähiger Aufwand sei erst durch diese Rechnungsstellung ausgelöst worden und durch die Auszahlungsanordnung vom 10.10.2012 in Höhe von 1.262.081,23 EUR entstanden.

Die letzte Unternehmerrechnung sei hier die Geltendmachung der Erschließungskosten durch den Erschließungsträger gegenüber der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Kläger könne nicht auf die an die damaligen Grundstückseigentümer übersandte Schlussabrechnung vom 09.06.2005 abgestellt werden. Zwar habe auch die Beklagte die Schlussabrechnung zur Kenntnisnahme übersandt bekommen. Diese Schlussabrechnung habe jedoch nicht die Grundlage für die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes gebildet. Aufgrund der Abhängigkeit des Erschließungsbeitragsanspruchs vom Herstellungsaufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten sei die Berechenbarkeit des Aufwandes als Bestandteil der endgültigen Herstellung anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht stelle in seiner Entscheidung vom 01.12.2010 darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, der im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückeigentümer umgelegt werden könne.

Der Beitragspflicht könnten die Kläger auch nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hätten, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden könne.

Die jetzige Beitragserhebung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es fehle an einer Erwartung der Kläger, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Erschließung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts habe jedem Grundstückseigentümer bewusst sein müssen, dass er ein Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und erschließen wolle. Auch könne ein Grundstückseigentümer für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, für eine erhaltene Erschließungsleistung nicht herangezogen zu werden, zumal er die auf vertraglicher Basis geleisteten Zahlungen zurück erstattet bekommen habe. Mangels eines erstattungsfähigen Aufwandes sei es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, bereits bei Bestehen der tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern. Der vorliegende Fall unterscheide sich somit grundsätzlich von den Fällen, in denen eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung gescheitert sei.

Der Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag werde hier auch nicht einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass den betreffenden Grundstückseigentümern die aufgrund von Erschließungsverträgen geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge niedriger seien als die ursprünglich geltend gemachte Forderung.

Die Kläger haben fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie tragen zur Begründung vor: Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungstellung durch die ...G am 30.05.2012 an die Beklagte entstanden sei, sei unzutreffend. Maßgeblich sei, ob sich die Frage der Beitragsfähigkeit klären lasse. Ausgehend hiervon sei der umlagefähige Erschließungsaufwand der Beklagten spätestens mit Schreiben der ...G vom 09.06.2005 voll umfänglich bekannt gewesen. Der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch sei deshalb spätestens am 09.06.2005 entstanden und daher verjährt. Die am 09.06.2005 entstandene Beitragsforderung werde in ihrem Bestand von dem Erschließungsvertrag nicht berührt. Selbst bei einem wirksamen Erschließungsvertrag sei die Erschließungslast nach außen nicht betroffen. Die Gemeinde übertrage mit dem Abschluss eines Erschließungsvertrages keine Hoheitsrechte, wie etwa das Recht, den „Erschließungsvertrag“ [gemeint ist wohl Erschließungsbeitrag] als Kommunalabgabe einzufordern. Trotz eines Erschließungsvertrages bleibe die Gemeinde deshalb zur Erschließung verpflichtet und zur Beitragserhebung berechtigt. Dies müsse erst Recht für den vorliegenden Fall gelten, da das BVerwG den Erschließungsvertrag von Anfang an für unwirksam erklärt habe.

Auch die Erwägung, dass die Schlussrechnung vom 09.06.2005 schon wegen der unterschiedlichen Höhe nicht die Grundlage des beitragsfähigen Aufwandes bilde, könne das Urteil nicht rechtfertigen. Aus der Schlussrechnung vom 09.06.2005 habe unter Inanspruchnahme der zugehörigen Unterlagen der endgültige Erschließungsaufwand errechnet werden können.

Auch die Annahmen, den betreffenden Grundstückseigentümern seien die geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge seien niedriger als die ursprünglich geltend gemachte Forderung, könnten das angefochtene Urteil nicht tragen. Zum einen sei der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ nicht an die Kläger, sondern an die Voreigentümer zurückgezahlt worden. Ob sich aus § 436 BGB ein Freistellungsanspruch für die Kläger ergebe, könne strittig sein. Zum anderen müsse die Frage, wann die Beitragspflicht entstanden sei, unabhängig davon entschieden werden, ob der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ zurückbezahlt worden sei.

Nach alledem verkenne das angefochtene Urteil, dass der Erschließungsvertrag für die Frage, wann der Erschließungsbeitrag entstanden sei, keinerlei rechtliche Relevanz habe. Deshalb habe auch die am 30.05.2012 ergangene Rechnungsstellung der ...G an die Beklagte nicht dazu geführt, dass der Beitragsanspruch erst am 30.05.2012 entstanden sei. Vielmehr sei der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch bereits am 09.06.2005 entstanden.

Die Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht stelle darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, welcher im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden könne, stelle eine fehlerhafte Interpretation dar. Aus der dortigen Formulierung sei zum einen der von der Beklagten eingeführte Begriff „erst" nicht zu entnehmen. Zum anderen verweise das BVerwG allein darauf, dass die ...G zivilrechtlich ein objektiv fremdes Geschäft - hier der Beklagten - geführt habe und dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden sei, den sie, die Beklagte, „im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen“ umlegen könne. Zu den erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen gehörten aber auch die Verjährungsvorschriften.

Das Urteil verkenne insgesamt, dass die angefochtene Beitragserhebung gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Die Kläger hätten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 26.11.2004 erworben, nachdem die Voreigentümer die privatrechtlich geltend gemachten Erschließungskosten bereits an die ...G entrichtet hätten. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom 13.07.2011 - also mehr als sechs Jahre später - hätten sie Kenntnis davon erhalten, dass die Erschließungskosten privatrechtlich abgerechnet worden seien und der Erschließungsvertrag vom Bundesverwaltungsgericht „für nichtig erklärt worden“ sei. Da den Klägern diese Umstände nicht bekannt gewesen seien, hätten sie nach Abschluss des Kaufvertrages im Jahre 2004 nach insgesamt mehr als sechs Jahren die Erwartung haben können, nicht mehr zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen zu werden. Vom Sachverhalt her unterscheide sich der vorliegende Fall deshalb grundlegend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 - zugrunde gelegen habe. In dem dortigen Fall sei die Versorgung mit Trinkwasser nämlich zeitlich weit vor dem Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und dem Inkrafttreten einer öffentlich-rechtlichen Satzung hergestellt worden, sodass die Beitragspflicht erst mit dem Anschluss und dem Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung habe entstehen konnte. Demzufolge führe das Urteil aus, dass unter Geltung des Privatrechts jedem Grundstückseigentümer bewusst gewesen sein müsse, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen wolle; eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung könne sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben habe, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht am 09.06.2005 entstanden. Die Kläger beriefen sich also keineswegs auf Zeiträume, in denen die Beitragserhebung rechtlich nicht möglich gewesen sei.

Das Recht der Beklagten zur Erhebung des Erschließungsbeitrages sei durch den Erschließungsvertrag in keiner Weise eingeschränkt gewesen. Angesichts des Rechtsstreits über die Wirksamkeit des Erschließungsvertrages hätte die Beklagte im Wege eines vorsorglich vor dem 31.12.2009 erlassenen Beitragsbescheides - bei gleichzeitiger Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft des Urteils - die drohende Verjährung gegenüber den Klägern unterbrechen können. Auch „§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO“ [gemeint ist wohl § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO] sehe für diesen Fall eine vorläufige Beitragserhebung vor. Die Rückkehr ins öffentliche Recht sei also mit keinerlei finanziellen Risiken für die Beklagte verbunden gewesen. Letztendlich gehöre die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen habe, der am Rechtsleben teilnehme.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.07.2014 - 2 K 3146/12 - zu ändern und die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 15.06.2012 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie meint, entgegen der Rechtsauffassung der Kläger könne für das Entstehen der Beitragspflicht nicht auf die Schlussabrechnung der ...G vom 09.06.2005 abgestellt werden. Schon der schlichte Umstand, dass die Schlussabrechnung aus dem Jahr 2005 keine Rechnungsstellung gegenüber der Beklagten sei, stehe der Qualifizierung dieser Abrechnung als letzter Unternehmerrechnung entgegen. In einer Konstellation wie der vorliegenden sei die letzte Unternehmerrechnung die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger. Ergänzend habe das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, aus der unterschiedlichen Höhe der geltend gemachten Forderungen (Schlussabrechnung gegenüber den Grundstückseigentümern vom 09.06.2005 und Erstattungsforderung gegenüber der Beklagten vom 30.05.2012) folge, dass die Beklagte den Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 habe berechnen können. Die Höhe des umlagefähigen Erschließungsaufwandes hänge von der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der ...G ab. Dieser bestimme sich in entsprechender Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB nach dem Wert des Erlangten. Zu ersetzen sei also der objektive Verkehrswert. Dazu gehöre aber auch der für die Herstellung einer entsprechenden Erschließungsanlage notwendige Überwachungs- und Koordinierungsaufwand, der bei demjenigen anfalle, der die Herstellung der Erschließungsanlagen durch Dritte durchführen lasse.

Verfehlt sei die Auffassung der Kläger, die Beklagte hätte zur Vermeidung des Verjährungsrisikos vorsorglich eine Beitragserhebung durchführen müssen. Die bei Abschluss eines Erschließungsvertrages grundsätzlich fortbestehende Erschließungslast bedeute nicht, dass die Gemeinde vorsorglich einen Erschließungsbeitragsbescheid erlassen könne. Gemeint sei damit nur, dass die Verpflichtung der Gemeinde zur Herstellung der Erschließungsanlage auch bei Abschluss eines Erschließungsvertrages latent fortbestehe und sich wieder aktualisiere, wenn sie die Erschließungsanlage doch selbst herstellen müsse. Eine Gemeinde sei grundsätzlich an die getroffene Regieentscheidung gebunden. Dies bedeute, dass eine vorsorgliche Beitragserhebung ausscheide, da die Gemeinde mit Abschluss eines derartigen Erschließungsvertrags die Entscheidung gegen eine Refinanzierung durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen getroffen habe.

Unabhängig von der Frage, ob und in welcher Form die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf eine Steuerung des Verjährungsbeginns durch nachträgliches Inkraftsetzen einer gültigen Satzung bezögen, auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden könnten, könne hier nicht von einer jahrzehntelangen Vorteilslage gesprochen werden, die der späteren Beitragserhebung vorausgegangen sei. Stelle man mit den Klägern auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks ab, habe die Vorteilslage erst ab Ende 2004 bestanden. Stelle man - wohl zutreffend - auf die Abrechnung der Erschließungsanlage durch und gegenüber der ...G ab, bestehe die Vorteilslage seit dem Jahr 2005. Ca. sechs Jahre später sei die Information über die drohende Beitragserhebung erfolgt. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei im Jahr 2012 ergangen, also sieben Jahre nach dem Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage.

Der vorliegende Sachverhalt weise ferner Besonderheiten auf, die dazu führten, dass die Beitragserhebung in verfassungsrechtlicher Hinsicht unproblematisch sei. Eine Beitragspflicht für die Grundstückseigentümer komme nur in Betracht, wenn der Beklagten ein umlagefähiger Aufwand entstanden sei. Erst die Rückabwicklung der vertraglichen Beziehungen sei im konkreten Sachverhalt Voraussetzung für eine Beitragserhebung gewesen. Es sei schwerlich überzeugend, eine unzumutbare Belastung durch die Erhebung von Beiträgen zu bejahen, wenn diese Belastung durch die vorangegangene Erstattung der Erschließungskosten kompensiert worden sei. Ein Grundstückseigentümer könne für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, nicht zu Beiträgen herangezogen zu werden. Auch im Hinblick auf den Gedanken der Zumutbarkeit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt wegen der Erstattung zuvor geleisteter Zahlungen grundlegend von der Konstellation, die das Bundesverfassungsgericht beurteilt habe.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG, §§ 33 ff. KAG und der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006 finden, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre gegen diese Bescheide erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (1.). Auch eine eventuelle absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung ist hier nicht überschritten (2.).

1. Festsetzungsverjährung

a) Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist hiernach nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).

An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten (Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris). Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.

b) Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß §§ 1, 3 Abs. 4 KAG i.V.m. § 169 AO vier Jahre. Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze hat der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn erst in diesem Jahr ist die Abgabe entstanden (vgl. § 170 Abs. 1 AO). Letzte Unternehmerrechnung in dem oben dargestellten Sinn ist hier nämlich das Schreiben des Erschließungsträgers, der ...G, vom 30.05.2012, in dem diese der Beklagten ihren Erschließungsaufwand in Rechnung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger kann insoweit nicht auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden. Denn erstmals mit dieser Rechnung vom 30.05.2012 ist der Beklagten ein eigener Aufwand entstanden. Die Festsetzungsverjährungsfrist kann aber nicht zu laufen beginnen, solange der Abgaben erhebenden Gemeinde noch nicht einmal ein eigener Aufwand entstanden ist. Dies folgt schon aus dem in § 20 Abs. 2 KAG zum Ausdruck kommenden Wesen des Erschließungsbeitrags. Hiernach erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage einen Erschließungsbeitrag. Solange der Gemeinde noch keine eigenen Kosten entstanden sind, kann demzufolge schon begrifflich keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen.

Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB entsteht, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Genau dies regelt im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen der Beklagten und der ...G vom 03.03.1997 (so ausdrücklich - zum vorliegenden Erschließungsvertrag - BVerwG, Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244, juris-Rn. 31). Der Aufwand ist hier daher zunächst allein dem Erschließungsträger, also der ...G, entstanden. Nachdem der Erschließungsvertrag gescheitert ist, konnte sich die ...G ihre Aufwendungen allein im Rechtsverhältnis mit der Beklagten erstatten lassen; der Beklagten wiederum ist dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden, den sie im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen auf die Kläger umlegen konnte (vgl. BVerwG, ebd., Rn. 55).

Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde auch nach Abschluss eines Erschließungsvertrags letztendlich für die Erschließung verantwortlich bleibt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig lediglich, dass sie die ordnungsgemäße und zeitige Abwicklung des Erschließungsvertrags zu überwachen hat (vgl. Driehaus, aaO., § 6 Rn. 47). Eine Befugnis zur vorsorglichen Beitragserhebung folgt aus dieser Verantwortung hingegen nicht. Solange und soweit der Gemeinde kein eigener Aufwand entstanden ist, ist eine Beitragserhebung vielmehr schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen, denn das Wesen des Erschließungsbeitrags besteht gerade darin, dass die Gemeinde einen eigenen Aufwand auf die Beitragspflichtigen umlegt (vgl. bereits oben).

c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre eine Gemeinde in einer solchen Konstellation nicht etwa berechtigt, bereits vorab vorsorglich Beitragsbescheide zu erlassen. Durch die Bauverpflichtung und Kostentragung des Erschließungsträgers entstehen der Gemeinde zunächst keine Kosten, sodass sie auch keine Beiträge nach §§ 127 ff. BauGB oder §§ 33 ff. KAG BW erheben kann (vgl. Birk, VBlBW 2011, 329 ff.). Soweit und solange ein Dritter - wie der durch einen Erschließungsvertrag mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließung betraute Erschließungsträger - den Erschließungsaufwand trägt, entstehen der Gemeinde mit anderen Worten keine Kosten, die einen beitragsrelevanten Aufwand darstellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1973 - VII ZR 246/72 - BGHZ 61, 359; Schlesw.-Holst. OLG, Urteil vom 13.03.2003 - 16 U 100/02 - NVwZ 2004, 1528; Saarl. OVG, Urteil vom 07.11.1988 - 1 R 322/87 - DÖV 1989, 861; Grziwotz, MDR 1996, 978, und in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 308). Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Da der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten entstanden sind, kann sie erst dann Beiträge von den Grundstückseigentümern unter Einhaltung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung erheben.

Erst nachdem sich die im Abschluss des Erschließungsvertrags realisierte Regieentscheidung der Gemeinde - bisweilen auch als Regimeentscheidung bezeichnet (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Driehaus, aaO, § 6 III.; Birk, VBlBW 2011, 329 ff.) - hier primär wegen des als Vertragspartner nicht geeigneten Erschließungsträgers als rechtswidrig erwiesen und die ...G der Beklagten ihren Aufwand in Rechnung gestellt hat, war die Gemeinde befugt, Beiträge zu erheben. Die Beitragspflicht entsteht auch nach dieser Betrachtungsweise daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde (vgl. Birk, ebd.).

d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, die grundsätzlich auch auf das baden-württembergische Kommunalabgabenrecht Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG). Danach kann eine Abgabe vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind.

Zum einen erscheint es schon als fraglich, ob diese Vorschrift - jedenfalls für den Zeitraum vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - überhaupt Geltung für das Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen kann, denn es spricht manches dafür, dass § 25 Abs. 2 KAG - der die Zulässigkeit der Erhebung von Vorauszahlungen regelt - insoweit eine abschließende Spezialregelung enthält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.11.1981 - 2 S 1044/80 - Ls. in juris). Jedenfalls aber setzt die vorläufige Festsetzung einer Abgabe nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraus; die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen selbst unterfällt hingegen nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 15.12.2009 - 1 L 323/06 - juris-Rn. 62). Da es hier um die rechtliche Bewertung eines Erschließungsvertrags und des davon abhängigen Kostenerstattungsvertrags geht, kommt eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG nicht in Betracht.

Auch § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO i.Verb. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG AO ist auf den vorliegenden Sachverhalt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Danach ist eine vorläufige Festsetzung (auch dann) zulässig, wenn die Vereinbarkeit eines Abgabengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hier war zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht Gegenstand eines solchen Verfahrens. Eine vorläufige Festsetzung hinsichtlich ungeklärter Rechtsfragen des einfachen Rechts sieht § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht vor (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 165 Rn. 25).

e) Unerheblich ist angesichts dessen auch, dass der Gemeinde die Rechnungen, die die einzelnen Bauunternehmer der ...G gestellt haben, spätestens im Jahr 2005 bekannt geworden sind. Denn auf diese Kenntnis kann es in rechtlicher Hinsicht nicht ankommen. Das Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht mit dem Verhältnis zwischen einem Generalunternehmer, der damit beauftragt wird, die Erschließung für die Gemeinde zu planen, durchzuführen und dazu ggf. Subunternehmer zu beauftragen, vergleichbar. Auch in diesem Fall entsteht der Gemeinde nicht schon dann ein beitragsfähiger Aufwand, wenn die einzelnen Subunternehmer ihre Rechnungen bei dem Generalunternehmer einreichen, sondern erst dann, wenn der Generalunternehmer seine Kosten gegenüber der Gemeinde geltend macht. Erst zu diesem Zeitpunkt kann daher auch frühestens die sachliche Beitragspflicht entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.

2. absolute zeitliche Grenze der Beitragserhebung

a) Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).

b) Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

aa) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.

Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Zwar fällt es entgegen der schriftsätzlich vertretenen Auffassung der Beklagten (jedenfalls auch) in ihre Sphäre, dass sie einen nichtigen Erschließungsvertrag geschlossen hat, der hier letztlich zu einer späteren Beitragserhebung geführt hat. Dies kann ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalls aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, nachdem nicht nur das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, sondern auch der Senat den hier vorliegenden Erschließungsvertrag zunächst für wirksam gehalten hatten; erst in letzter Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass er nichtig sei. Angesichts dessen wiegt eine eventuelle Pflichtverletzung der Beklagten hier allenfalls leicht, sodass die verspätete Abgabenerhebung im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, in denen die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Ein damit vergleichbares Versäumnis einer Gemeinde liegt hier nicht vor.

Auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nach dem Scheitern des Erschließungsvertrags nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung nicht kostenfrei erstellen konnte. Dies war im Übrigen ersichtlich auch den damaligen Rechtsmittelführern in den Verfahren 2 S 424/08 (vor dem Senat) bzw. 9 C 8.09 (vor dem BVerwG) bewusst, die die Rückerstattung bereits gezahlter Kostenerstattungsbeträge geltend gemacht hatten. Sie hatten damals nicht vorgetragen, dass sie überhaupt nicht zu Erschließungskosten herangezogen werden dürften, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die konkrete Vertragsgestaltung führe zu einer unzulässigen Umgehung zwingender erschließungsbeitragsrechtlicher Vorschriften (vgl. den in dem Senatsurteil vom 23.10.2009 - 2 S 424/08 - DVBl. 2010, 185 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 wiedergegebenen Vortrag der dortigen Kläger).

bb) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

Ein auch nur annähernd vergleichbarer Zeitraum ist hier jedoch nicht verstrichen. Nachdem erst im Jahr 2005 die Rechnungen der Unternehmer, die der Erschließungsträger beauftragt hatte, vollständig vorlagen, ist auch unter Hinwegdenken des nichtigen Erschließungsvertrags und unter Zugrundlegung der Annahme, dass der Erschließungsaufwand im Jahr 2005 vollumfänglich feststellbar gewesen wäre, zwischen dem Entstehen der Vorteilslage und dem Erlass der streitbefangenen Beitragsbescheide im Jahr 2012 nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.

cc) Schließlich spricht - ohne dass es darauf noch ankäme - im Ergebnis gegen eine Treuwidrigkeit auch, dass der Erschließungsträger den Grundstückseigentümern die gezahlten Kostenerstattungsbeträge zurückerstattet hat und damit keine Doppelbelastung der Grundstückseigentümer eingetreten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rückzahlung im Falle der Kläger an die Voreigentümer des Grundstücks erfolgt ist, denn insoweit ist auf eine grundstücksbezogene Betrachtungsweise abzustellen. Nach der Grundregel des § 436 BGB ist davon auszugehen, dass der Grundstücksverkäufer verpflichtet ist, den Erwerber von Erschließungsbeiträgen freizustellen. Aber auch wenn im Einzelfall eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden sein sollte - wofür die Kläger allerdings keinen konkreten Beleg geliefert haben -, fiele dies allein in den Risikobereich der Vertragsparteien und wäre daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 27. Januar 2015

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.444,35 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.