VG Berlin, Beschluss vom 02.08.2012 - 1 L 173.12
Fundstelle
openJur 2015, 2508
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Änderungs- bzw. Beseitigungsanordnung bezüglich einer von ihr errichteten Werbeanlage.

Mit Vertrag vom 12. / 22.04.1999 verpflichtete sich der Antragsgegner, vertreten durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, der Antragstellerin die Errichtung mehrerer Werbeanlagen in Form sogenannter City Light Boards (CLB) zu erlauben. Hierbei handelt es sich um aufgeständerte Plakatwechsler im Format von ca. 3,5 m x 2,4 m, in denen Plakate durch einen internen Rotationsmechanismus gewechselt werden.

Am 25.05.2000 erteilte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg der Antragstellerin eine bis zum 31.12.2025 befristete Sondernutzungserlaubnis nach § 11 Abs. 1 des Berliner Straßengesetzes (BerlStrG) für die Errichtung eines der vertraglich zugesicherten CLBs am Standort I... Von dieser Sondernutzungserlaubnis machte die Antragstellerin am 15.06.2000 durch Errichtung eines CLB Gebrauch. Zu diesem Zeitpunkt war das CLB von der an dieser Stelle unterhalb der W... verlaufenden Stadtautobahn A 100 (BAB 100) aufgrund eines Sichtschutzdaches über der Einfahrt zum Autobahntunnel nicht zu erkennen.

Nach Rücksprache mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg rüstete die Antragstellerin die Werbeanlage im August 2011 in ein digitales City Light Board (DCLB) um, bei dem die wechselnden Standbilder nunmehr elektronisch erzeugt werden. Im September 2011 wurde sodann die über der Einfahrt zum Tunnel befindliche Rasterdecke abgebaut, da diese zum einen so schadhaft geworden war, dass eine Grundinstandsetzung notwendig geworden war, und zum anderen nunmehr neue technische Möglichkeiten bestanden, eine bessere Gewöhnung der Augen der Autofahrer an die wechselnden Lichtverhältnisse Straße / Tunnel zu erreichen. Infolge der Entfernung der Rasterdecke ist die Werbeanlage der Antragstellerin nunmehr auch von der BAB 100 in Fahrtrichtung Osten aus zu erkennen.

Mit Schreiben vom 26.03.2012 kündigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadt) der Antragstellerin an, sie zur Entfernung der Werbeanlage auffordern zu wollen, da für diese eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 6 und 8 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) nicht beantragt worden sei und auch nicht in Aussicht gestellt werden könne.

Die Antragstellerin nahm durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten unter dem 26.04.2012 dazu Stellung und führte insbesondere aus, dass das Anbauverbot des FStrG nicht greife, da ihre Werbeanlage weder seitlich der Autobahn positioniert, noch an einer Brücke im Sinne des § 9 FStrG angebracht sei.

Mit Bescheid vom 07.06.2012, den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 15.06.2012 zugestellt, forderte die SenStadt die Antragstellerin auf der Grundlage von § 17 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) in Verbindung mit § 9 Abs. 6 FStrG auf, die Einwirkung auf die BAB 100 durch die Werbeanlage unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen zu beseitigen. Dies könne durch das Drehen der Anlage um 90° erfolgen. Sei dies technisch nicht möglich, sei die Werbeanlage zu entfernen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Beseitigung drohte die SenStadt zudem die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 Euro an. Ferner wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.

Am 09.07.2012 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Berlin Klage auf Auf-hebung des Bescheides vom 07.06.2012 erhoben. Mit bei Gericht am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes fort. Sie macht geltend, die angegriffene Anordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Ihre Werbeanlage unterfalle nicht dem Verbot des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG, da dieses nur für Werbeanlagen an Brücken gelte und es sich bei ihrem Standort nicht um eine Brücke handele. Ihre Anlage stehe vielmehr unzweifelhaft über einem Tunnel. Eine Gleichsetzung mit Brücken sehe das FStrG nicht vor, wie insbesondere § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG zeige, der ausdrücklich zwischen Brücken und Tunneln unterscheide. Darüber hinaus bestehe auch kein besonderes Vollziehungsinteresse. Denn von ihrer Anlage gehe – wie die von ihr eingereichten Fotos zeigten - keine Gefahr für den Verkehr auf der BAB 100 aus. Die Anlage sei vielmehr zur W... hin ausgerichtet. Das Display der Anlage sei zwar auch von der BAB 100 aus zu sehen, jedoch nur in erheblicher Entfernung und geringer Größe. Sie befinde sich zudem nicht im „natürlichen“ Sichtfeld eines Autofahrers. Die Antragstellerin habe ein berechtigtes Interesse daran, die Werbeanlage jedenfalls bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache weiter betreiben zu können. Denn eine vorübergehende Drehung um 90° würde die Anlage wirtschaftlich wertlos machen, da sie dann auch von der W... aus nicht mehr zu erkennen wäre. Bei einer vorübergehenden vollständigen Beseitigung bestehe zudem die Gefahr, dass die Antragstellerin mangels Ausnutzung ihre Sondernutzungserlaubnis verliere.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 09.07.2012 gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 07.06.2012 wiederherzustellen beziehungsweise hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend, dass die Sondernutzungserlaubnis „unbeschadet der Rechte Dritter“ erteilt worden sei und die Antragstellerin daher von Anfang an nicht darauf habe vertrauen können, dass sie von den Pflichten des FStrG entbunden sei. Zwar sehe jenes kein gesondertes Verbot von Werbeanlagen auf Tunneldecken vor. Zweck des Anbauverbots des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG sei es aber, die Ablenkung von Autofahrern durch Werbung unmittelbar über der Fahrbahn zu vermeiden. Aufgrund dessen sei es auch unerheblich, ob es sich um eine Brücke oder eine Tunnelüberfahrung handele. Die Antragstellerin hätte daher eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG beantragen müssen. Nach dem Abbau der Rasterdecke an der Tunneleinfahrt sei die Werbeanlage – wie die von ihr eingereichten Bilder belegten - nunmehr von jeder Fahrspur aus über längere Zeit gut wahrnehmbar. Dies gelte insbesondere auch nachts, wenn die Werbeanlage beleuchtet sei. Die Einfahrt einer Autobahn in einen Tunnel sei stets eine besonders gefährdete Stelle. Vor dem verfahrensgegenständlichen Tunnel sei zusätzlich besondere Aufmerksamkeit erforderlich, da sich unmittelbar davor eine Autobahnauffahrt auf die an dieser Stelle dreispurige Autobahn befinde. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erfordere bei dem hohen Verkehrsaufkommen auf der BAB 100 immer die volle Konzentration der Autofahrer. Die Ablenkung durch die Werbeanlage stelle daher ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der Autobahn dar, weshalb der Antragsgegner berechtigt gewesen sei, eine Veränderung beziehungsweise Beseitigung der Anlage zu fordern. Neben der als Rechtsgrundlage herangezogenen Regelung in § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG hätte die Entscheidung aber auch auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 6 S. 1 FStrG zu dem gleichen Ergebnis kommen müssen. Denn die Werbeanlage befinde sich quer zur Autobahn in einem Abstand von ca. 22 m. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG könne wegen des öffentlichen Interesses an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht erteilt werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin ist nicht begründet.

Im Rahmen der zur Prüfung des Begehrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gebotenen Interessenabwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse. Die Interessenabwägung richtet sich dabei in erster Linie nach der in summarischer Prüfung festzustellenden Rechtmäßigkeit des zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes, mithin den voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Nach diesen Maßstäben bestehen vorliegend keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Änderungs- beziehungsweise Beseitigungsverfügung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfüllt die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Die Begründung lässt in nachvollziehbarer Weise die konkreten Erwägungen erkennen, die den Antragsgegner dazu veranlasst haben, von der Anordnungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Die Anordnung ist über den Grundverwaltungsakt hinaus mit dem dort dargelegten Eilbedarf aufgrund einer erheblichen Gefährdung der Verkehrssicherheit und der negativen Vorbildwirkung hinreichend begründet worden.

Die auf § 17 Abs. 1 ASOG basierende, formell rechtmäßige Verfügung erweist sich bei summarischer Prüfung zudem als materiell rechtmäßig.

Nach § 17 Abs. 1 ASOG können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst dabei den Schutz zentraler Individualrechtsgüter sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urteil v. 25.09.2008 - 7 A 4/07, NVwZ 2009, 588, 591; Urteil v. 25.06.2008 - 6 C 21/07, NJW 2009, 98, 99). Die von der Antragstellerin errichtete Werbeanlage stellt eine Gefahr für diese Schutzgüter dar.

20Die Werbeanlage begründet eine Gefahr für die Unversehrtheit der Rechtsordnung in Gestalt eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG. Nach § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG dürfen an Brücken über Bundesfernstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten Anlagen der Außenwerbung nicht angebracht werden. Die Regelung ist auf die BAB 100 anwendbar, da Autobahnen keine Ortsdurchfahrten zur Erschließung anliegender Grundstücke darstellen (vgl. schon VG Berlin, Beschluss v. 22.07.2008 – VG 1 A 36.08 m.w.N.). Die verfahrensgegenständliche Werbeanlage befindet sich zudem an einer Brücke im Sinne dieser Vorschrift. Zwar differenziert § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG zwischen Brücken und Tunneln im Sinne des Gesetzes. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Überquerung eines Tunnels zugleich Brücke im Sinne des Gesetzes sein kann. Nach der DIN 1076 gelten als Brücken „alle Überführungen eines Verkehrsweges über einen anderen Verkehrsweg, über ein Gewässer oder über tieferliegendes Gelände, wenn ihre lichte Weite zwischen den Widerlagern 2,00 Meter oder mehr beträgt“ (zit. nach http://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCcke#Deutschland, Stand: 31.07.2012). Entscheidend für die Eigenschaft als Brücke ist danach, dass eine Kreuzungssituation vorliegt, die durch den Niveauunterschied zwischen höher gelegener Brücke und tiefer gelegener Unterführung aufgelöst wird. Dies trifft auf den Standort der verfahrensgegenständlichen Werbeanlage zu. Dieser liegt auf dem höher gelegenen Areal des I..., der hier die tiefer gelegene BAB 100 kreuzt. Auch insofern Brücken als Anlagen definiert werden, die der Überwindung natürlicher oder künstlicher Hindernisse dienen (vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 7, Rn. 22), erfüllt der Standort an der W... diese Merkmale. Denn er dient der Überwindung der BAB 100, einem künstlichen Hindernis. Insofern verfängt auch das Argument der Antragstellerin nicht, dass der Tunnel die W... unterquere und nicht umgekehrt die W... die Autobahn überquere. Denn der Tunnel wurde in den 1970er Jahren in sog. offener Bauweise errichtet (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/I..., Stand: 31.07.2012), d.h. es wurde – vereinfacht dargestellt – eine Baugrube ausgehoben, die dann nach Abschluss des Baus von den kreuzenden Straßen wie etwa der W... wieder überbaut wurde.

21Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift stützt eine den verfahrensgegenständlichen Standort einbeziehende Auslegung des Begriffs „Brücke“. Denn die Vorschrift des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG soll die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Bundesfernstraßen vor der Gefahr einer Ablenkung der Autofahrer durch Werbeanlagen bewahren (vgl. Grupp, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 9, Rn. 40; Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, 2008, § 9, Rn. 92). Eine derartige Gefährdung besteht aber nicht nur, wenn Werbeanlagen an Brücken angebracht werden, die über eine oberirdisch verlaufende Straße geführt werden, sondern im gleichen Maße, wenn Werbeanlagen an Brückenbauwerken errichtet werden, die über eine darunter verlaufende Unterführung gebaut sind.

Schließlich sprechen auch die Gesetzessystematik und eine historische Auslegung für dieses Verständnis von „Brücke“. Denn Werbeanlagen wie die verfahrensgegenständliche begründen keinen Verstoß gegen das Anbauverbot des § 9 Abs. 6 S. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG, da sie nicht „längs“ der BAB 100 errichtet werden. Zwar kann der Begriff „längs“ im Rahmen der Wortlautgrenze durchaus weit verstanden werden und damit gegebenenfalls auch quer zur Fahrbahn liegende Anlagen erfassen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.06.2008 - IV-5 Ss (OWi) 109/08 – (OWi) 52/08 IV, NZV 2008, 531; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, Rn. 532). Bei Anlagen im Luftraum über den Bundesfernstraßen ist der Gesetzgeber aber nicht mehr von einer Anbringung „längs“ der Straße ausgegangen (vgl. BT-Drs. 7/1265 v. 19.11.1973, S. 20) und hat daher auch eine ausdrückliche Sondervorschrift für Werbeanlagen an Brücken geschaffen (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.02.2012 – 9 C 8/11, NVwZ 2012, 829, 831). Zwar kommt der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, „als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können“ (BVerfG, Urteil v. 21.05.1952 – 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299). Aufgrund dessen kann der Wille des Gesetzgebers bei der Auslegung auch nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.05.1960 - 2 BvL 11/59 u. 11/60, NJW 1960, 1563, 1564). Mit der Sondervorschrift des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG hat die Auffassung des Gesetzgebers, dass im Luftraum über den Bundesfernstraßen liegende Anlagen vom Anbauverbot grundsätzlich nicht erfasst sind, einen solchen Ausdruck im Gesetz gefunden. Umgekehrt ist daraus aber auch zu schlussfolgern, dass die Regelung in § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG sämtliche Über-/ Unterquerungssituationen an Bundesfernstraßen erfassen sollte (vgl. auch Aust, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 30, Rn. 20 m.w.N.).

Nach alledem unterliegt die Werbeanlage einem Anbauverbot nach § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG. Die Antragstellerin kann dem damit verwirklichten Verstoß gegen die Rechtsordnung auch nicht entgegen halten, Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG zu haben. Abgesehen davon, dass die Anwendbarkeit dieser Regelung bei Werbeanlagen an Brücke fraglich ist (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 31.10.2008 – OVG 1 S 155.08 m.w.N., zit. nach juris), setzte dies jedenfalls voraus, dass das Verbot zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und eine Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar wäre. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Nach Auffassung der Kammer führt die Werbeanlage in ihrer konkreten Ausgestaltung zu einer Verkehrsgefährdung durch eine potentielle Ablenkung von Autofahrern an der besondere Aufmerksamkeit erfordernden Tunneleinfahrt, vor der zudem eine Autobahnauffahrt in die BAB 100 mündet. Denn Autofahrer auf der BAB 100, die – insbesondere durch die eine weitere Hervorhebung bewirkende Beleuchtung in der Nacht – die Werbeanlage wahrnehmen, können dadurch von den Verkehrsverhältnissen auf der Stadtautobahn abgelenkt werden und sich gegebenenfalls plötzlich auftretenden Ereignissen, wie auffahrenden Autos, Rückstau im Tunnelbereich etc. bei den dort zugelassenen 80 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht mehr ausreichend zuwenden. Die Kammer konnte diese Überzeugung auch ohne weitere Beweisaufnahme bilden. Abgesehen davon, dass eine Ortsbesichtigung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ohnehin nicht zwingend geboten ist (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 916), sind die fotografischen Dokumentationen der Antragstellerin und des Antragsgegners im Rahmen des § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, da sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt (vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 22.02.2012 – 4 B 9.12, BeckRS 2012, 48471). Danach ist für die Kammer aufgrund der Bilder klar erkennbar, dass die Werbeanlage jedenfalls in einem nicht nur unbedeutend kleinen Bereich vor der Tunneleinfahrt von Autobahnnutzern deutlich wahrgenommen werden kann und mithin auch ihre ablenkende Wirkung zu entfalten vermag. Aufgrund dieser dargestellten Gefährdungslage wäre eine Abweichung vom Anbauverbot mit den im Rahmen des § 9 Abs. 8 FStrG zu beachtenden öffentlichen Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht vereinbar.

Liegen danach die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 ASOG durch die Errichtung einer fernstraßenrechtlich unzulässigen Werbeanlage vor (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 31.10.2008 – OVG 1 S 155.08, zit. nach juris), durfte die SenStadt die verfahrensgegenständliche Verfügung erlassen. Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht auf gegebenenfalls im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigende Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Zwar steht die Werbeanlage – in leicht abgewandelter Form – an diesem Standort bereits seit über zehn Jahren. Die aktuelle Verkehrsgefährdung entstand auch erst in Folge der von dem Antragsgegner veranlassten Sanierungsmaßnahme, da es zuvor an einer Sichtbarkeit der Werbeanlage auf der BAB 100 fehlte. Die Antragstellerin durfte aber nicht darauf vertrauen, dass sie ihre Werbeanlage an diesem Standort weiter betreiben kann. Denn sie hätte bereits bei Aufstellung der Anlage eine – damals mangels Verkehrsgefährdung auch zu erteilende – Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG beantragen müssen. Indem sie dies unterließ, errichtete und betrieb sie die Werbeanlage formell illegal. Abgesehen davon, dass der Einzelne ohnehin keinen Anspruch auf eine dauerhaft unveränderte Gestaltung öffentlicher Straßen haben dürfte, fehlte es der Antragstellerin damit schon an einem schützenswerten Vertrauen.

25Selbst wenn angenommen werden sollte, dass die verfahrensgegenständliche Anlage nicht an einer Brücke im Sinne des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG angebracht wäre, könnte der Antragsgegner seinen Bescheid gleichwohl rechtmäßig auf § 17 Abs. 1 ASOG stützen. Denn jedenfalls läge in der von der Kammer festgestellten Möglichkeit der Ablenkung der Autofahrer durch die Werbeanlage eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt der zu schützenden Individualrechtsgüter der Verkehrsteilnehmer, die die Verfügung ebenfalls rechtfertigte. In diesem Fall bedingte auch die Zugrundelegung einer dann nicht einschlägigen Rechtsnorm (§ 9 Abs. 6 S. 2 FStrG) durch den Antragsgegner nicht die Rechtswidrigkeit seiner Verfügung. Das Gericht ist im Rahmen seiner Prüfung verpflichtet, der Frage nachzugehen, ob die Behördenentscheidung auf einer anderen normativen Grundlage aufrecht erhalten werden kann. Denn erweist sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig, so darf er nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil die Behörde irrtümlich die unrichtige Eingriffsnorm gewählt hat. Der Rückgriff auf eine andere als die von der Behörde herangezogene Ermächtigungsgrundlage ist vielmehr nur dann unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen verändert wird (vgl. VGH Mannheim, Urteil v. 26.05.1994 - 5 S 2637/93, NVwZ 1995, 397, 398 m.w.N.). Vorliegend hat die SenStadt ohnehin die richtige Ermächtigungsgrundlage herangezogen, da § 17 Abs. 1 ASOG in jedem Fall die einschlägige Eingriffsgrundlage darstellt und § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG nur zur Begründung eines Tatbestandsmerkmals von § 17 Abs. 1 ASOG, nämlich des Vorliegens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, herangezogen wird. Dementsprechend veränderte die Nichtanwendung des § 9 Abs. 6 S. 2 FStrG auch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen.

Auch die Zwangsmittelandrohung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt den §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit dem Streitwertkatalog des Bundesverwaltungsgerichts.