OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.10.2014 - VI- Kart 5/14 (V)
Fundstelle
openJur 2015, 1219
  • Rkr:
Tenor

I. Das Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung wird eingestellt.

II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Antragsgegner zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit entstandenen notwendigen Auslagen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Wert des Verfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen haben den Antragsgegner wegen Verletzung von Unternehmenspersönlichkeitsrechten durch eine Pressemitteilung auf Unterlassung in Anspruch genommen und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt.

Die Antragstellerinnen sind einer breiten Öffentlichkeit bekannte Unternehmen der Lebensmittelbranche. Sie stellen Fleisch- und Wurstwaren her, die insbesondere über den SB-Handel vertrieben werden. Mit Bußgeldbescheiden vom 15. Juli 2014 verhängte das Bundeskartellamt gegen die Antragstellerinnen und neunzehn weitere Unternehmen Geldbußen wegen des Vorwurfs kartellrechtswidriger Preisabsprachen zwischen diesen 21 Unternehmen. Gegen die an sie gerichteten Bußgeldbescheide haben die Antragstellerinnen am 15. bzw. 21. Juli 2014 Einspruch eingelegt; die Geldbußenfestsetzungen sind nicht rechtskräftig.

Über das Bußgeldverfahren berichtet eine am 15. Juli 2014 veröffentlichte und seitdem im Internet abrufbare Pressemitteilung des Bundeskartellamts. Diese hat den folgenden Inhalt:

"Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Wursthersteller
Meldung vom: 15.07.2014
Wegen illegaler Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt heute Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 338 Mio. Euro gegen 21 Wursthersteller sowie gegen 33 verantwortlich handelnde Personen verhängt.
An den Absprachen waren die folgenden Unternehmen beteiligt (in Klammer sind gegebenenfalls die hinter den Unternehmen stehenden Konzerne benannt):
...
- X...;
... [Anmerkung des Senats: Die Auslassungen betreffen die Namen der übrigen mit einem Bußgeld belegten Unternehmen.]
Zahlreiche Aussagen und Unterlagen belegen, dass ein tradiertes "Grundverständnis" existierte, sich regelmäßig über Forderungen von Preiserhöhungen zu verständigen. So trafen sich namhafte Wursthersteller schon seit Jahrzehnten regelmäßig im sogenannten "A.-Kreis", benannt nach seinem ersten Treffpunkt, dem Hamburger Hotel A., um über Marktentwicklungen und Preise zu diskutieren. Neben diesem "A.-Kreis" kam es zwischen verschiedenen Wurstherstellern, insbesondere seit dem Jahre 2003, zu konkreten Absprachen, gemeinsam Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel durchzusetzen. Die Absprachen erfolgten größtenteils telefonisch, sei es durch wechselseitige Anrufe oder organisierte Rundrufe. Auf Grund der Heterogenität der Produkte (verschiedene Wurstsorten, unterschiedliche Packungsgrößen, etc.) war es nicht möglich, konkrete Einzelpreise festzulegen, so dass man sich über Preisspannen für Produktgruppen (Roh-, Brüh-, Kochwurst und Schinken) abstimmte. Im Ergebnis konnten höhere Preisforderungen gegenüber dem Einzelhandel auf der Basis der Kartellvereinbarung durchgesetzt werden.
A. M., Präsident des Bundeskartellamtes: "Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert. Das Gesamtbußgeld erscheint auf den ersten Blick hoch, relativiert sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und den Milliardenumsätzen, die in dem Markt erzielt werden. Gerade bei der Bußgeldbemessung sind wir in der teilweise mittelständisch geprägten Branche mit Augenmaß vorgegangen. Zu Gunsten der Unternehmen haben wir das besondere Umfeld -zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel auf der einen Seite und einer ebenso stark konzentrierten Fleischbranche auf der anderen Seite- berücksichtigt. Außerdem haben wir, soweit es durch einschlägige Unterlagen belegt wurde, der wirtschaftlichen Situation und Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Unternehmens Rechnung getragen."

Das Bundeskartellamt gibt keine Auskunft über die Einzelbußgelder. Die Bandbreite reicht in diesem Fall von wenigen Hunderttausend Euro bis hin zu hohen Millionenbeträgen. Bei der Bußgeldberechnung, die sich nach der Dauer und der Schwere der Tat richtet, sind sowohl der sogenannte tatbezogene Umsatz (also der konkret kartellbefangene Umsatz des jeweiligen Unternehmens) als auch der Gesamtumsatz der Unternehmen wichtige Bezugsgrößen. Der gesetzlich vorgegebene Bußgeldrahmen beträgt 10 % des Gesamtumsatzes. Für die Berechnung des Gesamtumsatzes ist auf die sogenannte "wirtschaftliche Einheit", also den hinter einem Unternehmen stehenden Konzernverbund abzustellen. Der Großteil der Geldbußen (ca. 85 %) entfällt demzufolge auch in diesem Fall auf die konzernzugehörigen Kartellanten. Für die 15 beteiligten kleinen und mittelständischen Unternehmen beläuft sich die Geldbuße im Durchschnitt auf einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag, der im Durchschnitt rund 2 % ihres Jahresumsatzes entspricht.

Erste Hinweise auf das Kartell erlangte das Bundeskartellamt durch einen anonymen Hinweis. Im Laufe des Verfahrens haben insgesamt elf Unternehmen mit der Behörde kooperiert und schließlich Geständnisse abgelegt. Die jeweiligen Kooperationsbeiträge wurden bußgeldmindernd berücksichtigt. Die Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet."

Die Antragstellerinnen sehen sich durch die Pressemitteilung in ihren Unternehmenspersönlichkeitsrechten verletzt und haben am 25. Juli 2014 gegen die Veröffentlichung und Bereithaltung der Mitteilung durch das Amt Beschwerde gemäß § 63 GWB eingelegt. Sie wollen die in der Mitteilung enthaltenen Äußerungen untersagt wissen, dass sie an illegalen Preisabsprachen von insgesamt 21 Wurstherstellern beteiligt gewesen seien. Mit ihrem vorliegenden Antrag vom selben Tage begehren sie mit gleichlautenden Anträgen wie im Hauptsacheverfahren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Antragstellerinnen beanstanden, dass - wie sie meinen - in der Pressemitteilung des Amts ihre Beteiligung an einem Kartellrechtsverstoß als eine feststehende Tatsache dargestellt werde (vgl. S. 2 des Protokolls der Senatssitzung vom 20. August 2014, GA 183).

Die Antragstellerinnen haben beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung unter Androhung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen,
in Zusammenhang mit den gegen sie beim Antragsgegner geführten Verfahren B12-13/09-U1 und B12-13/09-U19 bis zu deren rechtskräftigem Abschluss über sie zu behaupten und/oder zu verbreiten:
"Wegen illegaler Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt (...) Geldbußen (...) gegen 21 Wursthersteller (...) verhängt. An den Absprachen waren die folgenden Unternehmen beteiligt (...) X...",
so wie durch die -vorstehend wiedergegebene- Pressemitteilung vom 15. Juli 2014 geschehen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Das Bundeskartellamt ist der Antragsbegründung im Einzelnen entgegengetreten.

Über das Begehren nach einstweiligem Rechtsschutz ist am 20. August 2014 vor dem Senat mündlich verhandelt worden; hierbei ist ein auf den 10. September 2014 anberaumter Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt worden (vgl. Sitzungsprotokoll = GA 182 f.). Im Hauptsacheverfahren hat bislang keine Verhandlung über die Beschwerde der Antragstellerinnen stattgefunden.

Mit am 8. September 2014 bei dem Senat eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (GA 271) haben die Antragstellerinnen die Rücknahme ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erklärt; ferner haben sie (vorsorglich) eine in Bezug auf das Hauptsacheverfahren unter demselben Datum gegenüber dem Antragsgegner abgegebene Erklärung, (auch) die Beschwerde vom 25. Juli 2014 zurückzunehmen, wiederholt.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 hat der Antragsgegner erklärt, der Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zuzustimmen, und ferner darum gebeten, gemäß den in der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2014 gestellten Anträgen in der Sache zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Nachdem die Antragstellerinnen ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen haben, ist das vorliegende Verfahren einzustellen und sind den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

A. Die von den Antragstellerinnen nach der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2014 erklärte Antragsrücknahme ist rechtswirksam. Infolgedessen ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen; da das GWB für kartellrechtliche Beschwerdeverfahren keine Bestimmung über die Einstellung des Verfahrens nach Rücknahme der Beschwerde oder des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz enthält, ist auf die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zurückzugreifen (vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 18.2.2003 -KVR 24/01, WuW/E DE-R 1119, Rz. 18 bei juris -Verbundnetz II; vgl. zur Verfahrenseinstellung auch BGH, Beschluss v. 29.6.1982 -KVR 5/81, BGHZ 84, 320, Rz. 12 bei juris -Anzeigenraum).

Der Verfahrenseinstellung steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner der nach mündlicher Verhandlung erfolgten Rücknahme des Anordnungsantrags widerspricht. Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kann der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag nach zutreffender und ganz herrschender Meinung in jedem Stadium des Verfahrens auch ohne Einwilligung des Antragsgegners zurückgenommen werden (vgl. nur OVG des Landes Sachsen, Beschluss v. 14.1.2009 -2 B 426/08, Rz. 1 bei juris; Clausing, in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 26. EL [2014], § 92 Rz. 83, jew. m.w.N. sowohl bezüglich der VwGO als auch hinsichtlich der ZPO). Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Antragsgegners hat der Senat geprüft, indes für nicht durchgreifend erachtet. Insbesondere bleibt maßgeblich, dass unbeschadet der Eröffnung einer Rechtsbeschwerdeinstanz auch im kartellverwaltungsrechtlichen Eilrechtsschutzverfahren keine verbindlichen Entscheidungen mit endgültiger Wirkung getroffen werden und vor diesem Hintergrund auch bei diesen auf eine generell lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ausgelegten Verfahren kein durchschlagendes Interesse des Antragsgegners an der Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung daraus erwachsen kann, dass über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.

B. Über die Kosten des Verfahrens ist nach Maßgabe des § 78 GWB zu entscheiden. Sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Auslagen des Antragsgegners sind nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Antragstellerinnen in vollem Umfang aufzuerlegen. Auch im Falle der Rücknahme der Beschwerde sind die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten nämlich demjenigen aufzuerlegen, der ohne die Rücknahme unterlegen wäre (vgl. zu Allem BGH, Beschluss v. 7.11.2006 - KVR 19/06, WuW/E DE-R 1982 - Kostenverteilung nach Rechtsbeschwerderücknahme). Gleiches muss für die Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gelten. Erfolgt die Rücknahme des Rechtsmittels/Antrags zu einem Zeitpunkt, in dem das Gericht die Sach- und Rechtslage bereits abschließend geprüft hat, sind die sich danach ergebenden Erfolgsaussichten für die Kostenverteilung maßgeblich. So liegt der Fall hier.

1. Die Antragstellerinnen haben ihren Eilantrag erst kurz vor dem anberaumten Verkündungstermin zurückgenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Erfolgsaussichten des Antrags im Senat bereits abschließend beraten und der zu verkündende Beschluss vollständig abgefasst gewesen. Jene Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist deshalb auch der - vorliegend zu treffenden - Kostenentscheidung zugrunde zu legen. Das führt zur vollen Kostentragungspflicht der Antragstellerinnen. Denn ihr Eilantrag wäre ohne die Rücknahmeerklärung zurückzuweisen gewesen.

a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§§ 64 Abs. 3, 60 GWB) war, worüber zwischen den Parteien auch kein Streit bestand, zulässig. Insbesondere steht die Zuständigkeit des angerufenen Senats im Hinblick auf § 63 Abs. 1, Abs. 4 GWB außer Zweifel.

§ 63 GWB enthält keinen Numerus clausus der im kartellgerichtlichen Verfahren zulässigen Rechtsschutzmöglichkeiten. Da die Bestimmung gerade eine Zuständigkeitskonzentration bei den ordentlichen Gerichten bezweckt, ist sie weit auszulegen mit der Folge, dass die Kartellgerichte abschließend für alle Kartellverwaltungsrechtsstreitigkeiten zuständig sind, während die allgemeinen Verwaltungsgerichte nur in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtkartellrechtlicher Art zu entscheiden haben. Unter kartellrechtlichen Streitigkeiten sind dabei alle öffentlichrechtlichen Streitigkeiten zu verstehen, an denen eine Kartellbehörde als beklagte Partei beteiligt ist und die - unabhängig von der Handlungsform - ein Handeln der Kartellbehörde betreffen, das seine Grundlage im Kartellgesetz hat. Übertragen sind den nach dem Kartellgesetz zuständigen Beschwerdegerichten dabei nicht nur die in §§ 63 Abs. 1, 3, 71 Abs. 1 bis 5 GWB ausdrücklich aufgeführten Rechtsschutzverfahren, sondern der gesamte gerichtliche Rechtsschutz in kartellverwaltungsrechtlichen Angelegenheiten (zu Allem ebenso: OVG Münster, NZKart 2013, 42, 43), mithin auch der Rechtsschutz gegen ein tatsächliches Verwaltungshandeln der Kartellbehörde, wie sie die Veröffentlichung der streitbefangenen Presseerklärung darstellt.

b) Der Antrag hätte jedoch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stand schon das Fehlen eines Anordnungsanspruchs entgegen. Die streitbefangene Pressemitteilung führt zu keiner Rechtsverletzung der Antragstellerinnen. Ein auf die Verbreitung und/oder Aufrechterhaltung der Pressemitteilung bezogener Unterlassungsanspruch der Antragstellerinnen folgt weder aus §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1, 1004 BGB, Art. 34 GG noch aus einer anderen Rechtsgrundlage.

aa) Allerdings hat die Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 15. Juli 2014 den Schutzbereich des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Antragstellerinnen berührt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf juristische Personen ausgedehnt, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden. Dies ist der Fall, wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Unternehmensinterna gelenkt wird, die zu kritischen Wertungen Anlass geben können (vgl. nur BGH, Urteil v. 19.4.2005 - X ZR 15/04, NJW 2005, 2766 [2769]). So verhält es sich hier, da die streitbefangene Mitteilung über eine zur Überzeugung des Bundeskartellamts feststehende Beteiligung der Antragstellerinnen an über längere Zeit praktizierten Kartellrechtsverstößen berichtet.

bb) Der Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht bedeutet für sich genommen indes nicht, dass die streitbefangene Pressemitteilung rechtswidrig ist. Vielmehr ist unter Würdigung aller Umstände nach Abwägung der von der Mitteilung betroffenen Rechtsgüter und Interessen über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns des Bundeskartellamts zu entscheiden. Soweit es - wie hier - um Informationen über amtliche Vorgänge geht, ist namentlich abzuwägen zwischen dem Informationsrecht der Presse und den Geheimhaltungsinteressen der jeweils betroffenen Person (vgl. BGH, Urteil v. 17.3.1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, Rz. 21 bei juris). Die vorzunehmende Abwägung wäre im zu beurteilenden Fall zu Gunsten des Antragsgegners ausgefallen.

(1) Der Antragsgegner ist grundsätzlich befugt, über die Öffentlichkeit interessierende oder sie gar berührende Vorgänge aus dem ihm zugewiesenen Tätigkeitsbereich zu berichten. Eine diesbezügliche Berichterstattung stellt sich als staatliches Informationshandeln dar, ohne dass das Prinzip des Gesetzesvorbehalts hierfür eine besondere Ermächtigung verlangt, auch wenn durch die Berichterstattung faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91, NJW 2002, 2626 [2629 f.] - Osho-Bewegung). Soweit das Bundeskartellamt über bei ihm geführte Bußgeldverfahren berichtet, ist dies grundsätzlich von gewichtigem Interesse für die Öffentlichkeit. Das gilt auch (und vor allem) dann, wenn Gegenstand des Bußgeldverfahrens - wie hier - Kartellverstöße zum Nachteil des Letztverbrauchers sind, so dass das kartellbehördliche Verfahren die Allgemeinheit unmittelbar betrifft. Ob über die generelle Erlaubnis zur Berichterstattung aus dem eigenen Tätigkeitsbereich hinaus der Antragsgegner als Bundesbehörde der Presse nach näherer Maßgabe der Pressegesetze der Länder (vgl. etwa § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW) sogar zur Auskunftserteilung verpflichtet ist (vgl. hierzu zum einen BVerwG, Urteil v. 20.2.2013 - 6 A 2/12, BVerwGE 146, 56; zum anderen OVG Münster, Urteil v. 18.12.2013 - 5 A 413/11, DVBl. 2014, 464), kann unter diesen Umständen dahinstehen.

(2) Das staatliche Informationshandeln ist an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, so dass von ihm ausgehende Eingriffe in die Freiheitssphäre des Betroffenen nur dann und insoweit zulässig sind, als der Schutz öffentlicher Interessen sie erfordert. Mit Rücksicht auf das für jegliches staatliche Handeln geltende Willkürverbot müssen mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und dürfen Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und auch nicht den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten (vgl. zu Allem BVerfG, Beschluss v. 15.8.1989 - 1 BvR 881/89, NVwZ 1990, 54 = NJW 1989, 3269, Rz. 15 bei juris).

Hieran gemessen greift die streitbefangene Pressemitteilung nicht in unzulässiger Weise in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerinnen ein:

(2.1) Die Pressemitteilung berichtet in zutreffender Weise über die Tatsache, dass das Bundeskartellamt gegen die dort benannten Unternehmen der Fleisch- und Wurstwarenbranche wegen des Vorwurfs illegaler Preisabsprachen Bußgeldbescheide erlassen und Geldbußen in dort genannter Gesamthöhe verhängt hat.

Soweit die Antragstellerinnen reklamiert haben, die Pressemitteilung stelle die dort beschriebenen Kartellrechtsverstöße zu Unrecht als feststehende Tatsachen dar, dies obwohl der Antragsgegner als Exekutivorgan zu "Wahrsprüchen" nicht befugt sei, greift dies nicht durch.

(1) Zutreffend haben die Antragstellerinnen darauf hingewiesen, dass die Pressemitteilung die dargestellten Kartellrechtsverstöße der benannten Unternehmen als vom Bundeskartellamt (bereits) festgestellt bezeichnet. Die Pressemitteilung beschränkt sich insoweit nicht etwa auf die Äußerung eines noch nicht zur Gewissheit des Amts verdichteten Verdachts, dass die benannten Unternehmen ihnen zur Last gelegte Preisabsprachen begangen haben könnten. Anders als die Antragstellerinnen meinen, liegt hierin aber kein rechtswidriges Handeln des Antragsgegners begründet. Insbesondere war das Amt bei seinen Äußerungen - entgegen der Antragsbegründung - nicht an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung über laufende (strafrechtliche) Ermittlungen (vgl. hierzu im Einzelnen etwa BGH, Urteil v. 7.12.1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, Rzn. 18-21 bei juris) gebunden. Die streitbefangene Pressemitteilung verhält sich nicht über den Stand eines laufenden (bußgeldrechtlichen) Ermittlungsverfahrens. Sie berichtet vielmehr über ein vom Bundeskartellamt nach Abschluss eines solchen Ermittlungsverfahrens erlassenes und Rechtsfolgen (Verhängung von Geldbußen) aussprechendes Erkenntnis (Bußgeldbescheide). Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen steht der Erlass eines Bußgeldbescheides im medienrechtlichen Sinne der Erhebung einer strafrechtlichen Anklage durch die Staatsanwaltschaft nicht gleich. Daran ändert nichts, dass ein Bußgeldbescheid mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden kann und gegebenenfalls über den im Bescheid behandelten Tatvorwurf in einer gerichtlichen Hauptverhandlung zu entscheiden ist. Im Unterschied zur staatsanwaltschaftlichen Anklageerhebung wird mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides nicht nur ein behördliches Verfahren abgeschlossen, sondern auch ein Titel geschaffen, der der Rechtskraft fähig ist (§ 84 Abs. 1 OWiG) und aus dem bei Eintritt seiner Rechtskraft eine verhängte Geldbuße im Wege der Vollstreckung beigetrieben werden kann (§§ 89, 90 OWiG). Aus diesem Grund ist der Erlass eines Bußgeldbescheides auch zwingend an die von Seiten der Behörde zu treffende Feststellung eines ordnungswidrigen Verhaltens des Betroffenen gebunden; ein (mit welchem Grad auch immer behafteter) Verdacht reicht insoweit nicht aus. Dies ist wiederum von maßgeblichem Einfluss auf die Anforderungen an die Presseberichterstattung. Ist Gegenstand der Berichterstattung - wie hier - der Abschluss eines behördlichen Ermittlungsverfahrens durch Erlass einer Bußgeldentscheidung, darf daher eine für die Presseöffentlichkeit bestimmte amtliche Kundgabe des behördlichen Handelns eine Wiedergabe der der Entscheidung zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen enthalten.

Da die streitbefangene Pressemitteilung - wie ausgeführt - nicht auf dem Gebiet der Verdachtsberichterstattung liegt, war der Antragsgegner - anders als die Antragstellerinnen meinen - von vornherein auch nicht gehalten, sich vor einer Veröffentlichung der Mitteilung um eine Stellungnahme der Antragstellerinnen zu bemühen oder die Rechtsverteidigung der Antragstellerinnen im Bußgeldverfahren in seine Presseverlautbarung aufzunehmen.

(2) Die streitbefangene Pressemitteilung enthält auch nicht wegen eines von ihr angeblich ausgehenden "Wahrspruchs" eine unzutreffende Tatsachenwiedergabe.

Allerdings dürfte eine zutreffende behördliche Berichterstattung einen Hinweis darauf voraussetzen, dass die mitgeteilte Entscheidung, sofern sie - wie hier - bei Veröffentlichung der Mitteilung nicht bereits rechtskräftig ist, angefochten und samt der ihr zu Grunde liegenden Feststellungen zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen hat der Antragsgegner dieser Anforderung indes genügt, weshalb ein unzulässiger "Wahrspruch" nicht vorliegt. Die Pressemitteilung schließt mit dem zutreffenden Hinweis, dass die verhängten Geldbußen noch nicht rechtskräftig sind und gegen die Bescheide fristgebunden Einspruch eingelegt werden kann, über den gegebenenfalls gerichtlich zu entscheiden ist. Jedenfalls mit der vom Antragsgegner gewählten Formulierung, dass "gegen die Bescheide" Einspruch beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden kann, ist unmissverständlich deutlich gemacht, dass sich die mit einem Bußgeld belegten Unternehmen nicht nur gegen die Höhe der verhängten Geldbuße, sondern auch gegen die dem Bußgeld zu Grunde gelegten Feststellungen über die eigene Beteiligung an dem Kartellrechtsverstoß wehren können. Infolge dessen geht der durchschnittliche Mitteilungsempfänger bei unbefangener Wahrnehmung der streitbefangenen Presseerklärung nicht davon aus, das Bundeskartellamt habe zu den geahndeten Kartellrechtsverstößen Feststellungen getroffen, die grundsätzlich unabänderlich seien und damit als "letztinstanzlich ermittelte Wahrheit" nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden könnten.

Eine andere Beurteilung ist - anders als die Antragstellerinnen meinen - nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit erst am Ende der Pressemitteilung befindet, während die Presseverlautbarung des Amtes mit der im Antrag wiedergegebenen Passage "An den Absprachen waren ... beteiligt" beginnt. Es gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Medienrechts, dass Gegenstand der rechtlichen Beurteilung von Äußerungen nicht einzelne in ihr enthaltene Wörter oder isolierte Passagen, sondern der in ihr als zusammenhängendem Ganzen unter Berücksichtigung des Kontextes zum Ausdruck kommende Sinngehalt ist. Bei der äußerungsrechtlichen Bewertung eines Presseberichts, der einen einheitlichen und erst durch den Zusammenhang voll verständlichen Gedanken wiedergibt, dürfen deshalb nicht die einzelnen Sätze oder bestimmte Einzelformulierungen isoliert untersucht werden, vielmehr muss auf den gesamten zusammenhängenden Text abgestellt werden. Maßgeblich ist dabei das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, mithin eines mit der Materie nicht speziell vertrauten unbefangenen Durchschnittsempfängers (vgl. zum Ganzen: OLG Karlsruhe, Urteil v. 7.4.2006 - 14 U 207/01, BeckRS 2006, 05030, unter II.1.a.aa. mit Nachw. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Nach diesen Grundsätzen begegnen weder die Platzierung noch die Gestaltung des Hinweises auf die Anfechtbarkeit der Bußgeldbescheide rechtlichen Bedenken. Der Hinweis ist sprachlich eindeutig formuliert. Er ist überdies dort platziert, wo er nach dem Sachzusammenhang hingehört und von einem durchschnittlichen Leser der Presseerklärung auch erwartet wird, nämlich an das Ende der Erklärung im Anschluss an die Darstellung des kartellbehördlichen Verfahrens, über das berichtet wird.

Nach alledem verstößt die Pressemitteilung - entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen - auch nicht gegen die Unschuldsvermutung.

(3) Die Pressemitteilung genügt auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragstellerinnen wenden sich selbst nicht dagegen, dass sie in der Presseerklärung namhaft gemacht worden sind. Das haben sie in der Senatssitzung klargestellt (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 20.8.2014, GA 183). Ihre Namhaftmachung wäre auch nicht zu beanstanden gewesen. Denn das Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerinnen tritt unter Würdigung der Umstände des Streitfalls hinter die berechtigten Informationsinteressen der Öffentlichkeit zurück, denen die streitbefangene Amtsmitteilung dient. In den Blick zu nehmen ist der Grundsatz, dass wahre Äußerungen, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind, jedenfalls dann hinzunehmen sind, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre, namentlich die wirtschaftliche Betätigung des Persönlichkeitsrechtsträgers, betreffen (vgl. BGH, Urteil v. 19.4.2005 -X ZR 15/04, NJW 2005, 2766 [2770]. So verhält es sich hier.

Hinzu kommt, dass die geahndeten Kartellrechtsverstöße von einem ganz erheblichen aktuellen Interesse für die Öffentlichkeit sind. Ist es zwischen den mit einem Bußgeld belegten Unternehmen über Jahre hinweg zu kartellrechtswidrigen Preisabsprachen gekommen, sind neben dem Fleisch- und Wurstwarenhandel auch (und vor allem) die Verbraucher als Letztabnehmer der betroffenen Produkte erheblich geschädigt worden. Als Kartellgeschädigte haben sie eigene Schadensersatzansprüche gegen die kartellbeteiligten Unternehmen aus § 33 Abs. 1 und 3 GWB. Damit diese Ersatzansprüche überhaupt wahrgenommen werden können, ist eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die verhängten Geldbußen unter Namensnennung der betroffenen Unternehmen unerlässlich. Diese Information ist zuvorderst Aufgabe des Bundeskartellamts als Hüter eines freien und unverfälschten Wettbewerbs. Der Gesetzgeber hat bereits im Zuge der 7. Kartellrechtsnovelle betont, dass ein effektives zivilrechtliches Sanktionssystem zu einer ausdrücklich gewünschten zusätzlichen Abschreckungswirkung gegen Kartelle beiträgt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf vom 26. Mai 2004, BT-Drucksache 15/3640, Sonderveröffentlichung WuW 7. GWB-Novelle, Seite 133) und in § 33 Abs. 4 Satz 1 GWB angeordnet, dass der Schadensersatzrichter (u.a.) an einen von der Kartellbehörde bestandskräftig festgestellten Kartellverstoß gebunden ist. Daraus leitet sich zwanglos die Befugnis des Amtes ab, in seiner Presseerklärung die Antragstellerinnen als Teilnehmer des geahndeten Preiskartells namentlich aufzuführen.

Das Bundeskartellamt war nicht gehalten, die gesamte Presseinformation so lange zurückzustellen, bis die erlassenen Bußgeldbescheide bestandskräftig geworden sind. In diesem Fall wäre nämlich eine zeitnahe Information des Bundeskartellamtes über das bei ihm abgeschlossene Bußgeldverfahren oftmals unmöglich. Denn erfahrungsgemäß legen etliche Unternehmen eines Bußgeldverfahrens zunächst Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und nehmen diesen erst viele Monate später kurz vor Beginn oder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wieder zurück. Ebenso wenig musste das Amt die Namhaftmachung der beteiligten Unternehmen bis zur jeweiligen Bestandskraft des gegen sie ergangenen Bußgeldbescheides aufschieben, weil hierdurch eine einheitliche und zusammenhängende Presseinformation über das Bußgeldverfahren verhindert und die von der Presseerklärung des Amtes ausgehende Informationswirkung an die Öffentlichkeit beeinträchtigt würde.

III.

Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz der Antragstellerinnen vom 3. September 2014 wäre bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen gewesen (vgl. hierzu Karsten Schmidt, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. [2007], § 69 Rz. 2). Er hätte aber auch keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Soweit er neues tatsächliches Vorbringen zu Verbraucherreaktionen aus Juli 2014 und zum Gang des amtlichen Ermittlungsverfahrens enthält, gilt dies schon allein deshalb, weil dieses Vorbringen ohne Weiteres bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2014 hätte eingereicht werden können. Darüber hinaus rechtfertigt der gesamte Inhalt des Schriftsatzes aber auch keine andere rechtliche Beurteilung als die vorstehend dargelegte.

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 2 GWB) liegen nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei der von der ganz herrschenden Meinung sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur zutreffend bejahten Möglichkeit des Antragstellers, seinen Eilrechtsschutzantrag auch noch nach mündlicher Verhandlung zurückzunehmen, um keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die eine Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht erfordert. Ob und inwieweit einer Rechtsbeschwerde darüber hinaus auch die Vorschrift des § 92 Abs. 3 S. 2 VwGO entgegensteht, die für das Verwaltungsgerichtsverfahren die Unanfechtbarkeit von Einstellungsbeschlüssen nach Klagerücknahme anordnet, kann hier dahinstehen.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.

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