AG Augsburg, Beschluss vom 10.10.2014 - 1 M 8256/14
Fundstelle
openJur 2015, 1034
  • Rkr:
Tenor

1. Der sofortigen Beschwerde der Gläubigerin ……. vom 23.09.2014 gegen den Beschluss vom 10.09.2014 wird nicht abgeholfen.

2. Das Verfahren wird zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde dem zuständigen Landgericht Augsburg vorgelegt.

Gründe

Für 20.08.2013 wurde Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmt. Zu diesem Termin war der Schuldner unentschuldigt nicht erschienen. Mit Schreiben vom 01.08.2014, eingegangen am 13.08.2014 stellte die Gläubigerin Haftbefehlsantrag nach § 802g Absatz 2 ZPO. Mit Beschluss vom 10.09.2014 wurde der Haftbefehlsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 23.09.2014 hat die Gläubigerin hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt, weil es eine zeitliche Grenze für die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls nicht gebe.

Der sofortigen Beschwerde wird aus den nachfolgenden Gründen nicht abgeholfen.

1) Der Gesetzgeber hat für die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls in § 802g Absatz 1 keine Frist vorgesehen, was für eine zeitlich unbegrenzte Antragsstellung sprechen könnte.

Gleichwohl ist eine zeitliche Begrenzung aufgrund verfassungskonformer Auslegung vorzunehmen. Dabei ist in Anlehnung an § 185a Nr. 2 lit. a Absatz 2 Satz 4 GVGA a.F. (dazu unten) im Regelfall der Antrag innerhalb von 6 Monaten zu stellen.

Die Möglichkeit einen Haftbefehl zu beantragen, um die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen ist, verstößt nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfGE 48, 396 ff:: Beschluss vom 20.06.1978 und BVerfGE 61, 126 ff.: Beschluss vom 19.10.1982).

Jedoch muss das dabei zu beachtende Verfahren dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, wobei im Hinblick auf den hohen Rang der persönlichen Freiheit des Schuldners strenge Maßstäbe anzulegen sind. Abzuwägen ist zwischen den Freiheitsrechten des Schuldners und dem ebenfalls grundrechtlich durch Art 14 GG geschützten Anspruch des Gläubigers auf eine effektive Vollstreckung.

Aus der Sicht des Schuldners spricht für eine zeitliche Begrenzung des Antragsrechts des Gläubigers, dass er nach dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht über die Antragsstellung des Gläubigers und auch nicht über den Erlass eines Haftbefehls informiert wird, sondern erst bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls erhält (§ 802g Absatz 2 Satz 2 ZPO). Bei zeitlich unbegrenzter Antragsstellung wäre der Schuldner ständig der Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt.

Auch ist es denkbar, dass der Schuldner zwischenzeitlich Vermögen erworben hat, so dass der Gläubiger ohne in die Freiheitsrechte des Schuldners eingreifen zu müssen, durch Pfändung seine Rechte durchsetzen kann. Der Erlass eines Haftbefehls und dessen Vollstreckung sind dann nicht erforderlich.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist ferner, dass der Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls im Belieben des Gläubigers steht und damit ohne persönliches Risiko letztlich die Verhaftung des Schuldners durchsetzen lassen kann, auch wenn die Verhaftung unverhältnismäßig wäre.

Eine zeitliche Begrenzung der Zwangsvollstreckung ist dem Zwangsvollstreckungsrecht nicht unbekannt. So wird auch im Rahmen der Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses nach § 758a Absatz 1 ZPO verlangt, dass der Vollstreckungsversuch in angemessenem zeitlichem Zusammenhang mit der Durchsuchungsanordnung stehen muss 8(vgl. Zöller 30. Auflage § 758a ZPO RdNr. 20 a.E.). Im Rahmen des bis 31.12.2012 geltenden § 807 Absatz 1 Nr. 1 ZPO a.F. wurde davon ausgegangen, dass im Regelfall seit dem Tag des bescheinigten erfolglosen Vollstreckungsversuchs nicht mehr als sechs Monate vergangen sind (vgl. § 185a Nr. 2 lit a Absatz 2 Satz 4 GVG a.F.).

Schließlich könnte bei einer unbefristeten Antragstellung der Gläubiger ohne ersichtlichen Grund missbräuchlich auf die Vollziehungsfrist eines Haftbefehls von 2 Jahren (§ 802h Absatz 1 ZPO) Einfluss nehmen, eine Frist die gerade verfassungsrechtlichen Bedenken berücksichtigen wollte, als es eine zeitliche Befristung noch nicht gab (erst mit Wirkung zum 01.01.1999 aufgrund des zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften - 2. Zwangsvollstreckungsnovelle - vom 17.12.1997 hat der Gesetzgeber die zeitliche Befristung der Vollziehung des Haftbefehls auf drei Jahre - § 909 Absatz 2 ZPO a.F. - eingeführt)

Das Interesse des Gläubigers an einer effektiven Vollstreckung wird nun nicht dadurch unverhältnismäßig beeinträchtigt, dass man von ihm eine zeitlich befristete Entscheidung darüber verlangt, ob er von seinem Antragsrecht nach § 802g Absatz 1 Satz 1 ZPO Gebrauch machen will oder nicht.

2) Selbst wenn man eine generelle zeitliche Begrenzung ablehnt, muss man hier das Antragsrecht der Gläubigerin mangels Rechtsschutzbedürfnis verneinen. Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Vorliegend hat die Gläubigerin überhaupt keine Ausführungen gemacht, weshalb erst nach einem Jahr der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt wird.

Im Übrigen ist das Antragsrecht vorliegend verwirkt. So hat die Gläubigerin sich verspätet auf ihr Antragsrecht berufen (Zeitmoment) und ist unter Verhältnissen untätig geblieben, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment). Eine Festlegung auf eine abstrakte Frist, ab der stets von dem Vorliegen des Zeitmoments für die Verwirkung auszugehen wäre, ist nicht möglich. Ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, lässt sich letztlich nur bei einzelfallbezogener Abwägung der Umstände ermitteln. Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine starre Höchst- oder Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.

Unter Berücksichtigung der unter Ziffer 1 gemachten Ausführungen ist grundsätzlich bereits nach sechs Monaten das Recht auf Beantragung eines Haftbefehls nach § 802g Absatz 1 Satz 1 ZPO verwirkt, es sei denn es werden Umstände vorgetragen, weshalb ein Haftbefehl nicht früher beantragt wurde, was hier nicht der Fall ist.