Thüringer OVG, Beschluss vom 10.03.2014 - 2 EO 511/13
Fundstelle
openJur 2015, 23225
  • Rkr:

1. Die vom Dienstherrn im Einzelfall gewählte Beurteilungsart "Regelbeurteilung und Anlassbeurteilung" kennen weder die Beurteilungsrichtlinie noch die sonstigen normativen Grundlagen des Beurteilungswesens; eine solche Mischform ist dem Recht der dienstlichen Beurteilung fremd.

2. Besteht nach der Beurteilungsrichtlinie eine Verpflichtung zur Erteilung einer Regelbeurteilung, dann müssen die für sie vorgesehenen Maßgaben eingehalten werden, um im Rahmen einer Auswahlentscheidung eine hinreichende Vergleichbarkeit und damit die Chancengleichheit der Bewerber zu gewährleisten.

3. Zum Auseinanderfallen von Leistungsbewertung und Eignungsprognose in einer dienstlichen Beurteilung im Einzelfall.

4. Zur Berücksichtigung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Eignungsprognose in der Auswahlentscheidung im Einzelfall.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Ernennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Landgericht bei dem Landgericht X.. Mit Beschluss vom 31. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner vorläufig - bis in einem erneuten Auswahlverfahren über die Bewerbung der Antragstellerin entschieden worden ist - untersagt, die Stelle als Vorsitzende Richterin/Vorsitzender Richter am Landgericht bei dem Landgericht in X. endgültig zu besetzen.

Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Mit seinem Beschwerdevorbringen zeigt der Antragsgegner keine Gründe auf, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben kann.

Den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten rechtlichen Maßstab für den Erlass der einstweiligen Anordnung stellt die Beschwerde nicht in Frage. Sie bezweifelt auch nicht, dass für die Antragstellerin ein Anordnungsgrund besteht. Soweit sich ihre Kritik gegen die erstinstanzliche Annahme wendet, die Auswahlentscheidung sei fehlerhaft, überzeugen die damit verbundenen Einwände nicht.

Das Verwaltungsgericht ist zunächst zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswahl auf einer fehlerhaften Beurteilungsgrundlage beruht. Dies folgt offenkundig bereits daraus, dass die "Regel- und Anlassbeurteilung" der Beigeladenen unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zu Stande gekommen ist, die der Antragsgegner zur Wahrung des Gleichheitssatzes einzuhalten hatte.

Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte bzw. Richter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten bzw. Richters zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten bzw. Richters, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen "Klärung einer Wettbewerbssituation" zu. Dies verlangt größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter bzw. Richter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten bzw. des einzelnen Richters führen. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten bzw. Richter untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41/00 - NVwZ-RR 2002, 201).

Eine dienstliche Beurteilung ist zwar wegen der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich. Die Verwaltungsgerichte können nur prüfen, ob der Beurteiler einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist. Soweit der Dienstherr aber Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zu prüfen, ob diese - durch Art. 3 Abs. 1 GG den Dienstherrn gegenüber dem Gericht rechtlich bindenden - Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit der gesetzlichen Regelung im Einklang stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2007 - 2 C 2/06 - RiA 2007, 275 und Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 - NVwZ 2003, 1398; Beschluss des Senats vom 18. März 2011 - 2 EO 471/09 - Juris, m. w. N.).

Derartige Verwaltungsvorschriften hat der Antragsgegner mit der Richtlinie "Dienstliche Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten" vom 1. Juli 1994 (2000-4/94, JMBl. S. 104) erlassen. Er hat aber die Bestimmungen in Ziffer 3.1 und 3.2 der Beurteilungsrichtlinie, die weder einfach- noch verfassungsrechtlich zu beanstanden sind, nicht beachtet. Die Beurteilungsart "Regelbeurteilung und Anlassbeurteilung", die der Antragsgegner bzw. der für ihn handelnde Vorgesetzte im Fall der Beigeladenen gewählt hat, kennen weder die Beurteilungsrichtlinie noch die sonstigen normativen Grundlagen des Beurteilungswesens (§ 11 Abs. 1 ThürRiG i. V. m. §§ 50 ff. ThürLbVO). Das Recht der dienstlichen Beurteilung unterscheidet zwischen der periodischen Beurteilung (oder auch Regelbeurteilung, vgl. Ziffer 3.1 der Beurteilungsrichtlinie) und der Anlassbeurteilung (Ziffer 3.2 der Beurteilungsrichtlinie); eine Mischform zwischen beidem ist dem Beurteilungswesen fremd. Ausgehend hiervon war der Präsident des Landgerichts X. nach Ziffer 3.1 und 3.2 der Beurteilungsrichtlinie verpflichtet, für einen Teil des von der "Regelbeurteilung und Anlassbeurteilung" der Beigeladenen vom 19. Juni 2012 erfassten Beurteilungszeitraums vom 1. Dezember 2006 bis zum 15. Juni 2012 eine Regelbeurteilung und ggf. für einen weiteren Teil eine Anlassbeurteilung zu erstellen. Nach Ziffer 3.1 der Beurteilungsrichtlinie ist eine periodische Beurteilung von Richtern auf Lebenszeit nach Ablauf von zwei, sieben und zwölf Jahren nach der Lebenszeiternennung abzugeben. Folglich war der Beigeladenen, die am 23. September 1999 zur Richterin auf Lebenszeit ernannt wurde, zum Stichtag 23. September 2011 die letzte, zwölf Jahre nach Lebenszeiternennung zu erstellende periodische Beurteilung zu erteilen. An diesem Stichtag ändert sich nichts dadurch, dass ggf. aus Anlass der Bewerbung der Beigeladenen um die Stelle einer Vorsitzenden Richterin am Landgericht auch eine Anlassbeurteilung nach Ziffer 3.2 der Beurteilungsrichtlinie zu erstellen gewesen wäre, wenn der letzten periodischen Beurteilung die für die Auswahl erforderliche hinreichende Aktualität gefehlt hätte. Eine etwaig erforderliche Anlassbeurteilung hätte keine die Regelbeurteilung ersetzende Funktion gehabt. Ihre Aufgabe hätte darin bestanden, anknüpfend an den Stichtag der letzten periodischen Beurteilung bis zum Stichtag der Anlassbeurteilung (24. September 2011 bis ggf. 15. Juni 2012) aktuelle Aussagen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der zu beurteilenden Richterin zu treffen.

Besteht - wie hier nach Ziffer 3.1 der Beurteilungsrichtlinie - eine Verpflichtung zur Erteilung einer periodischen Beurteilung, dann müssen auch die für sie vorgesehenen Maßgaben eingehalten werden, um im Rahmen einer Auswahlentscheidung eine hinreichende Vergleichbarkeit zu gewährleisten und die Chancengleichheit der Bewerber zu wahren (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41/00 - NVwZ-RR 2002, 201 m. w. N.). Zu diesen Maßgaben gehört der für Regelbeurteilungen vorgesehene Beurteilungszeitraum von zwölf Jahren, der mit der "Regelbeurteilung und Anlassbeurteilung" der Beigeladenen vom 19. Juni 2012 nicht beachtet worden ist. Der Regelbeurteilungszeitraum ist um neun Monate verschoben worden.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass es bei den dienstlichen Beurteilungen von Richtern - anders als bei Beamten - bedingt durch die Anknüpfung an den individuell verschiedenen Zeitpunkt der Ernennung auf Lebenszeit kalendarisch keinen gemeinsamen Beurteilungsstichtag gibt. Durch die Fixierung auf bestimmte Zeitpunkte nach der Lebenszeiternennung wird ebenso Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Richter hergestellt, und zwar bezogen auf ihr Leistungsbild und ihre Entwicklung zwei, sieben und zwölf Jahre nach der Lebenszeiternennung (vgl. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2013 - OVG 4 S 64.13 - Juris).

Die "Regelbeurteilung und Anlassbeurteilung" der Antragstellerin zum Stichtag 15. Juni 2012 vom 7. August 2012 begegnet aus denselben Gründen Bedenken. Es spricht einiges dafür, dass die dienstliche Beurteilung der am 25. Juni 1997 zur Richterin auf Lebenszeit ernannten Antragstellerin einen Beurteilungszeitraum aufweist, der von dem für die letzte Regelbeurteilung vorgesehenen zwölfjährigen Beurteilungszeitraum abweicht. Dabei kann die Frage der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Elternzeiten offenbleiben. Auch im letzteren Fall - für den sich der Antragsgegner bzw. Beurteiler wohl entschieden hat - wäre der Regelbeurteilungszeitraum nicht am 15. Juni 2012, sondern erst Mitte Februar 2013 abgelaufen gewesen.

Weiter folgt der Senat dem Verwaltungsgericht darin, dass die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen auch aus materiellen Rechtsgründen fehlerhaft ist.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass nicht feststellbar sei, ob der Beurteiler bei der Abfassung der der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten Beurteilungen sein Beurteilungsermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Diesbezügliche Zweifel ergäben sich aus dem Umstand, dass er einerseits die Antragstellerin in ihrer Beurteilung mit der Gesamtnote "übertrifft die Anforderungen erheblich (obere Grenze)" und für das Amt einer Vorsitzenden Richterin am Landgericht mit der Eignungsprognose "hervorragend geeignet" bedacht habe, er andererseits jedoch hinsichtlich der Beigeladenen trotz identischer Gesamtnote und einer besseren Leistungsbewertung in den sog. richterlichen Kernkompetenzen lediglich die Eignungseinschätzung "geeignet" vergeben habe. Zwar könnten in einer Beurteilung die Eignungseinschätzung und die Leistungsbewertung durchaus auseinanderfallen. Denn während die Beurteilung der fachlichen Leistung auf eine qualitative und quantitative Bewertung der dem Beurteilten zurechenbaren Arbeitsergebnisse unter Berücksichtigung der Anforderungen des ausgeübten Amtes abziele, erstrecke sich die Beurteilung der Eignung für das angestrebte Amt auf Umstände, die für seine zukünftige Verwendung bedeutsam seien. Die Einschätzung der Eignung sei damit eine im Wesentlichen prognostische Feststellung. Gleichwohl bestehe zwischen beiden Bewertungen eine innere Abhängigkeit. Denn die Erwartung künftiger Leistungen müsse notwendigerweise auf die im Beurteilungszeitraum geleistete Arbeit aufbauen. Dies sei zwar nicht im Sinne eines strengen Schematismus zu verstehen. Fielen beide Bewertungen auseinander, müssten sich dafür aber zumindest plausible Gründe finden lassen. Daran fehle es.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Begründung, das Verwaltungsgericht habe seine Prüfungskompetenz überschritten. Es habe der Eignungseinschätzung eine besondere, zu weitgehende Bedeutung beigemessen, die sie nach der Beurteilungsrichtlinie nicht habe. Die Eignungseinschätzung sei danach lediglich unselbständiger Teil der Gesamtbeurteilung. Sie habe untergeordnete Bedeutung und sei nur ein Teil von vielen Beurteilungselementen, die im Ergebnis die Gesamtbeurteilung konstituierten. Die Beurteilungsrichtlinie lasse nicht erkennen, dass eine innere Abhängigkeit von Leistungsbewertung und Eignungsprognose bestehe. Das Verwaltungsgericht behandle beide Bewertungen sachwidrig als eine Art Teilnote. Mit seinen ohne Rückhalt in gesetzlichen Bestimmungen oder in der Beurteilungsrichtlinie aufgestellten zu hohen und damit fehlgewichteten Begründungsanforderungen bei der Bewertung und Gewichtung der Eignungsprognose in den Beurteilungen greife es unzulässigerweise in das dem Dienstherrn zustehende Verwaltungsermessen ein. Das Gericht setze seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle des allein ihm zustehenden Auswahlermessens.

Mit diesem Beschwerdevorbringen wird die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Zweifel gezogen. Der Beschwerdeführer hat bereits die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht zutreffend herausgearbeitet. Das Verwaltungsgericht hat weder ausdrücklich noch der Sache nach angenommen, dass der Eignungsprognose gegenüber der Gesamtbeurteilung ein besonderes Gewicht zukommt. Es hat vielmehr entscheidungstragend darauf abgestellt, dass es hier im Einzelfall an der Plausibilisierung der dienstlichen Beurteilungen fehle, die im Hinblick auf den Wertungswiderspruch zwischen Leistungsbewertung und der Eignungsprognose als einem Beurteilungselement geboten sei. Hiergegen ist nichts zu erinnern.

Das Verwaltungsgericht hat sich damit im Rahmen seiner Prüfungskompetenz (§ 114 VwGO) gehalten und zutreffend entschieden, dass die der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilungen der Antragstellerin und Beigeladenen zum Stichtag 15. Juni 2012 nicht hinreichend plausibel sind und deshalb keine tragfähige Grundlage für die Auswahl darstellen.

Dienstliche Beurteilungen sind - wie dargestellt - nach ständiger Rechtsprechung von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt nachprüfbar (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. März 2007 - 2 C 2/06 - RiA 2007, 275 und Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 - NVwZ 2003, 1398). Wird eine dienstliche Beurteilung auf allgemein gehaltene Tatsachenbehauptungen oder auf allgemeine oder pauschal formulierte Werturteile gestützt, hat der Dienstherr diese auf Verlangen zu konkretisieren bzw. plausibel zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 723/99 - Juris), was auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1994 - 2 A 1/93 - Juris und vom 26. Juni 1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245). Die Plausibilisierung muss inhaltlich so beschaffen sein, dass das Recht des Beurteilten, Einwände gegen die Beurteilung vorzutragen, ebenso gewährleistet ist wie das Recht auf gerichtliche Überprüfung der Beurteilung, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Ab. 2 GG. Sie muss über eine formelhafte Behauptung hinausgehen und die Gründe und Argumente des Dienstherrn für den Beurteilten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar machen. Das Verwaltungsgericht kann nur auf der Grundlage solcher Erläuterungen und Konkretisierungen nachprüfen, ob der Dienstherr bei der Abgabe der dienstlichen Beurteilung bzw. einzelner in ihr enthaltener Werturteile von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder allgemein gültige Wertmaßstäbe verletzt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1980 - 2 C 8/78 - a. a. O.). Misslingt die Plausibilisierung der Beurteilung, ist sie rechtswidrig (vgl. etwa im Einzelfall: Beschluss des Senats vom 18. März 2011 - 2 EO 471/09 -; Beschluss des Senats vom 18. Juni 2012 - 2 EO 961/11 - jeweils Juris).

Das Plausibilisierungserfordernis ergibt sich hier aus folgenden Umständen:

Die Eignungsprognose ist nach Ziffer 5.3 der Beurteilungsrichtlinie ein Bestandteil der dienstlichen Beurteilung von Richtern. Nach Ziffer 5.3 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinie schließt die dienstliche Beurteilung mit einer Gesamtbeurteilung ab. Diese enthält nach Ziffer 5.3 Satz 2 der Beurteilungsrichtlinie eine zusammenfassende Würdigung der Tätigkeit des Beurteilten und eine Bewertung der Eignung für die im Beurteilungszeitraum ausgeübte oder eine solche Tätigkeit, die nach der Auffassung des Beurteilenden dem Beurteilten in absehbarer Zeit übertragen werden könnte. Soweit eine Beurteilung aus Anlass der Bewerbung für eine Beförderungsstelle vorgenommen wird, muss die Gesamtbeurteilung eine konkrete Einschätzung der fachlichen und persönlichen Eignung für das Amt enthalten, auf das sich der Richter oder Staatsanwalt beworben hat (Ziffer 5.3 Satz 3 der Beurteilungsrichtlinie). Nach Ziffer 5.6 der Beurteilungsrichtlinie soll sich die Gesamtbeurteilung aus der funktionsbezogenen Gewichtung der einzelnen Beurteilungsmerkmale ergeben. Die Beurteilungsrichtlinie entspricht damit der gefestigten Rechtsprechung, wonach ein allein aus den Einzelmerkmalen ermitteltes arithmetisches Gesamturteil unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2007 - 2 C 2/06 - RiA 2007, 275; Urteil vom 24. November 1994 - 2 C 21/93 - BVerwGE 97, 128). Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Beurteiler im Rahmen der ihm zukommenden Beurteilungsermächtigung bei der Bestimmung des Gesamturteils gänzlich frei bewegen kann. Vielmehr muss das Gesamturteil mit den Einzelmerkmalen und den sonstigen in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen allgemeinen Werturteilen, zu der die Eignungsprognose, wenn sie wie hier abgegeben wird, zählt, in Einklang zu bringen sein; die dienstliche Beurteilung muss in sich widerspruchsfrei sein (vgl. Beschluss des Senats vom 18. März 2011 - 2 EO 471/09 - Juris; OVG Saarlouis, Beschluss vom 22. April 1999 - 1 W 4/99 - ZBR 2001, 339). Daran fehlt es vorliegend, wie die Zusammenschau der Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zum Stichtag 15. Juni 2012 zeigt.

Der Präsident des Landgerichts X. führt als zuständiger Beurteiler zur Eignung in der Beurteilung der Antragstellerin aus: "Schon in meinen Anlassbeurteilungen vom 07.12.2007 und 14.08.2009, auf die ich insoweit ergänzend Bezug nehme, hatte ich die besondere Eignung der Richterin für eine Verwendung bei dem Thüringer Oberlandesgericht herausgehoben; an dieser Bewertung halte ich gerade vor dem Hintergrund der Kombination aus Genauigkeit und herausragender Fachkompetenz ausdrücklich fest. Dies bedeutet zugleich, dass Frau S... auch als Vorsitzende Richterin am Landgericht hervorragend geeignet ist." Zur Eignung der Beigeladenen führt er in ihrer Beurteilung aus: "Frau H... ist nach Kompetenz, Arbeitsstil, persönlichem Umfang und Engagement hervorragend für eine Tätigkeit am Oberlandesgericht geeignet. Sie erscheint mir darüber hinaus schon heute zur Übernahme des Vorsitzes in einem Spruchkörper ebenso wie für eine Leitungsfunktion in der Justizverwaltung geeignet."

Diese vom Präsidenten des Landgerichts vorgenommene Differenzierung der Eignungseinschätzungen lässt sich allein an Hand der dienstlichen Beurteilungen nicht nachvollziehen; es bedarf ihrer Plausibilisierung.

Die dienstlichen Beurteilungen sind aus sich heraus insofern nicht verständlich, als die Eignungsprognosen nicht mit den Leistungsbewertungen in Einklang zu bringen sind. Obwohl die Beigeladene sowohl in den vom Dienstherrn vorgegebenen Kernmerkmalen der richterlichen Tätigkeit (Fachkenntnisse, Auffassungsgabe, Denk- und Urteilsfähigkeit, Arbeitsorganisation, Verhandlungsgeschick, Ausdrucksvermögen, Belastbarkeit) als auch in den Merkmalen der sozialen Kompetenz über eine bessere Leistungsbewertung verfügt, die gegenüber der Antragstellerin einen ihre Auswahl rechtfertigenden Leistungsvorsprung begründen könnte, hat sie gegenüber der Antragstellerin eine schlechtere Eignungsprognose für das Amt als Vorsitzende Richterin am Landgericht erhalten. Umgekehrt ist der in der Leistungsbewertung schlechteren Antragstellerin die bessere Eignung für das Beförderungsamt bescheinigt worden. Diese Bewertungen des Beurteilers bedürfen der Erklärung. Die zukunftsorientierte Einschätzung der Eignung des zu Beurteilenden für ein höherwertiges Amt baut notwendigerweise auf den Leistungs- und Eignungsfeststellungen im innegehabten Amt auf. Dabei ist die Eignungsprognose umso mehr an der Leistungs- und Eignungsbewertung im innegehabten Amt zu entwickeln, je mehr das angestrebte Beförderungsamt an Anforderungen des innegehabten Amtes anknüpft und ihre Erfüllung in besonders hohem Maße verlangt (vgl. ähnlich OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2012 - 1 B 214/12 - DÖD 2012, 201; Beschluss vom 13. Oktober 2006 - 5 ME 115/06 - RiA 2007, 132). So liegt es auch hier. Der Antragsgegner verlangt für das Amt der/des Vorsitzenden Richterin/Vorsitzenden Richters am Landgericht überdurchschnittliche Fachkenntnisse, eine hohe Auffassungsgabe, Denk- und Urteilsfähigkeit, eine überdurchschnittliche Arbeitsorganisation, ein gutes Verhandlungsgeschick, ein überdurchschnittliches Ausdrucksvermögen und eine überdurchschnittliche Belastbarkeit und greift damit Merkmale auf, die bereits im Amt eines Richters/einer Richterin am Landgericht zu erfüllen sind. Gleiches gilt, soweit er für das Beförderungsamt hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz (Verhalten zu anderen, Ausgeglichenheit, Durchsetzungsfähigkeit) stellt. Stehen innegehabtes Amt und Beförderungsamt in einem solchen engen Zusammenhang, wird regelmäßig aus den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen auf die künftige Eignung im neuen Amt zu schließen sein; im Allgemeinen wird die Eignungsprognose dem Leistungsbild in der Tendenz folgen. Vergibt dagegen der Beurteiler dem in der Leistung schlechter bewerteten Richter die bessere oder - wie hier - sogar eine herausgehobene Eignungsprognose, dem in der Leistung besser bewerteten Richter aber eine - wie hier - um drei Stufen abfallende Eignungsprognose ("geeignet"; vgl. zur Übung des Beurteilers, Anlage 1 zur Auswahlentscheidung), ist er zwar daran im Rahmen seines Beurteilungsermessens nicht gehindert. Diese auch möglichen Werturteile bedürfen aber einer nachvollziehbaren Begründung, die ggf. im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden kann. Davon hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht.

Schließlich begegnet die Auswahlentscheidung selbst durchgreifenden Bedenken.

Die gerichtliche Prüfung ist dabei wegen der dem Dienstherrn eingeräumten Beurteilungsermächtigung für seine Einschätzung der fachlichen Leistung, Befähigung und Eignung beschränkt. Das Gericht ist wiederum nur befugt zu prüfen, ob der Dienstherr den gesetzlichen Rahmen und die anzuwendenden Rechtsbegriffe zutreffend gewürdigt hat, ob er von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob er allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet hat und ob er schließlich sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Dem Dienstherrn bleibt es unbenommen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zuzurechnenden Umständen er das größere Gewicht beimisst. Die Auswahlkriterien als solche sind allerdings durch die Verfassung vorgegeben. Der Dienstherr ist insoweit verpflichtet, alle entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen, zu gewichten und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 25. August 2010 - 2 EO 735/09 -; Beschluss des Senats vom 30. Mai 2012 - 2 EO 890/11 - Juris; BVerwG, Urteil vom 22. September 1988 - 2 C 35/86 - Juris).

Ausgehend von diesem Maßstab spricht Überwiegendes dafür, dass auch die Auswahlentscheidung fehlerhaft ist. Bildet die Eignungsprognose - wie hier - ein Kriterium der Auswahl (vgl. 6. b der Auswahlentscheidung, Bl. 179 des Besetzungsvorgangs), müssen auch die Erwägungen dazu ermessensfehlerfrei sein. Daran fehlt es. Die Bewertung des Antragsgegners, das von der Beigeladenen erreichte Leistungsniveau und die von ihr erworbene Befähigung und gezeigte Eignung rechtfertigten die Einschätzung, dass sie die Anforderungen des zu besetzenden Amts im Vergleich zu ihren Mitbewerbern dauerhaft am besten erfüllen wird, ist nicht schlüssig. Diese Prognose steht im Widerspruch zu den Eignungsprognosen in den der Auswahl zugrunde liegenden Beurteilungen der Beigeladenen und der Antragstellerin zum Stichtag 15. Juni 2012 und damit im Widerspruch zu dem vom Beurteiler als unmittelbaren Dienstvorgesetzten vorgenommenen Eignungsvergleich. Diesen Umstand hätte der Antragsgegner in die Auswahlentscheidung einbeziehen und würdigen müssen. Die bloße Aufnahme der Eignungsbewertungen des Beurteilers in den Beurteilungsspiegel, der dem Auswahlvermerk als Anlage beigefügt war, reicht nicht aus, um die vom Beurteiler abweichende Eignungsprognose nachvollziehbar zu machen. Im Übrigen nimmt der Senat insofern auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug, die er sich zu Eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsgegner auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese hat im Verfahren weder einen Antrag gestellt noch selbst in der Sache Stellung genommen mit der Folge, dass sie sich einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Hinweis:Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).