OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2014 - I-1 U 205/13
Fundstelle
openJur 2015, 774
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. November 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 18b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

Die Beklagten sind aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kläger zum Schadensersatz aufgrund des Unfallereignisses verpflichtet, welches sich am 25. Mai 2010 an dem Bauvorhaben "XXX" in XXX zwischen dem Kläger als Einweiser und dem durch den Beklagten zu 1. gesteuerten Lkw Mercedes-Benz der Beklagten zu 2. ereignet hat. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht angenommen, das Schadensereignis habe sich nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII zugetragen.

Bei richtiger Subsumtion des weitgehend unstreitigen Sachverhalts zum Hergang des Schadensereignisses unter die vorgenannte Vorschrift hätte das Landgericht die Haftungsprivilegierung des Beklagten zu 1. als Anlieferungsfahrer mit Baumaterial für den Fortschritt des Bauvorhabens, für welches der Kläger als Estrichleger eingesetzt war, bejahen müssen. Es lag aufgrund einer Absprache ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des Klägers und des Beklagten zu 1. bei dem Versuch vor, eine für die weitere Estrichverlegung benötigte Sandmenge in dem für den Lkw schwer zugänglichen Baustellenbereich abzuladen. Im Zuge der Einweisertätigkeit ist dann der linke Fuß des Klägers durch den hinteren linken Zwillingsreifen des Lkw überrollt worden. Selbst wenn man in Übereinstimmung mit der Würdigung des Landgerichts ein fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten zu 1. im Zusammenhang mit der Entstehung des Unfallereignisses als gegeben erachtete, wäre für die Annahme einer Haftung des Beklagten zu 1. bezüglich der Fußverletzung des Klägers und den sich daraus ergebenden immateriellen und materiellen Schadensfolgen kein Raum.

Die Haftungsfreistellung wegen des Eintritts des Unfallereignisses auf eine gemeinsame Betriebsstätte ist jedoch nur zugunsten des Beklagten zu 1. als unmittelbar beteiligter Lkw-Fahrer einschlägig. Gleichwohl scheidet im Ergebnis auch eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zu 2. als Halterin des Lastkraftwagens und als Arbeitgeberin des Beklagten zu 1. sowohl auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage als auch auf der bürgerlichrechtlichen Anspruchsgrundlage der unerlaubten Handlung wegen der Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses unter mehreren Schädigern aus. Mangels einer Ersatzverpflichtung der Beklagten zu 1. und 2. als Lkw-Fahrer bzw. -Halter kommt im Ergebnis auch keine Einstandspflicht der Beklagten zu 3. als Haftpflichtversicherer über den Direktanspruch gemäß § 115 VVG in Betracht.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

I.

Gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1. ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH NJW 2006, 152 mit Hinweis auf BGHZ 159, 254, 258).

Derartige Zweifel sind in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil insoweit nicht gegeben, als der weitgehend unstreitige Hergang des Schadensereignisses betroffen ist. Nachhaltige Richtigkeitszweifel ergeben sich jedoch hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des Landgerichts, der Unfall habe sich nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII ereignet. Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist genau das Gegenteil der Fall, so dass über die entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eine Haftung des Beklagten zu 1. für die klagegegenständlichen Personenschäden ausscheidet.

Der Kläger war auf der Baustelle "XXX" in XXX als Estrichleger für die XXX eingesetzt, die bei der Beklagten zu 2. für den Schadenstag eine Sandlieferung geordert hatte. Gegen 10.30 Uhr erschien der Beklagte zu 1. mit dem sandbeladenen Lkw der Beklagten zu 2. zum Zwecke der Anlieferung. Diese war im Zuge einer Rückwärtsfahrt über den Gehweg der Straße hinweg direkt auf dem Hausgrundstück vorzunehmen. Der beabsichtigte Abkippvorgang gestaltete sich schwierig, da der Manövrierraum für den Beklagten zu 1. wegen eines - aus seiner Sicht - rechtsseitig abgestellten Baucontainers und einer linksseitigen Grundstücksmauer sehr eingeengt war. Hinzu kam, dass die Einfahrmöglichkeit zusätzlich durch einen Estrichpumpenanhänger verengt war, der mit nach vorne zeigender Deichsel am rechten Straßenrand positioniert war. Die örtlichen Gegebenheiten sind durch die polizeiliche Unfallskizze sowie durch die Lichtbilder, die Eingang in die Ermittlungsakte gefunden haben, anschaulich wiedergegeben (Bl. 4-10 BeiA).

Bei dem Versuch der Sandanlieferung in der Rückwärtsfahrt kam es dann wegen der erschwerten örtlichen Bedingungen zu einem bewussten und gewollten Zusammenwirken zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1., welches auf einer vorherigen Absprache beruhte. Jener hatte nach der Sachverhaltsschilderung im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht nur die Stelle auf dem Hausgrundstück zwischen Container und Mauer gezeigt, an welcher der Sand abgeladen werden sollte. Darüber hinaus wandte sich der Beklagte zu 1. auch an den Kläger mit der Bitte um Einweisung bei der Rückwärtsfahrt. Im Zuge des Zurücksetzens signalisierte der Kläger dem Beklagten zu 1. nach den weiteren unstreitigen Feststellungen des Landgerichts etwas durch Handzeichen. Sodann ging der Kläger an die hintere linke Fahrzeugseite des zum Stillstand gekommenen Lkw, um die dort befindliche Estrichpumpe zu verschieben. Die Beklagten haben in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 30. Mai 2013 die Richtigkeit des anfänglichen streitigen Vorbringens des Klägers eingeräumt, auch der Versuch des Wegschiebens des Pumpenhindernisses habe auf einer Absprache der Beteiligten beruht (Bl. 3, 120 d.A.). In dem Moment, als der Kläger den Pumpenanhänger zur Seite schieben wollte, kam der hintere linke Zwillingsreifen des Lkw von der 10 bis 20 cm hohen Bordsteinkante ab und rollte auf Straßenniveau, weil der Beklagte zu 1. entweder das Fahrzeug in Bewegung gesetzt oder er mangels einer Bremsung den Wagen nicht an einer Fortbewegung gehindert hatte. Der Beklagten zu 1. sah nicht und konnte auch nicht sehen, dass der Kläger gerade in dem Moment damit befasst war, die Estrichpumpe aus dem Weg zu räumen. Der linke Fuß des Klägers geriet unter den hinteren linken Zwillingsreifen des vorwärts bewegten Lkw mit der Schadensfolge erheblicher Quetsch- und Frakturverletzungen. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, auf Ausgleich eines unfallbedingten Erwerbsschadens sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehender materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

II.

Die Klage erweist sich bezüglich des Beklagten zu 1. wegen der Einschlägigkeit der Haftungspriviligierung des § 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII in Verbindung mit § 104 Abs. 1 SGB VII als unbegründet. Entgegen der seitens des Klägers geäußerten Rechtsansicht ist für eine teleologische Reduktion dieser sozialgesetzlichen Bestimmungen kein Raum. Eine Haftung auf der Rechtsgrundlage der §§ 7, 11, 18 StVG, 823 Abs. 1, 842, 253 Abs. 2 BGB scheidet daher aus.

Die Beklagten machen in ihrer Berufungsbegründung Folgendes zu Recht geltend: Das Landgericht hat zwar die Voraussetzungen, an welche die Feststellung einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geknüpft ist, richtig dargestellt - jedoch diese Grundsätze auf den vorliegenden unstreitigen Sachverhalt in unzutreffender Weise angewendet. Es hat die Einschlägigkeit der Haftungsprivilegierung für den Beklagten zu 1. als Anlieferungsfahrer mit hypothetischen Überlegungen negiert, die dem tatsächlichen Geschehensablauf nicht gerecht werden. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, ob die Einweisertätigkeit des Klägers - wie das Landgericht meint - durch jeden beliebigen Dritten hätte erbracht werden können und ob die Anlieferung des Sandes als Baustoff für die Estrichherstellung zu irgendeinem anderen Zeitpunkt hätte erfolgen können. Maßgeblich ist allein, wie sich der schadensbegründende Sachverhalt tatsächlich zugetragen hat und welche Tätigkeiten die Beteiligten in Bezug aufeinander bei dem Anlieferungsversuch erbracht haben.

1 a )

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne der vorgenannten sozialgesetzlichen Bestimmung betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es sogar ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrere Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein (BGH, Urteil vom 22. Januar 2013, Az.: VI ZR 175/11, NJW VersR 2013, 460, Rdnr. 10 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf BGHZ 145, 331, 336; BGHZ 155, 205, 207; BGHZ 157, 213, 216; BGHZ 177, 97; BGH VersR 2011, 500 sowie BGH VersR 2011, 882). Die Beurteilung, ob in einer Unfallsituation eine gemeinsame Betriebsstätte vorlag, muss sich auf konkrete Arbeitsvorgänge beziehen und knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solche in der konkreten Unfallsituation gegeben ist (BGH a.a.O., Rdnr. 11 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf BGH, Urteile vom 10. Mai 2011, Az.: VI ZR 152/11, Rdnr. 12, 15 sowie vom 11. Oktober 2011, Az.: VI ZR 248/10). Die für eine gemeinsame Betriebsstätte typische Gefahr besteht darin, dass sich die Beteiligten bei den versicherten Tätigkeiten "ablaufbedingt in die Quere kommen"; eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der (in enger Berührung miteinander) Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann (BGH a.a.O., Rdnr. 13, a.E. mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003, Az.: VI ZR 103/03, S. 217 ff. d.A.).

b )

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in einer geradezu beispielhaften Weise erfüllt. Der Sachverhalt, der zu der bedauerlichen Verletzung des Klägers geführt hat, ist typisch für einen Unfall eines Arbeitnehmers auf einer gemeinsamen Betriebsstätte mit einem anderen dort Werktätigen und nicht etwa für ein Unfallgeschehen im Straßenverkehr, wie es der Kläger darzustellen versucht.

2 a )

Sowohl seine Tätigkeit als Estrichleger auch diejenige des Beklagten zu 1. als Anlieferungsfahrer von Baumaterialien dienten der Förderung des Bauvorhabens. Ohne die von der XXX GmbH für den Unfalltag georderte und angelieferte Sandmenge hätten die Estrichverlegearbeiten früher oder später nicht fortgesetzt werden können. Der Beklagte zu 1. musste als Fahrer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten zu 2. weisungsgemäß die Lieferungsorder ausführen. Dabei wurde er am Ort des Bauvorhabens mit der Anlieferungsschwierigkeit des engen Manövrierraumes zwischen dem Baucontainer einerseits und der Grundstücksmauer mit dem vorgelagerten Estrichpumpenanhänger andererseits konfrontiert.

b )

In dieser Ausgangssituation taten sich der Kläger und der Beklagte zu 1. im Sinne eines betrieblichen Zusammenwirkens mit aufeinander bezogenen und auf gegenseitige Ergänzung und Unterstützung gerichteten Tätigkeiten zusammen. Der von dem Kläger übernommene Part beschränkte sich nicht nur auf die Bekanntgabe der konkreten Sandabladestelle, sondern er betätigte sich auf Ersuchen des Beklagten zu 1. hin auch als Einweiser, um ebenfalls in Anbetracht der schwierigen Rangierverhältnisse für eine sichere Durchführung des Anlieferungsvorganges in einer Rückwärtsfahrt Sorge zu tragen. Als dann die Deichsel des Pumpenanhängers im Zuge der Annäherung an die Abladestelle hinderlich war, machte sich der Kläger an deren Wegräumung - unstreitig nach einer Verständigung mit dem Beklagten zu 1.. Anlässlich dieser Verrichtung kam es dann zu dem Eintritt des Schadensereignisses, wobei dahinstehen kann, ob dies entsprechend dem Vorbringen des Klägers auf einer Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1. beruhte oder nicht. Einer Haftung des Beklagten zu 1. aus § 18 Abs. 1 StVG oder aus § 823 Abs. 1 BGB stünde jedenfalls der Haftungsausschluss gemäß §§ 106 Abs. 3 dritte Alternative, 104 Abs. 1 SGB VII entgegen.

aa )

Denn nach dem feststehenden Sachverhalt wurden der Kläger und der Beklagte zu 1. im Baustellenbereich bei ihren jeweiligen Tätigkeiten im Zuge des Anlieferungsvorganges nicht nur auf derselben, sondern weitergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne der Definition des Bundesgerichtshofs tätig. Ihre zeitgleichen Verrichtungen vollzogen sich nicht beziehungslos mit einer zufälligen punktuellen Berührung nebeneinander, sondern man arbeitete um der Erreichung eines gemeinsamen Zieles willen, nämlich des Abladens einer größeren Sandfuhre unter schwierigen Rangierverhältnissen, bewusst und gewollt arbeitsteilig zusammen. Es bestand in geradezu exemplarischer Weise die für eine gemeinsame Betriebsstätte typische Gefahr, dass der Kläger bei dem Anlieferungsversuch in einer Rückwärtsfahrt dem durch den Beklagten zu 1. gesteuerten Lkw "ablaufbedingt in die Quere" kam (vgl. BGH a.a.O., Rdnr. 13, a.E.).

bb )

Es war auch eine Gefahrengemeinschaft in dem Sinne gegeben, dass typischerweise jeder der in enger Berührung miteinander Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden konnte (vgl. BGH a.a.O.). Dass dies in Bezug auf den Kläger der Fall war, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Indes konnte nach den Umständen auch der Beklagte zu 1. zum Geschädigten werden: Wäre er etwa bei der Rückwärtsfahrt mit dem Lkw infolge einer fehlerhaften Einweisung des Klägers in der Enge der Zufahrt gegen den abgestellten Baucontainer, die Einfriedungsmauer oder gegen den Pumpenanhänger gestoßen, wäre sein Fahrfehler die Grundlage für einen Ersatzanspruch des jeweils geschädigten Eigentümers der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB gewesen. Die entsprechende Ersatzforderung hätte seinen, des Beklagten zu 1., Vermögensschaden ausgemacht. Auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt einen Schaden dar ( Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 249, Rdnr. 4 mit Hinweis auf BGH NJW 1976, 1402; BGH NJW 2005, 981 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen ).

3 )

In Anbetracht dieser räumlichen, zeitlichen und sächlichen Zusammenhänge kann entgegen der durch den Kläger geäußerten Ansicht das fragliche Schadensereignis nicht wie ein gewöhnliches Verkehrsunfallereignis im öffentlichen Straßenraum gewertet werden. Die Sichtweise des Landgerichts, die Anlieferung des zur Anmischung benötigten Sandes sei keine betriebliche Aktivität, die in die Estrichverlegung als Gewerk im Sinne eines Zusammenwirkens einbezogen sei und die Anweisungshilfe hätte zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt auch von einem irgendeinem Dritten geleistet werden können (Bl. 7 UA; Bl. 166 d.A.), geht an den Tatsachen vorbei. Denn das Schadensereignis hat sich bei dem bewussten und gewollten Zusammenwirken von zwei Arbeitnehmern mit dem Bauobjekt befasster Unternehmen mit dem Ziel der wechselseitigen Unterstützung zwecks Förderung des Baufortschritts verwirklicht. Eine rechtliche Beziehung der beteiligten Unternehmen wird ebenso wenig vorausgesetzt wie eine vorübergehende Eingliederung oder aber Tätigkeit für das andere Unternehmen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 1999, Az.: 14 U 234/98, RuS 1999, 375, Orientierungssatz 1 - zitiert nach juris).

4 a )

Der Sachverhalt, welcher der vorstehend mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Januar 2013, Az.: VI ZR 175/11) zugrunde lag, reichte zwar nicht für die Feststellung einer gemeinsamen Betriebsstätte nach Maßgabe des § 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII. Denn bei dem Versuch der Ablieferung von Materialien auf einer Straßenbaustelle standen die Verhaltensweisen des sich im Rückwärtsgang bewegenden Lkw-Fahrers und des geschädigten Straßenbauarbeiters, der zwischen zwei abgestellten Lastwagen eine Wartestellung eingenommen hatte und dort eingequetscht wurde, in keinerlei Kooperationsbeziehung zueinander. Eine für die Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte ausreichende sächliche und örtliche Verbindung der Tätigkeiten des Lkw-Fahrers und des Geschädigten hatte der Bundesgerichtshof aber für den hypothetischen Fall bejaht, dass sich der Unfall entsprechend dem üblichen Arbeitsablauf bei den Abladevorgängen an der Baustelle selbst zugetragen hätte, um dort den weitere Baufortschritt zu ermöglichen (BGH a.a.O., Rdnr. 12 - zitiert nach juris). Genau dieser Sachverhalt ist im vorliegenden Fall einschlägig, denn der Kläger sowie der Beklagte zu 1. wollten absprachegemäß wegen der engen Platzverhältnisse bei dem Versuch des Entladens direkt vor dem Bauvorhaben einander zuarbeiten.

b )

Ein einheitlicher Entladevorgang lässt sich nicht in voneinander losgelöste Teilakte aufspalten. So sind etwa die Tätigkeiten eines Lkw-Fahrers und eines in den Entladevorgang eingebundenen Gabelstapelfahrers aufeinander bezogen und dergestalt miteinander verknüpft, dass sie sich "ablaufbedingt in die Quere kommen können" (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. August 2005, Az.: 19 U 80/05, Leitsatz 2 - zitiert nach juris). Auch das OLG Bremen (Urteil vom 21. November 2006, Az.: 3 U 55/06, OLGR Bremen 2007, 253) sowie das OLG Karlsruhe (a.a.O.) haben eine Zusammenarbeit der versicherten Arbeitnehmer mehrerer Unternehmen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte für Fallgestaltungen angenommen, bei welchen der jeweils in den Entladevorgang einbezogen gewesene Lkw-Fahrer durch den Gabelstaplerfahrer des zu beliefernden Unternehmens angefahren wurde. Bezogen auf den vorliegenden Fall kann es keinen wesentlichen Unterschied ausmachen, dass nicht der Lkw-Fahrer im Zuge des Entladevorganges zu Schaden kam, sondern der Kläger in dessen Eigenschaft als Beschäftigter des zu beliefernden Bauunternehmens im Zuge der Vorbereitung des Entladevorganges direkt am Bauobjekt.

5 )

Liegen - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers gemäß §§ 106 Abs. 3 dritte Alternative, 104 Abs. 1 SGB VII wegen einer Schadenszufügung auf einer gemeinsamen Betriebsstätte vor, verbietet es sich entgegen der durch den Kläger vertretenen Rechtsansicht, die Privilegierung in ihr Gegenteil aufgrund einer teleologischen Reduktion der vorgenannten Bestimmung mit folgender Begründung zu verkehren: Es habe sich eine Gefahr realisiert, der gesetzlich zwingend durch eine die Haftung abdeckende Versicherung, nämlich durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung, vorgebeugt werden müsse. Es darf nämlich nicht der Grund der Haftungsprivilegierung gemäß §§ 106 Abs. 3 dritte Alternative, 104 Abs. 1 SGB VII außer Acht gelassen werden - nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, die sich aus den dafür vorgesehenen Sozialversicherungsbeiträgen finanziert. Eine Subsidiarität dieses Versicherungsschutzes gegenüber Ansprüchen, die bei einem Unfallereignis bezogen auf den Fahrer oder Halter des schädigenden Fahrzeuges oder den dahinter stehenden Kfz-Haftpflichtversicherer in Betracht kommen, existiert nicht. Wie nachfolgend unter Ziffer III noch darzulegen sein wird, führt die sozialversicherungsrechtliche Haftungsfreistellung des Beklagten zu 1. als Arbeitnehmer auf einer gemeinsamen Betriebsstätte in letzter Konsequenz sogar dazu, dass nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs eine Ersatzverpflichtung der Beklagten zu 2. als Halterin des Schädigerfahrzeuges aus §§ 7 Abs. 1 StVG und der Beklagten zu 3. als Haftpflichtversicherungsunternehmen über den Direktanspruch aus § 115 VVG entfallen.

III.

Die Befreiung von der Schadensersatzverpflichtung für Personenschäden gemäß §§ 106 Abs. 3 dritte Alternative SGB VII, 104 Abs. 1 SGB VII ist nur für die unmittelbar auf der gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen, nicht jedoch für den Unternehmer, der selber nicht auf der Betriebsstätte war, einschlägig (BGH, Urteil vom 11. November 2003, Az.: VI ZR 13/03, NJW 2004, 951; Rdnr. 15 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf BGHZ 148, 209, 212; BGHZ 148, 214, 217 sowie BGH ZIP 2003, 1604, 1606; OLG Bremen a.a.O.). Gleichwohl hat der Kläger keine begründete Schadensersatzforderung gegen die Beklagte zu 2. auf der Rechtsgrundlage der §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 842, 253 Abs. 2 BGB. Denn zugunsten der Beklagten zu 2. greifen die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs ein. Damit entfällt auch jede Einstandspflicht der Beklagten zu 3. als der zuständigen Haftpflichtversicherung, da deren Ersatzverpflichtung nicht weiter reichen kann als diejenige ihrer Versicherungsvernehmer, also der Beklagten zu 1. und 2.

1 a )

In den Fällen, in welchen - wie hier - zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, können Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger - hier die Beklagte zu 2.) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger - hier der Beklagte zu 1.) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (BGH a.a.O., Rdnr. 17 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf BGHZ 61, 51, 55; BGHZ 94, 173, 176; BGH NJW 1987, 2669, 2670 sowie BGH ZIP 2003, 1604, 1606; OLG Bremen a.a.O.). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen (BGH a.a.O. mit Hinweis auf BGHZ 61, 51, 53).

b )

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Zweitschädiger in Höhe des Verantwortungsanteils freigestellt, der allein auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt (BGH a.a.O. mit Hinweis auf BGHZ 61, 51, 53 f.; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003, Az.: VI ZR 434/01; OLG Bremen a.a.O.). Der weitere Schädiger kann gegebenenfalls einwenden, nur insoweit haften zu müssen, wie es im Innenverhältnis zu dem Erstschädiger den Haftungsanteilen entspricht - gestörte Gesamtschuld (Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kapitel 32, Rdnr. 31). Dabei ist unter dem Begriff des Verantwortungsanteils die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen (BGH, Urteil vom 11. November 2003, Az.: VI ZR 13/03, Rdnr. 17 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf BGHZ 110, 114, 119 sowie Urteil vom 24. Juni 2003, Az: VI ZR 434/01).

2 a )

Denkt man sich die zugunsten des Beklagten zu 1. einschlägige Haftungsprivilegierung weg, ergibt sich auf der Grundlage der durch das Landgericht getroffenen Feststellungen - deren sachliche Richtigkeit unterstellt - eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 1. als des schädigenden Lkw-Fahrers auf der Rechtsgrundlage der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 11, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 842, 253 Abs. 2 BGB. Die Rechtsgrundlage für die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2. als Halterin des Schädigerfahrzeuges sowie als Arbeitgeberin des Beklagten zu 1. ergäbe sich aus den Vorschriften der §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, 831 Abs. 1, 842, 253 Abs. 2 BGB. Auf denselben Rechtsgrundlagen wäre der Direktanspruch gegen die Beklagte zu 3. als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 VVG begründet.

b )

Im Falle des Fortfalls der Haftungsfreistellung aus §§ 106 Abs. 3 dritte Alternative, 104 Abs. 1 SGB VII träfe die Beklagte zu 2. neben der Gefährdungshaftung als Halterin des schädigenden Lkw-Fahrzeuges eine Einstandspflicht aus §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldnerin aus vermutetem Auswahl- oder Überwachungsverschulden für ihren Mitarbeiter und Verrichtungsgehilfen - den Beklagten zu 1. Ist nun aber neben demjenigen, welcher nach § 831 BGB zum Ersatz des von einem Anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der Andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander nach § 840 Abs. 2 BGB der Andere allein verpflichtet. Insoweit ist "ein Anderes" im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt. Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass in den Fällen, in welchen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat (BGH a.a.O., Rdnr. 18 - zitiert nach juris - mit Hinweis auf OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470; Müko-Stein, BGB, 3. Aufl., § 840, Rdnr. 25; Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 840, Rdnr. 10). Die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers bleibt somit im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses auf die Fälle beschränkt, in welchen ihn nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- und Überwachungsverschuldens gemäß § 831 BGB, sondern eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens, trifft (BGH a.a.O., Leitsatz 2 sowie Rdnr. 26 - jeweils zitiert nach juris - mit Hinweis auf Otto, NZV, 2002, 10, 16 sowie Imbusch, VersR 2001, 1488). Ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch bleibt dabei außer Betracht (BGH a.a.O., Rdnr. 19 ff. - zitiert nach juris; OLG Bremen a.a.O., Leitsatz 2 - zitiert nach juris).

3 )

Die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich zwar nach der zugrunde liegenden Fallgestaltung nur auf eine Haftung des Unternehmers als Zweitschädiger aus vermutetem Auswahl- und Überwachungsverschulden gemäß § 831 BGB. Der einzige Unterschied zum vorliegenden Fall besteht darin, dass sich hinsichtlich der Beklagten zu 2. auch eine Gefährdungshaftung auf der straßenverkehrsrechtlichen Grundlage des § 7 Abs. 1 StVG ergibt. Dies kann allerdings nicht dazu führen, dass die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Beklagten zu 2. und 3. nicht einschlägig sein sollen. Denn, wie bereits ausgeführt, ist die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers auf die Fälle beschränkt, in welchen diesen eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens, trifft (BGH a.a.O., Leitsatz 2 sowie Rdnr. 26 - jeweils zitiert nach juris). Mit anderen Worten: Auch die verschuldensunabhängige straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers (Zweitschädiger) aus § 7 Abs. 1 StVG wäre im Rahmen des Innenausgleichs wegen der Verschuldungshaftung des Fahrers des Schädigerfahrzeuges (Erstschädiger) aus § 823 Abs. 1 BGB , denkt man sich dessen Haftungsprivilegierung weg, verdrängt. Insoweit ist wegen des Primats der Verschuldenshaftung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ,,ein Anderes‘‘ bestimmt.

4 )

Geht man von der Richtigkeit des Klagevorbringens und den durch das Landgericht getroffenen Feststellungen aus, hat der Beklagte zu 1. als Lkw-Fahrer unter Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten fahrlässig gehandelt, indem er den Lkw bewegte, obwohl er den Kläger nicht mehr in seinem Blickfeld hatte und er wusste, dass dieser wegen dessen Einweisertätigkeit sich in unmittelbarer Fahrzeugnähe befand (Bl. 7 UA; Bl. 166 d.A.). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsgrundsätze wäre also wegen der Verschuldenshaftung allein des Beklagten zu 1. aus § 823 Abs. 1 BGB kein Raum für eine Einstandspflicht der Beklagten zu 2. als Halterin des schädigenden Fahrzeuges aus dem Gefährdungshaftungstatbestand des § 7 Abs. 1 StVG. Für eine eigene Verschuldenshaftung der Beklagten zu 2. wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens bestehen keine Anhaltspunkte.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 18.616,96 € (12.000 € + 1.646,96 € + 330 € + 2.140 € + 2.500 €).

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die vorliegende Entscheidung orientiert sich durchgehend an der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Zusammenarbeit mehrerer Versicherter auf einer gemeinsamen Betriebsstätte und bezüglich der Grundsätze zum gestörten Gesamtschuldnerverhältnis.