VG Berlin, Urteil vom 20.11.2014 - 22 K 67.14
Fundstelle
openJur 2015, 477
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung und die Revision werden zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist u.a. tätig als Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater und bestellter Wirtschaftsprüfer. Als Wirtschaftsprüfer bzw. Revisionsexperte ist er außer in Deutschland auch in Italien, Luxemburg und der Schweiz tätig. Er beabsichtigt, die Ausübung der Funktion des Vorsitzenden des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft als Mandat zu übernehmen. Dafür würden ihm in den nächsten Jahren Honorare in 5-stelligen Eurobeträgen gezahlt. Die bei Klageerhebung noch zu gründende Gesellschaft – deren Mandat inzwischen nicht mehr in Aussicht steht – sollte im Anfang Räumlichkeiten anmieten und vermieten und in einem weiteren Schritt Business-Center betreiben. Seinen mit E-Mail vom 26. Oktober 2013 bei der Beklagten „vorsorglich“ gestellten Antrag, ihm die Genehmigung für diese Tätigkeit zu erteilen, behandelte die Beklagte als Ausnahmeantrag nach § 43a Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 WPO und wies ihn mit Bescheid vom 16. Januar 2014 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Auch bei Möglichkeit der Delegation der Geschäftsführung handele es sich bei der von dem Kläger beabsichtigten beruflichen Tätigkeit um eine gewerbliche Tätigkeit. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung lägen nicht vor.

Mit seiner am 18. Januar 2014 bei dem Verwaltungsgericht eingegangen Klage hat der Kläger zunächst die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktengesellschaft zu erteilen, soweit eine andere Person als Bevollmächtigter des Verwaltungsrats ernannt wird.

Seinen zugleich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Beklagte bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktengesellschaft zu erteilen, soweit eine andere Person als Bevollmächtigter des Verwaltungsrats ernannt wird, hilfsweise: ihm die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktengesellschaft zu erteilen, wies die Kammer durch Beschluss vom 18. März 2014 als unzulässig zurück – VG 22 L 66.14 – und führte zur Begründung aus, dass es für das Genehmigungsbegehren an einer Rechtsgrundlage fehle und ein Feststellungsantrag nicht gestellt worden sei. Die dagegen von dem Kläger eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 6. Juni 2014 zurück – OVG 12 S 27.14 –. In beiden Beschlüssen wurde zugleich ein Anspruch auf die Feststellung, dass die von dem Kläger beabsichtigte Tätigkeit mit seinen Berufspflichten vereinbar ist, verneint.

Der Kläger ist der Ansicht, es handele sich nicht um eine gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO. Denn als Vorsitzender des Verwaltungsrats nehme er – wie in Deutschland der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft – nur Kontrollkompetenzen war, keine Geschäftsführungskompetenzen. Es entspräche der überwiegenden ständigen Rechtspraxis in der Schweiz, dass der Verwaltungsrat nichts im Rahmen der Geschäftsführung mitentscheiden müsse. Jedenfalls stehe ihm aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit eines Zweitberufs ein Recht auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die beabsichtigte Tätigkeit zu.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2014 hat der Kläger folgende Klageanträge angekündigt und zu Beginn der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten:

Die Beklagte wird verpflichtet,

dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft zu erteilen, soweit eine andere Person als Bevollmächtigter des Verwaltungsrats ernannt wird,

hilfsweise:

dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft zu erteilen,

hierzu hilfsweise:

dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft als reine Holdinggesellschaft zu erteilen,

hierzu hilfsweise:

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist, soweit eine andere Person als Bevollmächtigter des Verwaltungsrats mit der Geschäftsführung betraut wird,

hierzu hilfsweise:

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist,

hierzu hilfsweise:

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats im Rahmen eines Mandatsvertrags mit Treuhandfunktion als in einer Schweizer Aktiengesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist,

hierzu hilfsweise,

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft als reine Holdinggesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist.

Das Gericht hat die Klageänderungen in der mündlichen Verhandlung am 13. November 2014 zum Teil nicht zugelassen.

Daraufhin beantragt der Kläger,

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist,

hilfsweise:

festzustellen, dass die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft mit dem Beruf als Wirtschaftsprüfer vereinbar ist, soweit eine andere Person mit der Geschäftsführung betraut wird,

weiter hilfsweise:

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft zu erteilen,

dazu hilfsweise:

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft zu erteilen, soweit eine andere Person mit der Geschäftsführung betraut wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihre Ausführungen in dem Ablehnungsbescheid vom 16. Januar 2014.

Die Beteiligten haben der Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne weitere mündliche Verhandlung zugestimmt.

Die Kammer hat den Verwaltungsvorgang der Beklagten beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der prozessualen Behandlung wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2014 verwiesen.

Gründe

Der Berichterstatter konnte als Einzelrichter und ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

1. Die Klageänderung ist hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellunganträge zulässig, weil die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 10. November 2014 ohne ihr zu widersprechen auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO). Auch das Feststellungsinteresse i.S.v. § 43 für die begehrte Feststellung besteht. Denn in einem Fall wie dem vorliegenden ist es dem Betroffenen mit Rücksicht auf die damit verbundenen beruflichen Risiken für den Fall des Unterliegens nicht zumutbar, die streitige Frage im Rahmen eines Verfahrens klären zu lassen, dessen Gegenstand der Widerruf seiner Bestellung zum Wirtschaftsprüfer ist (§ 20 Abs. 2 WPO). Auch in Hinblick darauf, dass ein etwaiges berufsrechtliches Fehlverhalten auch berufsrechtliche disziplinarische Konsequenzen haben könnte, hat er ein berechtigtes Interesse daran, die berufsrechtliche Zulässigkeit seiner beabsichtigten Tätigkeit durch eine Feststellungsklage zu klären.

Die Feststellungsklage ist jedoch sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrags unbegründet, weil die beabsichtigte Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats in einer Schweizer Aktiengesellschaft, selbst für den Fall, dass eine andere Person mit der Geschäftsführung betraut wird, berufsrechtlich nicht zulässig ist. Denn es handelt sich in beiden Konstellationen um eine mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers nicht vereinbare gewerbliche Tätigkeit im Sinn des § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO (so auch Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 6. Juni 2014 – OVG 12 S 27.14 – Seite 4 des amtlichen Abdrucks).

Dazu hat die Kammer im Beschluss vom 18. März 2014 ausgeführt (der Kläger wird dabei als Antragsteller, die Beklagte als Antragsgegnerin bezeichnet):

„Der Antragsteller übt als Wirtschaftsprüfer einen freien Beruf aus (§ 1 Abs. 2 Satz 1 WPO). Als Wirtschaftsprüfer hat er sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit seinem Beruf oder dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 WPO). Dem liegt die Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass die im allgemeinen Interesse zu stellenden Anforderungen an eine unabhängige, eigenverantwortliche und unparteiische Prüfungstätigkeit am ehesten durch Selbständige erfüllt werden. Gewerbliche Tätigkeiten sind nach diesem Grundverständnis mit der selbständigen Ausübung eines freien Berufs ebenso unvereinbar wie Tätigkeiten aufgrund eines Anstellungsvertrags oder eines Beamten- oder nicht ehrenamtlich ausgeübten Richterverhältnisses (§ 43a Abs. 3 WPO). Ausnahmen werden hingenommen, soweit von der jeweiligen Tätigkeit nach ihrer Eigenart keine Beeinträchtigung ordnungsgemäßer Berufsausübung zu erwarten ist (§ 43a Abs. 4 WPO). Soweit die Gestaltung der Berufsausübung mit Risiken für die Unabhängigkeit und die Eigenverantwortlichkeit des vereidigten Wirtschaftsprüfers behaftet ist, wie z.B. bei Vertretern oder Angestellten von Wirtschaftsprüfern, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder ähnlichen Institutionen, sind Vorkehrungen getroffen, die Einbußen an Selbständigkeit entgegenwirken sollen (vgl. §§ 44 ff. WPO; vgl. zum Ganzen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1997 – 1 C 1.96 –, juris Rn. 18).

Eine vorläufige Feststellung der Vereinbarkeit der von dem Antragsteller beabsichtigten Tätigkeit mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers müsste daran scheitern, dass der Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des bestellten Wirtschaftsprüfers nicht von vornherein und unter jedem Gesichtspunkt ausgeschlossen werden kann. Interessenkollisionen im Rahmen seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer als auch Vorsitzender des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft erscheinen nicht ausgeschlossen. Unter diesen Voraussetzungen bestehen an der Unvereinbarkeitsregelung des § 43a Abs. 3 WPO keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese dienen dem öffentlichen Interesse an einem verlässlichen, das Vertrauen der beteiligten Kreise genießenden Wirtschaftsprüferwesen als einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl. dazu im Einzelnen Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. November 1992 – 1 BvR 79.85 u.a. –, BVerfGE 87, 287, 316; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 2005 – BVerwG 6 C 15.04 –, juris Rn. 31 m.w.N.).

Hierzu im Einzelnen:

§ 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO erklärt eine gewerbliche Tätigkeit im Zweitberuf für mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers unvereinbar. Der Beruf des Wirtschaftsprüfers wird geprägt durch die Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen (§ 2 Abs. 1 WPO). Die Wirtschaftsprüfer übernehmen wichtige Kontrollfunktionen zugunsten der Öffentlichkeit, der Unternehmen, zugunsten des Kapitalanlegerschutzes und des Gläubigerschutzes (vgl. BTDrucks 14/3649, S. 17), was insbesondere in den Fällen der gesetzlich angeordneten Prüfungen (§§ 316 ff. HGB) deutlich wird, in denen der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder der Vermerk über seine Versagung der öffentlichen Unterrichtung Interessierter zu dienen bestimmt ist (vgl. § 325 HGB). An der sachgerechten Erfüllung dieser Kontroll- und Bestätigungsaufgabe besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Der moderne Rechts- und Wirtschaftsverkehr ist auf verlässliche betriebswirtschaftliche Prüfungen im Sinn des § 2 Abs. 1 WPO angewiesen. Im Interesse einer funktionierenden Buch- und Wirtschaftsprüfung bedürfen die mit dieser Aufgabe Betrauten des Vertrauens der interessierten, am Wirtschaftsleben beteiligten Kreise. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die in § 2 Abs. 2 und 3 WPO genannten weiteren Tätigkeitsbereiche des Wirtschaftsprüfers, wonach er auch zur Beratung und Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten befugt ist sowie weiter dazu, auf den Gebieten der wirtschaftlichen Betriebsführung als Sachverständiger aufzutreten, in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und fremde Interessen zu wahren einschließlich der treuhänderischen Verwaltung. Die hervorgehobene Rolle, die dem Wirtschaftsprüfer im Rechts- und Wirtschaftsleben nach den gesetzgeberischen Zielvorstellungen zukommt, zeigt sich auch an dem Umstand der Vereidigung (§ 17 WPO) sowie der Verpflichtung, ein Siegel zu führen (§ 48 WPO; vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. April 1998 – 1 BvR 1773.96 – BVerfGE 98, 49 <65 f.>; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O.).

Diesen rechtlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts bereits in ihrem Urteil vom 28. Mai 2009 – 16 K 18.09 – (bei juris) gefolgt ist und die auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in dem anschließenden Berufungsverfahren ohne Weiteres seiner abweisenden Entscheidung zu Grunde gelegt hat (Urteil vom 10. Mai 2011 – OVG 12 B 14.10 – bei juris, die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht verworfen – Beschluss vom 14. Februar 2012 – 8 B 79.11 – bei juris), schließt sich auch die erkennende Kammer an.

Der Antragsteller strebt eine gewerbliche Tätigkeit im Sinn von § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO an. Sein organschaftliches Handeln als Verwaltungsrat für die Gesellschaft teilt notwendig den gewerblichen Charakter der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft selbst, die als solche mit dem eingangs beschriebenen Geschäftsfeld als börsennotiertes Unternehmen wirtschaftliche Interessen verfolgen wird (vgl. zu den Voraussetzungen für die Annahme gewerblichen Charakters Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. September 2012 – 8 C 6.12 – Rn. 23 m.w.N.).

Der Antragsteller bestreitet diese rechtliche Wertung mit der Begründung, als Vorsitzender (Präsident) des Verwaltungsrats beschränke sich seine Tätigkeit wie bei einem Aufsichtsratsvorsitzenden nach deutschem Recht auf Aufsichtstätigkeit. Die Geschäftsführung solle auf einen Verwaltungsrat delegiert werden. Bei den nach Art. 716a des Schweizer Obligationsrechts (OR) dem Verwaltungsrat zwingend verbleibenden Kompetenzen handele es sich nicht um Geschäftsführungs-, sondern um Kontrollkompetenzen.

Dieser Beurteilung folgt das Gericht nicht. Gemäß Art. 716 Abs. 2 OR führt der Verwaltungsrat die Geschäfte der Gesellschaft, soweit er die Geschäftsführung nicht übertragen hat.

Bei dieser Übertragung wird er durch Art. 716a OR beschränkt. Nach dem monistischen Leitungsmodell des Schweizer Aktienrechts ist eine vollständige Trennung zwischen Aufsicht und Geschäftsführung nicht vorgesehen und rechtlich nicht möglich. Gemäß Art. 716a Abs. 1 Nr. 1 OR behält der Verwaltungsrat die Aufgabe „Oberleitung der Gesellschaft und Erteilung der nötigen Weisungen“. Er bestimmt damit nicht nur die strategischen Ziele, sondern auch den Weg zu deren Erreichung. Weisungen in diesem Zusammenhang richten sich an den Geschäftsführer und greifen in dessen Geschäftsführung ein, sind damit geschäftsleitende Tätigkeit. Sie werden praktisch von dem Präsidenten des Verwaltungsrats erlassen (vgl. Rn. 4f zu Art. 716a der von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. März 2014 ohne Quellenangabe eingereichten Kommentierung).

Gemäß Art. 716a Abs. 1 Nr. 3 OR bleiben dem Verwaltungsrat zwingend als weitere Aufgaben „Ausgestaltung des Rechnungswesens, Finanzkontrolle sowie Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist“. Insbesondere bei dieser Aufgabenwahrnehmung kann der Antragsteller in Interessenkollision mit seinen oben beschriebenen Aufgaben als Wirtschaftsprüfer geraten. Denn Rechnungs- und Finanzwesen sind Kernbereiche der Wirtschaftsprüferaufgaben. Diese Tätigkeit bringt es zwangsläufig mit sich, dass ihm die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mandanten umfassend zugänglich gemacht werden müssen, so dass eine erhebliche Gefahr des Auftretens von Interessenkonflikten bei gleichzeitiger gewerblicher Betätigung besteht. Nach der oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung müssen die aus Zweifeln an der Verlässlichkeit des Wirtschaftsprüferwesens resultierenden – naturgemäß nur schwer greifbaren – Nachteile nicht konkret erfasst und nachgewiesen werden, sondern es reicht aus, dass der Gesetzgeber auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungen von einer entsprechenden Einstellung des Publikums ausgehen darf (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1997 – 1 C 1.96 – juris). Hinzukommt, dass eine Überwachung der beabsichtigten Tätigkeit durch die Antragsgegnerin nicht möglich wäre.

Aus Art. 49 und Art. 56 AEUV i.V.m. Art. 4, 5 und 16 des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU aus dem Jahr 1999, in Kraft getreten am 1. Juni 2002 – FZA –, ergibt sich keine andere Beurteilung. Sofern diese Vorschriften überhaupt auf die Tätigkeit des Antragstellers als Wirtschaftprüfer in Deutschland anwendbar sein sollten (zum Geltungsumfang des FZA vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010 – C-70/09 –, juris Rn.41f), würden auch insoweit die Einschränkungen gelten, die für die Tätigkeit im Staat der Niederlassung bzw. Dienstleistung gelten. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteile vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Rn. 32 und vom 30.11.1995, C-55/94, Gebhard, bei juris Rn. 37).

Diese vier Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die von dem Antragsteller berufsrechtlich in Deutschland hinzunehmenden Beschränkungen gelten für alle in Deutschland tätigen Wirtschaftsprüfer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Wie oben ausgeführt dienen die Unvereinbarkeitsregelungen des § 43a WPO dem öffentlichen Interesse an einem verlässlichen, das Vertrauen der beteiligten Kreise genießenden Wirtschaftsprüferwesen als einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut – und damit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses i.S.d. Rechtsprechung des EuGH. Die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme ist durch das Bundesverwaltungsgericht wiederholt geprüft und bejaht worden (vgl. grundlegend Urteil vom 26. August 1997 – 1 C 1.96 –).

Soweit der Antragsteller sich auf Ungleichbehandlung im Verhältnis zur Ausübung einer entsprechenden Verwaltungsratstätigkeit in Luxemburg beruft, vermag dies seinem Anliegen ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn sollte die Rechtslage hinsichtlich des Umfangs der Delegation der Geschäftsführertätigkeit dort, wie von der Antragsgegnerin dargelegt, eine andere sein, läge ein anderer Sachverhalt vor. Für den Fall, dass die Rechtslage vergleichbar wäre, hat die Antragsgegnerin dargelegt, dass sie ihre Praxis entsprechend ändern werde; der Antragsteller kann sich bis dahin nicht erfolgreich auf Gleichbehandlung im Unrecht berufen.“

An dieser Würdigung hält die Kammer nach nochmaliger Prüfung auch im Klageverfahren fest.

Ohne Erfolg macht der Antragsteller unter Berufung auf § 111 AktG und § 37 GmbHG geltend, dass eine „vollständige Trennschärfe“ zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsfunktion auch im System des deutschen Gesellschaftsrechts nicht vorgesehen sei.

Dazu hat das Oberverwaltungsgericht in dem o.g. Beschluss ausgeführt:

„Der bloße Hinweis, dass § 111 AktG „eine Genehmigung“ vorsehe, vermag die behauptete Parallelität von deutschem Recht und Schweizer Aktienrecht nicht zu begründen. Nach dem deutschen Aktienrecht obliegt die eigenverantwortliche Leitung und Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft dem Vorstand (§§ 76, 77 AktG). Der Aufsichtsrat ist dagegen kein geschäftsführendes Organ. Er hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen; Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nicht übertragen werden (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG). An dieser Kompetenzverteilung ändert auch die vom Antragsteller mit dem Begriff der „Genehmigung“ offensichtlich gemeinte Regelung in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nichts. Auf der Grundlage dieser Vorschrift vorgesehene Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Arten von Geschäften stellen ein Instrument vorbeugender Kontrolle des Aufsichtsrats dar, mit der Maßnahmen der Geschäftsleitung von vornherein unterbunden werden können (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 – II ZR 243/05DB 2007, 275; zitiert nach juris Rn. 9 m.w.N.). Ein Leitungs- oder Weisungsrecht gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand wird dem Aufsichtsrat damit nicht eingeräumt. … Zu den dem Verwaltungsrat vorbehaltenen, nicht auf andere Organe übertragbaren Aufgaben gehört insbesondere die „Oberleitung“ der Gesellschaft, d.h. die strategische Zielsetzung des Unternehmens, und die Erteilung der zur Durchsetzung der unternehmerischen Strategie nötigen Weisungen an die geschäftsführenden Organe. Für die Annahme, den Vertretern im Verwaltungsrat werde nach den einschlägigen Regeln des Schweizer Rechts lediglich ein Mindestmaß an Verantwortung belassen, damit sie ihrer Aufsichtsfunktion nachkommen könnten, ist danach entgegen dem Beschwerdevorbringen kein Raum. …

Der vom Antragsteller angeführte Vergleich mit der Stellung als Gesellschafter einer GmbH rechtfertigt gleichfalls keine abweichende Beurteilung. Nach § 37 Abs. 1 GmbHG können sich Beschränkungen der Befugnis der Geschäftsführer zwar nicht nur aus Zustimmungsvorbehalten der Gesellschafterversammlung, sondern auch aus von den Gesellschaftern beschlossenen bindenden Weisungen ergeben (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 37 Rn. 20). Eine mit den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats nach Schweizer Recht vergleichbare „Oberleitung“ der Gesellschaft ist damit jedoch nicht verbunden. Als Gesellschafter einer GmbH bleibt der Wirtschaftsprüfer … darauf beschränkt, die ihm als Gesellschafter zustehenden Rechte wahrzunehmen. Bei einer über die Wahrnehmung dieser Rechte hinausgehenden „faktischen“ Übernahme der Geschäftsführungsfunktion läge eine dem gewerblichen Charakter der Gesellschaft entsprechende gewerbliche Tätigkeit vor, die ebenso wenig wie die vom Antragsteller angestrebte Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers vereinbar wäre.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an. Soweit der Kläger zuletzt darauf hingewiesen hat, es entspräche der überwiegenden ständigen Rechtspraxis in der Schweiz, dass der Verwaltungsrat nichts im Rahmen der Geschäftsführung mitentscheiden müsse, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst darauf hingewiesen, dass der Schweizer Gesetzgeber ausdrücklich das Obligationsrecht dahin verändert habe, dass dem Verwaltungsrat bestimmte Geschäftsführungsaufgaben verbleiben müssten (vgl. auch Kammerer, Die unübertragbaren und unentziehbaren Kompetenzen des Verwaltungsrates, Dissertation, Universität Zürich [1997], S. 19 m.w.N.). Auch im Vorwort des swiss code of best practice for corporate governance (herausgegeben vom Verband der Schweizer Unternehmen im Juli 2002, Blatt 52ff der Gerichtsakte) wird unter 2 darauf hingewiesen, dass die Aktienreform im Jahr 1992 ein von den Gestaltungsprinzipien etwa des deutschen Rechts oder des angelsächsischen Rechts abweichendes Aktienrecht in der Schweiz geschaffen habe. Dieses legt in Art. 716 Abs. 2 i.V.m. Art. 717 OR fest, dass das Recht zur Geschäftsführung auch die Pflicht zur Geschäftsführung beinhaltet, soweit Aufgaben nach Art. 716a OR unübertragbar und unentziehbar sind. Eine davon abweichende Rechtspraxis würde damit dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen.

Aus Art. 8 II des Schweizer BankG kann entgegen der Ansicht des Klägers nichts für die hier zu beantwortende Frage hergeleitet werden. Dort ist geregelt, dass kein Mitglied des für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle verantwortlichen Organs einer Bank der Geschäftsführung angehören darf. Diese generelle Trennung von Geschäftsführungs- und Aufsichtsfunktionen stellt einen Sonderfall und praktisch ein dualistisches System dar (vgl. Kammerer a.a.O. S. 20f).

Auch die Regelungen über die Europäische Aktiengesellschaft (SE: Societas Europaea) sind für den vorliegenden Fall nicht weiterführend. Soweit es danach möglich ist, ein monistisches Geschäftsführungsmodell zu wählen, kann dahinstehen, ob sich dieselben Rechtsfragen stellen wie im vorliegenden Fall. Das hängt auch davon ab, welches der Sitzstaat der SE ist, weil dessen Recht – vorbehaltlich der Regelungen der EG-Verordnung Nr. 2157/2001 bzw. deren Umsetzungsgesetzes in Deutschland – die Behandlung der Aktiengesellschaft bestimmt (vgl. EG-Verordnung Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001, Titel I, Art. 10.; Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft [SEEG] vom 22. Dezember 2004, BGBl. I Seite 3675f, Abschnitt 1 §§ 1 und 3). Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits geben die in Deutschland geltenden Regelungen über die SE jedenfalls nichts her, weil es hier um die Anwendung des Schweizer Obligationsrechts geht. Soweit es um dieselbe Rechtsfrage gehen sollte, gilt das zur Rechtslage in Luxemburg o.G..

Einer Beweiserhebung zur Bestimmung des Schweizer Obligationsrechts bedurfte es in vorliegendem Verfahren nicht, weil die einschlägigen Normen dem Gericht bekannt sind und dazu Literatur in deutscher Sprache herangezogen werden konnte. Auf eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende – wie der Kläger vorgetragen hat „überwiegende ständige“ – Rechtspraxis kommt es nicht an. Denn eine solche rechtswidrige Praxis wäre nicht geeignet den hier zu beurteilenden Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unter jedem Gesichtspunkt auszuschließen.

Für die Annahme, dieser Gefahr könne mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen wirksam entgegengetreten werden, gibt der bloße Hinweis, dass eine Interessenkollision „durch den Wirtschaftsprüfer selbst zu überwachen“ sei, nichts her. Dass es darüber hinaus der Prüfung einer konkreten Gefährdung im Einzelfall bedürfte, ist angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung der Unvereinbarkeitsregelung nicht ersichtlich (ebenso Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg a.a.O. S. 6).

Danach kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Kläger angestrebte Tätigkeit bei Übertragung der Geschäftsführung auf eine andere Person nicht als gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO und deshalb als berufsrechtlich zulässig anzusehen ist. Ohne eine solche Übertragung ergibt sich dies erst recht aus der dann notwendig beim Verwaltungsrat liegenden Geschäftsführung (Art. 716 Abs. 2 OR).

2. Die weiter hilfsweise gestellten Anträge, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zur Ausübung der Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft, hilfsweise, wenn eine andere Person mit der Geschäftsführung betraut wird, zu erteilen, haben ebenfalls keinen Erfolg. Die in dem „Hauptantrag“ (ohne die Einschränkung auf die Übertragung der Geschäftsführung auf eine andere Person) liegende Klageänderung sieht das Gericht als sachdienlich an (§ 91 Abs. 1 VwGO). Diese korrespondiert mit dem entsprechenden Feststellungsantrag. Für diese Klage fehlt es insoweit – anders als im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Denn wenn, wie hier vom Gericht angenommen, von einer gewerblichen Tätigkeit i.S.v. § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO ausgegangen wird, kann der Kläger von dem Verbot für Wirtschaftsprüfer, eine solche auszuüben, nur durch eine Vereinbarkeitserklärung in Gestalt einer Ausnahmeerklärung befreit werden.

Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 18. März 2014 ausgeführt steht dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung weder im Wege teleologischer Reduktion noch einer analogen Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 43a Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 WPO, auch nicht unmittelbar aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit eines Zweiberufs zu.

Die WPO sieht eine Ausnahmegenehmigung nur im Rahmen des § 43a Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 WPO vor, soweit die Tätigkeit nicht in Nr. 4 der Vorschrift ausdrücklich für vereinbar mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers erklärt ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese Ausnahmevorschrift nicht unmittelbar zur Anwendung kommen kann, weil es sich vorliegend praktisch nicht um den Fall einer „Notgeschäftsführung“ handelt. Es geht weder um eine vorübergehende treuhänderische Tätigkeit und auch nicht um das Eingehen eines Angestelltenverhältnisses, sondern um eine dauerhafte und maßgeblich von erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn (der Kläger sprach von einem fünfstelligen Euro-Betrag) gekennzeichnete Tätigkeit.

Für eine weitere Ausnahmegenehmigung von dem Verbot gewerblicher Tätigkeit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Zweitberufen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. November 1992 – 1 BvR 79/85 u.a. – BVerfGE 87, 287, 316 [Rechtsanwalt]; Beschluss vom 21. November 1995 – 1 BvR 784/94 – [Wirtschaftsprüfer], bei juris) keine Notwendigkeit. Denn das gesetzliche Verbot der gewerblichen Betätigung begegnet wir oben ausgeführt keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die eine Ausnahmegenehmigung im vorliegenden Fall erfordern könnten.

Der mit dem Verbot der gewerblichen Betätigung einhergehende Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG erscheint zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Wirtschaftsprüfers, der wie oben ausgeführt mit den ihm übertragenen Kontroll- und Bestätigungsaufgaben eine Funktion von erheblichem öffentlichen Interesse ausübt und damit eine herausgehobene Stellung im Rechts- und Wirtschaftverkehr einnimmt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. August 1997, – 1 C 3.96 –, Gewerbearchiv 1998, 150 [vereidigter Buchprüfer]) und damit zum Schutz eines herausragenden Gemeinschaftsgutes grundsätzlich gerechtfertigt. Für eine über die gesetzliche Regelung in § 43a WPO hinausgehende weitere Ausnahme bieten die Umstände des vorliegenden Falls, wie ober zum Feststellungsbegehren ausgeführt, keinen Anlass.

Es verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Wirtschaftsprüfer – wie der vereidigte Buchprüfer – gem. § 43 a Abs. 3 Nr. 1 WPO einem ausnahmslosen Gewerbeverbot unterliegt, während für Steuerberater gem. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG Ausnahmen vom Verbot der gewerblichen Betätigung zugelassen werden können, wenn durch ihre Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist, und Notare gem. § 8 Abs. 3 BNotO nach Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde ebenfalls gewerblich tätig werden dürfen, wenn die Tätigkeit mit ihrem Amt vereinbar ist und das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit nicht gefährden kann. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber (nur), wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichtes, vgl. u.a. Beschluss vom 21. Juni 2006, – 2 BvL 2/99 –, BVerfGE 116, 164 ff.). Die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers ist jedoch mit der des Steuerberaters bereits deshalb nicht vergleichbar, weil der Steuerberater vorrangig im Interesse des Mandanten tätig wird, den er in steuerlichen Angelegenheiten berät, während die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers nach dem o.G. vorrangig im öffentlichen Interesse liegt. Die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers ist daher bereits eher mit der des Notars vergleichbar, der ebenfalls primär im öffentlichen Interesse tätig wird. Während jedoch die Tätigkeit des Notars in einer Vielzahl von Fällen auch ohne Kenntnisse von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten denkbar und wirksam möglich ist, bringt es die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers zwangsläufig mit sich, dass ihm die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Mandanten umfassend zugänglich gemacht werden müssen, so dass eine gegenüber der Tätigkeit des Notars erhöhte Gefahr des Auftretens von Interessenkonflikten bei gleichzeitiger gewerblicher Betätigung besteht. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Wirtschaftsprüfers bedürfen daher in stärkerem Maße des Schutzes als die des Steuerberaters und des Notars, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers, die Berufsgruppen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit unterschiedlich zu behandeln und dem Wirtschaftsprüfer nicht die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für gewerbliche Tätigkeiten einzuräumen, sich im Rahmen der ihm nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 23. Mai 2008, – 2 BvR 1081/07 –, NVwZ 2008, S. 1233 f.) eingeräumten weiten Gestaltungsfreiheit hält.

Im Übrigen wären nach Ansicht der Kammer jedenfalls hohe Anforderungen an die Gewährung eine Ausnahme vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit zu stellen und eine solche nur dann zuzulassen, wenn der Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Wirtschaftsprüfers bereits von vorneherein und unter jedem Gesichtspunkt ausgeschlossen werden kann (vgl. für die Regelung in § 8 Abs. 3 BNotO Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 31. Juli 2000, NotZ 13/00, BGHZ 145, 59 f.). Diese Voraussetzungen konnten jedoch wie oben ausgeführt im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.

Daher ist die mit der gewerblichen Tätigkeit des Klägers für eine umfassend wirtschaftlich handelnde Schweizer Aktiengesellschaft einhergehende abstrakte Gefährdung seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Wirtschaftsprüfer nicht zweifelsfrei widerlegt, so dass es an den Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung fehlt (vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28. Mai 2009 – 16 K 18.09 –, Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Mai 2011 – OVG 12 B 14.10 – jeweils bei juris [vereidigter Buchprüfer]).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, die ihr hinsichtlich der Frage zukommt, (1) ob die von dem Kläger angestrebte Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft, jedenfalls, wenn eine andere Person mit der Geschäftsführung betraut wird, mit dem Berufsrecht für Wirtschaftsprüfer vereinbar ist, weil sie nicht als gewerblich i.S.v. § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO zu würdigen ist, hilfsweise (2) ob ihm bei Annahme einer gewerblichen Tätigkeit dafür eine entsprechende Genehmigung zu erteilen ist (§ 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO). Aus diesem Grund ist auch die Sprungrevision zuzulassen (§ 134 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

15.000,00 Euro

festgesetzt.