LG Münster, Urteil vom 06.03.2013 - 16 O 394/12
Fundstelle
openJur 2015, 378
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aufgrund eines Fahrradunfalls am 3. April 2012. Die Fläche, auf dem der Unfall sich ereignet haben soll, liegt zwischen Bootstreppen und Vereinshaus der Beklagten, steht unter Verwaltung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung S und ist Teil des Uferwanderwegs am Kanal. Mit Nutzungsvertrag aus dem Jahr 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin der Kanaluferfläche und der Stadt N, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird ( Bl. 54 - 56 d.A.) wurde der Stadt N die Nutzung als Uferwanderweg gestattet und ihr die Unterhaltung der Wege übertragen. Im Hinblick auf die Durchführung der Unterhaltung der Wege bestätigte die Stadt N mit Schreiben vom 31.10.2012 (Bl. 46 d.A.) gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, dass sie, die Stadt N, die Wegefläche tatsächlich unterhalte.

Der Kläger begab sich nach dem Sturz in das G N.

Wegen der dort festgestellten Unfallfolgen wird auf den Arztbericht vom 04.04.2012 Bezug genommen (Bl. 16 - 17 d.A.)

Der Kläger behauptet, er habe den am Dortmund-Ems-Kanal entlangführenden Radweg am 3. April 2012 erstmals befahren und sei gegen 20:45 Uhr in Höhe des Gebäudes des Beklagten (DEK-Km 67,960) mit seinem Fahrrad zu Boden gestürzt und habe sich dadurch Verletzungen an Knien und Händen zugezogen. Der Unfall habe sich auf dem Uferwanderweg exakt zwischen dem Haus des Beklagten und den Bootstreppen ereignet. Ursache für den Unfall sei die schadhafte Betonierung an der Unfallstelle. Er behauptet unter Vorlage von Fotografien der Unfallstelle (Bl. 14 - 15, 61 - 63, 99 - 112 d.A.), dass sich dort eine 5 cm hohe schrägverlaufende Kante gebildet habe, die aufgrund der schlechten Beleuchtung auch nicht habe erkannt werden können. Diese Betonierung sei von dem Beklagten aufgebracht worden. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandhaltung des Uferwanderweges liege bereits aufgrund eines weiteren Nutzungsvertrages zwischen der WSV S und dem Beklagten bei diesem. Zudem ergebe sich die Verkehrssiche- rungspflicht aus der unsachgemäßen Aufbringung des Betons. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung aber nicht nachgekommen.

Der Kläger ist der Auffassung, angesichts der Verletzungsfolgen, insbesondere einer Patellafraktur des linken Knies, der Fingerluxation und der schwerwiegenden Prellungen des Ring- und Mittelfingers der linken Hand und der sich daraus ergebenden Einschränkungen sowie des eingetretenen Dauerschadens unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Dr. N vom 01.12.2012 (Bl. 75 - 90 d.A.) sei ein Schmerzensgeld von 6.000,00 bis 6.500,00 € angemessen.

Ferner macht er Sachschäden durch die Beschädigung seines Fahrrades und seiner Jacke, fehlgeschlagene Aufwendungen für eine Reise, Medikamenten - und sonstige Behandlungskosten sowie Haushaltsführungsschaden geltend.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1698,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2012 zu zahlen.

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 1672,00 € zum Ausgleich des Ausfalls des Klägers im Haushalt nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2012 zu zahlen.

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.

4. Den Beklagten zu verurteilen, an ihn diesem entstandene außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 191,65 € zu zahlen.

5. Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass des Unfallgeschehens vom 03.04.2012 auf dem Radweg am Dortmund-Ems-Kanal in Höhe des Gebäudes des Beklagten. M 2, N zu ersetzen, soweit nicht ein Anspruchsübergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandhaltung liege aufgrund eines Nutzungsvertrages zwischen der WSV S und der Stadt N bei dieser. Die Stadt N habe diese Verpflichtung auch tatsächlich wahrgenommen. Er bestreitet, die Betonfläche aufgebracht zu haben. Diese sei bereits vor der Anpachtung des Geländes durch den Beklagten aufgebracht gewesen. Er ist ferner der Auffassung, wegen der tatsächlichen Übernahme der Unterhaltung der Fläche durch die Stadt N nicht verkehrssicherungspflichtig zu sein. Zudem sei das Befahren des Weges aufgrund der Beschilderung auf eigene Gefahr erfolgt.

Er bestreitet das Unfallgeschehen sowie die Unfallfolgen mit Nichtwissen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U und X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2013 Bezug genommen (Bl. 122 - 125 d.A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten aus § 823 I BGB als einzig in Betracht kommender Anspruchsgrundlage nicht zu.

Danach ist derjenige, durch dessen schuldhaftes Verhalten ein anderer zu Schaden an Körper und Eigentum kommt, diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Eine Haftung des Beklagten kann sich mangels aktivem Tun dabei aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ergeben. Eine derartige Pflicht kann sich daraus ergeben, dass der Verkehrssicherungspflichtige in seinem Bereich eine Gefahrenlage schafft, in dem er z.B. den Verkehr eröffnet (vgl. Palandt, BGB, § 823 Rdnr. 45, 46 m.w.N.). Grundsätzlich trifft die Verkehrssicherungspflicht dabei den Eigentümer (vgl. Palandt, § 823 Rdnr. 220), der dies Pflichten aber übertragen kann.

Vorliegend hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Wasser- und Schifffahrtsamt S, die grundsätzlich ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht durch Vertrag übertragen und zwar doppelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich nämlich feststellen lassen, dass sowohl mit Vertrag von 1981 mit der Stadt N, als auch durch Vertrag von Okt. 1984 mit dem Beklagten eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht vertraglich vereinbart worden ist. Der Zeuge X hat im Rahmen seiner Vernehmung ein Exemplar des entsprechenden Vertrages mit dem Beklagten vorgelegt, aus dem sich eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auch hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Wegefläche ergibt.

Gleichwohl haftet der Beklagte letztlich aber nicht gegenüber dem Kläger wegen einer Verletzung dieser Verkehrssicherungspflicht.

Zu berücksichtigen ist insoweit nämlich zunächst, dass die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf den Beklagten aufgrund dessen Nutzung des streitgegenständlichen Bereiches zum Zweck des Ruderns erfolgt ist. Der Beklagte hatte insoweit hinsichtlich der Benutzung des Weges als solchem keine anderen oder weitergehenden Interessen als sonstige Benutzer des Kanalufers; er nutzte die Wegefläche auch nur, um die Uferbereiche zu erreichen.

Zum Anderen ist der streitgegenständliche Unfall bei der Benutzung des Kanaluferweges als Radweg erfolgt. Diese Nutzung des Kanaluferweges erfolgte aber nur deshalb, weil die Stadt N die Nutzung dieses Weges als Radweg eröffnet hat. Die Gefahren, die mit der Nutzung des Weges als Radweg einhergehen, muss deshalb in erster Linie die Stadt N als diejenige beseitigen und verhindern, die den Radwegeverkehr eröffnet und zugelassen hat. Das Interesse des Beklagten an der vertraglich genutzten Fläche erstreckt sich einzig auf die Nutzung als Boots- und Anlegeplatz, das Interesse der Stadt N erfasst hingegen die vollumfängliche Nutzung des Uferwanderwegs als Rad- und Fußgängerweg. Aus dieser Zusammenschau unter Berücksichtigung der Parteiinteressen ergibt sich, dass die Instandhaltung der Uferanlagen Zwecks Nutzung als Bootsanlegeplatz dem Beklagten oblag, die Instandhaltung des Uferwanderwegs zur Nutzung als Rad- und Fußweg jedoch der an dieser Nutzung interessierten Stadt N. Demgegenüber hat der Beklagte keine Verantwortung aus der Benutzung der streitgegenständlichen Fläche als Radweg.

Hinzu kommt, dass die Stadt N die Verkehrssicherungspflicht für den Raduferweg auch tatsächlich übernommen und ausgeführt hat. So hat der Zeuge U erklärt, dass dem zuständigen Grünflächenamt die Verpflichtung aus der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht bekannt war und deshalb Reinigungskolonnen den Kanaluferweg befahren und dabei auch auf Gefahrenstellen hin kontrolliert haben.

Der Beklagte wusste dies auch und konnte auf eine ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Pflicht ob der Tatsache, dass es sich bei der Stadt N um eine an öffentlichrechtliche Vorschriften gebundene öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft handelt, vertrauen. Eine Überprüfung der Tätigkeit der städtischen Mitarbeiter durch den Beklagten war insoweit nicht erforderlich, so dass sich aus den vorgenannten Gesichtspunkten ergibt, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten nicht feststellbar ist.

Ob die Stadt N der ihr danach obliegenden Verkehrssicherungspflicht hinreichend nachgekommen ist, brauchte vorliegend nicht entschieden zu werden.

Soweit seitens des Klägers die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch darauf gestützt worden ist, dass seitens des Beklagten die Betonfläche, die seiner Auffassung nach zum Sturz geführt hat, erst aufgebracht worden ist, hat sich nicht feststellen lassen, dass der Beklagte den Beton aufgebracht hat. Zum Zustand des Weges zu Beginn der Pachtzeit des Beklagten und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nutzungsvertrags von Okt. 1984 konnten die Zeugen keine Angaben machen.

Sonstige Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten sind nicht ersichtlich.

Nach alldem war die Klage mithin abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 I 1 ZPO und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Unterschrift