OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2014 - 6 A 1123/14
Fundstelle
openJur 2015, 144
  • Rkr:

Erfolgloser Antrag des beklagten Landes auf Zulassung der Berufung die Verurteilung, eine neue Regelbeurteilung für den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erstellen.

Zum Umfang der erforderlichen Plausibilisierung im Fall der Absenkung des Erstbeurteilervorschlags durch den Endbeurteiler.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, der Kläger habe einen Anspruch auf Erstellung einer neuen Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2011. Die Regelbeurteilung vom 5. Dezember 2011 sei jedenfalls deswegen rechtswidrig, weil der Endbeurteiler seine Abweichung von dem Erstbeurteilervorschlag nicht plausibel begründet habe. Es bleibe offen, aus welchen Gründen der Endbeurteiler im Rahmen seines Quervergleichs dem Erstbeurteilervorschlag nur in Teilen gefolgt sei und welche Voraussetzungen für den Endbeurteiler maßgeblich seien, um eine herausgehobene Beurteilung zu erteilen. Nach der Abweichungsbegründung habe der Endbeurteiler die Notenabsenkung ausschließlich auf den einzelfallübergreifenden Quervergleich innerhalb der von einer hohen Leistungsdichte geprägten Vergleichsgruppe gestützt und damit die differenzierte Abweichung der Endbeurteilung vom Erstbeurteilervorschlag nicht plausibel gemacht. Dieses Plausibilitätsdefizit sei im gerichtlichen Verfahren nicht beseitigt worden. Der bloße Hinweis auf den Quervergleich lasse u.a. offen, warum aus der Sicht des Endbeurteilers in Bezug auf den Kläger trotz der Erfüllung eines der in der Maßstabsbesprechung am 22. Juni 2011 genannten Beispielsfälle eine herausgehobene Beurteilung nicht gerechtfertigt erscheine. Danach komme es nicht mehr darauf an, ob ein Fehler auch darin liege, dass der Endbeurteiler dem Erstbeurteiler in der Endbeurteilerbesprechung am 16. November 2011 lediglich eine - vom Erstbeurteiler nicht wahrgenommene - Gelegenheit zur Äußerung gegeben habe.

Die gegen diese eingehend begründeten Annahmen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Regelbeurteilung fehlerhaft ist, weil der Endbeurteiler seine Abweichung vom Erstbeurteilervorschlag nicht plausibel begründet hat. Auch im Zulassungsverfahren hat weder das beklagte Land noch der Endbeurteiler dieses Plausibilitätsdefizit behoben.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes steht die abgegebene Begründung nicht im Einklang mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen für eine Abweichungsbegründung nach Nr. 9.2 Abs. 3 Satz 1 BRL Pol bzw. der darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Pflicht des Dienstherrn zur Plausibilisierung der Beurteilung.

In der Beurteilung selbst hat der Endbeurteiler die Absenkung von sechs Leistungs- bzw. Befähigungsmerkmalen (lediglich die Merkmale "Soziale Kompetenz" und "Mitarbeiterführung" blieben unverändert bei "übertrifft die Anforderungen") sowie des Gesamturteils von "übertrifft die Anforderungen" auf "entspricht voll den Anforderungen" allein wie folgt begründet: "Dem Beurteilungsergebnis liegt ein strenger Beurteilungsmaßstab zugrunde, der dazu dient, eine abgestufte, vergleichende Bewertung innerhalb der aus sämtlichen landesweit im Bereich der Polizei NRW eingesetzten Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zusammengesetzten Vergleichsgruppe unter Orientierung an den vorgegebenen Richtsätzen zu gewährleisten. Die Abweichung vom Vorschlag des Erstbeurteilers bei den Merkmalen Arbeitsorganisation, Arbeitseinsatz, Arbeitsweise, Leistungsgüte, Leistungsumfang und Veränderungskompetenz sowie im Gesamturteil ist Folge des insbesondere in der Beurteilerkonferenz vorgenommenen einzelfallübergreifenden Quervergleichs innerhalb der von einer hohen Leistungsdichte geprägten Vergleichsgruppe."

Dem beklagten Land ist zuzugeben, dass eine solche, auf den Quervergleich mit den anderen Beamten der Vergleichsgruppe gestützte Begründung die Notenabsenkung ausreichend plausibilisieren kann. Das gilt insbesondere, wenn es sich um eine lineare Absenkung sämtlicher Beurteilungsmerkmale einschließlich der Gesamtnote handelt, etwa wegen der Anwendung eines zu milden Beurteilungsmaßstabs durch den Erstbeurteiler oder einer insgesamt (wie auch vom beklagten Land hervorgehoben, vgl. S. 8 f. der Zulassungsbegründung vom 18. Juni 2014) leistungsstarken Vergleichsgruppe. Angesichts der Vielzahl der im Bereich der Polizei regelmäßig abzufassenden Beurteilungen dürfen die allgemeinen Begründungsanforderungen und auch die Anforderungen an die Abweichungsbegründung insoweit nicht überspannt werden.

Gleichwohl ist hier der Endbeurteiler bzw. der Dienstherr seiner Verpflichtung zur Plausibilisierung nicht genügend nachgekommen. Zunächst erklärt die allgemeine, nicht nach Einzelmerkmalen differenzierende Bezugnahme auf den Quervergleich und die Leistungsdichte ohne weitere Erläuterung nur unzureichend, weshalb der Endbeurteiler sich veranlasst gesehen hat, gerade die Bewertung der in der Abweichungsbegründung genannten sechs von insgesamt acht Einzelmerkmalen abzusenken. Insbesondere aber berücksichtigt das beklagte Land nicht hinreichend, dass der Beurteiler seine Beurteilung auf substantiierte Einwände des Betroffenen hin- ggf. auch noch im Gerichtsverfahren - entsprechend (weiter) zu plausibilisieren hat.

Vgl. die ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 6 A 2721/13 -, nrwe.de.

Der Kläger hat - wie bereits vom Verwaltungsgericht dargestellt - mit Schriftsätzen vom 11. März und 17. Mai 2013 u.a. substantiiert gerügt, aus der angefochtenen Regelbeurteilung gehe nicht schlüssig hervor, aus welchen Gründen er keine überdurchschnittliche Beurteilung erhalten habe, obwohl er die in der Maßstabsbesprechung am 22. Juni 2011 genannten Voraussetzungen für eine herausgehobene Beurteilung erfülle. Insbesondere gehe seine "Gremienarbeit" weit über die gestellten Anforderungen hinaus.

Diesen Einwänden hat das beklagte Land auch im Zulassungsverfahren nicht ausreichend Rechnung getragen. Es beschränkt sich vielmehr im Wesentlichen - unter ausführlicher wörtlicher Wiedergabe bereits in anderen Verfahren ergangener verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen - auf allgemeine (rechtliche) Erwägungen zur Abweichungsbegründung sowie - zum Beleg der Leistungsdichte in der Vergleichsgruppe - eine eingehende Darstellung der statistischen Daten zur Verweildauer im statusrechtlichen Amt. Auch in Bezug auf die konkrete Beurteilung des Klägers belässt das weitere Zulassungsvorbringen die Gründe für die Herabsetzung der Bewertungen durch den Endbeurteiler im Vagen. Der Hinweis, "Der Endbeurteiler konnte auch im Vergleich mit den übrigen Beamtinnen und Beamten der Vergleichsgruppe dem vom Vizepräsidenten der DHPol vorgetragenen Aspekt Rechnung tragen, 'dass der Berufungsgegner in besonderer Weise für eine Führungsposition geeignet erscheint', indem er die Leistungen des Berufungsgegners in den Merkmalen Soziale Kompetenz und Mitarbeiterführung mit 4 Punkten bewertete." und "Die Übrigen vorgetragenen Aspekte (...) trifft auch für die anderen (...) Beamten der Vergleichsgruppe zu." macht nicht hinreichend erkennbar, was den Endbeurteiler letztlich zur Herabsetzung der anderen Einzelmerkmale und der Gesamtnote bewogen hat.

Ebenso macht das Zulassungsvorbringen nicht verständlich, weshalb die - vom beklagten Land im Fall des Klägers jedenfalls nicht in Abrede gestellte - Erfüllung eines der in der Maßstabsbesprechung am 22. Juni 2011 angeführten Beispiele für eine hervorgehobene Gesamtnote gleichwohl keine Prädikatsbeurteilung rechtfertigte. Das beklagte Land hat diese Beispielsfälle selbst als einen (möglichen) Anhaltspunkt für eine Hervorhebung der Gesamtnote aufgestellt, so dass die gleichwohl erfolgte Absenkung des Gesamtergebnisses des Klägers auch vor diesem Hintergrund ohne konkrete Begründung nicht nachvollziehbar ist. Zwar mag es zutreffend sein, wenn das beklagte Land anführt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in Gremien in der ausgeübten Funktion begründet sei, die maßgebliche Mitwirkung in Gremien nur "ggf." ausreiche und sich aus der Erfüllung eines der in den Spiegelstrichen genannten Beispiele nicht zwangsläufig eine Prädikatsbeurteilung ableiten lasse. Diese allgemeinen Erwägungen lassen jedoch nicht erkennen, sondern allenfalls mutmaßen, was den Endbeurteiler letztlich (möglicherweise) zur Herabsetzung von Einzelmerkmalen sowie der Gesamtnote in der Beurteilung des Klägers bewogen hat.

Auch wenn es nach Vorstehendem darauf nicht mehr ankommt, sei hinsichtlich der Vorgehensweise in der Endbeurteilerbesprechung - keine über die im Vorfeld angeforderten schriftlichen Prädikatsbegründungen hinausgehende Erkundigung beim Erstbeurteiler nach dem individuellen Leistungsbild des Beurteilten, sondern lediglich Gelegenheit zur Äußerung - angemerkt, dass der Senat insoweit keine grundsätzlichen Bedenken hat.

Vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 26. Juni 2014- 6 B 294/14 -, nrwe.de.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.

Mit dem Vorbringen "Das VG Münster stellt mit der von ihr aufgestellten zusätzlichen Plausibilisierungspflicht sowie Pflicht zum Ablauf der Endbeurteilerbesprechung bzw. zum Erfordernis der Äußerung des Erstbeurteilers in der Endbeurteilerbesprechung einen bisher noch nicht dagewesenen Rechtssatz auf, der nicht nur erhebliche Auswirkung auf die Ausgestaltung zukünftiger Endbeurteilerbesprechungen und auf die BRL Pol haben würde, sondern auch über den Ausgang des Berufungsverfahrens entscheidet." formuliert das beklagte Land bereits keine hinreichend konkrete Rechtsfrage.

Der weiter benannte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht gegeben. Insoweit wäre es notwendig darzulegen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten höheren Gerichte aufgestellten eben solchen Rechtssatz abweicht. Die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze müssen also einander gegenüber gestellt werden.

Dem genügen die Ausführungen im Zulassungsantrag nicht. Dem Vorbringen, das vom Verwaltungsgericht angenommene "Äußerungsgebot des Erstbeurteilers" in Endbeurteilerbesprechungen weiche von der Rechtsprechung des Senats ab, lässt bereits keine einander widersprechenden abstrakten Rechtssätze erkennen. Unabhängig davon sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, "ob ein erheblicher Fehler darin liegt, dass der Endbeurteiler sich - unstreitig - in der Endbeurteilerbesprechung am 16. November 2011 nicht bei dem Erstbeurteiler nach dem individuellen Leistungsbild des Klägers erkundigt hat, sondern dem Erstbeurteiler lediglich Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, die der Endbeurteiler nicht wahrgenommen hat", nicht entscheidungstragend. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es darauf derzeit wegen des festgestellten Plausibilitätsdefizits nicht ankomme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).