OLG Naumburg, Beschluss vom 02.07.2012 - 3 WF 147/12
Fundstelle
openJur 2014, 28123
  • Rkr:

In einem Sorgerechtsverfahren zwischen den Eltern entsteht für den Anwalt eine Einigungsgebühr, wenn die Einigung der Beteiligten zu einer Sorgerechtsentscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 führt.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau-Roßlau vom 25. April 2012, Az.: 3 F 776/10 SO, teilweise abgeändert und zu Gunsten der Beschwerdeführerin eine weitere aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung von 224,91 Euro festgesetzt.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit Entscheidung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 23.02.2011 war die an die beschwerdeführende Verfahrensbevollmächtigte aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für das Sorgerechtsverfahren - wie von dieser beantragt - auf 810,99 Euro festgesetzt worden.

Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Bezirksrevisorin hat die Richterin des vorbezeichneten Amtsgerichts sodann mit Beschluss vom 25.04.2012 die der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus der Staatskasse zu ersetzende Vergütung - in Abänderung der Rechtspflegerentscheidung - um die Einigungsgebühr nach den §§ 49 RVG, Nr. 1003, 1000 RVG nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer, also um einen Betrag von 224,91 Euro auf 586,08 Euro gekürzt, weil - so die Auffassung des Amtsgerichts - eine Einigungsgebühr nicht entstanden sein könne, da das Sorgerecht, wie aus den §§ 156, 36 FamFG folge, nicht der elterlichen Disposition unterliege und auch eine einvernehmliche Regelung der beteiligten Kindeseltern nicht eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich gemacht habe.

Dagegen wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin. Sie ist der Ansicht, ihr sei im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe aus der Staatskasse eine Einigungsgebühr nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer zu gewähren, denn schließlich hätten sich die Kindeseltern, wie vom Amtsgericht auch im Termin vom 21. Januar 2011 protokolliert, über einen Teilbereich der elterlichen Sorge, nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn geeinigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgenannten Entscheidungen sowie die Beschwerdeschrift Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3, Abs. 7 RVG statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, die den Beschwerdewert von 200,00 Euro übersteigt, ist zulässig und in der Sache begründet. Denn das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25.04.2012 die der Anwältin der Antragsgegnerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu Unrecht um die nach §§ 45, 49 RVG in Verb. mit den Nr. 1000, 1003 des VV RVG zu zahlende Einigungsgebühr nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer in Höhe von 224,91 Euro gekürzt.

Nach der vorherrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung - der sich auch der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 11. Januar 2012 (Az.: 3 WF 4/12 (RVG)) angeschlossen hat - kann in einem auf Antrag durchgeführten Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB für einen als Verfahrensbevollmächtigten beteiligten Rechtsanwalt eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG anfallen (OLG Bremen, FamRZ 2009, 2110 ff; OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 1465 ff.; OLG Dresden 1999, 2101, OLG Koblenz MDR 2001, 1017 und dasselbe ablehnend für Verfahren gemäß § 1666 BGB in: NJW-RR 2006, 1151; OLG Nürnberg NJW 2005, 2012; OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 1007; OLG Brandenburg, NJW-RR 2006, 1368). Zu Recht wird in diesem Zusammenhang auf § 48 Abs. 3 RVG verwiesen, bei dem vom Abschluss eines Vergleichs im Sinne der Nr. 1000 VV RVG, unter anderem über die elterliche Sorge für gemeinschaftliche Kinder der Parteien, die Rede ist (so ausdrücklich: OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1465, 1466).

Eine Gebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag bezieht sich ausdrücklich nur auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Eine Mitwirkung an einer vertraglichen Vereinbarung wird regelmäßig dann notwendig sein, wenn erst dadurch die Grundlage für eine auf sie aufbauende gerichtliche Regelung gemäß § 1671 BGB geschaffen wird. Soweit dabei das beiderseitige Nachgeben der Beteiligten nicht ohne Weiteres zur sofortigen Verfahrensbeendigung führen kann, sondern darüber hinaus noch eine gerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB erforderlich ist, steht dies gleichwohl nicht der Entstehung der Gebühr nach den Nummern 1000, 1003 VV RVG entgegen. Denn mit der Reform des anwaltlichen Vergütungsrechts und der Schaffung des Gebührentatbestandes nach Nr. 1000 RVG war der Wille des Gesetzgebers verbunden, jegliche vertragliche Beilegung des Streits zu honorieren (BT-Drs. 15/1971, S. 147, 204), mag auch die Tatsache, dass sowohl das Anerkenntnis als auch der Verzicht vom Anfall einer Einigungsgebühr ausgenommen sind, den Schluss zulassen, dass eine Gebühr nach den Nr. 1000, 1003 RVG immer noch ein wechselseitiges Nachgeben verlangt. Mithin kann also im Sorgerechtsverfahren - unabhängig von der Dispositionsbefugnis der Parteien - im Falle eines wechselseitigen Nachgebens, wenn dies zur Grundlage der dann verfahrensabschließenden gerichtlichen Sorgerechtsentscheidung wird, eine Einigungsgebühr anfallen.

Dies ist für den Entscheidungsfall zu bejahen.

Die Parteien haben über die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsteller, den nicht sorgeberechtigten Vater des minderjährigen, nichtehelich geborenen P. Z. gestritten, wobei der Kindesvater unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2010, Az.: 1 BvR 420/09, mit seinem Hauptsacheantrag zunächst die Übertragung der alleinigen, und nur hilfsweise, der Mitsorgeberechtigung für seinen minderjährigen Sohn begehrt hat, während die Antragsgegnerin als Kindesmutter die Zurückweisung beider Anträge verlangte. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht am 21.01.2011 hat der Kindesvater sodann nur noch seinen Hilfsantrag, nämlich die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge für P., gestellt, während die Kindesmutter und Antragsgegnerin diesem Antrag ausdrücklich zugestimmt hat. Dieses erkennbar von einem wechselseitigen Nachgeben gekennzeichnete Prozessverhalten beider Parteien, hieran lassen die übrigen protokollierten Prozesserklärungen der beteiligten Kindeseltern keinen Zweifel, hat schließlich die Grundlage für die dann das Verfahren beendende amtsgerichtliche Entscheidung vom 27.01.2011 gebildet, aufgrund derer, dem Willen beider Elternteile entsprechend, ihnen das gemeinschaftliche Sorgerecht für den minderjährigen Sohn übertragen worden ist.

Wird aber das wechselseitige Nachgeben beider Elternteile im Sorgerechtsstreit zur Basis der anschließenden Gerichtsentscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 BGB, dann fällt die Einigungsgebühr an und ist dem Verfahrensbevollmächtigten auch aus der Staatskasse zu ersetzen (vgl. so OLG Naumburg, a.a.O; OLG Bremen, FamRZ 2009, 2110).

Nach alledem musste die Beschwerde Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

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