BFH, Beschluss vom 08.10.2014 - X B 24/14
Fundstelle
openJur 2014, 26779
  • Rkr:
Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und sein früherer Steuerberater (S) waren zu jeweils 50 % an einer Grundstücksgemeinschaft beteiligt, die in den Jahren 1989 bis 1997 insgesamt 12 Immobilien erwarb und wieder veräußerte. Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile unstreitig, dass die Grundstücksgemeinschaft einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben und damit umfangreiche laufende Verluste erzielt hat. Zum 31. Dezember 1997 gab sie ihren Betrieb auf. In den Jahren 1996, 1997, 2000 und 2001 erließen vier Kreditinstitute der Grundstücksgemeinschaft erhebliche Verbindlichkeiten.

Seit dem Jahr 1999 war beim Finanzgericht (FG) ein Klageverfahren wegen der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Grundstücksgemeinschaft für die Jahre 1992 bis 1996 anhängig. Am 4. Februar 2004 erging hinsichtlich der Gewinnfeststellung für das Jahr 1997 --dem Streitjahr des vorliegenden Verfahrens, das jedoch nicht Gegenstand des genannten Klageverfahrens war-- eine Einspruchsentscheidung, die nicht angefochten wurde.

Am 6. und 26. Februar 2004 fanden vor dem Berichterstatter (B) des für das Gewinnfeststellungsverfahren zuständigen Senats des FG Erörterungstermine im Klageverfahren statt, die letztlich zu einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führten. Gerichtliche Protokolle über diese Termine finden sich in den Akten des vorliegenden Verfahrens nicht. Der Kläger hat aber Aufzeichnungen seiner damaligen Prozessbevollmächtigten P --einer bekannten Großkanzlei-- vorgelegt. Darin heißt es zum Termin am 6. Februar 2004 u.a.:

"6. SanierungsgewinnDarlehenserlasse ab 1997 sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Sach- und Rechtslage wie im Schriftsatz vom 6.2.04 von <P> dargestellt wird erörtert. Das FA hat an der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 66 EStG a.F. und dem Vorliegen einer unternehmerbezogenen Sanierung Zweifel. Bezweifelt wird auch das Vorliegen einer Sanierungsabsicht der Gläubiger, insbesondere eines Sanierungsplans zwischen den einzelnen Gläubigerbanken. Herr ... <B> sieht eine unternehmerbezogene Sanierung als gegeben an. Zum Beweis der Sanierungsabsicht und eines einheitlichen Vorgehens der Banken legt <P> dem FG den Schriftwechsel ... vor. ... Das FA fordert zur weiteren Prüfung des Vorliegens eines Sanierungskonzepts den Schriftwechsel der GbR mit der ...bank an. <S> erklärt sich bereit die erforderlichen Unterlagen zusammen zu richten."

In den Aufzeichnungen der P zum Termin am 26. Februar 2004 heißt es u.a.:"2. GesamtlösungIm Laufe des Erörterungstermins wurden die strittigen Sachverhalte noch einmal angesprochen und diskutiert. Dies waren insbesondere:Begünstigter Aufgabegewinn - Differenzierung der Darlehenserlasse bei Umlaufvermögen ...Steuerfreier Sanierungsgewinn - Vorliegen eines einheitlichen Sanierungsplans. Hauptstreitpunkt war hier, ob ein gemeinschaftliches Wirken aller Banken als Voraussetzung für einen Sanierungsplan gegeben war. Das Finanzamt äußerte insbesondere Bedenken, dass der Darlehenserlass der ...bank im Jahre 1996 als Teil eines Sanierungsplans zu sehen sei."

Im weiteren Verlauf dieses Termins kam es zu einer tatsächlichen Verständigung dahingehend, dass für die streitbefangenen Jahre 1992 bis 1996 gewerbliche Verluste in näher bestimmter Höhe festgestellt werden sollten. In die Verständigung wurden auch die Jahre 1997 bis 2000 einbezogen, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren. Für das Jahr 1997 sollte ein laufendes Ergebnis von ./. 652.197 DM und ein begünstigter Aufgabegewinn von 2.465.181 DM festgestellt werden. Der Betrag des Aufgabegewinns entspricht dem in den Jahren 2000 und 2001 erlassenen Teil der Verbindlichkeiten. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit für die streitbefangenen Jahre 1992 bis 1996 in der Hauptsache für erledigt. Die Vertreter der Grundstücksgemeinschaft erklärten, für das Jahr 1997 werde weder Klage erhoben noch ein neuer Einspruch eingelegt.

Der Kläger behauptet, B habe in diesem Termin einen Hinweis auf die Möglichkeit eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen gegeben. In den vorgelegten Aufzeichnungen der P findet sich hierzu nichts.

Am 5. März 2004 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1997, am 2. April 2004 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 für den Kläger. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 26. Mai 2004 stellte der Kläger den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Antrag, die Einkommensteuer 1997 sowie die steuerlichen Nebenleistungen in vollem Umfang aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Zur Begründung führte er u.a. aus, die --letztmals im Jahr 1997 anwendbare-- Vorschrift des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. hätte zur Steuerfreistellung des Buchgewinns aus dem Erlass der Bankverbindlichkeiten geführt, wenn dieser Erlass bereits im Jahr 1997 ausgesprochen worden wäre.

Das FA lehnte den Antrag ab und wies den Einspruch zurück. § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei im Streitfall nicht mehr anwendbar, weil die Verbindlichkeiten erst in den Jahren 2000 und 2001 erlassen worden seien. Die Voraussetzungen der an die Stelle der genannten Vorschrift getretenen Verwaltungsanweisung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003, BStBl I 2003, 240) seien nicht erfüllt, weil es im Streitfall lediglich um eine nicht begünstigte unternehmerbezogene Sanierung gehe. Die Annahme einer unternehmensbezogenen Sanierung scheide aus, weil der Betrieb der Grundstücksgemeinschaft bereits 1997 aufgegeben worden sei.

Das anschließende Klageverfahren --insoweit war als Berichterstatter erneut B zuständig-- ruhte auf Antrag der Beteiligten zunächst bis zur Entscheidung in dem von S wegen des Billigkeitserlasses der gegen ihn selbst festgesetzten Einkommensteuer geführten Parallelverfahren. Dort wies ein anderer Senat des FG mit Urteil vom 7. Dezember 2009 die Klage ab. § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei in zeitlicher Hinsicht auf den im Streitjahr 1997 realisierten (Aufgabe-)Gewinn noch anwendbar gewesen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien aber bereits im Steuerfestsetzungsverfahren, nicht erst im Billigkeitsverfahren zu prüfen. Habe sich der Erlass von Verbindlichkeiten bei einer Mitunternehmerschaft gewinnerhöhend ausgewirkt, sei über die Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Gewinnfeststellungsverfahren verbindlich zu entscheiden. Mögliche materiell-rechtliche Fehler bei der Anwendung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Verfahren der Gewinnfeststellung seien im Billigkeitsverfahren grundsätzlich nicht mehr überprüfbar. In derartigen Fällen könne ein Billigkeitserlass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sei und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zur Wehr zu setzen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Weder sei die im Wege der Verständigung getroffene Entscheidung, die Vorschrift des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht anzuwenden, offensichtlich und eindeutig unrichtig noch sei es dem Kläger unmöglich oder unzumutbar gewesen, sich gegen die Gewinnfeststellung für 1997 zu wenden.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung blieb beim erkennenden Senat ohne Erfolg (Beschluss vom 3. November 2010 X B 101/10, BFH/NV 2011, 285).

Anschließend wies das FG mit dem angefochtenen Urteil auch die vom Kläger erhobene Klage ab. Die Begründung entspricht sinngemäß weitgehend derjenigen in dem Urteil, das den von S gestellten Erlassantrag betrifft. Ergänzend führte das FG aus, es könne offen bleiben, ob B im Klageverfahren wegen der Gewinnfeststellung einen Hinweis auf die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses gegeben habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wären die Voraussetzungen für einen solchen Erlass aus den Gründen des Senatsbeschlusses in BFH/NV 2011, 285 jedenfalls nicht erfüllt. Der von P fachlich beratene Kläger hätte im Gewinnfeststellungsverfahren die Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG a.F. darlegen müssen. Sollte er der Auffassung gewesen sein, bereits alle Nachweise erbracht zu haben, hätte er versuchen müssen, eine ihm günstige Entscheidung durch Erhebung einer Klage gegen die für 1997 ergangene Einspruchsentscheidung herbeizuführen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen aller in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Gründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entsprechenden Weise dargelegt.

1. Dies gilt zunächst für das Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

a) Die Darlegung der Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass die Beschwerdebegründung konkrete Rechtsfragen bezeichnet und auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. November 2010 VII B 12/10, BFH/NV 2011, 406, unter II.1., m.w.N.).

b) Vorliegend enthält die Beschwerdebegründung zwar --im Stile einer Revisionsbegründung-- materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Damit werden aber weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Voraussetzungen eines anderen Revisionszulassungsgrundes dargelegt (vgl. BFH-Beschluss vom 24. September 2008 IX B 110/08, BFH/NV 2009, 39), zumal Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung nicht dargetan sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. März 2010 X B 118/09, BFH/NV 2010, 1277; vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116).

c) Allenfalls ließe sich dem Vorbringen des Klägers die Rechtsfrage entnehmen, ob dem Hinweis des B im Erörterungstermin im Klageverfahren wegen der Gewinnfeststellung eine besondere Bedeutung auch für das Klageverfahren wegen des Billigkeitserlasses zukomme.

Insoweit würde es aber bereits an der Klärungsfähigkeit einer solchen Frage in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall fehlen, weil das FG gerade offengelassen hat, ob B die vom Kläger behauptete Äußerung überhaupt getätigt hat. Zudem setzt sich der Kläger nicht mit dem sich aufdrängenden Umstand auseinander, dass das genannte Klageverfahren und damit der Erörterungstermin allein die Gewinnfeststellung der Jahre 1992 bis 1996 zum Gegenstand hatte. Damit waren Rechtsfragen, die allein das Jahr 1997 betrafen, seinerzeit von vornherein nicht zur Entscheidung des FG gestellt.

d) Das FA entnimmt in seiner Beschwerdeerwiderung dem Vorbringen des Klägers die Rechtsfrage, ob die bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sei, weil sie auf einem Aufgabegewinn beruhe und im Rahmen der Gewinnfeststellung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden seien.

Eine solche Rechtsfrage wäre --abgesehen davon, dass der Kläger sie so nicht formuliert hat-- nicht klärungsbedürftig, da die maßgebenden Fragen bereits höchstrichterlich entschieden sind.

Ist der Buchgewinn aus dem Erlass von Verbindlichkeiten bei einer Mitunternehmerschaft angefallen, ist über die Anwendung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. bereits im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (BFH-Urteile vom 24. April 1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672, unter 1., und vom 3. Juli 1997 IV R 31/96, BFHE 183, 509, BStBl II 1997, 690, unter 1.b).

Betrifft ein Einwand --wie hier-- die materiell-rechtliche Richtigkeit einer Steuerfestsetzung bzw. Gewinnfeststellung, ist ein auf sachliche Billigkeitsgründe gestützter Erlass nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung bzw. Gewinnfeststellung offensichtlich und eindeutig falsch ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611; vom 11. August 1987 VII R 121/84, BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512; vom 21. Juli 1993 X R 104/91, BFH/NV 1994, 597, und vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574). Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend verneint.

Ergänzend weist der Senat auch auf seine Ausführungen in dem im Parallelverfahren ergangenen Beschluss in BFH/NV 2011, 285 hin.

2. Bei dem Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) handelt es sich um einen speziellen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Für seine Darlegung gelten daher regelmäßig dieselben Anforderungen, die an eine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützte Beschwerdebegründung zu stellen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2010 VI B 100/10, BFH/NV 2011, 574, unter 2., und vom 13. Dezember 2012 X B 104/12, BFH/NV 2013, 559, unter II.2.). Da das Vorbringen des Klägers insoweit über seinen Vortrag zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht hinaus geht, kann eine Zulassung im Streitfall auch nicht auf das Erfordernis einer Rechtsfortbildung gestützt werden.

3. Der Kläger ist sinngemäß weiter der Auffassung, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, weil das FG vom BFH-Beschluss vom 28. Februar 2012 VIII R 2/08 (BFH/NV 2012, 1135) abgewichen sei.

Auch insoweit sind die Darlegungsanforderungen indes nicht erfüllt, weil der Kläger dem aus dem genannten BFH-Beschluss entnommenen Rechtssatz keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen FG-Urteil gegenüberstellt (vgl. zu den insoweit geltenden Darlegungsanforderungen Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.).

4. Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist vom Kläger von vornherein nicht dargelegt worden, auch wenn die Beschwerde formelhaft hierauf gestützt wird.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

6. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.