§ 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV regelt allein die Fälligkeit des Mindestentgelts nach § 2 PflegeArbbV. Zumindest hinsichtlich des Entgelts aufgrund Arbeits- und Tarifvertrags entfaltet § 3 Abs. 1 PflegeArbbV keine Sperrwirkung nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG (Anschluss an
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten um die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs. Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist Trägerin einer Pflegeeinrichtung. Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der in dem Betrieb der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat.
Nach erfolglosen Verhandlungen der Beteiligten über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur bargeldlosen Entgeltauszahlung kam durch Spruch der Einigungsstelle vom 11. November 2011 eine Betriebsvereinbarung zustande.
Die Betriebsvereinbarung enthielt ua. folgende Bestimmung:
"§ 3 Auszahlungstermin für die Vergütung
Die Arbeitgeberin überweist den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen jeweils zum ersten des Folgemonats die aus festen Bestandteilen bestehende monatliche Vergütung auf ein vom Arbeitnehmer mitzuteilendes Konto bei einem Geldinstitut. Im Laufe eines Monats verdiente variable Vergütungsbestandteile insbesondere Zeitzuschläge werden jeweils am ersten des übernächsten Monats auf das Konto überwiesen."
Hinsichtlich der weiteren Bestimmungen der durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Betriebsvereinbarung wird auf Bl. 82 d. A. verwiesen.
Mit ihrem am 24. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 29. Februar 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hauptantrag sei bereits unzulässig, weil neben der Feststellung der Unwirksamkeit ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis auf Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsvereinbarung nicht zu erkennen sei. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf den in einem Parallelverfahren ergangenen und den Beteiligten bekannten Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2011 - 6 TaBV 1027/11 - die Wirksamkeit der durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Betriebsvereinbarung bejaht.
Gegen den ihr am 27. April 2012 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin mit am 23. Mai 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 26. Juni 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung, der Hauptantrag sei zulässig. Der Spruch der Einigungsstelle sei auch nichtig, zumindest aber unwirksam. § 3 Abs. 1 Pflegearbeitsbedingungenverordnung (im Folgenden: PflegeArbbV) enthalte zumindest hinsichtlich des Mindestentgeltanteils am tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt eine abschließende und beidseitig zwingende Regelung zur Fälligkeit und bilde deswegen eine gesetzliche Sperre gem. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Der Spruch der Einigungsstelle sei auch ermessensfehlerhaft. Angesichts der jedenfalls betreffend den Mindestentgeltanteil am Arbeitsentgelt beidseitig zwingenden Fälligkeitsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV stelle eine Fälligkeit vor dem 15. des Folgemonats keinen billigen Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat dar.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 - 56 BV 1792/11 - abzuändern und
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11. November 2011 über eine Betriebsvereinbarung über den Zeitpunkt und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte nichtig ist,
hilfsweise für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben wird,
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11. November 2011 über eine Betriebsvereinbarung über den Zeitpunkt und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte unwirksam ist.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das arbeitsgerichtliche Urteil und die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2011 (6 TaBV 1027/11).
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
A.
Die Beschwerde ist gem. §§ 8 Abs.4, 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründetet worden; sie ist damit zulässig.
B.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zutreffend zurückgewiesen.
Es kann offenbleiben, ob die Arbeitgeberin ein Rechtsschutzbedürfnis an einer gesonderten Feststellung der Nichtigkeit des Einigungsstellenspruchs hat. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam, so dass sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag zurückzuweisen waren.
I.
Die Einigungsstelle war für die von ihr getroffene Regelung zuständig.
1. Nach § 87 Abs. 2 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung über die in § 87 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Angelegenheiten zustande kommt. Zu den Angelegenheiten gehört nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG die Bestimmung von Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst auch die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist und damit deren Fälligkeit (BAG 25. April 1989 - 1 ABR 91/87 - EzA § 98 ArbGG 1979 Nr. 6 = AP Nr. 3 zu § 98 ArbGG 1979). Dies stellt die Arbeitgeberin auch nicht mehr in Abrede.
2. Eine Regelung ist nicht durch § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG ausgeschlossen.
a. Nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG hat der Betriebsrat bei den im Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Mit diesem Vorrang wird berücksichtigt, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr vorhanden ist, wenn eine den Arbeitgeber bereits bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag vorliegt (BAG 24.02.1987 - 1 ABR 18/85 - EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 10 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 143). Voraussetzung ist, dass es sich um zwingendes und nicht lediglich dispositives Recht handelt (BAG 29.03.1977 - 1 ABR 123/74 - EzA § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 2 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier BetrVG 26. Aufl. § 87 Rn. 29).
b. § 3 Abs. 1 PflegeArbbV sperrt die Regelungsbefugnis der Betriebspartner und damit der Einigungsstelle hinsichtlich der Regelung der Fälligkeit des Arbeitsentgelts nicht.
aa. Zwar kann ein Gesetz i.S.d. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG auch eine Rechtsverordnung (Richardi BetrVG 13. Aufl. § 87 Rn. 145) und damit auch die Pflegearbeitsbedingungenverordnung vom 15. Juli 2010 sein.
bb. § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV regelt jedoch lediglich die Fälligkeit des in § 2 dieser Verordnung verbindlich vorgeschriebenen Mindestentgelts. Damit ist keine Regelung für einen Anspruch des Arbeitnehmers auf darüber hinausgehendes, gleich hohes oder niedrigeres Entgelt aufgrund Arbeits- oder Tarifvertrags getroffen worden (LAG Berlin Brandenburg 15. Juli 2011 - 6 TaBV 1027/11 - NZA-RR 2011, 512 (513)). Eine Regelungskompetenz bezüglich der Fälligkeit besteht aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 11 AEntG auch ausschließlich hinsichtlich des Mindestentgelts nach § 2 PflegeArbbV.
cc. Soweit die Arbeitgeberin der Auffassung ist, § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV sei einschlägig, weil das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV Bestandteil des an ihre Arbeitnehmer gezahlten Entgelts ist, trifft dies nicht zu. Die Arbeitgeberin zahlt ihren Beschäftigten nicht etwas das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV, sondern das vertraglich vereinbarte Gehalt. Eine Aufspaltung des einheitlichen Gehalts in einen fiktives Mindestentgelt und den darüber hinausgehenden Entgeltanspruch ist nicht möglich. Dies würde auch zu unterschiedlichen Fälligkeitsterminen eines einheitlichen Gehaltsanspruchs führen. Dies ist nicht Intention des § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV; vielmehr regelt die Norm - entsprechend der begrenzten gesetzlichen Ermächtigung in § 11 AEntG - ausschließlich die Fälligkeit eines nach § 2 PflegeArbbV geschuldeten Mindestentgelts.
Für die Annahme der Arbeitgeberin, der Verordnungsgeber habe durch die Einführung eines Mindestentgelts und die flankierende Fälligkeitsregelung durch das PflegeArbbV, eine Festlegung des Fälligkeitszeitpunkts für alle Entgelte aller Beschäftigten mit pflegerischen Tätigkeiten festlegen wollen, gibt es - unabhängig von der Frage der Gesetzgebungskompetenz - keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr versucht die Arbeitgeberin eine Verordnung, die durch Einführung eines Mindestentgelts allein dem Schutz der Beschäftigten dienen soll, in eine Regelung umzudeuten, die sich durch Festlegung eines von § 614 BGB negativ abweichenden Fälligkeitszeitpunkts zu lasten aller Beschäftigten mit pflegerischen Tätigkeiten in Pflegebetrieben auswirken soll.
dd. Ob es sich bei § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeArbbV im Hinblick auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV um eine zwingende Regelung handelt, die eine zugunsten der Beschäftigten abweichende Fälligkeitsregelungen ausschließt, kann offenbleiben.
II.
Der Spruch der Einigungsstelle überschreitet nicht die Grenzen des Ermessens.
Nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG hat die Einigungsstelle ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen. Die durch den Spruch getroffene Regelung muss sich innerhalb dieser Grenzen halten.
1. Die Arbeitgeberin hat die vermeintliche Ermessensüberschreitung innerhalb der Frist des § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG geltend gemacht.
2. Eine Ermessensüberschreitung liegt indes nicht vor.
a. Soweit die Arbeitgeberin der Auffassung ist, die Einigungsstelle habe ihren Regelungsspielraum verkannt, weil sie ihre Bindung an die Fälligkeitsregelung des § 3 Abs. 1 PflegeArbbV übersehen habe, trifft dies nicht zu. Eine Bindung an die Fälligkeitsregelung des § 3 Abs. 1 PflegeArbbV bestand nicht.
b. Ebensowenig kann deswegen - entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin - aus der Fälligkeitsregelung des § 3 Abs. 1 PflegeArbbV gefolgert werden, es sei kein billiger Ausgleich der Interessen erfolgt.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass durch die Festlegung des Fälligkeitszeitpunkts in § 3 der Betriebsvereinbarung kein billiger Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgt ist. Hierzu hat das LAG Berlin-Brandenburg in dem den Beteiligten bereits bekannten Beschluss vom 8. Juli 2009 (- 23 TaBV 899/09 - nv.) ausgeführt:
"Bei der Bestimmung des Auszahlungszeitpunktes ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer ein gewichtiges Interesse daran haben, dass ihr Vergütungsanspruch unverzüglich beglichen wird. Die Tatsache, dass sie die in dem Manteltarifvertrag für einen Übergangszeitraum vorgesehenen Überbrückungsgelder wegen des späteren Auszahlungstermins nicht in Anspruch genommen haben, spricht nicht dagegen. Zum 1. des Folgemonates ist der Zeitabschnitt, in dem sie vorleistungspflichtig sind, verstrichen. Für sie sind zum Anfang des Monates verschiedene Leistungen, wie Wohnkosten, Ratenzahlungen und Unterhaltsleistungen fällig. Diese Belange sind nicht mit der Begründung abzutun, dass der Arbeitgeber für die Haushaltsführung der Arbeitnehmer nicht einzustehen hat. Ihnen kommt vielmehr ein großes Gewicht bei Frage zu, ob ein anderer Auszahlungstermin als der 1. des Folgemonates bestimmt werden soll.
Die Arbeitgeberinteressen sind in der Betriebsvereinbarung durchaus angemessen berücksichtigt. Zum 1. des Folgemonates sind lediglich die festen Bestandteile der monatlichen Vergütung zu überweisen. Für die Arbeitgeberin sind damit keine Berechnungsschwierigkeiten verbunden, weil die Beträge auch in den Entgeltfortzahlungszeiträumen bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit gleich bleibend sind. Abweichende Berechnungen sind lediglich in Ausnahmefällen zu erwarten, so dass ein späterer Auszahlungstermin nicht geboten ist. Hinsichtlich der variablen Vergütungsbestandteile ist dem Erfordernis von Einzelberechnungen durch Festlegung des Auszahlungstermins auf den übernächsten Monat ausreichend Rechnung getragen worden. Durch die Beachtung der Überweisungsfristen wird die Arbeitgeberin nicht unangemessen belastet. Sie sind Vorbereitungshandlungen zur Erfüllung ihrer Zahlungspflicht. Die Erfüllung tritt erst mit der Gutschrift auf dem Konto des Arbeitnehmers ein. Die Tatsache, dass die Arbeitgeberin selbst die Leistungen für die Bewohner erst am Monatsanfang erhält, kann nicht entscheidend zu ihren Gunsten gewichtet werden, da sie gegenüber den Arbeitnehmern als der wirtschaftlich Stärkere anzusehen ist."
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an.
C.
Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 2 GKG Kosten nicht erhoben werden.
D.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ArbGG iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen. Die Auslegung der Fälligkeitsregelung in der PflegeArbbV steht außer Zweifel und ist deshalb nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig (so bereits auch LAG Berlin Brandenburg 15. Juli 2011 - 6 TaBV 1027/11 - NZA-RR 2011, 512 (513)).