BSG, Urteil vom 27.05.2014 - B 5 RE 8/14 R
Fundstelle
openJur 2014, 26412
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2013 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2011 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Aufwendungen für ihre in der Schweiz durchgeführte freiwillige Krankenversicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI zusteht.

Die am 28.8.1938 geborene Klägerin hat ihren Wohnsitz in der Schweiz.

Im Juni 1998 stellte die Klägerin einen Antrag auf Altersrente nach Vollendung des 60. Lebensjahres. In diesem verneinte sie die Fragen, ob sie Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung/Pflegeversicherung beantrage. Die Beklagte lehnte den Antrag mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab.

Auf den Antrag der Klägerin von Januar 2001 bewilligte die Beklagte ihr unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25.2.1964 mit Bescheid vom 14.6.2001 Altersrente für langjährig Versicherte mit Wirkung ab dem 1.9.2001. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass von einer gesetzlichen Krankenversicherung der Klägerin in ihrem Wohnstaat auszugehen sei und daher Kranken- sowie Pflegeversicherungsbeiträge aus der Rente nicht einbehalten würden.

Mit Bescheid vom 12.10.2004 stellte die Beklagte die Altersrente mit Wirkung ab 1.6.2002 nach den Verordnungen (EWG) Nr 1408/71 und Nr 574/72 unter Wiederholung des Hinweises zur Krankenversicherung der Klägerin neu fest.

Mit Schreiben vom 29.5.2009 - bei der Beklagten eingegangen am 8.6.2009 - beantragte die Klägerin "einen Zuschuss zum (freiwilligen) Krankenversicherungsbeitrag gem. § 106 SGB VI" bei der Schweizer Groupe Mutuel. Nach der von der Klägerin überreichten Bescheinigung dieser Versicherung vom 8.6.2009 besteht die Krankenversicherung seit 1.1.1999, ist die Mitgliedschaft sowohl obligatorisch als auch freiwillig und umfasst ua die Kosten ambulanter Arztbehandlung, stationärer Krankenhausbehandlung, Aufwendungen für Arzneien und Heilmittel sowie die zahnärztliche Behandlung bzw Zahnersatz. Die monatliche Beitrags- und Prämienhöhe belief sich insgesamt im Jahr 2006 auf 607,40 CHF, im Jahr 2007 auf 610,20 CHF, im Jahr 2008 auf 685,40 CHF und im Jahr 2009 auf 701,60 CHF. In der Bescheinigung bestätigt die Krankenversicherung zugleich, dass sie der Aufsicht der Schweiz unterliege und auf die Krankenversicherungsleistungen ein Rechtsanspruch bestehe, der weder von der Bedürftigkeit des Versicherungsnehmers noch von der Disposition Dritter abhänge. Mit Bescheid vom 16.6.2009 lehnte die Beklagte den Antrag für die Zeit "vom 1.6.2009 - laufend" ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Klägerin aufgrund einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sei bzw von einem Einwohnerpflichtkrankenversicherungssystem erfasst werde. Dies schließe gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI ab dem 1.5.2007 den Zuschuss zur Krankenversicherung aus.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch berief sich die Klägerin auf eine Vielzahl vergleichbarer (positiv beschiedener) Verfahren und wies sinngemäß darauf hin, in ihrem Antrag auch einen Beratungsfehler im Zusammenhang mit der Beantragung von Altersrente im Januar 2001 geltend gemacht zu haben.

Mit Ergänzungsbescheid vom 24.8.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Beitragszuschusses bereits für Zeiten ab 1.6.2002 ab, weil die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs nicht gegeben seien und wies mit Widerspruchsbescheid vom 16.2.2010 den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 16.6.2009 und 24.8.2009 als unbegründet zurück.

Das SG Berlin hat mit Urteil vom 20.10.2011 den Bescheid vom 16.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Zuschuss zur Krankenversicherung für die Zeit ab 1.6.2009 zu gewähren. Die Klage gegen den Bescheid vom 24.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 hat das SG dagegen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses lägen für die Zeit ab 1.6.2009 vor. Für die Zeit davor habe die Klägerin dagegen keinen Anspruch auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung. Ein solcher folge insbesondere nicht aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG Berlin-Brandenburg mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils neu gefasst werde: Die Bescheide vom 16.6.2009 und vom 24.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 würden teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 1.6.2009 monatlich einen Zuschuss zu ihren Aufwendungen für die bei der Groupe Mutuel bestehende Krankenversicherung zu zahlen (Urteil vom 13.2.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe hinsichtlich des allein noch streitgegenständlichen Zeitraums seit dem 1.6.2009 einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu ihren Krankenversicherungsaufwendungen bei der Groupe Mutuel. Streitgegenständlich seien insoweit - anders als vom SG tenoriert - die Bescheide vom 16.6.2009 und 24.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010, was im Urteilsausspruch entsprechend klarzustellen gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI lägen vor. Die Klägerin gehöre zu dem von § 106 Abs 1 S 1 SGB VI begünstigten Personenkreis, weil sie seit dem 1.9.2001 eine Altersrente von der Beklagten beziehe. Sie habe auch einen Beitragszuschuss zu ihren Krankenversicherungsaufwendungen beantragt (§ 108 iVm § 99 Abs 1 S 2 SGB VI) und sei bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen iS der 2. Alternative der Norm versichert. Die Groupe Mutuel stehe zwar nicht unter deutscher, jedoch unter der Aufsicht der Schweiz, was nach Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71, die im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz Anwendung finde, ausreichend sei. Der Versicherungsschutz sei zudem mit dem der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar, weil ausweislich der schriftlichen Bestätigung der Groupe Mutuel vom 8.6.2009 ua die Kosten für ambulante Arztbehandlung, stationäre Krankenhausbehandlung, Arznei- und Heilmittel sowie zahnärztliche Behandlung bzw Zahnersatz seit Versicherungsbeginn im Jahr 1999 versichert seien.

Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI ausgeschlossen. Das Versicherungsverhältnis in der schweizerischen obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKPV) begründe keine gleichzeitige Pflichtversicherung in einer ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Es fehle zum einen am Kriterium der Gleichzeitigkeit. Zum anderen liege keine Pflichtkrankenversicherung im Sinne der Norm vor. Es müsse differenziert werden, ob jemand lediglich verpflichtet sei, einen Krankenversicherungsschutz zu begründen (wie in der Schweiz), oder ob jemand aufgrund gesetzlicher Vorschriften (wie in der Bundesrepublik Deutschland) automatisch in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sei. Die Rechtslage in der Schweiz entspreche der seit dem 1.1.2009 in der Bundesrepublik Deutschland nach § 193 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bestehenden Rechtslage. Schließlich lasse sich die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach die Versicherung in der OKPV die Gewährung eines Zuschusses ausschließe, mit Sinn und Zweck des § 106 SGB VI nicht vereinbaren. Bei Annahme einer Pflichtversicherung käme nur ein Anspruch nach § 249a SGB V in Betracht. Dieser stünde aber - so das LSG sinngemäß - einem Auslandsrentner nicht zu. Damit wäre der Rentenbezieher trotz seiner eigentumsrechtlich geschützten Position auf Beteiligung der Beklagten an den Aufwendungen zu seiner Krankenversicherung von einer entsprechenden Leistung gänzlich ausgeschlossen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 106 SGB VI. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor: Ob die Klägerin Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI habe, hänge nach dem Wortlaut der Norm davon ab, ob es sich bei der OKPV nach dem schweizerischen Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) um eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung handele. Dies sei der Fall. Die OKPV erfasse alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Diese müssten sich innerhalb von drei Monaten nach Wohnsitznahme oder Geburt versichern oder versichern lassen, wenn sie selbst keine Verträge schließen könnten. Die Versicherungspflicht ende in der Schweiz, wenn die Bedingungen hierfür nicht mehr erfüllt seien. Träger der OKPV könnten zwar juristische Personen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts sein. Diese unterlägen aber hinsichtlich der von der Krankenversicherungspflicht erfassten Personen, des Leistungskatalogs, der Voraussetzungen der Leistungserbringung usw denselben gesetzlichen Regelungen. Wie in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland hätten die Versicherten nicht die Wahl, ob sie eine Versicherung nach dem KVG abschließen wollten oder nicht. Die Versicherten genössen nur in sehr beschränktem Umfang Wahlfreiheiten. Insbesondere sei das Beitrags- und Leistungsrecht im Rahmen der OKPV im Gesetz zwingend festgeschrieben. Weitere Details sprächen ebenfalls für eine Gleichsetzung der schweizerischen OKPV mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. So sei insbesondere die für beide Vertragspartner geltende privatrechtliche Vertragsfreiheit weitgehend aufgehoben und könnten die Versicherten die Krankenkasse wie in Deutschland wechseln, während dem Versicherungsunternehmen im Regelfall kein Kündigungsrecht zustehe.

Zudem sei auch das Kriterium der Gleichzeitigkeit gegeben, weil die Klägerin in der OKPV pflichtversichert sei und gleichzeitig eine zusätzliche private Krankenversicherung nach dem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) abgeschlossen habe.

Die Rechtsauffassung des LSG, dass eine Pflichtkrankenversicherung in der OKPV zweifellos keinen Anspruch auf Übernahme eines Beitragsanteils nach § 249a SGB V begründe, sei mit dem Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (C-73/99, Movrin - SozR 3-6050 Art 10 Nr 6) nicht vereinbar. Der EuGH habe in diesem festgestellt, dass die Rentenversicherungsträger, die sich bei den in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Inlandsrentnern gemäß § 249a SGB V an der Tragung der Krankenversicherungsbeiträge zu beteiligen hätten, eine solche Zulage entsprechend § 249a SGB V auch an Rentner zahlen müssten, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnten und dort der Krankenversicherungspflicht unterlägen. Daher könne bei einer Pflichtversicherung in einer ausländischen Krankenversicherung - entsprechend dem deutschen Recht - kein Anspruch auf einen Zuschuss nach § 106 SGB VI bestehen.

Entgegen der Auffassung des LSG sei die OKPV schließlich auch nicht mit der seit dem 1.1.2009 in Deutschland bestehenden Basisversicherung nach § 193 VVG iVm § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz zu vergleichen. Die Versicherung nach § 193 VVG sei keine gesetzliche Krankenversicherung. Sie gehöre in den Bereich der privaten Krankenversicherung, die insgesamt nach privatrechtlichen Grundsätzen organisiert sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2013 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Gründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Rechtsmittel hat zum Teil schon aus prozessrechtlichen Gründen Erfolg (A.I. und II.). Im Übrigen sind die angefochtenen Entscheidungen nicht mit der materiellen Rechtslage vereinbar (A.III.).

A.I. Soweit das LSG den Tenor des erstinstanzlichen Urteils "neu gefasst" und den Bescheid vom 24.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 teilweise aufgehoben hat, hat es § 202 S 1 SGG iVm § 528 S 2 ZPO verletzt, nach dem das Urteil des ersten Rechtszugs nur insoweit abgeändert werden darf, als dies beantragt ist. Das Risiko des Berufungsklägers beläuft sich daher im äußersten Fall auf die Zurückweisung der Berufung, nicht aber auch auf die Aufhebung des Urteils, soweit er im erstinstanzlichen Verfahren erfolgreich gewesen ist (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 123 RdNr 5a). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.1.2012 beantragt, das Urteil des SG Berlin vom 20.10.2011 aufzuheben, soweit die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 16.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 verurteilt worden ist, der Klägerin einen Zuschuss zur Krankenversicherung für die Zeit ab 1.6.2009 zu gewähren, und die Klage auch insoweit abzuweisen. Diesen Antrag hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 13.2.2013 mit der Formulierung wiederholt, das Urteil des SG Berlin vom 20.10.2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Anhaltspunkte dafür, dass diesem Antrag ein anderer Sinngehalt als dem im Schriftsatz vom 23.1.2012 gestellten Antrag zukommen könnte, sind der Gerichtsakte des LSG nicht zu entnehmen.

Das LSG ist über diesen Antrag hinausgegangen, indem es auch den Bescheid vom 24.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 in dem oben dargelegten Umfang aufgehoben hat.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts überschneiden sich die Bescheide vom 16.6.2009 und 24.8.2009 hinsichtlich ihres Regelungsgehalts nicht. Während der Bescheid vom 16.6.2009 einen Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Beitragszuschusses nach § 106 Abs 1 SGB VI für die Zeit vom "1.6.2009 - laufend" verneint, enthält der Bescheid vom 24.8.2009 eine entsprechende Regelung für die Zeit vom 1.6.2002 bis 31.5.2009. Zwar benennt der Bescheid vom 24.8.2009 ausdrücklich nur den Anfangszeitpunkt des geregelten Zeitraums. Eine Auslegung des Bescheids ergibt jedoch, dass er lediglich eine ergänzende Entscheidung für den durch den Bescheid vom 16.6.2009 noch nicht erfassten Zeitraum trifft. Mit dem Bescheid vom 24.8.2009 wird der Antrag der Klägerin vom 8.6.2009 "in Ergänzung zum Bescheid vom 16.6.2009 auch abgelehnt, soweit (er) auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch" gestützt wird. Diese Ausführungen sind vom Empfängerhorizont eines verständigen und die Zusammenhänge berücksichtigenden Beteiligten (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN) dahin zu verstehen, dass mit dem Bescheid vom 24.8.2009 ein Beitragszuschuss auch für den vor der Antragstellung Juni 2009 liegenden Zeitraum abgelehnt wird.

Die Klage gegen den Bescheid vom 24.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 hat das SG Berlin abgewiesen, ohne dass die Klägerin dieses Urteil mit der Berufung angegriffen hat. Das LSG hätte sich daher darauf beschränken müssen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zwar hat die Beklagte eine Verletzung des § 202 S 1 SGG iVm § 528 S 2 ZPO nicht gerügt. Verstöße gegen diese Vorschrift hat das Revisionsgericht indes auch ohne Rüge bei zulässiger Revision von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 36, 316, 319; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, § 528 RdNr 7).

II. Das LSG hat - wie schon das SG - die Beklagte verurteilt, der Klägerin "einen Zuschuss zu ihren Aufwendungen für die bei der Groupe Mutuel bestehende Krankenversicherung" zu zahlen. Dieser Tenor umfasst eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Zuschusses auch für die bei dem Versicherungsträger durchgeführte obligatorische Krankenversicherung. Insoweit gehen die vorinstanzlichen Entscheidungen über das Klagebegehren der Klägerin hinaus und verletzen damit § 123 SGG. Die Klägerin hat mit der Klageschrift vom 5.5.2010 ebenso wie zuvor mit ihrem Schreiben vom 29.5.2009 lediglich einen Zuschuss zu ihrer freiwilligen bzw privaten Krankenversicherung nach § 106 SGB VI beantragt. Allein hierüber befindet der Bescheid vom 16.6.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010. Eine über diesen Regelungsgegenstand hinausgehende Klage wäre bereits unzulässig gewesen.

Zwar hat die Beklagte eine Verletzung des § 123 SGG nicht gerügt. Einen Verstoß gegen diese Vorschrift und damit eine Verkennung des Streitgegenstands hat der erkennende Senat aber von Amts wegen zu beachten. Hierbei handelt es sich um einen Mangel, der im Revisionsverfahren derart fortwirkt, dass er bei Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würde (vgl allgemein BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 31), weshalb seine Überprüfung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (vgl allgemein BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13).

III. Der Bescheid der Beklagten vom 16.6.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.2.2010 ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für ihre freiwillige bzw private Krankenversicherung zu.

Auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen ist zwar nicht entscheidbar, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erfüllt sind. Gleichwohl ist eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nach § 170 Abs 2 SGG entbehrlich. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des S 1 gegeben wären, stünde der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Es ist zumindest der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 33 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 (BGBl I 554) verwirklicht.

1. Gemäß § 106 Abs 1 S 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

Zu Recht hat das LSG festgestellt, dass die Klägerin zu dem berechtigten Personenkreis im Sinne der Vorschrift gehört, weil sie seit dem 1.9.2001 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht (Bescheid vom 14.6.2001). Hingegen ist für den erkennenden Senat nicht beurteilbar, ob es sich bei der Groupe Mutuel um ein Krankenversicherungsunternehmen iS von § 106 Abs 1 S 1 SGB VI handelt.

Krankenversicherungsunternehmen im Sinne der Vorschrift sind alle (deutschen oder ausländischen) Versicherungsunternehmen, die eine Krankenversicherung durchführen und nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung sind, mögen sie im Übrigen privat oder öffentlich-rechtlich organisiert sein (vgl BSGE 14, 116, 118 = SozR Nr 2 zu § 381 RVO; BSGE 27, 129, 130, 131 = SozR Nr 15 zu § 381 RVO; BSG SozR 2200 § 385 Nr 11 S 50 zu § 534 Abs 1 RVO und § 173a RVO; BSGE 58, 224, 225 = SozR 2600 § 239 Nr 1 zu § 239 Abs 1 S 1 RKG, § 534 RVO und § 173a Abs 1 RVO; s auch KomGRV, § 106 SGB VI RdNr 4, Stand: März 2009).

Zwar ist offensichtlich, dass die Schweizer Groupe Mutuel nicht Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ist, und angesichts der genannten Vorgaben unschädlich, dass das Berufungsgericht keine bzw zumindest keine nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Groupe Mutuel privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert ist. Entscheidungserheblich iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI, den Feststellungen des LSG aber nicht entnehmbar, ist dagegen, ob dieses Unternehmen auch eine private Krankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI durchführt.

Nicht jede private Versicherung - gleich welchen Umfangs - ist eine Krankenversicherung iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI und damit zuschusspflichtig (vgl BSGE 20, 159, 161 = SozR Nr 5 zu § 381 RVO; BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16).

Zwar ist nicht erforderlich, dass die private Krankenversicherung des Rentenbeziehers eine Vollversicherung ist, die nach Art und Höhe Leistungen gewährt wie die gesetzliche Krankenversicherung bei versicherungspflichtigen Rentnern (vgl Peters in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, § 106 SGB VI RdNr 10, Stand: Dezember 2010). Im Interesse zumindest einer gewissen Vergleichbarkeit mit der ebenfalls zuschusspflichtigen freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Vollversicherung ist, ist in Fortführung der zu § 1304e RVO entwickelten Rechtsprechung des BSG aber eine Krankenversicherung von nennenswerter Bedeutung zu verlangen (BSGE 50, 61 = SozR 2200 § 1304e Nr 5 in einem Auslandsfall und allgemein BSG Urteil vom 2.8.1989 - 1 RA 33/88 - SozR 2200 § 1304e Nr 22 S 34 = Juris RdNr 16). Hiervon dürfte jedenfalls dann auszugehen sein, wenn die private Versicherung einen Teilbereich der im SGB V vorgesehenen Leistungen bei Krankheit - entweder ambulante, stationäre oder zahnärztliche Behandlung, Heil- und Hilfsmittel, Arzneien, medizinische Leistungen zur Rehabilitation oder Ähnliches - abdeckt (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II Bd 2, § 106 SGB VI RdNr 22, Stand: 01/08).

Welche Leistungen die private Krankenversicherung der Klägerin erbringt, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

Zwar führt das Berufungsgericht im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI aus, der Versicherungsschutz der Klägerin bei der Groupe Mutuel umfasse ausweislich der schriftlichen Bestätigung des Versicherungsträgers vom 8.6.2009 ua die Kosten für ambulante Arztbehandlung, stationäre Krankenhausbehandlung, Arznei- und Heilmittel sowie zahnärztliche Behandlung bzw Zahnersatz und ordnet damit alle genannten Leistungen einer einzigen Versicherung, der "bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen im Sinne der zweiten Alternative des § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI" bestehenden Versicherung zu. Diese Aussagen lassen sich indes nicht mit anderen Abschnitten des Urteils vereinbaren und binden daher mangels Widersprüchlichkeit bzw Unklarheit das BSG nicht (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 16; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 2 mwN). So weist das Berufungsurteil an anderer Stelle darauf hin, dass die Mitgliedschaft der Klägerin in der Groupe Mutuel sowohl obligatorisch als auch freiwillig sei und ua die vorstehend aufgeführten Leistungen umfasse. Ferner beziffert das LSG monatliche "Gesamt"beitragshöhen bzw "Gesamt"prämienhöhen für die Jahre 2006 bis 2009. Diese Ausführungen zeigen, dass die Klägerin bei der Groupe Mutuel zwei Versicherungen unterhält, und zwar die obligatorische Krankenversicherung sowie eine weitere freiwillige bzw private Krankenversicherung. Dies führt das LSG am Ende seiner Entscheidung selbst aus. Bestehen aber zwei Versicherungen, bedarf es der Klärung, welche dieser beiden welche der in der Bescheinigung der Groupe Mutuel vom 8.6.2009 genannten Versicherungsleistungen erfasst.

Sollte die Klägerin bei der Groupe Mutuel eine private Krankenversicherung mit einem nicht ausreichenden Krankenversicherungsschutz unterhalten, lägen die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI nicht vor.

Anderenfalls wäre den Anforderungen der Norm genügt. Zu Recht hat das LSG hinsichtlich der weiteren Voraussetzung des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI ausgeführt, es sei ausreichend im Sinne der Vorschrift, dass die Groupe Mutuel der schweizerischen Aufsicht untersteht.

Nach Art 10 Abs 1 der im Februar 2010 noch in Kraft befindlichen VO (EWG) Nr 1408/71, die im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz Anwendung findet (Art 8 iVm Anhang II Abschn A Nr 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999 <ABl EG L 114/6 vom 30.4.2002; BGBl II 2001, 810>, durch Zusatzprotokoll <ABl EU L 89/30 vom 28.3.2006> auf die am 1.5.2004 beigetretenen Mitgliedstaaten erweitert), dürfen die Geldleistungen bei Alter, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch besteht, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat. Daher kann weder die Entstehung noch die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die in dieser Bestimmung genannten Leistungen allein deshalb verneint werden, weil der Betroffene nicht im Gebiet des Mitgliedstaats wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (EuGH, aaO, S 19 mwN). Zu den Geldleistungen bei Alter iS der Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 zählt auch ein im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehener Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung (EuGH, aaO).

Unter Berücksichtigung dieser im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz zu berücksichtigenden Vorgaben ist ausreichend, wenn das ausländische Krankenversicherungsunternehmen, bei dem der Rentenbezieher versichert ist, der Aufsicht des Mitgliedstaates oder gleichgestellten Staates unterliegt, in dem das Krankenversicherungsunternehmen seinen Sitz hat (vgl auch Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 12, Stand: Dezember 2010). Ansonsten liefe die von Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 gewährleistete Exportierbarkeit einer Geldleistung im Alter bei Rentenbeziehern, die in einem anderen Mitgliedstaat oder gleichgestellten Staat wohnen und bei einem dort ansässigen Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, letztlich wegen ihrer Wohnsitznahme leer.

Sollten die Voraussetzungen des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI vorliegen, wäre der Anspruch der Klägerin jedoch gleichwohl ausgeschlossen, weil der Ausschlussgrund des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI verwirklicht ist.

2. Gemäß § 106 Abs 1 S 2 SGB VI in der mit Wirkung vom 1.5.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 33 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 (BGBl I 554) erhalten Rentenbezieher den Zuschuss nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.

a) Die schweizerische OKPV ist eine ausländische gesetzliche Krankenversicherung, die die Klägerin als Pflichtmitglied erfasst. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des schweizerischen KVG im Vergleich mit den im vorliegenden Zusammenhang wesentlichen Merkmalen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung.

Zwar ist ausländisches Recht nicht revisibel (vgl § 162 SGG), sodass das Revisionsgericht grundsätzlich an die Feststellungen des Tatsachengerichts, die darauf beruhende Rechtsauslegung und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gebunden ist (BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN; BSGE 80, 295, 298 f = SozR 3-4100 § 142 Nr 1; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 25; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Tatsachengericht eine ausländische Rechtsnorm übersehen und in der angefochtenen Entscheidung nicht gewürdigt hat; denn dann handelt es sich nicht um die Überprüfung der Auslegung einer irrevisiblen Norm, sondern um die Anwendung des geltenden Rechts auf einen vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (BSGE 71, 163, 165 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1, RdNr 14; BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4, RdNr 14; Leitherer, aaO, § 162 RdNr 6c). Aus diesem Grund ist der erkennende Senat zur Anwendung der Vorschriften des KVG befugt. Das LSG hat - ausgenommen Art 3 Abs 1 KVG - keine Norm dieses Gesetzes seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ebenso ist der erkennende Senat berechtigt, generelle Tatsachen - wie die Strukturen einer Krankenversicherung - selbst festzustellen (vgl hierzu allgemein Leitherer, aaO, § 163 RdNr 7 mwN).

aa) Die OKPV ist zunächst eine gesetzliche Krankenversicherung.

Sie ist eine "Versicherung" ua gegen das Risiko der "Krankheit" (Art 1a Abs 1 und Abs 2 Buchst a KVG). Sie erbringt bei Eintritt eines Versicherungsfalls Kosten für Leistungen (insbesondere Art 24, 25 und 31 KVG), an denen sich die Versicherten beteiligen müssen (Art 64 KVG). Dafür erhebt sie Beiträge (Prämien) von den Versicherten (Art 61 KVG; vgl auch Gerlinger, Das Schweizer Modell der Krankenversicherung - Zu den Auswirkungen der Reform von 1996, 2003, S 8 zu Nr 2.2). Sie ist also - ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - keine Einrichtung eines staatlichen Gesundheitswesens mit Versorgungscharakter (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 17, Stand: Juni 2007). Die OKPV ist auch eine "gesetzliche" Krankenversicherung. Sie ist - wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung - bis in Einzelheiten gesetzlich geregelt (vgl Peters, aaO, Vor § 1 SGB V RdNr 19). Das KVG enthält Vorschriften über die Versicherungspflicht (2. Titel, 1. Kapitel), die Organisation (2. Titel, 2. Kapitel), die Leistungen (2. Titel, 3. Kapitel), die Leistungserbringer (2. Titel, 4. Kapitel) und die Finanzierung (2. Titel, 5. Kapitel). Die OKPV ist schließlich auch eine soziale Krankenversicherung (Art 1a Abs 1 KVG).

bb) Die schweizerische OKPV ist zudem eine Pflichtversicherung iS des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI.

Bei der Beurteilung von Ansprüchen der Auslandsrentner hat die Rechtsprechung wiederholt ua hinsichtlich der Prüfung einer gesetzlichen Pflichtversicherung den möglicherweise anders gelagerten Verhältnissen im Ausland Rechnung getragen. Insoweit wird lediglich vorausgesetzt, dass die ausländische gesetzliche Krankenversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist (BSG SozR 2200 § 381 Nr 22 S 56; BSGE 47, 64, 65 = SozR 2200 § 381 Nr 30).

Dies trifft auf die schweizerische OKPV unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung zu.

Zwar beginnt die Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes mit der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, während in der Schweiz Versicherungspflicht besteht, aufgrund derer sich alle Personen mit dortigem Wohnsitz versichern müssen (Art 3 Abs 1 KVG), was den Abschluss eines Versicherungsvertrages erfordert.

Dieser Unterschied ist allerdings unwesentlich und steht einer Bewertung der OKPV als einer mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung annähernd vergleichbaren Versicherung unter dem Gesichtspunkt der Pflichtversicherung nicht entgegen.

Sowohl Pflichtversicherung als auch Versicherungspflicht bewirken, dass die von ihnen erfassten Personen verbindlich einer Versicherung zugeführt werden. Dass der Versicherungspflicht nach dem KVG auch tatsächlich nachgekommen wird, wird nicht dem freiwilligen Entschluss der Betroffenen überlassen, sondern durch Rechtszwang sichergestellt (Johannes W. Pichler in ders, Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 2001, S 1, 15). Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen, werden von den zuständigen kantonalen Behörden einem Versicherer zugewiesen (Art 6 Abs 2 KVG). Die Versicherer müssen in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede versicherungspflichtige Person aufnehmen (Art 4 Abs 2 KVG). Dieser Kontrahierungszwang bewirkt, dass Alters-, Geschlechts-, Gesundheits- oder ethnische Selektionen ausgeschlossen sind (vgl auch Johannes W. Pichler, aaO, S 16 und Richner in Johannes W. Pichler, aaO, S 41, 53) und damit jede versicherungspflichtige Person tatsächlich einen Versicherungsschutz erhält.

Der Versicherungsschutz wird auch nicht dadurch vermindert, dass die OKPV von Krankenkassen, die sowohl juristische Personen des öffentlichen als auch des privaten Rechts sein können (Art 11 Buchst a iVm Art 12 Abs 1 KVG), und zudem von privaten Versicherungsunternehmen (Art 11 Buchst b KVG) betrieben wird.

Abgesehen davon, dass alle Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung benötigen (Art 13 KVG) und jede versicherungspflichtige Person aufnehmen müssen (Art 4 Abs 2 KVG), können sie auch keiner versicherten Person kündigen (Richner, aaO, S 53). Solange die Versicherungspflicht dauert, müssen sie die Versicherten behalten (vgl Art 5 Abs 3 KVG). Nur die Versicherten können den Versicherer wechseln (Art 7 Abs 1 bis 3 KVG), es sei denn, die Versicherer führen die soziale Krankenversicherung nicht mehr durch (Art 7 Abs 4 KVG). Auch in diesem Fall droht den Versicherten allerdings nicht der Verlust der Krankenversicherung. Zwar entzieht die zuständige Behörde einem Versicherer die Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung, wenn er darum ersucht oder die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (Art 13 Abs 3 S 1 KVG). Der Entzug wird aber erst dann wirksam, wenn alle Versicherten von anderen Versicherern übernommen worden sind (Art 13 Abs 3 S 2 KVG). Auch gelten bezüglich der sozialen Krankenversicherung für alle Versicherer, dh sowohl für die privaten und öffentlich-rechtlichen Krankenkassen als auch die privaten Versicherungsunternehmen, identische Grundsätze (Richner, aaO, S 54).

cc) Die OKPV ist schließlich nicht mit der Versicherung nach § 193 Abs 3 des deutschen VVG vergleichbar. Ebenso wie die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist die OKPV eine vorrangige Versicherung, die - mit geringfügigen Ausnahmen - die gesamte Wohnbevölkerung erfasst (vgl Maurer/Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl 2009, S 284 RdNr 2). Demgegenüber stellt sich die Versicherung nach § 193 Abs 3 VVG als Auffangversicherung dar, die lediglich den Teil der Wohnbevölkerung betrifft, der keine andere Absicherung im Krankheitsfall hat (Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 193 RdNr 23); dieser Teil beläuft sich auf unter 10 %. Die Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG gilt ua nicht für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind (§ 193 Abs 3 S 2 Nr 1 VVG). Allein die gesetzliche Krankenversicherung schützt aber über 90 % der Wohnbevölkerung (Peters, aaO, § 1 SGB V RdNr 4, Stand: Juni 2007).

dd) Der Bewertung der schweizerischen OKPV als Pflichtversicherung kann letztendlich nicht entgegengehalten werden, ein derartiges Ergebnis komme schon deswegen nicht in Betracht, weil für Auslandsrentner zweifellos kein Beitragsanteil nach § 249a SGB V zu tragen sei und damit in derartigen Fällen ein Anspruch auf Beteiligung der Beklagten an den Aufwendungen für ihre Krankenversicherung gänzlich ausgeschlossen sei.

Abgesehen davon, dass diese Rechtsauffassung mit der Entscheidung des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) nicht vereinbar ist, genügen derartige "Ergebnisauslegungen" nicht den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und verbieten sich insoweit von selbst. Die vom LSG vorgenommene Interpretation des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI unter Berücksichtigung des § 249a SGB V vermengt unzulässig die Anwendungsbereiche beider Normen und ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich geboten.

§ 106 Abs 1 SGB VI einerseits und § 249a SGB V andererseits sind selbstständige Vorschriften, die für Rentenbezieher unter bestimmten Voraussetzungen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen (Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung oder anteilige hälftige Beitragstragung) hinsichtlich unterschiedlicher Versicherungen (freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bzw private Krankenversicherung oder in- oder ausländische gesetzliche Pflichtkrankenversicherung) führen. Ihre Auslegung hat unabhängig voneinander zu erfolgen. Verfassungs- oder unionsrechtliche Zweifelsfragen bei der einen Vorschrift berühren die andere Vorschrift nicht, sondern sind vielmehr begrenzt auf die jeweilige Norm zu beurteilen.

Aus der Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl BVerfGE 75, 223, 237; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 23 RdNr 27; Streinz in ders, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 4 EUV RdNr 33, jeweils mwN) ergibt sich kein anderes Ergebnis.

Die unionsrechtskonforme Auslegung unterliegt den gleichen Grenzen wie die verfassungskonforme Auslegung (BAGE 105, 32, 48 f; Jarass, aaO). Diese darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz keinen entgegengesetzten Sinn verleihen oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmen (BVerfGE 71, 81, 105; 90, 263, 275; 109, 279, 316 f). Mit diesen Grenzen zulässiger Auslegung wäre es nicht vereinbar, die eindeutig getrennten Anwendungsbereiche des § 106 Abs 1 SGB VI einerseits und des § 249a SGB V andererseits miteinander zu vermengen.

Eine derartige Auslegung hat auch der EuGH im Urteil vom 6.7.2000 (aaO) nicht vorgenommen. Statthafter Gegenstand einer Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Rechtssätze des Unionsrechts (vgl Ehricke in Streinz, aaO, Art 267 AEUV RdNr 13, 17). Fragen der Auslegung nationalen Rechts sind daher ausgenommen (vgl zB EuGH Urteil vom 3.10.2000 - C-58/98, Corsten - Juris RdNr 24; EuGH Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03, Dörr und Ünal - Juris RdNr 46). Dementsprechend hat sich der EuGH in dem dem Urteil vom 6.7.2000 zugrunde liegenden Vorabentscheidungsverfahren (aaO) auch nur mit den Fragen beschäftigt, ob eine im Recht eines Mitgliedstaates vorgesehene Beteiligung eines Rentenversicherers an den Beiträgen zur Krankenversicherung eine Geldleistung bei Alter iS von Art 1 Buchst t und Art 10 Abs 1 VO (EWG) Nr 1408/71 darstellt, und ob diese Leistung unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Bestimmungen dem in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden und dort der Krankenversicherungspflicht unterliegenden Rentner verwehrt werden darf.

§ 106 Abs 1 SGB VI ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden.

Inländischer Prüfungsmaßstab ist insoweit entgegen der Ansicht des LSG nicht Art 14 Abs 1 GG, weil es nicht um einen staatlichen Eingriff in eine geschützte Rechtsposition der Klägerin geht. Prüfungsmaßstab ist vielmehr Art 3 Abs 1 GG, nach dem einem Auslandsrentner ein Beitragszuschuss zuzuerkennen ist, wenn bei vergleichbarer Sachlage, die in Anknüpfung an die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der maßgeblichen Vorschriften zu beurteilen ist, auch einem Inlandsrentner diese Leistungen zu gewähren wären (so schon im Ergebnis BSG SozR 2200 § 381 Nr 23). Da die Pflichtmitgliedschaft eines Inlandsrentners in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Gewährung eines Beitragszuschusses ausschließt, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Pflichteinbeziehung in ein ausländisches gesetzliches Krankenschutzsystem dieselbe Wirkung hat.

Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung von Unionsrecht.

Dem zur Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften ergangenen Urteil des EuGH vom 6.7.2000 (aaO) liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass dem Auslandsrentner nichts versagt werden darf, worauf er als Inlandsrentner einen Anspruch hätte. Als Inlandsrentnerin und Pflichtmitglied in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung stünde der Klägerin aber ebenfalls kein Anspruch aus § 106 Abs 1 SGB VI zu.

Ob auch § 249a SGB V mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, falls eine Beteiligung der Rentenversicherungsträger nach dieser Vorschrift an den Kosten einer ausländischen Pflichtkrankenversicherung ausscheiden sollte, die wie die schweizerische obligatorische Krankenversicherung Beiträge als Kopfprämien (Art 61 KVG) erhebt, hat der Senat nicht zu entscheiden. Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu ihrer freiwilligen bzw privaten Kranken(zusatz)versicherung nach § 106 Abs 1 SGB VI und nicht die anteilige Tragung ihrer Beiträge zur obligatorischen Krankenversicherung nach § 249a SGB V.

b) Unterhielte die Klägerin eine freiwillige bzw private Krankenzusatzversicherung bei der Groupe Mutuel mit einem ausreichenden Krankenversicherungsschutz iS des § 106 Abs 1 S 1 SGB VI - nur dann wären die Anspruchsvoraussetzungen der Norm erfüllt -, wäre auch das Kriterium der Gleichzeitigkeit gegeben.

Der Ausschlusstatbestand des § 106 Abs 1 S 2 SGB VI ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichzeitigkeit verwirklicht, wenn neben der privaten Krankenzusatzversicherung zeitgleich Versicherungspflicht in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung besteht (vgl Peters, aaO, § 106 SGB VI RdNr 13, Stand: Dezember 2010). Die Klägerin unterliegt aufgrund ihrer Wohnsitznahme in der Schweiz der Versicherungspflicht in der OKPV und wäre zeitgleich bei demselben Krankenversicherungsträger freiwillig krankenzusatzversichert.

B. Der Senat kann in der Sache entscheiden, obwohl die Klägerin im Revisionsverfahren nicht vertreten ist, sodass sie sich nicht äußern konnte. Einer Entscheidung steht der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG nicht entgegen.

Eine Versagung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil die Klägerin nicht von den ihr im Verfahrensrecht eröffneten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr BSG Beschluss vom 25.11.2008 - B 5 R 308/08 B - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 31.8.1988 - 4 B 153/88 - Juris RdNr 10, jeweils mwN).

Sollte die Klägerin bedürftig sein, hätte sie einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Da die Beklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat, hätte diesem Antrag ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 119 Abs 1 S 2 ZPO) stattgegeben werden müssen. Ist die Klägerin nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes, wäre es ihre prozessuale Obliegenheit gewesen, zur Ermöglichung der Teilnahme am Revisionsverfahren einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen auf eigene Kosten zu beauftragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.