ArbG Solingen, Urteil vom 06.08.2014 - 4 Ca 321/14 lev
Fundstelle
openJur 2014, 25946
  • Rkr:

1.) Zu der Eröffnung des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten für die Klage eines Priesters gegen die Versetzung in den Ruhestand / Kündigung

2.) Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung.

3.) Bei dem Dienst- und Versorgungsrecht der Geistlichen handelt es sich grundsätzlich um den der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogenen innerkirchlichen Bereich. Die davon abweichende Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses hat der Kläger zu beweisen.

4.) Weder die Abführung von Sozialabgaben noch die Bezeichnung des Verdienstes eines Priesters als" Gehalt" lassen auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schließen.

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert beträgt 4.046,97 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand bzw. die Kündigung ihres Vertragsverhältnisses.

Der Kläger ist seit dem 01.02.1989 bei der Beklagten als Priester beschäftigt. Er betreute die griechischorthodoxen Gemeinden in Burscheid, Durscheid und Opladen sowie in einem zweiwöchigen Rhythmus die Gemeinden in Solingen, Leverkusen und Bergisch Gladbach. Für seine Tätigkeit erhielt monatliche Zahlungen von zuletzt 1.214,09 € netto. Ausweislich der Gehaltsabrechnungen (Blätter 55 - 57 d.A.) sowie der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2014 (Bl. 58 d.A.) führte die Beklagte Sozialversicherungsabgaben für den Kläger ab. Im Rahmen der vorgenommenen Abrechnungen wird die Zahlung an den Kläger als "Gehalt" bezeichnet.

Mit Schreiben vom 21.02.2014 (Bl. 5 d.A.) entband die Beklagte den Kläger mit Erreichen des 65. Lebensjahres von dem Dienst in ihrer Kirche. Das Schreiben enthält des Weiteren den folgenden Zusatz:

"Deswegen kündige ich hierdurch das mit Ihnen bestehende

kirchliche Dienstverhältnis zum 31.März 2014."

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.03.2014 (Bl. 31 d. A.) mit, dass ein erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehener Renteneintritt auf die Beendigung des Dienstverhältnisses keinen Einfluss habe.

Der Kläger akzeptierte die Entbindung nicht und war auch über den 31.03.2014 hinaus tätig.

Gegen die Entbindung vom Dienst bzw. die gegen ihn ausgesprochene Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 07.03.2014 bei dem Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage.

Er ist der Rechtsauffassung, der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten sei vorliegend eröffnet. Ein Dienstrecht der Beklagten, aus dem sich eine Beendigung der Tätigkeit zum 65. Lebensjahr ergebe, liege nicht vor. Es sei vielmehr ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden, auf welches die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsrechtes Anwendung fänden. Dies ergäbe sich aus dem Ausspruch einer "Kündigung", der Abführung von Sozialabgaben sowie der Bezeichnung der Zahlung als "Gehalt" im Rahmen der vorgenommenen Abrechnungen.

Nach Rücknahme eines Antrages bezüglich des Schreibens vom 14.03.2014 sowie des allgemeinen Feststellungsantrages beantragt der Kläger zuletzt:

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 21.02.2014, zugegangen am 22.02.2014, nicht aufgelöst worden ist;

2.dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art, Dauer sowie Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Dienstverhältnis richte sich nach dem Dienstrecht der Beklagten und unterliege damit nicht der Überprüfung der staatlichen Gerichte. Sie behauptet, dem Kläger sei bei Dienstbeginn mitgeteilt worden, dass das Dienstverhältnis mit Ende des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres ende. Die Kündigung sei rein vorsorglich erfolgt. Die Beklagte ist der Auffassung, ein Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass Lohnnebenkosten abgeführt wurden. Vielmehr betreffe die Versetzung eines Pfarrers in den Ruhestand die Fragen der Verfassung und Organisation der Kirche, mithin ihr Selbstbestimmungsrecht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 09.05.2014 und 06.08.2014 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist unzulässig. Für sie ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben. Der Kläger war nicht Arbeitnehmer der beklagten Kirche. Die Rechtsbeziehungen der Parteien waren vielmehr kirchenrechtlicher Art.

1.Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung einer Kirche, einer kirchlichen Körperschaft oder kirchlichen Einrichtungen beantwortet sich nach Art. 140 GG i.V.m. Artikel 137 Abs. 3 WRV. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde. Mit diesen Verfassungsbestimmungen erkennt der Staat die Kirchen als Institution mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Infolge der öffentlichen Rechtsstellung und der öffentlichen Wirksamkeit der Kirchen, die sich aus ihrem besonderen Auftrag ergeben und durch die sie sich von anderen gesellschaftlichen Gebilden grundsätzlich unterscheiden, ist kirchliche Gewalt zwar öffentliche, aber nicht staatliche Gewalt. Ist die Kirche nur im innerkirchlichen Bereich tätig geworden, liegt kein Akt öffentlicher Gewalt vor, gegen den der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet wäre.

Ob bestimmtes kirchliches Handeln dem innerkirchlichen Bereich zuzurechnen ist, entscheidet sich danach, was inhaltlich, der Natur der Sache oder der Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit der Kirche anzusehen ist. In diesem Bereich ist die Kirche nicht an das für alle geltende staatliche Gesetz gebunden. In dem Bereich der eigenen Angelegenheiten der Kirchen fallen nicht nur das kirchliche Amtsrecht einschließlich der Ämterhoheit, sondern auch das mit dem Amtsrecht untrennbar verbundene Dienst- und Versorgungsrecht der Geistlichen, da dessen Regelung nach Auffassung der Kirchen vom geistlichen Amt her gefordert sind (BAG v. 07.02.1990 - 5 AZR 84/89, NJW 1990, 2082 m.w.N.).

Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewährleistet den Kirchen darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen sind dabei nicht darauf beschränkt, für den kirchlichen Dienst besondere Gestaltungsformen zu entwickeln; sie können sich auch der jedermann offenstehenden Privatautonomie bedienen, um ein Dienstverhältnis zu begründen und zu regeln. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation, sondern allgemein für die Ordnung des kirchlichen Dienstes. "Ordnen und Verwalten" im Sinne des Artikel 137 Abs. 3 Satz 1 WRV meint das Recht der Kirchen, alle eigenen Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen Ordnungsgesichtspunkten, d.h. auf der Grundlage des kirchlichen Selbstverständnisses, rechtlich gestalten zu können. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge.

Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Das ist die schlichte Folge einer Rechtswahl. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf (Bundesverfassungsgericht vom 04.06.1985 - 3. BvR 1703/83, BVerfGE 70, 138).

2.Unter Berücksichtigung der dargestellten Voraussetzungen für die Eröffnung des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten war die Klage als unzulässig abzuweisen.

a.Bei der Beklagten handelt es sich nach dem "Gesetz über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland vom 29.10.1974" um eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 22 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 5 Satz 3. der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (GV.NRW. 1974, 1062).

b.Abzugrenzen ist daher, ob vorliegend eine innerkirchliche Angelegenheit betroffen ist oder die Beklagte sich der jedermann offenstehenden Privatautonomie bedient, mithin ein Arbeitsverhältnis geschlossen wurde.

Bei dem Dienst- und Versorgungsrecht der Geistlichen handelt es grundsätzlich um den der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogenen innerkirchlichen Bereich. Die hiervon abweichende Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses hat der beweisbelastete Kläger nach der Auffassung der Kammer nicht hinreichend dargetan.

Insbesondere wurde der Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht vorgetragen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liegt unstreitig nicht vor. Der Kläger behauptet jedoch auch nicht, dass mündlich die Begründung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei. Vielmehr verweist er allein auf Indizien, die das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses begründen sollen.

Die Würdigung der Gesamtumstände rechtfertigt einen solchen Schluss nicht.

Allein die Abführung von Sozialabgaben erlaubt nicht den zwingenden Schluss auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Hierzu verweist die Kammer auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 07. Februar 1990 (5 AZR 84/89, a.a.O.). Zutreffend weist das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass das Sozialversicherungsrecht allein auf die tatsächliche Beschäftigung unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsvertrages abstellt.

Auch die reine Bezeichnung als "Gehalt" im Rahmen der steuerrechtlichen Abrechnung oder der Ausspruch einer vorsorglichen Kündigung sind nicht geeignet, die Art des Rechtsverhältnisses zu belegen. Weitere Anhaltspunkte zu dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hat der Kläger nicht dargetan.

Die Klage war daher als unzulässig abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 3. ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 3. ZPO. Der Kläger trägt sowohl die Kosten für den zurückgenommenen Feststellungsantrag bezüglich des Schreibens vom 14.03.2014 sowie als unterliegende Partei die übrigen Kosten der zur Entscheidung gestellten Anträge.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 46 Abs. 3., 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3. GKG. Der Kündigungsschutzantrag war mit 3 Gehältern, der Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit 1/3 Gehalt zu berücksichtigen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211 7770-2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 3.. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3. bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

Reinecke

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte