OLG Hamm, Urteil vom 29.10.2014 - 3 U 55/14
Fundstelle
openJur 2014, 25741
  • Rkr:

Auch im Rahmen einer Sicherungsaufklärung kann es geboten sein, dass der Arzt, der sich für eine Verlaufskontrolle des Befundes entscheidet, den Patienten auf die Alternative einer aus medizinischer Sicht ebenfalls in Betracht kommenden sofortigen interventionellen Abklärung hinweist, falls beide Vorgehensweisen sich hinsichtlich ihrer Risiken oder Chancen erheblich unterscheiden. Ein solcher Fall ist im Falle eines Befundes nach BI-RADS III gegeben, da die alternativ zu einer kurzfristigen Verlaufskontrolle in Betracht kommende Stanzbiopsie als invasive Diagnostik zwar einerseits als invasiver Eingriff mit einer höheren unmittelbaren Belastung der Patientin verbunden ist, andererseits aber zuverlässiger als eine erneute Verlaufskontrolle das verbleibende - aus ex ante-Sicht: geringe - Malignitätsrisiko ausschließen kann.

Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht begründet jedoch nicht zugleich deswegen einen Befunderhebungsfehler, weil der Patient sich im Falle einer Aufklärung für die ihm nicht mitgeteilte alternative Vorgehensweise zur Kontrolle des Befundes entschieden hätte. Im Vordergrund steht vielmehr die defizitäre Sicherungsaufklärung, das Unterbleiben einer weiteren Befunderhebung ist erst Konsequenz dieses primären Fehlers.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.02.2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus einer gynäkologischen Behandlung im Zeitraum November 2007 bis September 2009 in Anspruch.

Die Klägerin ertastete im November 2007 einen Knoten in ihrer rechten Brust und suchte daraufhin am 13.11.2007 erstmals die Beklagte, eine Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, auf. Diese führte eine Tast- und Ultraschalluntersuchung durch und gelangte zu der Diagnose eines Adenoms mit perimenstruellen Beschwerden. Weitere Untersuchungen am 28.4.2008 - nur palpatorisch - und 10.6.2008 - Tast- und Ultraschalluntersuchung - ergaben in der Folgezeit jeweils einen unveränderten Befund.

Am 20.11.2008 stellte sich die Klägerin erneut bei der Beklagten vor, nachdem sie selbst eine Größenzunahme des Knotens ertastet hatte und dieser ihr auch mehr Beschwerden bereitete. Die palpatorische und sonografische Untersuchung durch die Beklagte bestätigte die Größenzunahme. Die Beklagte stufte den Befund in der Ultraschall-Klassifikation analog BI-RADS als BI-RADS III ein und stellte die Diagnose eines Verdachts auf ein Fibroadenom. Sie verschrieb der Klägerin Progestogel gegen die Schmerzen. Auf die Möglichkeit einer sofortigen weiteren Abklärung des Befundes mittels einer Biopsie wies die Beklagte die Klägerin nicht hin. Streitig ist zwischen den Parteien, ob sie der Klägerin eine erneute Befundkontrolle binnen eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten empfahl.

Die Klägerin suchte die Praxis der Beklagten danach zunächst wieder am 20.7.2009 auf, ohne dass es jedoch - aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind - zu einer Untersuchung kam. Am 3.9.2009 überwies die Beklagte die Klägerin nach Untersuchung der Brust zur Mammographie, die am 7.9.2009 durchgeführt wurde. Seitens der Radiologen wurde der mammographische Befund als BI-RADS I (unauffällig) bewertet, wegen der deutlichen Tastbarkeit und der Wachstumstendenz aber dennoch eine stanzbioptische Abklärung angeraten. Die Beklagte überwies die Klägerin zum Brustzentrum des St. K Hospitals E. Die dort am 16.9.2009 durchgeführte Jet-Biopsie ergab den Befund eines "high grade Carcinoma in situ mit Verdacht auf einen Übergang in ein invasives Carcinom". Anschließend erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ab dem 21.9.2009 eine offene Mamma-Probeexzision rechts mit Sentinel-LNE. Hierbei wurde ein ductales Carinoma in situ sowie ein Übergang in ein maximal gut 6 mm messendes, gut differenziertes, ductalinvasives Carcinom festgestellt sowie zusätzlich ein zweiter knapp 2 mm messender invasiver Tumorherd und eine 2 mm messende Karzinommetastase im Sentinel-Lymphknoten.

Ab dem 16.10.2009 erfolgte zunächst eine Behandlung mit einer neoadjuvanten Chemotherapie, die zu einer erheblichen Verkleinerung des Tumors führte. Am 13.4.2010 erfolgte eine Mastektomie rechts mit Resektion der Mamille und Sofortrekonstruktion der Brust sowie eine Axilladissektion, am 18.5.2010 eine operative Nachresektion mit erneuter Implantateinlage.

Seit April 2010 erhält die Klägerin begleitend eine Antihormontherapie, die als Nebenwirkung zu deutlichen Wechseljahrsbeschwerden führt. Ab Juli 2010 erfolgte weiterhin für einen längeren Zeitraum die Gabe des Bisphophonats Zometa. Ende November 2010 wurde bei der Klägerin eine durch die Medikamente verursachte leichte Polyneuropathie diagnostiziert sowie eine Marschfraktur im linken Fuß. Seit Anfang 2011 befindet sich die Klägerin zudem wegen einer reaktiven Depression in psychotherapeutischer Behandlung.

Die Klägerin hat der Beklagten erstinstanzlich im Wesentlichen vorgeworfen, zu spät eine ausreichende Befunderhebung zur differentialdiagnostischen Abklärung des Knotens veranlasst zu haben. Eine solche sei bereits 2007 geboten gewesen. Spätestens aber aufgrund der Ultraschalluntersuchung am 20.11.2008 sei ein deutlicher Verdacht auf ein bösartiges Geschehen gegeben gewesen. Die Nichterhebung weiterer Befunde, insbesondere das Unterbleiben einer Stanzbiopsie, sei grob fehlerhaft gewesen. Eine solche Biopsie hätte schon 2007 einen so gravierenden und deutlichen Befund ergeben, dass sich dessen Verkennung als fundamental und die Nichtreaktion als grob fehlerhaft dargestellt hätte. Bei einer früheren Behandlung hätte der Tumor eine geringere Größe gehabt und eine Metastasierung wäre vermieden worden, so dass die Therapie eine wesentlich andere gewesen wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2011 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung von November 2007 bis Ende September 2009 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.656,48 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten hat die Zurückweisung der Klage beantragt.

Sie hat insbesondere vorgetragen, der Klägerin nach der Untersuchung am 20.11.2008 eine Wiedervorstellung empfohlen zu haben, wobei die Klägerin den Zeitraum jedoch eigenmächtig ausgedehnt und sich letztlich erst im September 2009 zur erneuten Untersuchung vorgestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere das Vorbringen der Parteien im Übrigen, wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat ein schriftliches gynäkologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. U, Oberarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des G-O-Krankenhauses E, eingeholt, welches der Sachverständige zudem im Kammertermin am 9.1.2014 ergänzend mündlich erläutert hat. Ferner hat es die Parteien persönlich angehört.

Mit dem am 27.2.2014 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage zum ganz überwiegenden Teil stattgegeben. Zur Begründung ist insbesondere ausgeführt: Die Behandlung der Klägerin am 20.11.2008 sei fehlerhaft gewesen. Zwar sei nach den Ausführungen des Sachverständigen die Annahme eines BI-RADS III- Befundes noch vertretbar gewesen. Ausgehend von dieser Einstufung habe die Beklagte jedoch der Klägerin alternativ zu einer Verlaufskontrolle eine Biopsie anbieten müssen. Die Klägerin habe glaubhaft dargetan, dass sie bei einem entsprechenden Vorschlag einer Biopsie zugestimmt hätte. Eine solche Biopsie hätte jedoch bereits im November 2008 ein Mammakarzinom gezeigt. Eine Nichtreaktion auf diesen Befund wäre als grober Behandlungsfehler zu werten gewesen. Hinsichtlich der Folgen greife zugunsten der Klägerin eine Beweislastumkehr. Es sei daher davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Karzinom in situ vorgelegen habe. Auch in diesem Fall wäre der Klägerin zwar nicht die Mastektomie, die Entfernung des Wächterlymphknotens und die Antihormontherapie erspart geblieben, wohl aber die Chemotherapie und die Entfernung der übrigen Lymphknoten nebst der hiermit verbundenen weiteren Folgeerscheinungen.

Gegen das ihr am 27.2.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.3.2014 Berufung eingelegt und diese am 28.4.2014 begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren einer vollständigen Klageabweisung weiter. Sie greift die Entscheidung des Landgerichts in folgenden Punkten an:

Das Landgericht gehe fehlerhaft von einem groben Behandlungsfehler aus. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei es, ausgehend von der vertretbaren Annahme eines BIRADS III-Befundes, nicht zwingend gewesen, der Klägerin eine Stanzbiopsie anzubieten. Der Sachverständige habe vielmehr ausgeführt, dass man bei einer Einstufung nach BI-RADS II der Patientin eine Biopsie hätte anbieten können und ansonsten eine Verlaufskontrolle mit einem zeitlichen Fenster von 3-6 Monaten hätte durchführen müssen. Da die Durchführung einer Stanzbiopsie nicht obligatorisch gewesen sei, sondern nur eine Option dargestellt habe, liege auch kein Befunderhebungsfehler vor.

Die Beklagte habe mit der Klägerin nach der Untersuchung am 20.11.2008 einen Wiedervorstellungstermin vereinbart. Dies entspreche ihrer ständigen Handhabung bei Verschreibung von Schmerzmitteln wie Progesteron-Gel. Es sei daher auch unschädlich, dass diese Absprache nicht dokumentiert sei.

Jedenfalls hätte eine nach Ablauf des vom Sachverständigen genannten Kontrollzeitraumes durchgeführte Mammographie im Februar oder Mai 2009 einen unauffälligen, nicht reaktionspflichtigen Befund gezeigt.

Eine nach 6 Monaten, im Mai 2009, durchgeführte Stanzbiopsie hätte denselben Befund ergeben wie die tatsächlich durchgeführte Biospie im September 2009, d.h. das Karzinom hätte sich auch zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in situ befunden.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die von der Beklagten gestellte Diagnose eines Fibroadenoms sei nicht mehr vertretbar gewesen. Die Ausführungen des Sachverständigen im Kammertermin zur Vertretbarkeit der Diagnose seien widersprüchlich. Es sei nach den eigenen Ausführungen des Sachverständigen nicht nachvollziehbar, warum die Diagnose eines Fibroadenoms im November 2008 noch vertretbar gewesen sein solle.

Jedenfalls sei auch bei dieser Diagnose eine Gewebeprobe unumgänglich gewesen. Es entspreche dem fachärztlichen Standard, bei einem tastbaren Knoten in der Brust solange zu untersuchen, bis der Krebsverdacht entweder bestätigt oder ausgeschlossen worden sei. Jede Fibroadenom-Diagnose müsse zum Ausschluss von Brustkrebs durch Biopsie gesichert werden, insbesondere, um ein gutartiges Fibroadenom von pathogenen Sonderformen (Phylloid-Tumor, Cystosarcoma phylloides) abzugrenzen, was allein durch eine Tastuntersuchung oder Ultraschall nicht möglich sei. Der Sachverständige habe außer Acht gelassen, dass bei jungen Patientinnen die Ultraschalluntersuchung der Mamma allein nicht beweisend sei und auch deswegen eine feingewebliche Untersuchung medizinisch zwingend notwendig gewesen sei. Bei Inkongruenz von Klinik und Bildgebung, aber auch bei Karzinophobie der Patientin und entsprechendem Riskikoprofil, seien auch BI-RADS III-Befunde zu biopsieren.

Ohnehin sei es nach der Rechtsprechung des Senats grob fehlerhaft, dass die Beklagte der Klägerin, der es ersichtlich auf eine höchstmögliche Reduzierung des Brustkrebsrisikos angekommen sei, nicht zu einer Mammographie geraten habe.

Jedenfalls habe bei einem nicht gesicherten unklaren Befund die Wahrnehmung des Kontrolltermins nicht in das Belieben der Patientin gestellt werden dürfen. Der Klägerin hätten klare zeitliche Vorgaben für die Kontrolle gemacht und das Risiko im Falle einer Verzögerung oder Nichtwahrnehmung des Termins verdeutlicht werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die im Protokoll genannten Krankenunterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien erneut persönlich angehört und den Sachverständigen Dr. U ergänzend vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Sachverständigenvernehmung wird das Sitzungsprotokoll sowie auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom17.09.2014 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Behandlungsgeschehen im Ergebnis weder vertragliche noch deliktische Ansprüche zu. Zwar hat die Behandlung insoweit nicht dem fachärztlichen Standard entsprochen, als die Beklagte die Klägerin im Anschluss an die am 20.11.2008 erfolgten Untersuchungen lediglich über die Notwendigkeit einer erneuten Kontrolle des Befundes binnen einer Frist von längstens sechs Monaten informiert hat, nicht aber auch auf die in Betracht kommende Alternative, zur Überprüfung des Befundes sofort eine Biopsie vornehmen zu lassen, hingewiesen hat. Die Klägerin hat jedoch nicht den ihr obliegenden Nachweis erbringen können, dass diese Unterlassung für den weiteren Behandlungsverlauf kausal geworden ist.

1. Soweit das Landgericht hinsichtlich der Behandlung an den Terminen 13.11.20078 sowie 28.4. und 10.6.2008 keinen Behandlungsfehler hat feststellen können, lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens auch nicht mehr angegriffen. Der Sachverständige hat im Senatstermin noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass er für die Zeit bis zum 20.11.2008 keinen Behandlungsfehler erkennen kann.

2. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Befragung des Sachverständigen teilt der Senat zudem die Beurteilung des Landgerichts, dass die Einordnung des am 20.11.2008 mittels Tast- und Sonographieuntersuchung erhobenen Befundes durch die Beklagte als Verdacht auf ein Fibroadenom und Einstufung als BI-RADS III eine vertretbare Diagnose dargestellt hat.

Zur Klarstellung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ausweislich der bereits erstinstanzlich vorliegenden Behandlungsunterlagen der Beklagten entgegen der Annahme des Landgerichts diese sehr wohl eine Klassifikation des Sonographiebefundes analog BI-RADS vorgenommen hat. In der Karteikarte der Beklagten findet sich ein Bogen zur sonographischen Untersuchung vom 20.11.2008, in welchem sich neben einer Beschreibung des Befundes auch die Diagnose "V.a. Fibroadenom" sowie eine Markierung (Einkringelung) der vorgedruckten Klassifikation BI-RADS III findet.

a) Der Sachverständige Dr. U, dessen Sachkunde das Landgericht zutreffend dargelegt hat und die auch von den Parteien nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen wird, hat im Senatstermin in nachvollziehbarer und überzeugender Weise erläutert, aus welchen Gründen er die von der Beklagten gestellte Diagnose und die Einordnung als BI-RADS III aus fachärztlicher Sicht für vertretbar erachtet. Die Einstufung in die Klasse III ist bei Befunden gerechtfertigt, deren Malignitätswahrscheinlichkeit auf ? 2 % eingeschätzt wird, was z.B. beim Verdacht auf ein Fibroadenom der Fall ist (vgl. Ziff. 5.2.2.5 der S3-Leitlinie "Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland").

Allgemein hat der Sachverständige zunächst darauf verwiesen, dass die BI-RADS-Klassifikation aus der Mammografie stamme und im Bereich der Sonographie nur entsprechend angewandt werde. Weiter hat er dargelegt, dass die Einstufung auch bei der Mammographie stets auch einer gewissen subjektiven Einschätzung unterliege und dies im verstärkten Maße bei der Sonographie als einer dynamischen Untersuchung gelte.

Den Ausführungen des Sachverständigen ist weiter zu entnehmen, dass für die Annahme eines solchen sehr wahrscheinlich gutartigen Befundes im vorliegenden Fall das Schallverhalten (Fehlen eines Schallschattens wie bei einem Karzinom), das Vorhandensein einer horizontalen statt einer vertikalen Tumorachse (weil eine horizontale Achse auf ein Fibroadenom hinweist) und die überwiegend glatte Begrenzung gesprochen habe. Zwar ergaben sich, so der Sachverständige, auch gewisse Malignitätshinweise, nämlich die echoarme Struktur und die teilweise unscharfe Begrenzung. Diese hat der Sachverständige jedoch nicht als so eindeutig bewertet, dass eine Einstufung als BI-RADS III nicht mehr vertretbar gewesen wäre. Dabei hat der Sachverständige auch das Ergebnis des Tastbefundes berücksichtigt und erläutert, dass das Größenwachstum kein Malignitätskriterium sei, da auch Fibroadenome wachsen würden. Gegen einen bösartigen Tumor haben aus Sicht des Sachverständigen weiter die von der Klägerin angegebenen Schmerzen gesprochen, da eine bösartige Geschwulst typischerweise indolent ist.

Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 14.9.2012 und auch im Kammertermin vom 9.1.2014 zunächst die Auffassung vertreten hat, der Befund sei nur als BI-RADS IV zu klassifizieren, hat er gegenüber dem Senat nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen er seine erste Einschätzung dahingehend korrigiert hat, dass er selbst zwar nach wie vor eine Einstufung nach BI-RADS IV vorgenommen hätte, er aber eine Bewertung als BI-RADS III für vertretbar erachte. Er hat darauf verwiesen, dass diese Änderung auf einer nochmaligen Auswertung der Bilder beruhe und auch berücksichtige, dass es sich bei der Sonographie um eine dynamische Untersuchung handele, so dass die ihm ex post allein mögliche Beurteilung anhand der dabei gefertigten statischen Aufnahmen nicht unproblematisch sei.

b) Nur ergänzend weist der Senat daraufhin, dass selbst dann, wenn man von einer nicht mehr vertretbaren Diagnosestellung durch die Beklagte ausgehen würde, es sich hierbei lediglich um einen einfachen Behandlungsfehler in Form eines Diagnoseirrtums handeln würde.

Auch bei einem Diagnosefehler kommt eine Beweislastumkehr nur dann in Betracht, wenn der Fehler als grob zu bewerten ist (BGH, VersR 2011, 400, zitiert nach juris Rn. 20). Ein Fehler bei der Interpretation der erhobenen Befunde stellt jedoch nur dann einen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst und damit einen "groben" Diagnosefehler dar, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt. Wegen der bei Stellung einer Diagnose nicht seltenen Unsicherheiten muss die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, der dann zu einer Belastung der Behandlungsseite mit dem Risiko der Unaufklärbarkeit des weiteren Ursachenverlaufs führen kann, hoch angesetzt werden (BGH, a.a.O., m.w.N.).

Einen solchen groben Diagnosefehler hat der Sachverständige auf Nachfrage des Senats jedoch eindeutig verneint, was angesichts der vom Sachverständigen aufgezeigten Unsicherheiten, die mit der genauen Klassifikation und der Abgrenzung der Klassen III und IV verbunden sind, für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend ist.

Wäre ein (unterstellter) Diagnosefehler hier daher allenfalls als einfacher Behandlungsfehler anzusehen, so hätte dies zur Folge, dass die Klägerin nach wie vor in vollem Umfang für die Ursächlichkeit dieses Behandlungsfehlers für die aufgetretenen Schäden beweisbelastet bliebe. Einen solchen Nachweis kann sie jedoch, wie im folgenden noch näher zu begründen sein wird, nicht führen.

Auch dass infolge eines solchen (unterstellten) Diagnoseirrtums eine weitere Befunderhebung unterblieben ist, die mit Sicherheit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte, macht aus dem Diagnoseirrtum keinen Befunderhebungsfehler, welcher - weil eine Nichtreaktion auf den reaktionspflichtigen Befund wiederum als grober Behandlungsfehler zu werten gewesen wäre - auf diesem Wege zu einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. BGH, VersR 2011, 400, zitiert nach juris Rn. 13).

3. Ausgehend von einer Klassifikation der Geschwulst als BI-RADS III war es nicht behandlungsfehlerhaft, dass die Beklagte keine sich unmittelbar anschließende weitere Befunderhebung, insbesondere die Durchführung einer Stanzbiografie, veranlasst hat, sondern der Klägerin empfohlen hat, binnen eines Zeitraums von maximal sechs Monaten eine erneute Kontrolle durchführen zu lassen.

a) Der Sachverständige hat im Senatstermin seine erstinstanzlichen Ausführungen noch einmal bestätigt, wonach bei einem Befund nach BI-RADS III die Durchführung einer Biopsie nicht obligat gewesen sei, sondern es ebenso dem Facharztstandard entsprochen habe, der Klägerin eine kurzfristige Kontrolle, d.h. eine Kontrolle innerhalb eines Zeitraums von maximal sechs Monaten, zu empfehlen. Dies steht im Einklang mit den Angaben in der bereits zitierten Leitlinie "Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland": Dieser ist zu entnehmen (Ziff. 5.2.2.5), dass im Falle einer Klassifikation nach BI-RADS III eine kurzfristige Kontrolle, gegebenenfalls eine interventionelle Abklärung, erfolgen solle.

Den Ausführungen des Sachverständigen ist eindeutig zu entnehmen, dass auch im Falle eines Verdachts auf ein Fibroadenom - von einem solchen ging die Beklagten im vorliegenden Fall gerade aus - eine Biopsie nicht zwingend geboten ist. Auch dies wird durch die angeführte Leitlinie bestätigt, da diese den Verdacht auf ein Fibroadenom gerade als Beispielsfall für eine Klassifizierung nach BI-RADS III nennt, in dem grundsätzlich lediglich eine kurzfristige Kontrolle und nur gegebenenfalls eine interventionelle Abklärung geboten ist.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin waren in ihrem Fall auch keine besonderen Umstände gegeben, die abweichend von diesem Grundsatz eine sofortige Biopsie zwingend erfordert hätten.

Der Sachverständige hat im Senatstermin seine bereits im schriftlichen Gutachten getätigten Ausführungen noch einmal bestätigt, dass bei der Klägerin kein besonderes Risikoprofil vorgelegen hat, insbesondere eine familiäre Disposition nach den anamnestischen Angaben nicht bestand und im Übrigen auch später durch eine genetische Untersuchung nicht belegt worden ist.

Weiter ist den Ausführungen des Sachverständigen zu entnehmen, dass das Größenwachstum der Geschwulst kein Kriterium für die Vornahme einer Biopsie dargestellt hat, da eine solche Größenzunahme auch für ein Fibroadenom nichts untypisches ist. Der Sachverständige hat zudem darauf hingewiesen, dass die Schmerzhaftigkeit des Knotens eher gegen eine Bösartigkeit gesprochen habe und damit auch gegen die Notwendigkeit einer sofortigen Biopsie.

Soweit die Klägerin meint, eine Biopsie sei im Falle einer Karzinomphobie zwingend erforderlich, ist schon nicht feststellbar, dass eine solche Erkrankung bei der Klägerin tatsächlich vorgelegen hat. Zwar wird im Ausdruck der Krankendatei der Beklagten mehrfach die Diagnose "Carcinophobia" (ICD-10: F 45.2) aufgeführt; in den handschriftlichen Eintragungen der Bekl. findet sich diese Diagnose freilich nicht. Dies hat die Beklagte jedoch überzeugend mit abrechnungsrechtlichen Gründen erklären können. Zudem behauptet nicht einmal die Klägerin selbst, dass sie unter einer krankhaft übersteigerten Angst vor einer eigenen Krebserkrankung i.S. einer hypochondrischen Störung - dies bedeutet nämlich die Diagnose Carcinophobia - gelitten hätte. Im Übrigen findet die Behauptung der Klägerin aber auch in den Ausführungen des Sachverständigen keine Bestätigung: Danach kann eine Biopsie bei einem entsprechenden Sicherheitsbedürfnis des Patienten angeboten werden, obligat ist dies indes nicht.

Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, bei Inkongruenz von Klinik und Bildgebung sei auch im Falle einer Einstufung nach BI-RADS III eine Biopsie geboten gewesen, ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen nicht feststellbar, dass im vorliegenden Fall die Ergebnisse der klinische Untersuchung und der Sonografie im Widerspruch zueinander gestanden hätten. Wie bereits mehrfach dargelegt, sprach das Größenwachstum gerade nicht gegen das Vorliegen eines Fibroadenoms, die Schmerzhaftigkeit sogar eher gegen eine Bösartigkeit.

4. Bereits aufgrund des eigenen Vortrags der Beklagten steht jedoch fest, dass sie ihrer Verpflichtung, der Klägerin die zur Sicherstellung des Behandlungserfolgs notwendigen Schutz- und Warnhinweise zur Mitwirkung an der Heilbehandlung und Vermeidung möglicher Selbstgefährdung zu erteilen (sog. Sicherungs- oder therapeutische Aufklärung, vgl. nunmehr § 630c Abs. 2 S. 1 BGB), nicht in vollem Umfang nachgekommen ist. Diese Pflicht gebot im vorliegenden Fall nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. U nicht nur, die Klägerin auf die Notwendigkeit einer kurzfristigen erneuten Kontrolle des Befundes hinzuweisen, sondern auch, sie über die mögliche alternative Vorgehensweise einer sofortigen interventionellen Abklärung aufzuklären.

a) Für ihre Behauptung, die Beklagte habe sie schon nicht auf die Notwendigkeit einer erneuten Kontrolle binnen der nächsten sechs Monate hingewiesen, hat die Klägerin allerdings nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht.

aa) Die Beweislast für das Unterbleiben trägt die Klägerin, da die Sicherungsaufklärung nicht der Wahrung der Selbstbestimmung des Patienten vor einem Eingriff dient und damit nicht Voraussetzung der vom Arzt zu beweisenden rechtfertigenden Einwilligung des Patienten in den Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit ist, sondern notwendiger Bestandteil der ärztlichen Behandlung selbst ist. Versäumnisse im Bereich der Sicherungsaufklärung sind daher nach allgemeiner Auffassung Behandlungsfehler mit der Folge, dass die Beweislast beim Patienten und nicht - wie bei der Eingriffsaufklärung - beim Arzt liegt (vgl. nur Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. A 600 sowie Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. B 98 f., beide jeweils m.w.N.).

Unabhängig hiervon ist der Senat jedoch aufgrund der persönlichen Anhörung der Parteien und den Eintragungen in der Dokumentation der Beklagten auch davon überzeugt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber am 20.11.2008 im gebotenen Umfang eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hat.

bb) Schon die Darstellung der Klägerin selbst dazu, was zwischen ihr und der Beklagten am 20.11.2008 besprochen worden sein soll, ist nach Auffassung des Senats wenig glaubhaft. Die Klägerin räumt ein, dass die Beklagte mit ihr das Ergebnis der Untersuchung besprochen habe. Sie behauptet aber, dass die Klägerin ihr lediglich das Schmerzgel verschrieben habe, aber das weitere Prozedere, insbesondere die Notwendigkeit einer Wiedervorstellung, nicht erörtert worden sei. Insoweit will die Klägerin auch nicht von sich aus nachgefragt haben. Dies erscheint dem Senat jedoch angesichts des Umstandes, dass der Knoten nach Darstellung der Klägerin ihr zum damaligen Zeitpunkt nicht unerhebliche Beschwerden bereitet hat und sie - verständlicherweise - durch den Knoten und das von ihr selbst ertastete Größenwachstum, welches zudem durch die von der Beklagten durchgeführten Untersuchungen am 20.11.2008 bestätigt worden ist, beunruhigt war, kaum nachvollziehbar.

Die Beklagte hat hingegen angegeben, sie habe der Klägerin am 20.11.2008 als ärztliche Empfehlung gesagt, dass eine weitere Untersuchung innerhalb eines zeitlichen Rahmens von sechs Monaten erforderlich sei. Dies steht im Einklang mit der Dokumentation der Beklagten, in welcher auf dem Bogen für die sonografische Untersuchung in der Rubrik "Kontrolle in Monaten:" handschriftlich eingetragen ist: "spät. 6 Mon". Damit ist die von der Beklagten behauptete Empfehlung einer Kontrolle spätestens in 6 Monaten nach Beurteilung des Sachverständigen Dr. U aus medizinischer Sicht hinreichend dokumentiert. Einer derartigen ordnungsgemäßen Dokumentation, die - wie hier - keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet, kann das Gericht jedoch grundsätzlich Glauben schenken (Martis/Winkhart, a.a.O., Rn. D 202 m.w.N.).

Diese Indizwirkung der Dokumentation wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch die Unterschiede in Frage gestellt, die zwischen den handschriftlichen Eintragungen für den 10.6.2008 einerseits und den 20.11.2008 andererseits bestehen. Richtig ist zwar, dass auf dem Bogen über die sonografische Untersuchung vom 10.6.2008 neben dem Eintrag "3 Mon." in der Rubrik "Kontrolle in Monaten:" zusätzlich in der Rubrik "Empfehlung:" das Kürzel "Ko" eingetragen ist, was für "Kontrolle" stehen dürfte. Ein solcher Eintrag fehlt für den 20.11.2008. Abgesehen davon, dass die Klägerin trotz dieser Dokumentation auch bezüglich des 10.6.2008 bestreitet, dass ihr eine Kontrolluntersuchung seitens der Beklagten empfohlen worden sei, lässt sich aus diesem Unterschied nicht mit hinreichender Eindeutigkeit der Schluss ziehen, am 20.11.2008 habe die Beklagte lediglich für sich selbst eine Kontrollfrist vermerkt, ohne dies aber der Klägerin mitzuteilen. Die Dokumentation lässt sich auch ohne weiteres so lesen, dass sich die Überschrift "Empfehlung:" auch auf die nachstehenden Rubrik "Kontrolle in Monaten:" bezieht, die Empfehlung einer Kontrolluntersuchung für den 10.6.2008 somit letztlich doppelt dokumentiert ist.

cc) Auch inhaltlich entspricht die von der Beklagten geschilderte Empfehlung hinsichtlich der Kontrolluntersuchung dem, was aus medizinischer Sicht in einem derartigen Fall zu verlangen ist. Insoweit gibt es, wie der Sachverständige dargelegt hat, keinen näher konkretisierten Standard. Dies findet aus Sicht des Senats seine Bestätigung darin, dass auch die bereits zitierte Leitlinie "Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland" lediglich allgemein und ohne Differenzierung zwischen den einzelnen BI-RADS-Klassen davon spricht (Ziff. 5.2.2.5), dass die Dignitätseinstufung durch eine Empfehlung zum weiteren Prozedere ergänzt werden sollte unter Spezifizierung von Kontrollintervallen oder eventuell notwendiger diagnostischer oder invasiver Maßnahme. Insbesondere war es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht notwendig, über die Vorgabe des zeitlichen Rahmens für eine erneute Untersuchung hinaus noch klarere zeitliche Vorgaben für die Kontrolle zu machen, etwa bereits am 20.11.2008 einen festen Termin für die Kontrolluntersuchung zu vereinbaren. Der Sachverständige hat hierzu im Einklang mit der Leitlinie ausgeführt, dass es genüge, dem Patienten das zeitliche Intervall vorzugeben, was hier geschehen ist.

Ebenso wenig war es bei einer Klassifikation als BI-RADS III, also als sehr wahrscheinlich gutartigem Befund, nach den Erläuterungen des Sachverständigen geboten, der Klägerin die Notwendigkeit einer Kontrolluntersuchung noch eindringlicher zu verdeutlichen. Dies hätte nach Bewertung des Sachverständigen lediglich zu einer aus medizinischen Gründen - aus ex ante Sicht und ausgehend von BI-RADS III - nicht gebotenen Verängstigung der Patientin geführt.

b) Als Verletzung der Pflicht zur Sicherheitsaufklärung und damit als Behandlungsfehler ist es jedoch zu bewerten, dass die Beklagte die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht auch auf die Alternative einer alsbaldigen interventionellen Abklärung des Befundes hingewiesen hat. Der Sachverständige hat auf Nachfrage des Senats die Notwendigkeit, diese Alternative mit dem Patienten zu besprechen, bejaht und das Unterlassen der Beklagten insoweit eindeutig als fehlerhaft bezeichnet.

Ähnlich wie bei der Eingriffsaufklärung kann es auch bei der Sicherungsaufklärung im Einzelfall geboten sein, dass der Arzt, der sich für ein konservatives, abwartendes Vorgehen entscheidet, den Patienten auf eine interventionelle Vorgehensweise als bestehende, ernsthafte Behandlungsalternative hinweist, falls beide Methoden sich hinsichtlich der Risiken oder der Heilungschancen erheblich unterscheiden (OLG Nürnberg, VersR 2003, 1444, zitiert nach juris Rn. 63 f.; VersR 2002, 580; Martis/Winkhart, a.a.O., Rn. A 590). Eine solche Konstellation war im vorliegenden Fall gegeben, da die Stanzbiopsie als invasive Diagnostik zum einen mit einer höheren unmittelbaren Belastung der Patientin verbunden war, insbesondere den mit einem solchen Eingriff stets verbundenen Risiken, zum anderen aber zuverlässiger als eine erneute kurzfristige Kontrolle das verbleibende (aus exante Sicht: geringe) Malignitätsrisiko ausschließen konnte.

c) Der Senat vermag sich jedoch nicht der Auffassung des Landgerichts anzuschließen, welches hieraus zugleich einen Befunderhebungsfehler mit der Begründung hergeleitet hat, im Falle der Aufklärung über die in Betracht kommenden Alternativen hätte sich die Klägerin nach ihren glaubhaften Bekundungen für die Durchführung einer weiteren Befunderhebung in Form einer Biopsie entschieden.

aa) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 21.12.2010 (VersR 2011, 400) zur Abgrenzung zwischen einem Befunderhebungsfehler und einem Diagnoseirrtum ausgeführt, ein Befunderhebungsfehler liege nur vor, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen werde. Im Unterschied dazu liege ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen - therapeutischen oder diagnostischen - Maßnahmen ergreift. Zur Abgrenzung stellt der BGH in der zitierten Entscheidung darauf ab, dass im entschiedenen Fall dem Arzt in erster Linie eine Fehlinterpretation des erhobenen Befundes anzulasten sei, also ein Diagnosefehler, und er erst in Konsequenz dieses primären Fehlers eine weitere Befunderhebung unterlassen habe.

bb) Dies lässt sich nach Auffassung des Senats auf die vorliegende Konstellation übertragen: Bei einer Einstufung als BI-RADS III war eine weitere Befunderhebung durch eine sofortige Biopsie medizinisch nicht zwingend geboten. Es entsprach ebenso dem fachärztlichen Standard, eine kurzfristige Kontrolle vorzunehmen. Der Beklagten ist daher in erster Linie vorzuwerfen, dass sie die Klägerin über diese Alternativen nicht aufgeklärt hat. Erst infolge einer Entscheidung der Klägerin für die Alternative "Biopsie" wäre die Vornahme dieser weiteren Befunderhebung bereits im November 2008 notwendig geworden. Im Vordergrund steht somit die defizitäre Sicherungsaufklärung, das Unterbleiben einer weiteren Befunderhebung ist erst Konsequenz dieses primären Fehlers.

cc) Es liegt insoweit auch keine Fallgestaltung vor, in welcher eine unterlassene Sicherungsaufklärung über die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung einem Fehler in der Befunderhebung gleichzusetzen wäre. Denn mit ihrer Empfehlung, binnen einer Frist von sechs Monaten eine Kontrolluntersuchung vornehmen zu lassen, hat die Beklagte die aus ex ante-Sicht gebotene weitere Befunderhebung veranlasst, auch wenn die von ihr gewählte Möglichkeit nicht die einzig in Betracht kommende war.

5. Soweit der Beklagten ein Behandlungsfehler anzulasten ist, ist dieser jedoch nicht feststellbar kausal für den weiteren Behandlungsverlauf geworden.

Auch wenn man mit dem Landgericht davon ausginge, dass die Klägerin sich bei ausreichender Information über die alternativ in Betracht kommenden weiteren Vorgehensweisen - kurzfristige Kontrolle oder sofortige Biopsie - für letztere Möglichkeit entschieden hätte, kann sie nicht den Nachweis erbringen, dass sich durch eine frühzeitigere Vornahme der Biopsie ein für sie günstigerer Verlauf der weiteren Behandlung ergeben hätte. Insoweit kommen der Klägerin auch keine Beweiserleichterungen zugute.

a) Ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen kann zwar als gesichert angesehen werden, dass bei einer schon Ende 2008 durchgeführten Biopsie das Karzinom als solches erkannt worden wäre. Hingegen lässt sich, wie der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten eingehend dargelegt und im Senatstermin noch einmal bestätigt hat, nicht hinreichend sicher feststellen, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein im Vergleich zum Zeitpunkt der tatsächlich durchgeführten Biopsie am 16.9.2009 weniger weit fortgeschrittenes Tumorstadium vorgelegen hättet, insbesondere dass zu diesem Zeitpunkt eine Mikroinvasivität des Karzinoms und eine Lymphknotenmetastasierung noch nicht vorgelegen hätten, und dass sich deshalb bei einer frühzeitigeren Intervention schon Ende 2008 ein anderer Behandlungs- und Krankheitsverlauf ergeben hätte, insbesondere eine Chemotherapie und eine komplette Axilladissektion entbehrlich gewesen wären.

Der Sachverständige verweist darauf, dass es gut möglich sei, dass auch bereits im November 2008 mikroinvasive Tumorherde vorgelegen hätten, zumal es sich bei dem Tumor um einen G1-Tumor gehandelt habe, was bedeute, dass dieser gut differenziert gewesen sei und eine langsame Wachstumsgeschwindigkeit und Proliferationsrate aufgewiesen habe. Die später durchgeführten Untersuchungen lassen, wie der Sachverständige im Senatstermin noch einmal dargelegt hat, keinen sicheren Rückschluss auf die Situation Ende 2008 zu. Die Stanzbiopsie und die offene Biopsie vor Einleitung der Chemotherapie hätten lediglich repräsentativen Charakter. Es sei gut möglich, insbesondere angesichts der Größe des Befundes, dass weitere invasive Anteile im Bereich des großen Tastbefundes vorgelegen hätten, die sich durch das gute Ansprechen der Chemotherapie zurückgebildet hätten und daher im histologischen Präparat des Mammaabladats nicht mehr nachweisbar gewesen seien. Sicher sei nur, dass auch bei einer Stanzbiopsie Ende 2008 sich zumindest der Befund eines Karzinom in situ ergeben hätte und daher auch in diesem für die Klägerin günstigsten Fall hoch wahrscheinlich die Brust hätte entfernt und rekonstruiert sowie eine antihormonelle Therapie durch geführt werden müssen.

Bei dieser Sachlage lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass bei einer früheren Entdeckung des Karzinoms Ende 2008 der Klägerin Teile der später erfolgten Behandlung, insbesondere die Chemotherapie und die komplette Axilladissektion, erspart geblieben wären.

b) Der Klägerin kommt keine Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalverlaufs zugute.

Wie bereits ausgeführt, lässt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts eine solche Beweislastumkehr nicht darauf stützen, dass der Beklagten ein fiktiver grober Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers anzulasten wäre, da der primäre Behandlungsfehlervorwurf in einer unzureichenden Aufklärung über die in Betracht kommenden Behandlungsalternativen und nicht in einer unterbliebenen Befunderhebung liegt.

Aber auch soweit die Beklagte am 20.11.2008 nicht auf die alternativ in Betracht kommende sofortige interventionelle Abklärung hingewiesen hat, liegt hierin zwar ein Behandlungsfehler, aber kein eine Beweislastumkehr rechtfertigender grober Behandlungsfehler. Der Sachverständige hat dies auf Nachfrage des Senats ausdrücklich klargestellt. Der Senat hält diese Bewertung des Sachverständigen auch für überzeugend: Ein grober Behandlungsfehler ist nur gegeben, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und dadurch einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler einem Arzt "schlechterdings nicht unterlaufen darf" (vgl. Geiß/Greiner, a.a.O., Rn. B 252). Diese Bewertung ist vorliegend schon deswegen nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte mit ihrer Empfehlung einer kurzfristigen Kontrolle sich für eine - aus der Betrachtung ex ante - medizinisch gut vertretbare weitere Vorgehensweise entschieden hatte. Dass Schwergewicht des Vorwurfs liegt hier nicht darauf, dass sie entgegen den medizinischen Standards das medizinisch notwendige nicht veranlasst hätte, sondern darauf, dass sie im Rahmen der therapeutischen Aufklärung nicht im gebotenen Umfang Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit ihrer Patienten als Richtschnur ärztlichen Verhaltens (OLG Nürnberg, VersR 2003, 1444, zitiert nach juris Rn. 69) beachtet hat. Dies ist sicherlich zu beanstanden, einen Verstoß gegen das "Dickgedruckte" in der Medizin, der nicht mehr verständlich erscheint, stellt es jedoch nicht dar.

6. Offensichtlich nicht relevant für den vorliegenden Fall ist die von der Berufung angeführte Entscheidung des Senats vom 12.8.2013 (GesR 2013, 660) zum Mammographie-Screening. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass eine bereits Ende 2008 durchgeführte Mammographie nach den Ausführungen des Sachverständigen kein anderes Ergebnis erbracht hätte als die dann am 7.9.2009 tatsächlich durchgeführte, die zu einer Beurteilung als BI-RADS I (unauffälliger Befund) geführt hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 ZPO).