OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.09.2014 - 1 A 1601/13
Fundstelle
openJur 2014, 25625
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der Berufungsinstanz in Höhe eines Beihilfebetrages von 388,58 Euro übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil wirkungslos.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden unter Einbeziehung der Kostenentscheidung in dem teilweise rechtskräftigen Urteil erster Instanz den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe vom 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Ruhestandsbeamter des Beklagten und als solcher mit einem Bemessungssatz von 70 v. H. beihilfeberechtigt. Er leidet (u.a.) an folgenden, überwiegend chronischen Erkrankungen: 1) Herzinsuffizienz, Zustand nach Sehnenfadenruptur Mitralklappe mit Prolaps sowie persistierendes Foramen ovale, operative Sanierung 21.09.2011; 2) arterieller Hypertonus; 3) ventrikuläre Extrasystolie, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern; 4) Angina pectoris; 5) Roemheld-Syndrom; 6) Anämie; 7) Leukopenie und Thrombopenie; 8) exokrine Pankreasinsuffizienz; 9) Colon Irritabile; 10) chronisch obstruktive Bronchitis mit Altersemphysem; 11) chronische Sinusitis/Sinusbronchiales Syndrom; 12) Polyarthrose Fingergelenke, mult. Arthoresen der großen Gelenke; 13) Osteoporose; 14) Angststörung; 15) Depressionen und Somatisierungen; 16) Schlafstörungen; 17) Aktinische Keratose; 18) Muskelkrämpfe.

Der Kläger stellte für ihm (soweit hier allein von Interesse) in den Jahren 2008, 2009 und 2010 entstandene Aufwendungen für den Erwerb ärztlich verordneter nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel jeweils mehrere Beihilfeanträge. Diese wurden vom Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) - soweit im Einzelfall nicht eine anzuerkennende Ausnahme gesehen wurde - ablehnend beschieden. Dagegen legte der Kläger jeweils Widerspruch ein; die betreffenden Widerspruchsverfahren wurden (zunächst) ganz überwiegend zum Ruhen gebracht. Nur in einzelnen Fällen ergingen Widerspruchsbescheide; anschließende Klage-/Berufungsverfahren sind inzwischen abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 19. November 2010 stellte der Kläger beim LBV einen "Antrag zur Härtefallregelung der Beihilfe" für die Jahre 2008 und 2009; dieser bezog sich auf ihm in den angeführten Jahren für die Beschaffung nicht als beihilfefähig anerkannter nicht verschreibungspflichtiger Medikamente entstandene Aufwendungen, und zwar für das Jahr 2008 in Höhe von 1.308,525 Euro und für das Jahr 2009 in Höhe von 1.204,24 Euro. Nähere Erläuterungen dazu, wie sich die Jahresbeträge errechnen, waren dem Schreiben in Gestalt von Anlagen beigefügt.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2011 lehnte das LBV diesen Antrag ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (BVO NRW) sehe eine Härtefallregelung hinsichtlich der Aufwendungen für Arzneimittel nicht vor. Das gelte auch für den seit 1. Januar 2010 geltenden § 15 BVO NRW. Vor diesem Hintergrund seien die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Härtefallregelung, welche zum Beihilferecht des Bundes ergangen seien, auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nicht übertragbar. Dem grundsätzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW stünden darüber hinaus in der Anlage 2 zur BVO NRW sowie in den Verwaltungsvorschriften zahlreiche Ausnahmeregelungen gegenüber. Wie das OVG NRW mehrfach entschieden habe, verstießen die nordrheinwestfälischen Regelungen über den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit nicht gegen höherrangiges Recht. In den betreffenden rechtskräftigen Urteilen werde auch das Fehlen einer "Härtefallregelung" nicht bemängelt.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2011 beantragte der Kläger sodann noch, ihm bezogen auf das Jahr 2010 entstandene Aufwendungen für die Beschaffung nicht als beihilfefähig anerkannter nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Höhe von 1.209,22 Euro im Wege der Härtefallregelung als beihilfefähig anzuerkennen. Hieraufhin verwies das LBV ihn mit Schreiben vom 14. Januar 2011 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) auf sein "Schreiben" vom 12. Januar 2011 und bat um dessen Beachtung.

Gegen den Bescheid vom 12. Januar 2011 erhob der Kläger unter dem 18. Januar 2011 Widerspruch, den das LBV mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2011 unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheides vom 12. Januar 2011 zurückwies.

Der Kläger hat am 24. Januar 2012 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Er begehre Beihilfe für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf der Grundlage eines Härtefalles wegen Überschreibung der zumutbaren Belastungsgrenzen für die Jahre 2008, 2009 und 2010. Er leide seit vielen Jahren an unterschiedlichen schwerwiegenden Erkrankungen, die chronisch seien und wegen derer er mit Arzneimitteln vornehmlich der anthroposophischen Medizin und der Homöopathie behandelt werde, die sämtlich nicht verschreibungspflichtig seien. Die diesbezüglichen Aufwendungen seien vor Einführung des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit stets erstattet worden. Die geltend gemachten Ansprüche folgten für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 aus der Fürsorgepflicht des Beklagten gemäß Art. 33 Abs. 5 GG und für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 aus § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BVO NRW analog in Verbindung mit der Fürsorgepflicht. Wenn man mit der obergerichtlichen Rechtsprechung den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Beihilfefähigkeit mit der Begründung, dass deren Beschaffung in der Regel mit geringen finanziellen Aufwendungen verbunden sei, für zulässig erachte, so gebiete auch im Land Nordrhein-Westfalen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn die Schaffung einer generellabstrakten Härtefallregelung im Beihilferecht, welche auch Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Überschreitung einer zumutbaren finanziellen Belastungsgrenze umfasse, wie sie für Bundesbeamte in § 12 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) enthalten gewesen sei. Bei chronisch Kranken liege diese bei 1 v.H. der Bruttojahresbezüge.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des LBV NRW vom 12. Januar 2011 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides des LBV NRW vom 27. Dezember 2011 zu verpflichten, ihm für nicht als beihilfefähig anerkannte ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Medikamente bezogen auf die Jahre 2008, 2009 und 2010 eine Beihilfe in Höhe von 2.269,-- Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er ergänzend zu den Gründen der im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheide im Wesentlichen ausgeführt: Der mit Schreiben vom 11. Januar 2011 gestellte Antrag auf eine Härtefallregelung bezüglich der im Jahre 2010 entstandenen Aufwendungen könne nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein, weil diesbezüglich nicht das erforderliche Widerspruchsverfahren stattgefunden habe. In der Sache ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 15 BVO NRW, da eine analoge Anwendung dieser Vorschrift voraussetze, dass die betreffenden Aufwendungen dem Grunde nach beihilfefähig seien, was hier nicht der Fall sei. Außerdem setze eine entsprechende Anwendung der Belastungsgrenze voraus, dass dem Beihilfeberechtigten ein Selbstbehalt verbleibe, woran es in Bezug auf Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ebenfalls fehle. Wendete man § 15 BVO NRW gleichwohl analog auf den vorliegenden Fall an, so würde hierdurch der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der Beihilfefähigkeit ausgehebelt. Eine Vergleichbarkeit mit den Beihilferegelungen des Bundes bzw. mit den Regelungen der Krankenkassen bestehe ebenfalls nicht. So seien in der BVO NRW im Gegensatz zu den Regelungen des Bundes und der Krankenkassen keine Eigenbehalte für Medikamente vorgesehen. Einer Belastungsgrenze für Arzneimittel bedürfe es deswegen im nordrheinwestfälischen Beihilferecht nicht, denn für beihilfefähige Medikamente werde eine Beihilfe ohne Abzüge gezahlt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des LBV vom 12. Januar 2011 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides des LBV vom 27. Dezember 2011 verpflichtet, dem Kläger für nicht als beihilfefähig anerkannte ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Medikamente bezogen auf die Jahre 2008, 2009 und 2010 eine Beihilfe in Höhe von 1.073,28 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt: Die zulässige Klage sei nur insoweit nicht begründet, als der Kläger die Anwendung der sog. Chronikerregelung, also einer Belastungsgrenze in Höhe von 1 v.H. der Bruttojahresbezüge statt einer solchen von 2 v.H., seiner Berechnung zugrunde gelegt habe. Im Übrigen sei der geltend gemachte Anspruch ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundesbeihilferecht zur Erforderlichkeit einer finanziellen Belastungsgrenze beim grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel und auch im Einklang mit der Rechtsprechung des OVG NRW in der Sache gerechtfertigt. Er lasse sich dabei unmittelbar auf den verfassungsrechtlich nach Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kern der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bzw. - für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 - auf eine verfassungskonforme Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 BVO NRW stützen, ohne dass dem § 77 Abs. 9 LBG NRW entgegenstehe.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und fristgerecht eingelegte Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Bundesbeihilfeverordnung und der BVO NRW lägen hinsichtlich nicht verschreibungspflichtiger Medikamente unterschiedliche Systeme zugrunde. Deshalb bedürfe es im nordrheinwestfälischen Recht keiner Härtefallregelung der hier in Rede stehenden Art. Eine analoge Anwendung des § 15 BVO NRW, der diese Fallgruppe nicht (unmittelbar) erfasse, sei nicht erforderlich und auch rechtlich nicht zulässig. Die in § 15 BVO NRW nunmehr enthaltene finanzielle Belastungsgrenze sei auch, was den begrenzten Anwendungsbereich betreffe, durch die zugehörige gesetzliche Grundlage in § 77 Abs. 9 LBG NRW geprägt. Dafür sei u.a. systemimmanent, dass es um eine Belastung durch dem Grunde nach beihilfefähige Aufwendungen gehe. Die betreffenden Aufwendungen könne der Beamte nicht abwenden; er sei ihnen zwingend ausgesetzt. Schon von daher fehle es an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit. Hinzu komme, dass es vorliegend nicht um Selbstbehalte gehe. Die weitere Voraussetzung einer Analogie, eine Regelungslücke, lasse sich ebenfalls nicht feststellen. Der Fürsorgepflicht sei durch die in der BVO NRW vorhandenen Härte- bzw. (Rück-)Ausnahmeregelungen, zu denen auch eine Ermächtigung des Finanzministers zu Einzelfallregelungen zähle, insgesamt genügt. Die Rechtsprechung zu einer etwa für das Bundesbeihilferecht gebotenen Härtefallregelung in Gestalt einer finanziellen Belastungsgrenze sei wegen der systembedingten Unterschiede auf die Situation im Land Nordrhein-Westfalen nicht übertragbar und insofern - auch die Forderung einer abstraktgenerellen Regelung betreffend - kein tauglicher Anknüpfungspunkt für das vorliegende Verfahren. Es wäre im Übrigen auch logisch nicht konsequent, wenn nur die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und nicht etwa auch sonstige nach geltendem Recht nicht als beihilfefähig anerkannte Aufwendungen (z.B. für Brillenfassungen) im Rahmen der Regelung über die Belastungsgrenze zusätzlich Berücksichtigung finden müssten.

Nachdem der Beklagte im Rahmen der Nachgewährungsbescheide vom 18. Juni 2014 und 2. September 2014 den Kläger in Höhe von insgesamt (555,11 Euro x 70% =) 388,58 Euro wegen Aufwendungen, die in dem vorliegenden Verfahren der Härtefallregelung vom Kläger mit angesetzt worden waren, klaglos gestellt hat, haben die Beteiligten das Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt daraufhin (nur noch),

das angefochtene Urteil insoweit zu ändern, als keine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, und die Klage des Klägers diesbezüglich in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Umfang der noch bestehenden Rechtshängigkeit verteidigt er das vom Beklagten angefochtene Urteil und tritt dessen Berufungsvorbringen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges (1 Heft) Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten das vorliegende Verfahren bezogen auf einen Beihilfebetrag von 388,58 Euro übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Das angefochtene Urteil war insoweit entsprechend § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 VwGO für wirkungslos zu erklären.

Wegen des verbleibenden Streitgegenstandes hat die zulässige Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen wegen Überschreitung der für ihn geltenden finanziellen Belastungsgrenze hat.

1. Die Klage ist zulässig. Soweit die Klage Beihilfeleistungen für die Jahre 2008 und 2009 betrifft, steht dies außer Frage und wird auch von dem Beklagten nicht angezweifelt. Die Klage ist aber auch hinsichtlich der auf das Jahr 2010 entfallenden Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig. Denn sie ist insofern - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO gemäß § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig. Der Beklagte hat den auf das Jahr 2010 bezogenen Härtefallantrag des Klägers vom 11. Januar 2011 bislang noch nicht durch Verwaltungsakt beschieden. Das hierfür allenfalls in Betracht zu ziehende Schreiben des LBV vom 14. Januar 2011 erfüllt die Anforderungen an einen solchen (gegenüber dem auf den Antrag für die Jahre 2008 und 2009 bezogenen Bescheid des LBV vom 12. Januar 2011 selbstständigen) Verwaltungsakt weder der Form noch dem Inhalt nach.

2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht die Gewährung von Beihilfe zu den ihm in den Jahren 2008 bis 2010 ärztlich verordneten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf der Grundlage eines Härtefallanspruchs zu. Dies gilt sowohl für die Jahre 2008/2009 (nachfolgend a)) als auch für das Jahr 2010 (nachfolgend b)). Die im Rahmen des Härtefallanspruchs geltend gemachten Aufwendungen beziehen sich auf medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel; es bestehen auch keine Bedenken gegen die vom Verwaltungsgericht ermittelte Höhe des Anspruchs (nachfolgend c)).

a) Der geltend gemachte Härtefallanspruch folgt für die Jahre 2008/2009 unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel waren in Nordrhein-Westfalen (auch) in den Jahren 2008 und 2009 von der Gewährung von Beihilfen an Beamte im Krankheitsfalle grundsätzlich ausgenommen. Dies ergab sich für den Zeitraum vom (bereits) 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2009 aus einem formellen Gesetz, nämlich dem "Gesetz zur Erhebung von § 4 Absatz 1 Nummer 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in Gesetzesrang" vom 17. Februar 2009 (GV. NRW. S. 83). Dieses Gesetz ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, im Hinblick auf den Grundsatz der Normenklarheit und das Rückwirkungsverbot wirksam.

Vgl. etwa Urteil vom 5. Dezember 2011 - 1 A 501/09 -, juris, Rn. 36 ff. = NRWE, m.w.N.; vgl. zuvor bereits das Urteil des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 =juris, Rn. 24 ff. = NRWE.

Für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2009 war die Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchst. b) der Verordnung über Beihilfen in Geburts- Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW - BVO NRW) vom 5. November 2009 (GV. NRW. S. 602), die sich nach ihrem § 18 Abs. 1 Satz 1 Rückwirkung zum 1. April 2009 beimisst, grundsätzlich ausgeschlossen.

Der (grundsätzliche) Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist, wie bereits mehrfach entschieden worden ist und deshalb hier nicht mehr vertieft zu werden braucht, im Ansatz rechtlich nicht zu beanstanden.

Vgl. zum Bundesbeihilferecht etwa BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 -, USK 2011, 88 = juris, Rn. 9 ff.; zum nordrheinwestfälischen Beihilferecht etwa OVG NRW, Urteile vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 = juris, Rn. 63 ff., vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris, 43 ff., vom 10. Dezember 2010 - 1 A 565/09 -, juris,Rn. 87 ff., vom 11. Juli 2011 - 1 A 498/09 -, juris, Rn. 73 ff., vom 21. November 2011 - 1 A 335/09 -, juris, Rn. 34 ff., vom 5. Dezember 2011 - 1 A 501/09 -, juris, Rn. 36 ff., 123 ff. sowie Beschluss vom 17. Februar 2011 - 1 A 349/09 -, juris, Rn. 64 ff. - alle genannten Entscheidungen zum Landesrecht auch in NRWE.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu anhält, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Demgegenüber werden die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind. Dies mag zwar die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in Frage stellen. Unter Geltung des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" aus Beihilfe und darauf abgestimmter Eigenvorsorge kann der pauschale Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfegewährung aber in Einzelfällen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten erheblich übersteigen. Für derartige Fallgestaltungen muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind.

Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum (früheren) Beihilferecht des Bundes, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 -, USK 2011, 88 = juris, Rn. 16, m.w.N.

Dieser Befund gilt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - gleichermaßen für das in den Jahren 2008 und 2009 anzuwendende nordrheinwestfälische Beihilferecht. Denn Art. 33 Abs. 5 GG und die daraus abgeleitete beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn einschließlich dessen darin wurzelnden Verpflichtungen gelten als übergeordnetes Verfassungsrecht auch in Nordrhein-Westfalen.

Diesen Verpflichtungen wurde das nordrheinwestfälische Beihilferecht in den Jahren 2008 und 2009 teilweise nicht gerecht. Denn eine normative Festlegung zur Vermeidung einer finanziellen Überforderung durch Aufwendungen für medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel fehlte. Entgegen der Auffassung des Beklagten enthielt das Beihilferecht des Landes gegenüber dem Beihilferecht des Bundes keine Besonderheiten, die annehmen lassen, der Fürsorgepflicht sei auch schon ohne eine normative, nach generellabstrakten Kriterien bestimmte Härtefallregelung zur Abwehr finanzieller Überforderung unter Einschluss der Aufwendungen für medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Genüge getan.

Eine derartige normative Festlegung einer Belastungsgrenze war - entgegen der Auffassung des Beklagten - insbesondere nicht etwa wegen der im Beihilferecht des Landes vorgesehenen Rückausnahmen vom Beihilfeausschluss entbehrlich. Zutreffend ist, dass der Beklagte im tatbestandlichen Anwendungsbereich dieser Rückausnahmen durch die Gewährung von Beihilfen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verhindert, dass der Beamte mit Aufwendungen belastet bleibt, die über das zumutbare Maß an Eigenvorsorge (in der Regel durch Abschluss einer auf die Beihilfeleistungen abgestimmten Krankenversicherung) hinausgehen. Diese Ausnahmen füllen die beamtenrechtliche Fürsorge des Dienstherrn jedoch nicht vollständig aus, sondern erfassen nur bestimmte Fallgruppen. Sie knüpfen z.B. daran an, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, als Begleitmedikation zu einer medikamentösen Haupttherapie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oder zur Behandlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen eingesetzt werden.

Vgl. kritisch zum Ausreichen der Rückausnahmen bereits das Senatsurteil vom 8. Juni 2010- 1 A 1328/08 -, juris, Rn. 116 ff. = NRWE; a.A.: OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 =juris, Rn. 91 = NRWE.

Jenseits dieser Fallgestaltungen können jedoch (Einzel-)Fälle verbleiben, in denen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel medizinisch notwendig sind und der Beamte durch die wegen des grundsätzlichen Ausschlusses von der Beihilfefähigkeit der diesbezüglichen Aufwendungen bei ihm verbleibenden Belastungen finanziell überfordert wird. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts Fallgestaltungen genannt worden sind, in denen es zu einer erheblichen Belastung mit Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimitteln kommen kann, handelt es sich lediglich um der Veranschaulichung dienende Beispiele, nicht aber um als abschließend zu verstehende Fallgruppen.

Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 = DVBl. 2008, 1442 = juris, Rn. 17: "Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten, wenn deren Behandlung die Einnahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel erfordert, um Nebenwirkungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verringern." (Hervorhebung durch den Senat).

Für die verbleibenden (Ausnahme-)Fälle einer finanziellen Überforderung verlangt die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen eine normative Härtefallregelung in Form einer Belastungsgrenze. Hierdurch wird der weitgehende Ausschluss der fraglichen Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit nicht unterlaufen, sondern in einer besonderen Belastungssituation lediglich abgefedert.

Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, etwaigen Ausnahmefällen könne durch eine Beihilfegewährung in Form einer Einzelfallentscheidung des Finanzministeriums ausreichend Rechnung getragen werden. Dabei ist schon fraglich, ob sich der hierfür allenfalls in Betracht zu ziehende letzte Satz der Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW (in den die Jahre 2008 und 2009 betreffenden Fassungen) überhaupt auf Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Medikamente mit beziehen lässt oder sich nur auf die im dortigen systematischen Zusammenhang - Nr. 4 b) bzw. nach dem 1. April 2009 Nr. 8 b) = inzwischen Nr. 7 b) der Anlage 2 - unmittelbar geregelten Arzneimittel bezieht, bei denen die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Für Letzteres spricht neben der drucktechnischen Gestaltung der Bekanntmachung im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 31 vom 30. November 2009 auch der Vergleich mit der bis zum 31. März 2009 gültig gewesenen Vorgängerfassung der Anlage 2, welche neben der der Nummer 4 Buchstabe b) zuzuordnenden Einzelfallermächtigung im letzten Satz der Anlage eine weitere, eigenständige und ansonsten überflüssige Ausnahmeermächtigung in Form der Einzelfallentscheidung des Finanzministeriums im Satz 2 der Nummer 2 vorgesehen hatte. Davon unabhängig enthält die betreffende Regelung keinen Hinweis darauf, dass bei der Entscheidung des Ministeriums die dem Beamten verbleibenden finanziellen Belastungen eine (entscheidende) Rolle spielen.

Vgl. das Senatsurteil vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris, Rn. 119 ff., 122 = NRWE: "inhaltlich völlig unbestimmte ‚Globalermächtigung‘ des Finanzministeriums"; a.A.: OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 = juris, Rn. 91 = NRWE.

Im Übrigen stellt sie gerade keine normative Regelung einer Belastungsgrenze nach generellabstrakten Kriterien dar.

Der Beklagte dringt auch nicht mit dem Argument durch, im Unterschied zur Beihilfe im Bund gebe es für Arzneimittel keine Selbstbehalte, sondern die hierfür anfallenden Aufwendungen würden in voller Höhe als beihilfefähig anerkannt. Denn dieser Unterschied betrifft in erster Linie die verschreibungspflichtigen Arzneimittel und gerade nicht die hier interessierenden, abgesehen von Rückausnahmen von der Beihilfegewährung grundsätzlich gerade ausgenommenen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, deren Kosten der Beihilfeberechtigte im Bund wie im Land in vollem Umfang selbst zu tragen hat. Im Übrigen zielt der Einwand darauf ab, dass im Bund die Belastungsgrenze wegen der Selbstbehalte bei beihilfefähigen Arzneimitteln eher erreicht werde als im Land. Ob diese Einschätzung auch in Ansehung der im nordrheinwestfälischen Beihilferecht verankerten Kostendämpfungspauschale zutrifft, mag dahinstehen. Denn es ist im hier interessierenden Zusammenhang unerheblich, wann im Verlaufe eines Kalenderjahres eine Belastungsgrenze überschritten wird. Entscheidend ist allein, dass sie überhaupt überschritten wird.

Schließlich verfängt auch nicht der Hinweis des Beklagten, in zahlreichen Fällen könnten statt eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels auch verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnet werden, für die ja Beihilfe gewährt werde, so dass ein Härtefall insoweit gar nicht erst entstehen könne. Zwar ist es bei einer abstrakten Betrachtung folgerichtig, dass die mögliche Inanspruchnahme beihilfefähiger Leistungen im Umfang der Beihilfefähigkeit und des persönlichen Bemessungssatzes eine Belastung des Beihilfeberechtigten mit bei ihm verbleibenden, ggf. eine Belastungsgrenze überschreitenden Aufwendungen verhindert. Allerdings bleibt der Einwand gerade auch hinsichtlich der vorausgesetzten regelmäßigen Austauschbarkeit von verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln pauschal und ohne fallspezifische Substanz. So zeigt der Beklagte nicht in Bezug auf ein einziges dem Kläger verordnetes nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel konkret auf, dass ersatzweise die Verordnung eines gleich geeigneten verschreibungspflichtigen Arzneimittels in Betracht gekommen wäre. Solches versteht sich auch nicht von selbst, weil es in diesem Zusammenhang auch um (vornehmlich von dem behandelnden Arzt zu beurteilende) Fragen des Anschlagens des Mittels beim Patienten, der individuellen Verträglichkeit und von eventuell zu befürchtenden schädlichen Nebenwirkungen geht. Vor diesem Hintergrund war der Kläger nicht gehalten darzulegen, dass und inwieweit zur Behandlung seiner verschiedenen chronischen Erkrankungen keine (vergleichbar wirksamen und verträglichen) verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur Verfügung standen. Ebenso wenig hatte der Senat Veranlassung, dem nicht näher substanziierten Einwand des Beklagten nachzugehen. Unabhängig davon verfehlt das Argument aber auch ganz allgemein das Ziel, im Beihilferecht des Landes bestehende Unterschiede zum Beihilferecht des Bundes aufzuzeigen, denn insoweit gibt es keine Unterschiede. Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht in den in diesem Urteil genannten Entscheidungen die für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel geforderte abstraktgenerelle Belastungsgrenze nicht nur auf einen Teil dieser Medikamente beschränkt oder unter den Vorbehalt der fehlenden Möglichkeit eines Mittelaustausches gestellt, soweit - davon unbenommen - die allgemeinen Beihilfegrenzen der medizinischen Notwendigkeit und der Angemessenheit eingehalten sind.

Ist nach dem Vorstehenden eine normative Härtefallregelung zum Schutz vor einer finanziellen Überforderung Beihilfeberechtigter durch Aufwendungen für medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel erforderlich gewesen, durch den zuständigen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber aber noch nicht geschaffen worden, folgt der geltend gemachte Anspruch unter Härtefallgesichtspunkten für die Übergangszeit bis zu einer normativen Regelung unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Vgl. bereits OVG NRW, Urteile vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 = juris, Rn. 126, vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris, Rn. 123, und insbesondere vom 21. November 2011 - 1 A 335/09 -, juris, Rn. 56, und vom 5. Dezember 2011 - 1 A 501/09 -, juris, Rn. 125; alle genannten Entscheidungen auch in NRWE.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte sich dem Senat gegenüber in einem früheren beihilferechtlichen Verfahren grundsätzlich zur Anwendung einer Härtefallregelung in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bekannt hat. Der Einwand der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, es habe sich hierbei um eine nicht verallgemeinerungsfähige Aussage unter Berücksichtigung der damaligen Einzelfallumstände gehandelt, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass auch diese Aussage die grundsätzliche Möglichkeit eines Härtefallverfahrens voraussetzt, überzeugt sie auch der Sache nach nicht. Denn während der übrige Text des Schriftsatzes auf den individuellen Kläger jenes Verfahrens abstellt, ist in der fraglichen Passage in verallgemeinernder Form vom "Beihilfeberechtigten" die Rede.

Vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2011 - 1 A 501/09 -, juris, Rn. 127 = NRWE, und den dort in Bezug genommenen, in der mündlichen Verhandlung zitierten Schriftsatz des LBV vom 25. August 2009 - Jus-64/R 8478430102322/08 -, S. 3: "Sofern die Aufwendungen für verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Jahressumme eine noch als zumutbar anzusehende Belastungsgrenze überschreiten, kann der Beihilfeberechtigte in einem eigenständigen Verfahren im Härtewege die Anerkennung des unzumutbaren Teils der Aufwendungen als beihilfefähig beantragen."

Der Anspruch auf Beihilfe im Rahmen des Härtefallverfahrens besteht insoweit, als die Aufwendungen für medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, ggf. zusammen mit der Kostendämpfungspauschale und anderen Selbstbehalten,

vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 - 1 A 1362/10 -, IÖD 2012, 78 = juris, Rn. 12 ff. = NRWE,

die Belastungsgrenze übersteigen. Diese Grenze ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats jedenfalls bei 2 v.H. der Brutto-Vorjahresbezüge erreicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 = DVBl. 2008, 1442 = juris, Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris, Rn. 124 ff. = NRWE.

b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Härtefallanspruch auch für die im Jahr 2010 getätigten Aufwendungen für medizinisch notwendige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu, soweit sie die Belastungsgrenze von 2 v.H. seiner Brutto-Vorjahresbezüge überschreiten. Der Senat kann offen lassen, ob dies für dieses Jahr ebenfalls unmittelbar aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - aus der Fürsorgepflicht in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der seit dem 1. Januar 2010 in § 77 Abs. 9 LBG NRW und § 15 Abs. 1 BVO NRW statuierten Belastungsgrenze folgt. Im Einzelnen:

Im Jahre 2010 unterschied sich die Rechtslage im nordrheinwestfälischen Beihilferecht in Bezug auf die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht von der Rechtslage in den Vorjahren: Die Aufwendungen waren nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW bei einigen Rückausnahmen ebenfalls grundsätzlich nicht beihilfefähig, ohne dass es für diese Aufwendungen eine normative Belastungsgrenze gab. Auf die Ausführungen unter a) kann daher verwiesen werden.

Allerdings haben - jeweils mit Wirkung ab 1. Januar 2010 - der Gesetzgeber in § 77 Abs. 9 LBG NRW und ihm folgend der Verordnungsgeber in § 15 Abs. 1 BVO NRW eine Belastungsgrenze für die Beihilfeberechtigten vorgesehen. Nach § 77 Abs. 9 LBG NRW dürfen die Kostendämpfungspauschale sowie bestimmte Eigenbehalte im Zuge stationärer, teilstationärer oder vor- und nachstationärer Behandlungen sowie für zahntechnische Leistungen zusammen 2 v.H. der Jahresdienst- bzw. ?versorgungsbezüge des Vorjahres nicht übersteigen, wobei jeweils der Bruttobetrag maßgebend ist.

Der in § 77 Abs. 9 LBG NRW statuierte Härtefallanspruch bei Überschreiten der dort geregelten Belastungsgrenze hindert nicht, einen Härtefallanspruch hinsichtlich der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel unmittelbar aus der Fürsorgepflicht oder einer entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 1 BVO NRW anzunehmen. Denn § 77 Abs. 9 LBG NRW ist - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht so zu verstehen, dass die Belastungsgrenze ausschließlich durch die in der Vorschrift genannten Parameter (Kostendämpfungspauschale und gewisse Eigenbehalte) soll erreicht werden können. Das ergibt sich aus Folgendem:

Zunächst gibt der Wortlaut der Vorschrift keinen zwingenden Anhalt für eine abschließende Regelung. Danach dürfen Kostendämpfungspauschale und gewisse Eigenbehalte die Belastungsgrenze von 2 v.H. der Brutto-Vorjahresbezüge nicht übersteigen. Insoweit ist zunächst die Belastungsgrenze von 2 v.H. in den Blick zu nehmen. Die Grenze von 2 v.H. stellt keinen unveränderbaren Wert dar, sondern bildet eine Höchstgrenze. Für diese Sichtweise spricht eindeutig der Wortlaut ("dürfen ... nicht übersteigen"). Es ist also ohne Weiteres möglich, dass der Verordnungsgeber einen niedrigeren Wert bestimmt. Diese Sichtweise hat das Finanzministerium bereits im Gesetzgebungsverfahren vertreten,

vgl. Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses sowie des Innenausschusses vom 26. März 2009, APr 14/859, S. 6,

und diese Einschätzung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Einer demnach möglichen Absenkung der Belastungsgrenze für die Kostendämpfungspauschale und gewisse Eigenbehalte entspricht es im Ergebnis, wenn der absolute Wert von 2 v.H. unverändert bleibt, zu seiner Berechnung aber weitere Parameter hinzugezogen werden. Auch dieses lässt der Wortlaut zu. Dass Kostendämpfungspauschale und gewisse Eigenbehalte die Belastungsgrenze nicht übersteigen dürfen, besagt nämlich nicht, dass die Belastungsgrenze nur im Hinblick auf diese Parameter zu ermitteln wäre.

Ferner spricht die Gesetzessystematik für eine nicht abschließende Aufzählung der bei der Ermittlung der Belastungsgrenze zu berücksichtigenden Belastungen der Beihilfeberechtigten. § 77 Abs. 9 LBG NRW nennt mit der Kostendämpfungspauschale und den Eigenbehalten für zahntechnische Leistungen zwei Parameter, die (die Kostendämpfungspauschale hinsichtlich ihrer Höhe) in § 79 Abs. 8 LBG NRW unter den ausdrücklichen Vorbehalt der Beachtung der Grundsätze beamtenrechtlicher Fürsorge gestellt sind. Damit steht die Regelung des Absatzes 9 (auch) nach der Gesetzessystematik von vornherein ebenfalls unter dem Primat der Beachtung dieser Grundsätze.

Dieser Befund wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien. Die Belastungsgrenze war im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht enthalten, sondern ist erst auf die Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses sowie des Innenausschusses des Landtags in das Gesetz aufgenommen worden. Die Begründung der Beschlussempfehlung verweist ausdrücklich darauf, dass die Vorschrift aus Fürsorge- und Alimentationsgründen eine Überforderungsklausel vorsieht.

Vgl. Anhang zu LT-Drs. 14/8889, S. 7: "Absatz 9 sieht aus Fürsorge- und Alimentationsgründen entsprechend den Forderungen des Bundesverwaltungsgerichts eine Überforderungsklausel für Beihilfeberechtigte vor, soweit in einem Jahr durch die Erhebung der Kostendämpfungspauschale in Verbindung mit Eigenbehalten für stationäre Behandlungen und zahntechnische Leistungen eine erhebliche finanzielle Belastung eintritt."

Die Vorschrift dient also gerade dazu, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konkretisierten Anforderungen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht umzusetzen. Dass hierbei nicht auch Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel berücksichtigt wurden, dürfte sich daraus erklären, dass das Finanzministerium nach den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat davon ausging, die in der BVO NRW (und Verwaltungsvorschriften) festgelegten Rückausnahmen setzten die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit ausreichend um (dazu, dass diese Einschätzung nicht zutrifft, kann auf die Ausführungen unter a) verwiesen werden).

Schließlich spricht für das dargestellte Verständnis des § 77 Abs. 9 LBG NRW das Gebot der verfassungskonformen Gesetzesauslegung. Dieses verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013- 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 -, NJW 2013, 3151 = juris, Rn. 77.

Sähe man § 77 Abs. 9 LBG NRW in dem Sinne als abschließend an, dass die Belastungsgrenze ausschließlich durch die Kostendämpfungspauschale und gewisse Eigenbehalte sollte erreicht werden können, geriete die Vorschrift in einen unauflösbaren Konflikt mit den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel konkretisierten Anforderungen des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Grundsatzes der beamtenrechtlichen Fürsorge. Dieser Konflikt lässt sich durch die bereits vom Verwaltungsgericht befürwortete Auslegung der Vorschrift vermeiden, wobei die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung aus den zuvor dargestellten Gründen nicht überschritten werden.

Demzufolge ist - worauf der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen verweist - daran festzuhalten, dass der grundsätzliche Ausschluss der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit für den hier streitgegenständlichen Zeitraum wirksam ist.

Dem steht nicht die Rechtsprechung des Senats zur Wirksamkeit des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Bundesbeihilferecht entgegen. Allerdings hat der Senat für die (seinerzeitige) Rechtslage im Bundesbeihilferecht entschieden, dass der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfe nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBhV in der bis zum 23. Dezember 2009 geltenden Fassung unwirksam war, weil eine Härtefallregelung in der BBhV fehlte und eine solche weder aus der analogen Anwendung des § 50 Abs. 1 BBhV in der bis zum 20. September 2012 geltenden Fassung abgeleitet noch in Erlassen und auch nicht in § 6 Abs. 1 Satz 2 BBhV gesehen werden konnte.

Vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2013 - 1 A 334/11 -, Schütz BeamtR ES/C IV 2 Nr. 221 = juris, Rn. 41 ff. = NRWE.

Ausschlaggebend hierfür war der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht für das Beihilferecht des Bundes seit 2008 das Fehlen einer normativen Regelung einer finanziellen Belastungsgrenze für Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausdrücklich angemahnt hat. Lediglich für eine Übergangszeit bis zu einer normativen Regelung der Belastungsgrenze unter Einschluss vorgenannter Aufwendungen hat es zur Wahrung des Fürsorgegrundsatzes die in § 12 Abs. 2 BhV für andere Fallgestaltungen geregelte Belastungsgrenze entsprechend angewandt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - 2 C2.07 -, BVerwGE 131, 234 = juris, Rn. 17, 21 f.

Vor diesem Hintergrund schied nach Auffassung des erkennenden Senats eine entsprechende Anwendung der seit 2009 in § 50 BBhV enthaltenen Belastungsgrenze auf die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus. Denn der Verordnungsgeber hatte in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht konkretisierten Anforderungen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn davon abgesehen, Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in die Belastungsgrenze einzubeziehen. Damit fehlte es an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke; außerdem ergab sich aus weiteren Regelungen in Erlassen, dass der Verordnungsgeber im Bund keine einheitliche Belastungsgrenze schaffen wollte.

Die Sachlage in Nordrhein-Westfalen stellt sich (unabhängig davon, dass § 77 Abs. 9 LBG NRW nach den vorstehenden Ausführungen einer Einbeziehung der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht entgegensteht) anders dar: § 77 Abs. 9 LBG NRW ist nach Art. 24 des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. April 2009 (GV. NRW. S. 224) am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Am 21. April 2009 lag zwar bereits die vorerwähnte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht des Bundes, nicht jedoch eine thematisch einschlägige Entscheidung zum Landesrecht vor. Vielmehr hat der für das Beihilferecht des Landes vormals zuständige 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts im Sommer 2009 den grundsätzlichen Ausschluss der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit nicht nur für rechtmäßig, sondern darüber hinaus auch die vorgesehenen Rückausnahmen sowie die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung des Finanzministeriums zur Wahrung des Fürsorgegrundsatzes für ausreichend erachtet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 - 3 A 1795/08 -, OVGE 52, 160 = DÖD 2010, 17 = juris = NRWE.

Erst über ein Jahr nach dem hier interessierenden Gesetzesbeschluss und damit im Übrigen auch nach Inkrafttreten von § 77 Abs. 9 LBG NRW hat der erkennende Senat zwar die Rechtmäßigkeit des grundsätzlichen Beihilfeausschlusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bestätigt, dabei aber zugleich eingehend begründet, weshalb Rückausnahmen und Einzelfallentscheidungen nicht ausreichen, um der Fürsorgepflicht in vollem Umfang gerecht zu werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris = NRWE.

Die (entscheidende) Frage, ob es einer normativen Regelung einer Belastungsgrenze, die auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel umfasst, auch nach dem nordrheinwestfälischen Beihilferecht zwingend bedarf, wurde in dieser (und nachfolgenden) Entscheidungen zwar angedeutet, aber nicht eindeutig entschieden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8. Juni 2010 - 1 A 1328/08 -, juris, Rn. 110: "..., weil die Beihilfevorschriften insoweit gegebenenfalls keine ... hinreichenden Regelungen zur Vermeidung unzumutbarer Härten enthalten.", vgl. auch Rn. 120 ff.; vom 10. Dezember 2010 - 1 A 565/09 -, juris, Rn. 117 ff.: "Ob es gemessen an diesen allgemeinen rechtlichen Anforderungen hier - wie auch seinerzeit im Beihilferecht des Bundes ? ... an einer (hinreichenden) Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten fehlt, kann im Ergebnis dahinstehen."; ebenso Urteil vom 17. Februar 2011 - 1 A 349/09 -, juris, Rn. 72 ff.; Urteil vom 11. Juli 2011 - 1 A 498/09 -, juris, Rn. 87; vgl. ferner das Urteil vom 21. November 2011 - 1 A 335/09 -, juris, Rn. 52 einer- und Rn. 56 ("das etwaige Fehlen") andererseits, sowie das Urteil vom 5. Dezember 2011 - 1 A 501/09 -, juris, Rn. 125. In allen diesen Entscheidungen, die auch in NRWE veröffentlicht sind, ging es dabei noch nicht unmittelbar um Beihilfeleistungen aufgrund einer finanziellen Härtefallregelung.

Vorstehendes gilt entsprechend auch in Ansehung der untergesetzlich geregelten Belastungsgrenze in § 15 Abs. 1 BVO NRW; diese Regelung wurde am 30. November 2009 im Gesetz- und Verordnungsblatt bekanntgemacht (GV. NRW. S. 601).

c) Die jeweils ärztlich verordneten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die Grundlage des vorliegend geltend gemachten Härtefallanspruchs sind, waren medizinisch notwendig. Hiervon gehen die Beteiligten nach ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend aus; der Senat sieht zu Zweifeln an dieser Einschätzung keinen Anlass.

Die Berechnung der Anspruchshöhe durch das Verwaltungsgericht lässt, soweit ihr vor dem Hintergrund der in zweiter Instanz erfolgten Teilerledigungserklärungen noch Bedeutung zukommt, keine Unrichtigkeiten erkennen. Die Beteiligten haben insoweit auch keine Einwendungen erhoben.

Aus Anlass des vorliegenden Falles braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlangt, für Chroniker im Sinne der Chroniker-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelungen in § 62 SGB V für schwerwiegend chronisch Kranke vom 22. Januar 2004, Bundesanzeiger 2004 Nr. 18, S. 1343, zuletzt geändert am 19. Juni 2008, Bundesanzeiger Nr. 124, S. 3017) eine niedrigere Belastungsgrenze von z.B. 1 v.H. vorzusehen, wie dies im Beihilferecht des Bundes oder im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich vorgesehen ist (vgl. nunmehr § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV und § 62 Abs. 1 SGB V). Denn vorliegend ist nur noch der die Grenze von 2 v.H. des Einkommens des Klägers übersteigende Betrag im Streit. Der Senat merkt allerdings an, dass die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe, warum eine niedrigere Belastungsgrenze für Chroniker nicht geboten sein soll, nicht vollends zu überzeugen vermögen. Für die Frage, ab welcher Grenze eine noch als zumutbar anzusehende Belastung überschritten wird, ist es nämlich unerheblich, ob die Grenze im Verlaufe eines Jahres früher oder später überschritten wird. Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass die im nordrheinwestfälischen Beihilferecht vorgesehene Kostendämpfungspauschale eher zum Erreichen der Belastungsgrenze führt, als dies etwa bei den Selbstbehalten nach dem Beihilferecht des Bundes der Fall ist; dies hängt nämlich immer von Art und Umfang der individuellen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen ab. Selbst wenn dies aber so sein sollte, spricht aus Sicht des Senats folgender Umstand eher dafür, für Chroniker aus Fürsorgegründen eine niedrigere Belastungsgrenze festzuschreiben: Chronisch Kranke sind typischerweise Jahr für Jahr vorhersehbar mit erheblichen Krankheitskosten belastet, so dass ihnen häufig geringere Mittel verbleiben, etwa Rücklagen für Krankheitsfälle zu bilden. Das ist bei Nicht-Chronikern nicht in einem vergleichbaren Maße der Fall. Auch das Bundesverwaltungsgericht leitet in seiner Rechtsprechung aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine differenzierte Belastungsgrenze (Chroniker: 1 v.H.; Nicht-Chroniker: 2 v.H.) ab.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 = DVBl. 2008, 1442 = juris, Rn. 21; vom 26. August 2009 - 2 C 62.08 -, ZBR 2010, 88 = juris, Rn. 21; vom 5. Mai 2010- 2 C 12.10 -, ZBR 2011, 126 = juris, Rn. 20 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 -, USK 2011, 88 = juris, Rn. 20.

Eine niedrigere, ggf. durch den Verordnungsgeber festzulegende Belastungsgrenze für Chroniker wäre - wie bereits dargelegt - auch damit vereinbar, dass § 77 Abs. 9 LBG NRW eine einheitliche Belastungsgrenze von 2 v.H. ohne Differenzierung zwischen Chronikern und Nicht-Chronikern vorsieht. Diese Auffassung hat im Gesetzgebungsverfahren auf ausdrückliche Frage eines Abgeordneten nach einer Belastungsgrenze in Höhe von 1 v.H. für Chroniker auch das Finanzministerium vertreten.

Vgl. Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses sowie des Innenausschusses vom 26. März 2009 - APr 14/859 - S. 4 und 6.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit sich das Verfahren dadurch erledigt hat, dass der Beklagte den Kläger wegen eines Teils des im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Betrages klaglos gestellt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass der Beklagte diese Kosten mit trägt. Hinsichtlich der Verteilung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens war der Kostenentscheidung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit dieses Rechtskraft erlangt hat, auch vom Senat Rechnung zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.