LG Limburg, Beschluss vom 19.11.2014 - 1 Qs 130/14
Fundstelle
openJur 2014, 25479
  • Rkr:

1. Die Frage, ob der Bußgeldrichter einen Antrag auf Verlegung der Hauptverhandlung zu Recht abgelehnt hat, ist nicht Gegenstand der Prüfung durch das Beschwerdegericht im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

2. Die Verpflichtung des Betroffenen eines Bußgeldverfahrens, zur Hauptverhandlung zu erscheinen, besteht auch dann, wenn sein Verteidiger verhindert ist und das Gericht den Betroffenen nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden hat.

Tenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 24.07.2014 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Wegen der Kosten der zurückgenommenen sofortigen Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 18.06.2014 werden die notwendigen Auslagen des Betroffenen nicht erstattet.

Gründe

I.

Auf den Einspruch des Betroffenen und Beschwerdeführers gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 14.10.2013, Az. 966.636107.2, hin hat das Amtsgericht Wetzlar mit Verfügung vom 14.04.2014 Termin zur Hauptverhandlung auf Mittwoch, den 18.06.2014, 10:40 Uhr, bestimmt und den Betroffenen mit Zustellungsurkunde datierend auf den 16.04.2014 zu diesem Termin persönlich geladen. Dem Verteidiger des Betroffenen ging die Ladung am 16.04.2014 zu. Mit am gleichen Tage beim Amtsgericht per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 05.06.2014 beantragte der Verteidiger des Betroffenen die Verlegung des Termins mit der Begründung, er sei alleiniger Sachbearbeiter in der Angelegenheit, habe seinen zunächst für die Zeit vom 07.05. bis 03.06.2014 geplanten Urlaub nicht antreten können und habe nunmehr kurzfristig in der Zeit vom 16. bis zum 24.06.2014 Urlaub gebucht. Mit Verfügung vom 12.06.2014, welche dem Verteidiger des Betroffenen am gleichen Tag per Fax übersandt wurde, wies das Amtsgericht Wetzlar den Verlegungsantrag mit der Begründung zurück, dass der Urlaub des Verteidigers in Kenntnis des Termins vor dem Amtsgericht gebucht worden sei. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17.06.2014 ließ der Betroffene die zuständige Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen und beantragte erneut die Aufhebung und Verlegung des Termins am 18.06.2014. Zur Begründung führte er unter anderem aus, es sei nicht ausschlaggebend, dass der Verteidiger seinen Urlaub in Kenntnis des Termins vor dem Amtsgericht gebucht habe. Der Verlegungsantrag sei rechtzeitig gestellt und der Betroffene habe das Recht, die Verteidigung und Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins von demjenigen Anwalt vornehmen zu lassen, den er mit der Sachbearbeitungsverteidigung betraut habe.

Das Amtsgericht Wetzlar verwarf das Befangenheitsgesuch mit Beschluss vom 18.06.2014 als unzulässig. Nachdem weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin am 18.06.2014 erschienen waren, verwarf das Amtsgericht mit Urteil vom gleichen Tage den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid. Dieses Urteil ist dem Verteidiger am 26.06.2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 03.07.2014, beim Amtsgericht am gleichen Tage per Fax eingegangen, beantragte der Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 18.06.2014, mit dem das Befangenheitsgesuch als unzulässig verworfen worden war, sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.07.2014 als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene nunmehr mit der sofortigen Beschwerde und führt zur Begründung unter anderem aus, dass das Fernbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin entschuldigt sei, da es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, diesen ohne Anwesenheit des von ihm beauftragten und bevollmächtigten Verteidigers wahrzunehmen. Das Amtsgericht sei vielmehr gehalten gewesen, den Verlegungsanträgen des Verteidigers vom 05.06. und 17.06.2014 zu entsprechen. Da es die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend berücksichtigt habe, sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.09.2014 hat der Betroffene die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 18.06.2014 zurückgenommen.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 24.07.2014 ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen. Freilich ist der Antrag nicht unzulässig. Er ist rechtzeitig gestellt. Der Antrag ist jedoch als unbegründet zu verwerfen.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann in Bußgeldsachen gemäß § 74 Abs. 4 OWiG unter denjenigen Voraussetzungen gewährt werden, wie sie im Fall der Versäumung einer Frist gelten. Die Regelung der §§ 44 ff StPO gelten entsprechend (vgl. Senge in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Auflage 2014, § 74 Rdnr. 45). Mit einem Wiedereinsetzungsantrag sind dabei sämtliche Tatsachen vorzutragen und entsprechend glaubhaft zu machen, die das fehlende Verschulden des Betroffenen begründen. Der vorgetragene Sachverhalt muss dabei ein der Gewährung der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Hindernis als ausgeschlossen erscheinen lassen (Beck'scher Onlinekommentar StPO, Stand 15.01.2011/Edition 9, § 45 Rdnr. 6).

Die Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsantrags durch den Betroffenen ist nicht geeignet, sein Nichterscheinen zum Termin zu entschuldigen.

Der Umstand, dass das Amtsgericht den Verlegungsanträgen vom 05.06.2014 sowie vom 17.06.2014 jeweils nicht Folge geleistet hat, entschuldigt das Fernbleiben des Betroffenen vom Termin nicht.

Ungeachtet einer - freilich naheliegend anzunehmenden - Kenntnis des Betroffenen von der Ablehnung der Terminsverlegung durch den Bußgeldrichter am 12.06.2014, war ihm jedenfalls positiv bekannt, dass die Ladung zum Termin am 18.06.14 weiter bestand hatte und er zum Erscheinen verpflichtet war, worauf er mit der schriftlichen Ladung zum Termin zur Hauptverhandlung hingewiesen worden ist. Das Nichterscheinen des Verteidigers entbindet den Betroffenen nicht von seiner Verpflichtung, zum Termin zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Schon gar nicht durfte der Betroffene darauf vertrauen, der Termin zur Hauptverhandlung werde aufgehoben, so dass sein Erscheinen entbehrlich wäre. Selbst für den Fall, dass ihm ein dahingehender Hinweis durch den Verteidiger übermittelt worden wäre, obliegt dem Betroffenen (im eigenen Interesse) eine Pflicht, sich von der tatsächlichen Aufhebung des Termins zur Hauptverhandlung z. B. durch einen Anruf bei dem Amtsgericht zu überzeugen. Dass der Verteidiger dem Betroffenen etwa entgegen dem tatsächlichen Geschehensablauf und damit wahrheitswidrig mitgeteilt haben könnte, die Terminsverlegung sei erfolgt, wird nicht behauptet und dürfte auch abwegig sein (vgl. zutr. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 15.11.1994 - 2 Ws 215/94 -, RdNr. 7 ff., zit. nach juris).

Daher vermag der Betroffene sein Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin auch nicht damit zu entschuldigen, dass sein gewählter Verteidiger sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befunden habe und deshalb an der Wahrnehmung des Termins zur Hauptverhandlung gehindert gewesen sei.

Soweit der Betroffene sich darauf beruft, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des Anspruchs auf rechtliches Gehör geböten es, sich durch einen Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, kann er damit in dem Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht durchdringen, weil sein Nichterscheinen - wie aufgezeigt - nicht entschuldigt ist.

Ob und inwieweit der Bußgeldrichter die genannten Verfahrensrechte bei seiner Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs nach Maßgabe des § 74 Abs. 2 OWiG zu beachten hatte, ist der Bewertung durch das Rechtsbeschwerdegericht vorbehalten.

Soweit auch in dem Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Konstellationen der Nichtbefreiung des Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen zur Hauptverhandlung wegen des ausdrücklichen Regelungsgehalts in § 74 Abs. 2 OWiG zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eben diese Entbindung gleichwohl vorlagen (vgl. Senge, aaO, Rdnr. 355 ff., § 74 u. Rdnr. 27 ff., § 73 OWiG m. w. N.) ist dies mit dem vorliegenden Verfahrensablauf, bei dem es um die Versagung einer Verlegung des Termins zur Hauptverhandlung geht, nicht vergleichbar.

Die Kostenentscheidung folgt, auch hinsichtlich der zurückgenommenen Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.06.2014, aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.