LG Schwerin, Urteil vom 05.11.2014 - 33 KLs 27/12
Fundstelle
openJur 2014, 25397
  • Rkr:
Tenor

Der Angeklagte wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwerin v. 21.06.2012, 38 Ls 323/11, und Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten

verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklage.

Angewendete Vorschriften:

§§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1, 176 a Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2 und 3 und Abs. 2 S. 1 und 55 Abs. 1 StGB

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

I.

Der Angeklagte wurde am ... in D. geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger.

Der Angeklagte wuchs zunächst bei seinen verheirateten Eltern und später auch mit seinem sieben Jahre jüngeren Bruder in D. auf. Er besuchte die Kindertagesstätte und wurde altersgerecht eingeschult.

Die sozialen Verhältnisse in der Familie waren problematisch. Als der Angeklagte etwa 8 Jahre alt, war verstarb sein Vater; er wurde in – abermals - stark alkoholisiertem Zustand vor den Augen des Angeklagten von einer Straßenbahn überfahren. Die Mutter des Angeklagten kümmerte sich nur unzureichend um ihn. Sie heiratete etwa 15 Jahre später kurzzeitig noch einmal. Diese Ehe scheiterte wegen übermäßigen Alkoholkonsums des neuen Ehemannes. Aus dieser Ehe hat der Angeklagte vier Stiefgeschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Zu seiner gesamten Familie hat der Angeklagte praktisch keinen Kontakt mehr.

Der Angeklagte war im Alter von etwa 13 - 15 Jahren in einem Kinderheim untergebracht und im Alter von etwa 16 - 18 Jahren in einem Jugendwerkhof. Nach Wiederholung der 7. Klasse beendete er seine Schullaufbahn nach insgesamt neun Jahren mit dem Abschlusszeugnis der 8. Klasse. Unmittelbar anschließend absolvierte er erfolgreich eine 3-jährige Ausbildung im metallverarbeitenden Bereich zum Facharbeiter. Danach arbeitete er bis 2005 bei wechselnden Arbeitgebern - nach der Wende unterbrochen durch mehrere Phasen der Arbeitslosigkeit - im Lager sowie auf dem Bau. Seitdem ist der Angeklagte arbeitslos. Er bezieht Leistungen nach dem SGB II und hat Schulden in Höhe von etwa 5.000 €.

2003/2004 lernte der Angeklagte die 22 Jahre jüngere, damals 13 Jahre alte Zeugin E. kennen und begann eine Beziehung mit ihr. Nach ungewollter Schwangerschaft wurde am 01.06.2005 die gemeinsame Tochter F., die spätere Geschädigte und Nebenklägerin geboren. In der Beziehung konnte sich der Angeklagte gegenüber seiner Partnerin kaum durchsetzen. Durch die Beziehung zur Zeugin E. wandte sich zudem das übrige soziale Umfeld vom Angeklagten ab. Bereits 2008 oder 2009 scheiterte die Beziehung und die Zeugin E. zog zu ihrem heutigen Ehemann, zunächst nach G..

Die Eltern hatten das gemeinsame Sorgerecht für die Nebenklägerin, die zunächst mit ihrer Mutter nach G. zog. Da diese jedoch mit der Erziehung überfordert war, zog die Nebenklägerin nach kurzer Zeit zurück nach D. zum Angeklagten. Dort blieb sie über mehrere Jahre und wurde von der Mutter nur selten besucht. Sobald diese jedoch Besuche ankündigte hatte, bekam der Angeklagte Angst, sie würde ihm die Tochter entziehen wollen; die verstärke sich, als die Mutter mit zurück nach D. zog. Der Angeklagte versuchte, alleinigen Umgang der Mutter mit der Nebenklägerin zu verhindern. Die Nebenklägerin war und ist milieureaktiv retardiert.

Andere Beziehungen des Angeklagten zu zumeist deutlich jüngeren Frauen scheiterten jeweils nach kurzer Zeit; 2006 hatte er auch einen homosexuellen Kontakt zu einem 16jährigen, geistig behinderten Jugendlichen. Der Angeklagte ist zur Zeit nicht verheiratet und alleinstehend.

Der Angeklagte konsumiert seit vielen Jahren häufig und in großem Ausmaß Alkohol, er ist jedoch nicht abhängig. Seit der Trennung von der Zeugin E. konsumiert er täglich bis zu einem halben Kasten Bier und einer Flasche Schnaps. Der Alkoholkonsum jeweils stark bei vermeintlich drohendem Entzug der Nebenklägerin durch die Mutter. Der Angeklagte hat aber seine Erkrankung erkannt und sich erfolgreich um eine stationäre Therapie bemüht, die in Kürze beginnen soll(te).

Der Angeklagte ist von eingeschränkter Intelligenz und zeigt dissoziale Persönlichkeitstendenzen.

Das Bundeszentralregister weist folgende Eintragungen auf:

Am 19.09.1986 verurteilte das Kreisgericht Schwerin-Stadt den Angeklagten wegen mehrfachen in Mittäterschaft begangenen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten. Die Vollstreckung wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt, dies aber später widerrufen.

Am 21.01.1987 verurteilte das Kreisgericht Schwerin-Stadt den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.

Am 31.03.1987 verurteilte das Kreisgericht Schwerin-Stadt den Angeklagten unter Einbeziehung der Entscheidung vom 21.01.1987 wegen mehrfachen Diebstahls, Betrug und Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten. Die Vollstreckung eines Strafrestes wurde zur Bewährung ausgesetzt, dies aber später widerrufen.

Am 11.03.1988 verurteilte das Kreisgericht Schwerin-Stadt den Angeklagten wegen mehrfachen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten.

Am 22.01.1992 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen Unterschlagung und Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Am 23.07.1992 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten unter Einbeziehung der Entscheidung vom 22.01. 1992 wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, Unterschlagung in zwei Fällen, Diebstahls, Hehlerei und fortgesetzten Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und verhängte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 30.07.1994. Dreimal wurde ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt, dies aber später zweimal widerrufen.

Am 20.10.1992 verurteilte das Amtsgericht Hagenow den Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,-- € und verhängte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 22. 03.1994.

Am 17.02.1994 verurteilte das Landgericht Schwerin den Angeklagten wegen schweren Raubes und Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten und verhängte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 24. 04.1996. Zweimal wurde ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt, dies aber später einmal widerrufen.

Am 04.09.1996 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen Raubes, Betruges, dreifachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, davon einmal in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr und unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und verhängte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 11.09.1998. Zudem ordnete es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurden jeweils zur Bewährung ausgesetzt, dies aber später jeweils widerrufen.

Am 12.11.1998 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in 10 Fällen, Computerbetruges in 43 Fällen, versuchten Computerbetruges (in 1 Fall) sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 5 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten. Die Vollstreckung eines Strafrests wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Am 21.08. 2008 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,00 €.

Die Entscheidung ist seit April 2012 vollständig vollstreckt.

Am 21.06.2012 verurteilte das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen Betruges in 11 Fällen und Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Die Entscheidung ist noch nicht vollständig vollstreckt.

Wegen der Feststellungen zur Sache und der Strafzumessungserwägung wird auf die entsprechenden Ausführungen in dem Urteil Bezug genommen.

Zudem verurteilte am 16.06.2014 das Amtsgericht Schwerin den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im (Straßen-)Verkehr, vorsätzlicher Trunkenheit im (Straßen-)Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

Die Entscheidung ist nur bezüglich des Schuldspruchs rechtskräftig.

Wegen der Feststellung zur Sache wird auf die entsprechenden Ausführungen in dem Urteil Bezug genommen.

II.

Am Abend des 27.12.2011 und in der darauffolgenden Nacht hielt sich die Nebenklägerin beim Angeklagten auf. Der Angeklagte konsumierte im Laufe des Abends Alkohol. Nachdem die Nebenklägerin zu Bett gegangen war, kündigte die Zeugin E. telefonisch ihren Besuch für den nächsten Tag an. Dieses Telefonat endete im Streit. Daraufhin konsumierte der Angeklagte nochmals vermehrt Alkohol.

Im weiteren Verlauf des Abends bzw. der Nacht begab sich der Angeklagte zu der in seinem Bett schlafenden Nebenklägerin und legte sich neben sie. Dann griff er mit einer Hand in ihre Hose und begann mit seinen Fingern an der Vagina der Nebenklägerin zu manipulieren. Dabei führte er einen Finger in die Vagina ein. Er beendete sein Tun, sobald die Nebenklägerin erwachte und Missfallen bekundete.

Dabei befand sich der Angeklagte aufgrund des Konfliktes mit der Zeugin E. und seiner Alkoholisierung möglicherweise in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB.

Nachdem die Nebenklägerin am nächsten Tag der Zeugin E. bei deren Besuch von der Tat berichtet und diese die Nebenklägerin zur ärztlichen Behandlung verbracht hatte, wurde sie in amtliche Obhut genommen, wo sie sich seither befindet. Die Nebenklägerin zeigt seitdem ein stark sexualisiertes Verhalten: Sie spielt sexualbezogen mit Puppen und auch an sich selbst. Sie zeigt kein Schamgefühl und bietet sich selbst gegenüber Anderen zu sexuellen Handlungen an. Sie ist ferner gegenüber Gleichaltrigen sexuell übergriffig.

Zu diesem Verhalten in seinem Ausmaß hat die Tat des Angeklagten beigetragen.

Durch konsequente Erziehung in der amtlichen Obhut konnte das Ausmaß der Auffälligkeiten zwischenzeitlich deutlich reduziert werden.

III.

Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Angeklagten zu seinem Lebenslauf sowie seine Einlassung zur Sache, soweit ihr gefolgt werden konnte und auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Umfang und Förmlichkeiten aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sind:

IV.

Nach den getroffen Feststellungen hat sich der Angeklagte wie folgt strafbar gemacht:

wegen schweren sexuellem Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gem. §§ 176 a Abs. 2 Nr. 1, 176 Abs. 1, 174 Abs. 1 Nr. 3 und 52 Abs. 1 und 2 StGB.

Da befand sich der Angeklagte möglicherweise in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB.

V.

Die Strafzumessung beruht im Wesentlichen auf folgenden Gesichtspunkten:

Es ist zunächst gem. § 52 Abs. 2 S. 1 StGB von dem Strafrahmen des § 176 a Abs. 2 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren vorsieht.

Der Strafrahmen verschiebt sich jedoch gem. § 176 a Abs. 4 2. Halbsatz StGB auf Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren, da ein minder schwerer Fall vorliegt.

Ein minder schwerer Fall ist anzunehmen, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit von Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt.

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind alle Umstände heranzuziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen. Das erfordert eine Abwägung aller wesentlichen be- und entlastenden Umstände. Die Strafmilderungsgründe müssen gegenüber den Strafschärfungsgründen so erheblich überwiegen, dass der Strafrahmen verfehlt wäre.

Das Ergebnis der so vorgenommenen Abwägung führt zur Annahme des Vorliegens eines minderschweren Falles, auch wenn folgende Umstände dagegen sprechen:

Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft, davon einmal - wenn auch vor mehr als 25 Jahren  einschlägig und erheblich hafterfahren. Er hat mehrere Tatbestände verwirklicht und sich inzestuös verhalten. Er hat seitdem weitere Straftaten begangen.

Entscheidend für die Annahme eines minder schweren Falles sprechen jedoch folgende Umstände:

Der Angeklagte hat sich geständig und reuig gezeigt und sich mehrfach bei der Nebenklägerin entschuldigt. Die Tat war von nur geringer Dauer und Intensität, insbesondere hat der Angeklagte von der weiteren Tatausführung abgesehen, sobald die Nebenklägerin ihr Missfallen bekundete. Die Tat hat auch keine feststellbaren gravierenden Folgen verursacht. Außerdem war der Angeklagte bei der Tat alkoholisiert und hat er inzwischen seine Erkrankung erkannt. Schließlich ist der Angeklagte von schwieriger Persönlichkeitsstruktur und ist der Zeitablauf seit der Tat erheblich.

Der Strafrahmen verschiebt sich aber nicht weiter gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB auf Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 7 Jahre und 6 Monaten, auch wenn insoweit zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, dass er bei der Tat vermindert schuldfähig gem. § 21 StGB war.

Das Gericht hat von der sich daraus ergebenen Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach Gesamtwürdigung und Abwägung keinen Gebrauch gemacht:

Dagegen sprach insbesondere, dass der Angeklagte damit rechnen musste, in alkoholisiertem Zustand eine Straftat zu begehen, die nach Art und Begehungsweise der begangenen mindestens ähnelt, auch wenn er nicht bzw. nur vor mehr als 25 Jahren entsprechend vorbestraft war (vgl. BGHSt 49, 239 und NStZ-RR 2010, 234).

Dem Angeklagten war nicht nur die grundsätzlich enthemmende Wirkung des Alkohols, sondern ebenso bekannt, dass er sich bei vermeintlich drohender Entziehung der Nebenklägerin durch die Zeugin E., beispielsweise bei Ankündigung eines Besuches- und ein solcher war aufgrund der Weihnachtszeit vorhersehbar- näher an die Nebenklägerin binden wollte; so versuchte er, den alleinigen Umgang der Zeugin E. mit der Nebenklägerin zu unterbinden.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Angeklagte schon vorher weitere vergleichbare, wenn auch nicht strafrechtlich relevant hinreichend individualisierbare Handlungen begangen hat, da anders das stark sexualisierte Verhalten der Nebenklägerin bereits kurz nach der Tat nicht erklärbar erscheint.

Dem Gericht ist als Jugendkammer aus nicht nur vereinzelten Verfahren bekannt, dass ein derart stark ausgeprägtes sexualisiertes Verhalten nur durch mehrfache, sich über einen nicht nur unerheblichen Zeitraum hinziehende sexuelle Übergriffe folgen kann.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass derartiges während der amtlichen Obhut der Nebenklägerin bis zum Auftreten ihres auffälligen Verhaltens passiert sein könnte. Es liegen ebenso wenig Anhaltspunkte dafür vor, dass anderen Personen als der Angeklagte zuvor gegenüber der Nebenklägerin sexuell übergriffig geworden sein könnten. Vielmehr spricht auch das vom Sachverständigen Dr. H dargelegte Verhalten des Angeklagten, bei vermeintlich drohendem Entzug der Nebenklägerin zu versuchen, diese näher an sich zu binden, sowie seine Affinität zu deutlich jüngeren Intimpartnern indiziell für die Annahme des Gerichts.

Bei der konkreten Strafzumessung hat das Gericht unter Beachtung der im § 46 StGB genannten Kriterien alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend gegeneinander abgewogen.

Für und gegen den Angeklagten sprachen insbesondere jeweils die aufgeführten, für und gegen die Annahme eines minder schweren Falles sprechenden Umstände, mit Ausnahme des inzestuösen Verhaltens, da dies Tatbestandsvoraussetzung des § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist.

Nach Vorstehendem hielt das Gericht für tat- und schuldangemessen:

1 Jahr und 8 Monate Freiheitsstrafe.

Gem. §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2 und 55 Abs. 1 StGB war aus der Einzelstrafe unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Entscheidung des Amtsgerichts Schwerin vom 12.06.2012 durch angemessene Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe eine Gesamtstrafe zu bilden, die gem. § 54 Abs. 2 S. 1 StGB einem Strafrahmen von 1 Jahr und 9 Monaten bis zu 7 Jahren und 4 Monaten Freiheitsstrafe zu entnehmen war. Das Gericht hat dabei nochmals unter Berücksichtigung der im §§ 46 und 54 Abs. 1 S. 3 StGB aufgeführten Gesichtspunkte alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände abgewogen und insbesondere unter Berücksichtigung bei der Bemessung der Einzelstrafen ausdrücklich aufgeführten Umstände sowie des erheblichen Zeitablaufs zwischen den Taten und des fehlenden inhaltlichen Zusammenhangs zwischen a) den Betrugshandlungen, b) dem Diebstahl und c) dem sexuellen Missbrauch für tat- und schuldangemessen gehalten eine

Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten.

VI.

Gem. § 63 StGB war der Angeklagte nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, da nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte die Tat sicher und nicht nur möglicherweise im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB begangen hat.

Gem. § 64 StGB war der Angeklagte nicht in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, da der Angeklagte nicht den Hang hat, alkoholische Getränke im Übermaß, sondern lediglich in erheblichem Umfang zu sich zu nehmen hat und die Tat im Kern auch nicht auf den Alkoholkonsum, sondern den vermeintlich drohenden Entzug der Nebenklägerin zurückgeht.

VII.

Dem Urteil ist eine Verständigung gem. § 257 c StPO vorausgegangen.

VIII.

Es ist festzustellen, dass aufgrund vom Angeklagten nicht zu verantwortender Verfahrensverzögerung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK vorliegt.

Die Bestellung der Pflichtverteidigerin erfolgte mit Beschluss vom 20.08.2012. Erst am 10.10.2013 wurde dann der Sachverständige Dr. H mit der psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten beauftragt.

Diesen Zeitablauf hat der Angeklagte nicht zu vertreten.

Der so verstrichene Zeitraum ist mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK, der das Recht des Angeklagten auf eine gerichtliche Entscheidung in angemessener Frist garantiert, nicht vereinbar.

Im Ergebnis einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalles reicht es aus, die Verfahrensverzögerung festzustellen. Es ist nicht erforderlich, darüber hinaus in der Urteilsformel auszusprechen, dass ein zu beziffernder Teil der Strafe als vollstreckt gilt.

Für das gefundene Ergebnis sprach insbesondere, dass eine besondere Belastung des Angeklagten gerade durch die rechtstaatwidrige Verfahrensverzögerung, zumal unter Berücksichtigung des übrigen Zeitablaufs, die den Ausspruch, dass ein zu beziffernder Teil der Strafe als vollstreckt gilt, als geboten erscheinen lassen würde, nicht ersichtlich ist; der reine Zeitablauf hat bereits bei der Strafzumessung hinreichend Berücksichtigung gefunden.

IX.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1 S.1 und 472 Abs. 1 S. 1 StPO.

Das Gericht hat nach umfassender Abwägung von der Möglichkeit der Anwendung des § 472 Abs. 1 S. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die es unbillig erscheinen lassen, den Angeklagten ganz oder teilweise mit den notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu belasten, denn weder hat der Angeklagte durch sein Verhalten keinen vernünftigen Anlass für einen Anschluss der Nebenklägerin gegeben, noch trifft diese ein Mitverschulden (vgl. Meier-Goßner § 472 StPO Rd.-Nr. 9).

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