OLG Hamburg, Urteil vom 29.08.2012 - 11 U 188/10
Fundstelle
openJur 2014, 25192
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.10.2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 160.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten aus EUR 160.000,00 seit dem 16. Mai 2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 160.000,00 seit Rechtshängigkeit (20.11.2009) zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 160 Stück des Zertifikats „L... B... T... Co. B.V...) der Emittentin L... B...ers T... Co. B.V. einschließlich aller damit im Zusammenhang stehenden Ansprüche aus dem Insolvenzverfahren sowohl der Emittentin als auch der Garantin;

2. es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der 160 Stück des Zertifikats „L... B... T... B.V...(12)”, (I...) der Emittentin L... B...ers T... Co. B.V. in Verzug befindet.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 39 % und die Beklagte 61 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet;

dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen des Erwerbes von Zertifikaten der L... B... T... Co. B.V.

Im Jahr 2006 übertrug der Kläger, der bis dahin Kunde der C...AG gewesen war, der Beklagten die Verwaltung bzw. Betreuung seines Vermögens. Vorausgegangen war dem ein Kontakt mit dem Zeugen... Dieser wandte sich nach einem Gespräch am 28.02.2006 mit dem als Anlage K 21 eingereichten Schreiben an den Kläger. Beigefügt war eine von dem Zeugen... als „Entscheidungsgrundlage" bezeichnete Anlage, wobei der Zeuge... in dem Schreiben darauf hinwies, dass dies nur ein erster Überblick sein könne und in einem noch zu terminierenden Anlagegespräch weiter erläutert werden sollte. Aus der Anlage ergibt sich, dass 2,4 Mio. € und 2,6 Mio. € für einen Immobilienkauf bereit stehen sollten, während für 1,2 Mio. € konservative und für 800.000,00 € progressive Anlageformen erworben werden sollten. Unter den konservativen Anlageformen wurden neben einem Festgeld auch Indexzertifikate mit einem Schutzpuffer sowie eine (noch auszugestaltende) Vermögensverwaltung aufgeführt.

Am 10.04.2006 unterzeichnete der Kläger das in Kopie als Anlage K 1 eingereichte Dokument mit der Überschrift „Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz“. Darin heißt es, der Kläger habe seit mehr als 5 Jahren (in- und auslandsbezogene) Geschäfte mit Renten, Aktien und Investmentfonds getätigt. Unter der Überschrift „Künftig verfolgte Anlageziele“ wurde bei den Anlagestrategien das Kreuz gesetzt bei „Spekulativ: Hohen Ertragschancen stehen hohe Risiken gegenüber“. Bei den Angaben zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen wurde ein Vermögen von 7 Mio. € angegeben sowie jährliche Einkünfte in Höhe von 200.000,-- €. Der Kläger unterzeichnete gesondert auch den „Hinweis zum Umfang der Einlagensicherung“, in welchem ausgeführt wird, dass für die von der Bank ausgestellten Inhaberpapiere, wie beispielsweise Inhaberschuldverschreibungen, kein Einlagensicherungsschutz bestehe.

Am 25./26.4.2006 unterzeichneten die Parteien den als Anlage K 2 eingereichten Vermögensverwaltungsvertrag. In den dem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Anlagerichtlinien ist unter der Überschrift „Dynamische Vermögensverwaltung“ u.a. geregelt, dass zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung der Anteil von Aktien, Aktienfonds, hochverzinslichen Anleihen, Genussscheinen sowie von abgeleiteten Produkten oder ähnlich risikobehafteten Produkten zwischen 30 % und 60 % betragen solle. Im Rahmen dieser Anlagegrenzen dürften bis zu 12 % des Portfoliovermögens in alternativen Investments (z.B. Hedgefonds, Rohstoffe) angelegt werden. Der Anteil an verzinslichen Wertpapieren, Rentenpapieren, Rentenfonds sowie abgeleiteten Produkten oder ähnlich risikobehafteten Produkten solle zwischen 20 % und 70 % betragen.

In der Folge wurden 1.500.000,-- € des von dem Kläger zur Beklagten übertragenen Geldes im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrages angelegt. Der von der Vermögensverwaltung nicht erfasste Teil des zu der Beklagten übertragenen Anlagevermögens des Klägers wurde in einem gesonderten „Beratungsdepot“ geführt.

Im Januar 2008 erhielt der Kläger die von dem Zeugen... erstellte Anlage K 3, in welcher der Erwerb eines auf den Bankensektor bezogenen L... Kapitalschutzzertifikates für € 100.000,00 vorgeschlagen wurde.

Am 31.01.2008 führten der Kläger und der Zeuge... ein persönliches Gespräch im Büro des Klägers, zu welchem der Zeuge... die als Anlagenkonvolut K 4 eingereichte Entscheidungsvorlage mitbrachte. Unter der Überschrift „Ihre Eckdaten“ wird darin unter anderem ausgeführt, dass das von dem Kläger angestrebte Risikoprofil von der Beklagten als wachstumsorientiert definiert werde. Unter der Überschrift „Marktausblick“ erfolgen Darlegungen dazu, dass die Märkte der USA, Europas und Japans durch die US-Hypothekenkrise belastet würden. Auf Seite 12 dieser Anlage wird ein auf fünf europäische Bankentitel bezogenes L... B...ers - Garantiezertifikat angesprochen; den Kauf dieses Papiers empfahl der Zeuge... dem Kläger im Rahmen des Gespräches.

Am 06.02.2008 übersandte der Zeuge... dem Kläger die Anlagen K 5 und K 6; die Anlage K 6 enthielt den Produktflyer für das L... B...ers Garantiezertifikat auf 5 europäische Bankentitel. Dieses Papier mit der WKN A0TLL9 beobachtete die Kursentwicklung von 5 Bankaktien. Die Laufzeit sollte 5 Jahre betragen. Emittentin des Zertifikates war die L... B...ers T... Co. B.V., eine niederländische Gesellschaft, die zum Konzern der L... B...ers Holdings Inc. gehört. Letztere war die Garantin der Emission.

Am 14.02.2008 rief der Zeuge... den Kläger an, welcher daraufhin den Auftrag zum Kauf des L... Kapitalschutzzertifikates mit der WKN A0TLL9 erteilte. Die Beklagte berechnete dem Kläger hierfür insgesamt € 107.000,-- (inkl. Provision v. 0,3 % dazu die Anlage K 7).

Am 02.04.2008 kam es nach einer E-Mail (Anlage K 8) zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Zeugen... und dem Kläger, zu diesem Gespräch brachte der Zeuge die als Anlage K 9 eingereichte Aufstellung mit. Bei diesem Gespräch sprach der Zeuge... den Erwerb eines weiteren L... B...ers T... Co. B.V. Papiers, nämlich des „LB 6 6 Jahres Catch-Up Note“ - Zertifikates, an. Unterlagen über dieses Papier erhielt der Kläger anlässlich dieses Gespräches nicht. Dieses Zertifikat mit der WKN A0TVK2 hatte eine Laufzeit vom 23.05.08 - 23.05.2014. Es beobachtete die Kursentwicklung von 6 DAX-Werten. Für den Anleger ergab sich die Chance auf den Erhalt von Kuponzahlungen von 8,25 % pro Jahr. Voraussetzung dafür war, dass die Aktienkurse die Barriere von 50 % ihres Ausgangswertes an den Beobachtungsstichtagen nicht berühren oder unterschreiten würden.

Am 16.05.2008 rief der Zeuge... den Kläger an, welcher daraufhin den Auftrag für den Kauf dieses Zertifikates erteilte. Auftragsgemäß erwarb die Beklagte namens des Klägers für € 160.000,00 Anteile dieses Papiers (s. Wertpapierabrechnung v. 23.05.2008, Anlage K 10). Mit Schreiben v. 19.05.2008 (Anlage K 11) wurde dem Kläger der Produktflyer (Stand: Mai 2008) übersandt.

Das Geld für den Erwerb beider Zertifikate stammte aus dem Verkauf von Rentenpapieren, die im Rahmen der Vermögensverwaltung erworben worden waren. Insoweit waren Staatsanleihen und Pfandbriefe im Wert von € 600.000,-- in das Beratungsdepot übertragen worden.

Im Zeitraum August 2007 - Mai 2008 hatte es in der Wirtschaftspresse wiederholt kritische Berichte über die Entwicklung der amerikanischen Investmentbankenbranche und die Situation der Garantin, der L... B...ers Holdings Inc. gegeben. Insoweit wird Bezug genommen auf die Anlagenkonvolute K 28, K 29 und K 33 und BK 14. Zudem hatte die Ratingagentur S + P am 21.02.2008 den Ausblick für das „credit-rating“ von L... B...ers auf „negative“ abgesenkt (Anlage K 30).

Am 15.09.2008 meldete die Garantin Insolvenz gemäß Kapitel 11 des United States Bankruptcy Code (Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten) an; im Oktober 2008 wurde über das Vermögen der Emittentin das Konkursverfahren nach niederländischem Recht eröffnet.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe bereits bei dem ersten persönlichen Gespräch Anfang April 2006 mit dem Zeugen... unmissverständlich erklärt, dass derjenige (ganz überwiegende) Teil seines Vermögens, der nicht in Aktien angelegt sei, in jedem Fall sicher anzulegen sei. Die Angabe bezüglich einer spekulativen Anlagestrategie sei nicht mit ihm abgestimmt. Dies werde auch dadurch belegt, dass das Kreuz maschinenschriftlich vorgegeben worden sei. Das am 28.02.2006 geführte Gespräch habe lediglich einer unverbindlichen Kontaktaufnahme gedient, er habe bei diesem Gespräch keine Wünsche und Ziele hinsichtlich einer eventuellen Geldanlage geäußert. Vielmehr habe er lediglich gesagt, dass ca. 5 Mio. € - mithin der ganz überwiegende Teil der Anlagesumme von insgesamt ca. 7 Mio. € - für einen beabsichtigten Immobilienerwerb und die Zahlung fälliger Steuerschulden zur Verfügung stehen müssten. Von dem verbleibenden Geld seien ca. 1,2 Mio. € strikt konservativ anzulegen, ca. 800.000,-- € könnten progressiver angelegt werden.

Auch bei Einrichtung des Beratungsdepots habe er gegenüber dem Zeugen... erklärt, dass er, der Kläger, nicht dazu bereit sei, den Aktienanteil von ca. 40 % zu vergrößern und für das restliche Depot höhere Risiken einzugehen. Ferner habe er nach der Übertragung der Rentenpapiere im Wert von € 600.000,00 in das Beratungsdepot - welche auf Anraten des Zeugen... lediglich aus Kostengründen erfolgt sei - klargestellt, dass dieser überführte Teilbetrag in jeder Hinsicht absolut sicher angelegt werden solle, nämlich ebenso wie festverzinsliche Staatsanleihen oder Pfandbriefe. Der Zeuge... habe im Hinblick darauf wiederholt mündlich erklärt, dass die L... - Zertifikate ebenso sicher seien wie die zuvor im Vermögensverwaltungsdepot befindlichen Rentenanlagen.

Der Kläger hat weiter behauptet, die Funktionsweise des im Februar 2008 erworbenen L... Zertifikates sei ihm durch den Zeugen... nicht erläutert worden. Ausführungen zum Emittentenrisiko seien nicht gemacht worden und auch die Vertriebsaufwandsvergütung der Beklagten sei nicht erwähnt worden. Hinsichtlich des zweiten Zertifikates habe der Zeuge... ihm lediglich erklärt, wenn keiner der 6 Aktienkurse unter 50 % des Ausgangskurses falle, erhalte der Anleger eine jährliche Rendite von 8,25 %.

Der Kläger hat des Weiteren die Ansicht vertreten, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihn auf die kritischen Berichte in der Wirtschaftspresse hinzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 260.388,06 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten aus EUR 100.388,06 seit dem 14. Februar 2008 sowie aus EUR 160.000,00 seit dem 16. Mai 2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 260.388,06 seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 100 Stück Zertifikaten L... B... T... Co. B. V. I.O -ZO Basket Lkd MTN 2007 (12), ISIN DE000A0TLL96, WKN: A0TLL9, sowie 160 Stück Zertifikaten L... B... T... Co. B.V. EO-FLR Basket, Lkd MTN 2008 (14), ISIN DE000A0TVK20, WKN: A0TVK2,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zertifikate L... B... T... Co. B. V. I.O. -ZO Basket Lkd MTN 2007 (12), ISIN DE000A0TLL96, WKN: A0TLL9, sowie 160 Stück Zertifikaten L... B... T... Co. B.V. EO-FLR Basket, Lkd MTN 2008 (14), ISIN DE000A0TVK20, WKN: A0TVK2 in Verzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 1.702,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sich bewusst - und vor dem Hintergrund seiner langjährigen Anlageerfahrung - für eine spekulative Anlagestrategie entschieden. Das Kreuz in dem WpHG-Bogen sei gesetzt worden aufgrund der Ziele und Wünsche, die der Kläger in dem Gespräch vom 28.02.2006 sowie in zwei weiteren Gesprächen am 03.03. und 08.04.2006 geäußert habe. Die streitgegenständlichen Anlageempfehlungen hätten mit dieser Anlagestrategie in Einklang gestanden, wobei es sich angesichts des Gesamtanlagevermögens von ca. 7 Mio. EUR ohnehin lediglich um eine Beimischung gehandelt habe, welche selbst bei einer konservativen Anlagestrategie nicht zu beanstanden gewesen wäre. Insoweit seien die streitgegenständlichen Wertpapiere nicht als übermäßig risikobehaftet einzustufen.

Der Zeuge... habe dem Kläger die Papiere jeweils im Rahmen ausführlicher Beratungsgespräche im Januar bzw. April 2008 unter Zuhilfenahme der Produktflyer erläutert. Im Rahmen der Beratung sei der Kläger auch darüber informiert worden, dass es sich um Inhaberschuldverschreibungen handele, deren Rückzahlungen von der Bonität der Emittentin/Garantin abhängig seien und dass eine Einlagensicherung nicht bestehe. Die Kenntnis des Klägers bezüglich der fehlenden Einlagensicherung ergebe sich auch aus dem von ihm unterzeichneten Hinweis in der Anlage K 1.

Weiter hat die Beklagte behauptet, dem Kläger sei vor dem Erwerb des zweiten L...-Brothers Zertifikates am 13.05.2008 der als Anlage B 6 eingereichte Produktflyer zugesandt worden.

Auch sei der Kläger über die Einvernahme von Vertriebsaufwandsvergütungen ordnungsgemäß informiert worden.

Das Landgericht hat den Kläger gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.08.2010 verwiesen (BI. 120 ff. d.A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist vom Abschluss eines Beratungsvertrages ausgegangen, hat jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Vorliegen von Beratungspflichtverletzungen verneint. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes aber auch der rechtlichen Erwägungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel auch form- und fristgerecht begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.

In der Berufungsbegründung führt der Kläger u.a. aus, da der Zeuge... sich nicht an den Inhalt der jeweiligen Gespräche konkret habe erinnern können, könne die Beklagte nicht wissen, ob sein, des Klägers, Vortrag zutreffend sei, die Beklagte könne daher seinen Vortrag schon nicht bestreiten. Sein Vortrag sei mithin einer Entscheidung zugrunde zu legen.

Darüber hinaus habe das Landgericht das Vorliegen von Beratungspflichtverletzungen fehlerhaft verneint. Die Beratungen seien schon nicht anlegergerecht gewesen, denn die Papiere seien selbst für einen spekulativen Anleger nicht geeignet gewesen.

Das Anlageziel des Klägers sei ein echter Kapitalschutz unter Ausschluss jeglicher Verlustrisiken gewesen, seine Risikobereitschaft sei sehr gering gewesen. Ganz abgesehen davon, dass dieses Anlageziel bewiesen sei, sprächen die vom Landgericht aufgeführten Indizien gerade nicht gegen die Annahme eines konservativen Anlageziels, vielmehr sprächen wesentliche Indizien für eine sehr geringe Risikobereitschaft, denn der Hinweis von Seiten der Beklagten auf 100 % Kapitalschutz habe die Annahme gerechtfertigt, dass das angelegte Kapital auf jeden Fall in voller Höhe erhalten bleibe.

Zum Zeitpunkt der jeweiligen Beratung seien die L...-Zertifikate für einen Anleger nicht geeignet gewesen, da ein erhebliches Insolvenzrisiko von Emittentin und Garantin erkennbar gewesen sei. Die Emittentin LBT sei nicht geratet gewesen, das Rating der Garantin LBHI sei mit A+ mit mehreren Stufen schlechter ausgefallen als die ursprünglichen konservativen Geldanlagen, aus denen die Zertifikate finanziert worden seien. Der Berater bzw. die Bank, d.h. die Beklagte, hätten auch anlagebezogene Erkundungs- und Prüfungspflichten verletzt. So gehöre die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse zu den Aufgaben der Bank. Das erhebliche Insolvenzrisiko habe die Beklagte aus Presseberichten ermitteln können. Wegen des weiteren diesbezüglichen Vortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 13.01.2012 (Seiten 60 ff., Bl. 272 d.A.) Bezug genommen.

Dass ein erhebliches konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin LBT und auch der Garantin LBHI bestanden habe, sei für die Beklagte auch anhand der Zertifikate-Basisprospekte zu erkennen gewesen. Bereits der viel zu hohe Fremdfinanzierungsgrad habe ein äußerst hohes Insolvenzrisiko begründet. Entsprechendes gelte für fehlende Liquidität.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Ratingagenturen LBHI positiv bewertet hätten, denn die Methodik der Ratingagenturen zur Bonitätsbewertung sei weder objektiv, unabhängig, transparent oder zuverlässig gewesen noch seien die standardisierten Bewertungskriterien für eine verlässliche Bonitätsbewertung geeignet. Die Ungeeignet der Bewertung durch Ratingagenturen werde schon dadurch belegt, dass diese die Bonität der LBHI bis kurz vor deren Insolvenz noch mit sehr gut bewertet hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem Vorbringen wird auf die Berufungsbegründung (Seiten 71 ff. Bl. 283 ff. d.A.) verwiesen.

Die Zertifikate seien darüber hinaus so intransparent, dass sie selbst für Fachleute schwer zu durchschauen gewesen seien. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die Komplexität der Zertifikate.

Auch hätte er über das Fehlen einer Einlagensicherung aufgeklärt werden müssen.

Auch sei die sog. Kick-Back-Rechtsprechung des BGH anwendbar, wonach der Anleger ungefragt über Existenz, Art und betragsmäßige Höhe von Rückvergütungen bzw. Zuwendungen aufzuklären sei. Die Offenlegung des massiven Eigeninteresses der Banken und der Berater hätte dann dazu geführt, dass die Anleger nicht mehr darauf hätten vertrauen können, im besten Anlegerinteresse beraten zu werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers zu diesem Aspekt wird auf die Berufungsbegründung (Seiten 119 bis 123, Bl. 331 ff. d.A.) verwiesen.

Eine Haftung der Beklagten könne auch mit den Grundsätzen der Prospekthaftung begründet werden, denn die Prospekte seien erheblich unrichtig und erheblich irreführend. So sei für die LBT ein Rating (A+) vorgetäuscht worden, obwohl für diese Gesellschaft gar kein Rating existiert habe.

Ein Anspruch auf Rückabwicklung des jeweiligen Zertifikate-Erwerbs folge im Übrigen bereits daraus, dass das Anbieten der Zertifikate durch die Beklagte unerlaubtes Glückspiel gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem Punkt wird auf die Berufungsbegründung (Seiten 30 bis 32 (Bl. 242 ff. d.A.) verwiesen. Außerhalb der Berufungsbegründung, mit Schriftsatz vom 28.07.2011, hat der Kläger seinen Vortrag zu diesem Aspekt noch vertieft.

Darüber hinaus habe er, da die Verträge telefonisch als Fernabsatzverträge geschlossen worden seien, ohne dass eine Aufklärung über die Widerrufsfrist erfolgt sei, die Verträge rechtzeitig mit der Berufungsbegründung widerrufen. Wegen des weiteren Vortrags zu diesem Einwand wird auf die Seiten 34 bis 36 der Berufungsbegründung (Bl. 246 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte hafte des Weiteren aus Delikt, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem Vortrag wird auf die Berufungsbegründung, Seiten 104 bis 110 (Bl. 316 ff. d.A.), Bezug genommen.

Auch komme eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten infolge der von ihm erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht.

Der Beklagte verweist in der Berufungsbegründung darüber hinaus auf bisher ergangene Entscheidungen anderer Gerichte zum Komplex L...-Zertifikate.

Außerhalb der Berufungsbegründung trägt der Kläger vor, dass das der LBT eingeräumte Sonderkündigungsrecht zu einem erheblichen Totalverlustrisiko geführt habe, darüber hinaus habe die Beklagte hierüber aufklären müssen.

Auch eine erhebliche Erhöhung der Credit Default Swap (CDS) sei ein für den Anleger wichtiger Umstand, der eine Aufklärungspflicht der Beklagten begründet habe. Die CDS für die LBHI hätten sich ab Mitte Juli 2007 stark vervielfacht. Wegen des weiteren Vortrages zu diesem Aspekt wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 27.02.2012, Seiten 20 ff, Bl. 605 Rs. ff. d. A.) verwiesen.

Darüber hinaus habe er zu Recht mit Schriftsatz vom 09.12.2011 gemäß § 313 BGB den Rücktritt vom Vertrag erklärt, denn die Vertragsgrundlage sei aus mehreren Gründen gestört.

Mit Schriftsatz vom 27.02.2012 trägt der Kläger des Weiteren vor, anhand der Basisprospekte vom 30.08.2006 (Anl. K 3) und vom 28.08.2007 (Anl. K 5) sei erkennbar gewesen, dass das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital einen derart hohen Verschuldungsgrad ausgewiesen habe, dass eine hohe Verschuldung und damit ein großes Insolvenzrisiko erkennbar gewesen seien.

Der Kläger bezieht sich darüber hinaus unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München auf die - unstreitige - Tatsache, dass weder die Garantin noch die Emittentin die L... Investmentbank seien. Auch hierauf hätte er hingewiesen werden müssen.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des am 07.10.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 330 O 409/09, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 260.388,06 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten aus EUR 100.388,06 seit dem 14. Februar 2008 sowie aus EUR 160.000,00 seit dem 16. Mai 2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 260.388,06 seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 100 Stück des Zertifikats „L... B... T... Co. B. V. EO-FLR Basket Lkd MTN 2008 (14)“ (ISIN DE000A0TLL96, WKN: A0TLL9), sowie von 160 Stück des Zertifikats „L... B... T... B.V...(12)“ (ISIN DE000A0TVK20, WKN: A0TVK2) jeweils der Emittentin L... B...ers T... C. B.V. einschließlich aller damit im Zusammenhang stehenden Ansprüche aus dem Insolvenzverfahren sowohl der Emittentin als auch der Garantin.

2. Unter Abänderung des am 07.10.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 330 O 409/09, wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme von 100 Stück des Zertifikats „L... B... T... Co. B. V. EO -FLR Basket Lkd MTN 2008 (14)“ (ISIN DE000A0TLL96, WKN: A0TLL9) sowie von 160 Stück des Zertifikats „L... B... T... B.V...(12)” (ISIN DE000A0TVK20, WKN: A0TVK2) in Verzug befindet.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Sache an das Landgericht Hamburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die landgerichtliche Entscheidung, insbesondere die Feststellung des Landgerichts, dass sowohl eine anlage- als auch eine anlegergerechte Beratung erfolgt sei. Die Anlage in die L...-Zertifikate sei auch bei ausdrücklich konservativer Anlagestrategie noch anlegergerecht gewesen, denn die Papiere verfügten über eine 100 %ige Kapitalgarantie zum Laufzeitende, und auch in der ersten Jahreshälfte 2008 habe noch nicht von einer spekulativen Anlage die Rede sein können. Insbesondere das Emittentenrisiko habe zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anlageentscheidungen nur abstrakt bestanden.

Des Weiteren führt die Beklagte aus, dass die Widerrufserklärung des Klägers nicht zu berücksichtigen sei, da es sich um neues, aus Nachlässigkeit erst in zweiter Instanz erfolgtes Vorbringen handele. Darüber hinaus liege kein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB vor, denn zentral für die Anwendbarkeit der Vorschrift sei, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einem persönlichen Kontakt gekommen sei, während der Kläger und der Zeuge... die wesentlichen Vertragsbestandteile in persönlichen Gesprächen besprochen hätten und nur die konkrete Kauforder per Telefon erfolgt sei. Auch sei ein Widerruf gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten zu dem Aspekt Fernabsatzvertrag wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 2. Mai 2011, Seiten 3 bis 12, Bl. 382 ff. d.A. verwiesen.

Die landgerichtliche Beweiswürdigung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass der Zeuge... sich nicht an alle Details habe erinnern können, führe nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage. Im Übrigen sei der Kläger hinreichend über das Emittentenrisiko aufgeklärt worden. Eine Aufklärung über das Totalverlustrisiko sei nicht erforderlich gewesen, da dieses dem Kläger aufgrund seiner bisherigen Anlageerfahrungen bewusst gewesen sei. Auch die besonderen Umstände erforderten keine Aufklärung über das Emittentenrisiko, denn die Emittentin sei keine außerbilanzielle Zweckgesellschaft bzw. Briefkastenfirma der Garantin, wie vom Kläger vorgetragen.

Die Insolvenz der Emittentin sowie die der Garantin seien auch nicht vorhersehbar gewesen, denn die Emittentin habe über Ratingnoten verfügt, die keine Zweifel an ihrer Zahlungsfähigkeit hätten aufkommen lassen. Auch Presseberichte hätten eine hinreichend verdichtete Negativberichterstattung nicht erkennen lassen. Soweit der Kläger in zweiter Instanz neue Presseberichte vorlege, seien diese, da es sich um neues Vorbringen handele, nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen ergebe sich auch aus den vorgelegten Pressestimmen keine qualifizierte Sachinformation im Hinblick auf eine konkret bevorstehende Insolvenz von Emittentin und/oder Garantin.

Sie habe auch auf die Ratings der Rating-Agenturen, die sie stets verfolgt habe, vertrauen dürfen. Sowohl die Emittentin der streitgegenständlichen Papiere als auch die Garantin seien von Ratingagenturen bewertet worden, anders als der Kläger es vortrage. Die Herabsenkung des Ratings von A+ auf A im Juni 2008 sei irrelevant, da sie erst nach den Anlageentscheidungen des Klägers erfolgt sei. Darüber hinaus wäre die Herabstufung auch nicht entscheidungserheblich und damit kein aufklärungsbedürftiger Umstand.

Die Anfechtung des Klägers wegen einer vermeintlichen arglistigen Täuschung gehe ins Leere, der Handel mit Zertifikaten stelle auch kein verbotenes Glücksspiel dar, es fehle aufgrund der ernsthaften wirtschaftlichen Interessen, die beide Seiten verfolgten, am Spielcharakter.

Die Ausführungen des Klägers zu einer Hinweispflicht auf die Kündigungsmöglichkeit der Emittentin und Garantin seien zum einen verspätet zum anderen konkretisierten sie lediglich die in § 313 BGB normierte Störung der Geschäftsgrundlage und berührten nicht die Pflicht der Emittentin zur Rückzahlung von 100 % des Nennwertes zum Laufzeitende. Sie wäre für die Anlageentscheidung des Klägers auch nicht relevant.

Die Beklagte erhebt darüber hinaus wegen aller erstmals in zweiter Instanz geltend gemachten vermeintlichen Beratungsfehler die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und zum Teil begründet.

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen einer Pflichtverletzung aus dem Anlageberatungsvertrag zu, soweit der Kläger im Mai 2008 Zertifikate erworben hat, insoweit ist die landgerichtliche Entscheidung abzuändern und der Klage stattzugeben. Mit Bezug auf die im Februar 2008 erworbenen Zertifikate ist eine Pflichtverletzung nicht festzustellen, das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf die im Februar 2008 erworbenen Zertifikate zu Recht abgewiesen, die Berufung des Klägers ist daher insoweit zurückzuweisen.

Erwerb der Zertifikate im Mai 2008:

Dem Kläger steht wegen des Kaufs der L...-Zertifikate im Mai 2008 ein Schadenersatzanspruch aus einer Verletzung des Beratungsvertrages gem. § 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 1, 675 BGB zu, denn die Beklagte hätte den Kläger von der negativen Presseberichterstattung bezüglich L... B...ers in Kenntnis setzen müssen.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist durch die Aufnahme der Beratungsgespräche bezüglich der Vermögensanlage des Klägers bzw. auch der Umstrukturierung der Vermögensanlagen des Klägers ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Davon gehen die Parteien auch übereinstimmend aus.

Aus dem Beratungsvertrag folgt für den Berater eine Pflicht, den Anleger „anleger- und anlagegerecht“ zu beraten. Inhalt und Umfang der Beratungspflicht hängen entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (st. Rspr. BGH, Urteil v.06.07.1993, Az. XI ZR 12/93 – „Bond I“ -, Urteil v. 21.03.2006, Az. XI ZR 63/05; Urteil v.14.07.2009, Az. XI ZR 152/08; BGH, Urteil v. 27.09.2011, Az. XI ZR 182/10 - zitiert nach juris).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich der Anlageberater aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen. Dazu gehört auch die Auswertung der Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Sind dabei zeitnahe gehäufte negative Berichte in der Börsenzeitschrift, der Financial Times, dem Handelsblatt und dem Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen zu verzeichnen, so muss der Anleger hierüber informiert werden (vgl. BGH NJW-RR 2009, 687, 688). Eine Haftung kommt insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nur in Betracht, als in den Presseartikeln aufklärungspflichtige Umstände mitgeteilt werden (vgl. BGH a.a.O.) Danach muss grundsätzlich über reine Meinungsäußerungen und Spekulationen nicht aufgeklärt werden. Auch darf es sich nicht um lediglich vereinzelte Pressestimmen handeln, sondern es muss sich um eine Berichterstattung handeln, die sich in der Wirtschaftspresse durchgesetzt hat.

Insoweit geht das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass die vorgelegten Presseartikel nur vereinzelte negative Berichte mit Bezug auf L... beinhaltet hätten, das Gericht folgt vielmehr Einschätzung des 14. Zivilsenats (14 U 291/10) wonach zu dem maßgeblichen Zeitpunkt April bzw. Mai 2008 in der Presse im Sinne der BGH-Rechtsprechung nicht nur Spekulationen und Bewertungen mitgeteilt wurden, sondern durchaus Fakten bzw. Sachinformationen, die für die Beurteilung des Insolvenzrisikos von L... und damit für die Anlageentscheidung von entscheidender Bedeutung waren. Problematische Berichte sind hier insbesondere die Berichte im Handelsblatt vom 18.03.und 01.04.2008 (Anl. K 29), in der FAZ vom 19.03. und 30.03.2008 (Anl. K 29), in der Börsenzeitung vom 28. und 29.03.2008 und vom 03. und 04.04.2008 (Anl. K 33), sowie der Bericht der F... T... Deutschland vom 18.03.2008 (Anl. BK 14.43). Aus diesen Berichten ist das extreme Schwanken des Aktienkurses zu ersehen, Abschreibungen in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar, der Einbruch des Nettoergebnisses, ein problematischer Wertpapierbestand in Höhe von 87 Milliarden Dollar, die erhebliche Ausweitung des Credit Default Spreads und die Herabstufung des Ausblicks durch die Ratingagentur S... & P...(Anl. K 30). Hinzukommt, dass die FAZ in dem Artikel vom 19.03.2008 darauf verweist, dass L... trotz des starken Engagements im Subprime-Hypothekensektor nur geringe Abschreibungen vorgenommen habe, was darauf zurückgeführt wird, dass die Bank bislang nicht das volle Ausmaß der Verluste ermittelt habe.

Bei dem dem Kläger unterbreiteten Anlagevorschlag hätte über diese Fakten, die die Bonität der Emittentin betrafen, aufgeklärt werden müssen. Nur dann kann der Anleger insgesamt eine Risikobeurteilung durchführen und beurteilen, ob das vorgeschlagene Investment, selbst wenn er bereit sein sollte, eine risikobehaftete Einlage zu zeichnen, seiner Risikobereitschaft entspricht. Nur in Kenntnis dieser Fakten kann der Anleger weiterhin beurteilen, ob die Einschätzung des Beraters im Hinblick auf die Sicherheit des Emittenten von ihm geteilt werden kann. In diesem Zusammenhang hat der 14. Zivilsenat ausgeführt:

„Insoweit kommt es nicht darauf an, ob im April 2008 für die Beklagte bereits ein konkretes Insolvenzrisiko von L... vorhersehbar war. Auch wenn der BGH in seinen ersten L...-Urteilen für die Zeitpunkte Dezember 2006 und September 2007 für die Beurteilung des Insolvenzrisikos lediglich auf die Bonitätsbewertungen (Ratings) abgestellt hat, die zu diesen Zeitpunkten so positiv gewesen seien, dass keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit aufkommen mussten (vgl. BGH XI ZR 182/10 und XI ZR 178/10), folgt daraus nicht, dass zu jedem Zeitpunkt allein das Rating für die Beurteilung eines konkreten Insolvenzrisikos entscheidend ist. Im April 2008 war das Rating zwar immer noch gut, allein auf das Rating dürfte aber angesichts der in der Zwischenzeit bekannt gewordenen negativen Fakten bei L..., gerade bei Vorschlag eines Zertifikataustausches, nicht mehr allein abgestellt werden. Denn gerade erst kurz vor der Anlageentscheidung bekannt gewordene negative Tatsachen sind in der Regel im Rating noch nicht berücksichtigt, da diese lediglich mit einer gewissen Zeitverzögerung durch die Ratingagenturen im Rating berücksichtigt werden können. Auch der positive Marktbericht von L... selbst rechtfertigt nicht, die negativen Fakten zu verschweigen, da es sich insoweit um eine einseitige Darstellung der betroffenen Gesellschaft und nicht um einen Bericht eines objektiven Dritten handelt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, wie häufig über diese Fakten berichtet wurde und ob auch positive Presseberichte vorlagen. Unstreitig lagen die die Bonität der Garantin beeinflussenden negativen Fakten nämlich vor, die Beklagte bestreitet ihr Vorliegen auch gar nicht. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, was für Schlussfolgerungen in der Presse aus diesen Fakten gezogen werden. Es ist nämlich nicht primär über die Schlussfolgerungen und Bewertungen, sondern über die zugrunde liegenden Fakten aufzuklären. Das Vorliegen negativer Fakten wird nicht relativiert durch Einschätzungen derart, dass L... sich besser geschlagen habe als andere Wettbewerber.“

Dieser Argumentation schließt sich das Gericht an. Dass bei der vom 14. Zivilsenat getroffenen Entscheidung anders als im vorliegenden Fall, ein Tausch von C...-Zertifikaten in L...-Zertifikate vorgeschlagen worden war, hat für die Frage der Aufklärung über negative Presseberichterstattung keine Bedeutung bzw. führt für den vorliegenden Fall nicht zu einer abweichenden Wertung der Bedeutung der Presseberichterstattung für die Anlageentscheidung.

Es kann auch kein Zweifel daran bestehen - und ist auch nicht bestritten -, dass die Beklagte über die genannten Fakten jedenfalls aufgrund der Mitteilungen in den einschlägigen Presseberichten Kenntnis hatte bzw. Kenntnis hätte haben müssen.

Die unterlassene Information über die in der Presse mitgeteilten Probleme von Emittentin und Garantin ist auch kausal für die Zeichnung der Anlage durch den Kläger. Insoweit spricht eine Vermutung für die Kausalität der Pflichtverletzung (BGH IX ZR 586/07 - juris Tz. 22; OLG München 5 U 1725/11 - juris Tz. 42).

Den durch die Pflichtverletzung verursachten Zeichnungsschaden hat die Beklagte zu ersetzen, § 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist daher, wie beantragt, zur Zahlung des Anlagekapitals zu verurteilen.

Eventuelle steuerliche Vorteile sind nicht in Abzug zu bringen, da der Kläger die Schadensersatzleistungen seinerseits zu versteuern hätte, so dass ein Vorteilsausgleich nicht stattfindet (dazu BGH NJW 2007, 2401).

Auch hat sich der Kläger keine Leistungen aus der Insolvenzmasse anrechnen zu lassen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, bisher entsprechende Leistungen nicht erhalten zu haben.

Auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung kommt es nicht an, da die Einrede sich nur auf diejenigen behaupteten Pflichtverletzungen bezieht, die erstmals in zweiter Instanz geltend gemacht worden sind. Die Rüge der unterlassenen Aufklärung über kritische Presseberichterstattung ist bereits Gegenstand der ersten Instanz gewesen.

Gemäß § 252 BGB hat die Beklagte den Zinsverlust auszugleichen, den das Gericht, dem Kläger folgend, mit 4 % p.a. festsetzt. Die weitergehende Zinsforderung ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 19.05.2009 (Anl. K 13) angeboten, die Anleihe auf die Beklagte zu übertragen. Infolge des wirksamen und seitens der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2009 (Anl. K 14) abgelehnten Angebotes ist im Hinblick auf die geschuldete Gegenleistung der Annahmeverzug Beklagten auszusprechen, § 293 BGB.

Erwerb der Zertifikate im Februar 2008:

Ein Verstoß gegen eine Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung ist für die erste Anlage vom Februar 2008 von Seiten des Klägers nicht dargetan. Für die Frage des Umfangs der sich aus einem Anlageberatungsvertrag ergebenden Pflichten und für die Frage, inwieweit generell über Presseberichterstattung zu informieren ist, wird auf die vorangehenden Darlegungen verwiesen.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung anführt, sein Vorbringen sei von Seiten der Beklagten als zugestanden anzusehen, da die Beklagte durch die Vernehmung des Zeugen... ihre Behauptungen nicht habe beweisen können, soweit der Zeuge sich an konkrete Einzelheiten der Gespräche nicht habe erinnern können, ist dieser Einwand nicht begründet. Es gibt es keinen Grundsatz, wonach die fehlende Erinnerung des von einer Partei für ihre Behauptung benannten Zeugen dazu führen würde, dass die Partei mit ihrem bisherigen Vorbringen ausgeschlossen sei und sogar das Gegenteil ihres Vortrages feststünde.

Der Kläger beruft sich darauf, dass es sich bei den Zertifikaten um verbotenes Glückspiel handele. Wenn in Entscheidungen davon die Rede ist, bei vergleichbaren Zertifikaten handele es sich um ein reine Spekulationspapiere mit Wettcharakter (z.B. OLG Frankfurt 17 U 207/10 - juris Tz. 57 - Wette auf die Kursentwicklung), ist damit ersichtlich kein verbotenes Glücksspiel gemeint. Bei den vorliegenden Zertifikaten handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen, § 793 BGB, Emittent und Anleger verfolgen mit der Ausgabe bzw. dem Erwerb der Zertifikate ernsthafte wirtschaftliche Interessen, so dass es an einem Spielcharakter fehlt. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte These des Klägers, die Zertifikate seien so aufgestellt, dass am Ende die Bank immer gewinne, ist zum einen in dieser Allgemeinheit nicht nachzuvollziehen und lässt zum anderen den Kapitalschutz völlig unberücksichtigt.

Soweit der Kläger sich auf einen Widerruf nach § 312 d Abs. 1 BGB stützt, kann dahinstehen, ob das Vorbringen in zweiter Instanz nicht verspätet ist, denn die Vorschriften über den Fernabsatzvertrag sind schon nicht anwendbar. Zwischen den Parteien ist ein Kommissionsgeschäft zustande gekommen, denn die Beklagte hat die Papiere für den Kläger im Wege des Kommissionsgeschäftes erworben (dazu die Anl. K 7 und K 10), so dass schon nicht von einem zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommenen Kaufvertrag ausgegangen werden kann. Soweit der Kläger außerhalb der Berufungsbegründung seinen früheren Vortrag in Abrede nimmt und, darauf gestützt, den Rücktritt vom Vertrag erklären will, der zum Kauf der Zertifikate geführt habe (Schriftsatz vom 09.12.2011, Seite 29 Bl. 492 d.A.), ist dieses Vorbringen verspätet und im Übrigen schon nicht schlüssig. Außer pauschalen Behauptungen und Anwürfen finden sich keine Gründe, die einen Rücktritt überhaupt rechtfertigen könnten.

Selbst wenn von Kaufverträgen auszugehen wäre, sind den telefonischen Kaufaufträgen jeweils persönliche Beratungsgespräche zwischen dem Kläger und dem Zeugen... vorausgegangen, so dass die Vorschriften über den Fernabsatzvertrag schon nicht anwendbar sind. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschriften ist, dass der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen worden ist. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn der Verbraucher sich während der Verhandlungen über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert hat und der Vertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem persönlichen Kontakt zustande gekommen ist (Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, § 321b Rn. 8).

Selbst wenn der fernmündlich vereinbarte Kauf der Zertifikate den Vorschriften über Fernabsatzverträge unterliegen sollte, wäre das Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen. Der Preis für Zertifikate unterliegt auf dem Finanzmarkt Schwankungen, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können (so auch OLG Frankfurt/Main - 19 U 130/10 - juris Tz. 13).

Beide Zertifikate waren dergestalt kapitalgeschützt, dass der Anleger zum Laufzeitende den Nominalbetrag zu 100 % zurückerhalten sollte, unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte. Die Ansprüche des Anlegers waren abgesichert durch die Garantie der L... B...ers Holding Inc. Soweit der Kläger mit verschiedenen Argumenten, davon zum Teil erstmals in zweiter Instanz außerhalb der Berufungsbegründung angeführt, die Sicherheit der Anlage in Abrede nimmt, sind die Argumente letztlich nicht begründet.

Mit Bezug auf die erste Anlage im Februar 2008 ist eine anlegergerechte Beratung erfolgt.

Die Beklagte hat das Anlegerprofil und die Anlagestrategie des Klägers sorgfältig ermittelt. Zu Recht hat das Landgericht eine hohe Risikobereitschaft des Klägers festgestellt. Die von dem Kläger gegen die landgerichtliche Entscheidung, insbesondere die Würdigung der Anhörung des Klägers und der Vernehmung des Zeugen..., angeführten Aspekte vermögen nicht zu überzeugen. Der Kläger zieht sich letztlich darauf zurück, dass die ursprüngliche Geldanlage sehr konservativ gewesen sei und daraus auf eine Wiederanlage in derselben Risikoklasse zu schließen sei. Dass der Kläger, wie der Vermögensverwaltungsvertrag gemäß Anl. K 2 ausweist, durchaus einen Teil seines Vermögens in risikobehaftete Anlagen investieren wollte und dass die beiden streitgegenständlichen Beträge nur einen geringeren Teil des gesamten Vermögens ausmachen, der Kläger im Übrigen für die Vermögensverwaltung, soweit die Rentenpapiere betroffen waren, aufgewandte Gebühren zurückerhalten hatte, weil er mit der „perfomance“ von Seiten der Beklagten nicht einverstanden gewesen ist, was letztlich nur mit aus Sicht des Klägers zu geringen Erträgen erklärt werden kann, lässt der Kläger unberücksichtigt und unkommentiert. Dass der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung durchaus einen selbstbewussten Eindruck gemacht hat, bestätigt ebenfalls die landgerichtliche Entscheidung.

Im Übrigen kann auch gegenüber einem Kunden, der eine „sichere“ Geldanlage nachfragte, die Empfehlung des Beraters zu einer Anlage in „L...-Zertifikaten“ im Februar 2008 nicht von vornherein als ungeeignet angesehen werden. Faktisch existieren keine „sicheren“ Anlagen in dem Sinne, dass ein Verlust des angelegten Kapitals denknotwendig und in jedem Fall ausgeschlossen wäre, wie schon die bis dato als denkbar sicherste Anlageform betrachteten Staatsanleihen belegen (so auch OLG Hamburg 13 U 117/09; das OLG Düsseldorf bezeichnet die Zertifikate als allenfalls mäßig riskante Wertpapiere, die in Chancen und Risiken einer deutschen Standardaktie vergleichbar sind - OLG Düsseldorf 6 U 200/09 juris Tz. 67).

Diese Überlegungen führen auch zu der Feststellung, dass ein Schadensersatzanspruch oder eine Rückabwicklung des Erwerbs der Zertifikate gegenüber der Beklagten weder auf Delikt noch auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt werden kann. Zum Zeitpunkt der Anlageberatung und der getroffenen Anlageentscheidung wurde allgemein davon ausgegangen, dass die Hypothekenkrise in den USA nicht zu einer Insolvenz beteiligter Banken führen könne nach dem Grundsatz: „too big to fail“, so dass es jedenfalls am für derartige Ansprüche erforderlichen Verschulden fehlt.

Die Auswahl der Papiere entsprach demnach auch dem ermittelten Anlageprofil des Klägers.

Der Kläger ist über Funktionsweise sowie die Chancen und Risiken der von ihm erworbenen Zertifikate ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass dem Kläger mit den Anlagen K 4 und K 6 Unterlagen vorgelegt worden waren, die die Funktionsweise des L... B...ers Kapitalschutzzertifikates auf fünf europäische Bankentitel hinreichend darstellten und auch auf das Risiko der Kursschwankungen während der Laufzeit hinwiesen. Auch dass die Zertifikate keinem Einlagensicherungssystem unterlagen, war für den Kläger erkennbar. Dass die Zertifikate Schuldverschreibungen sind, ist der Anlage K 4 deutlich zu entnehmen. Darüber hinaus ist dem Landgericht darin zu folgen, das nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, der Aussage des Zeugen..., davon auszugehen ist, dass der Kläger auf diesen Punkt hingewiesen worden ist. Des Weiteren hat der Kläger auch den Hinweis zum Umfang der Einlagensicherung unterschrieben, aus dem hervorgeht, dass selbst Inhaberschuldverschreibungen deutscher Banken nicht der Einlagensicherung unterliegen. Auf die Tatsache, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH XI ZR 182/10) auf eine Aufklärung über das Fehlen einer Einlagensicherung nicht ankommt, wenn der Kunde von der Möglichkeit des Totalverlustes Kenntnis hat, kommt es mithin nicht an.

Soweit der Kläger meint, das Insolvenzrisiko der Emittentin und der Garantin seien voraussehbar gewesen und in diesem Zusammenhang auf einen hohen Verschuldungsgrad verweist und auch das Verhältnis von Fremdkapital zu Cash Flow als sehr bedenklich einstuft (dynamischer Verschuldensgrad), steht diesen Angaben der Prüfbericht des Insolvenzverwalters gegenüber (Anl. B 78). Darüber hinaus können nicht aus Untersuchungen, die nach dem Zusammenbruch der L...-Gruppe angestellt wurden, nachträgliche Beratungspflichten von Anlageberatern und Banken kreiert werden, die im hier maßgeblichen Zeitraum nicht einmal diskutiert wurden.

Entsprechendes gilt für die C...t D... S...(CDS), die der Kläger für maßgebend erachtet zur Ermittlung von Insolvenzrisiken und auf dessen Veränderungen er nach seiner Auffassung vor Zeichnung der Anlage hätte hingewiesen werden müssen. Hier ist unwidersprochen von der Beklagten vorgetragen worden, dass es sich bei den CDS nicht um einen üblichen Standard zur Benennung der Kreditwürdigkeit gehandelt hat, sondern dieser erst nach dem L...-Zusammenbruch herangezogen worden ist.

Soweit der Kläger eine fehlerhafte Beratung darauf stützt, dass er nicht über das Sonderkündigungsrecht der Emittentin aufgeklärt worden sei, kann dieses Vorbringen nicht als verspätet angesehen werden. Dass er darüber nicht aufgeklärt worden ist, ist unstreitig, unstreitiges neues Vorbringen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in zweiter Instanz zu berücksichtigen. Auch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für jede Pflichtverletzung die Verjährung gesondert zu laufen beginnt. Der Kläger hat allerdings nicht dargelegt, inwieweit ihn eine Aufklärung über das Sonderkündigungsrecht der Emittentin vom Erwerb der Zertifikate abgehalten hätte, denn die Ausführungen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 02.11.2011 (Bl. 465 d.A.) erschöpfen sich in Allgemeinplätzen und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die vollständige Rückzahlung generell einen Nachteil für den Anleger darstellen soll. Im Übrigen schließt sich das Gericht der Auffassung des 6. Zivilsenates an (Beschluss vom 15.08.2011 – 6 U 233/10 - Anl. BB 6), wonach eine unterlassene Aufklärung zu Substanzverlustrisiken nach Fusionen, Übernahmen oder Delisting nicht zu beanstanden ist, Entsprechendes gilt für die Kündigungsmöglichkeit des Emittenten.

Erstmals in zweiter Instanz führt der Kläger unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (5 U 1725/11) aus, weder die Garantin noch die Emittentin seien eine amerikanische Großbank gewesen - was unstreitig ist -, dieser neue Vortrag kann eine Entscheidung zugunsten des Klägers nicht rechtfertigen. Aus den vom Kläger im Zusammenhang mit der Zeichnung der ersten Anlage vorgelegten Unterlagen (Anl. K 4 ff, der Anlage K 11 und der Anl. K 27) ist nicht zu ersehen, dass dem Kläger bedeutet worden sei, Emittentin oder Garantin seien die zur L...-Gruppe gehörende Investmentbank. Es ist nicht ersichtlich, dass, wie in dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall, über die Rechtsform vom Garantin oder Emittentin überhaupt gesprochen worden ist oder die Bezeichnung als Investmentbank in den Unterlagen aufgetaucht ist. Nach Auffassung des Gerichts ist die Tatsache, dass die Beteiligten letztlich wohl stillschweigend davon ausgegangen sind, dass die Investmentbank an den Schuldverschreibungen irgendwie beteiligt ist, wie z.B. die Hinweise der Beklagten in dem vorliegenden Verfahren belegen, wonach bei Hinzuziehung eines Sachverständigen jemand mit Erfahrung speziell im Bereich der Banken gewählt werden müsse, nicht ausreichend, um eine Aufklärungspflicht zu statuieren.

Zu einer vollständigen Risikodarstellung der Anlageform des Zertifikats gehört, dass der Anleger erkennen kann, dass die Rückzahlung generell von der Bonität der jeweiligen Emittentin bzw. Garantiegeberin zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt (sog. allgemeines Emittentenrisiko - BGH XI ZR 182/10 - juris Tz. 26), auch wenn zum Zeitpunkt der Beratung keine Anhaltspunkte für eine drohende Zahlungsunfähigkeit bestehen.

Eine solche Aufklärung ist hier nach den überzeugenden Feststellungen des Landgerichts erfolgt. Ganz abgesehen davon, ob nicht dem Landgericht darin zu folgen ist, dass der Kläger infolge seines beruflichen Hintergrundes und seiner Anlageerfahrung überhaupt keine Aufklärung über das abstrakte Insolvenzrisiko von Emittentin und Garantin benötigte, hat das Landgericht zu Recht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers sowie der sonstigen Umstände angenommen, dass der Kläger das Fehlen einer Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko nicht bewiesen hat. Die von Seiten des Klägers in zweiter Instanz - maßgeblich in der Berufungsbegründung - vorgetragenen Argumente sind letztlich nicht begründet.

An die vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Anhaltspunkte für Zweifel können sich insbesondere auch aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Dazu zählt auch, wenn es Beweise fehlerhaft oder unzureichend gewürdigt hat (BGH NJW 2005, 1583 (1584); BGH NJW 2004, 2152 (2153)). Durch derartige konkrete Anhaltspunkte begründete Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass im Fall der erneuten Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellen wird (BGH NJW 2005, 1583 (1584)). Es genügt, dass das Berufungsgericht zu „vernünftigen“ Zweifeln gelangt, das heißt zu solchen Bedenken, die so gewichtig sind, dass sie nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden können (BGH NJW 2004, 2828 ff.).

Indes liegen hier keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass das Landgericht die von ihm erhobenen Beweise fehlerhaft oder unzureichend gewürdigt hätte. Der Kläger führt seine Argumentation nicht auf die konkrete Beweiswürdigung des Landgerichts zurück, sondern legt seiner Auffassung zugrunde, dass eine geringe Risikobereitschaft nicht bestritten werden könne und im Übrigen bereits im Sommer 2007 ein erhebliches Insolvenzrisiko in Bezug auf die Emittentin und die Garantin vorgelegen habe. Dies steht schon nicht in Einklang mit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für die Zeitpunkte Dezember 2006 und September 2007 (BGH XI ZR 182/10 und XI ZR 178/10), in denen das Vorliegen eines erheblichen Insolvenzrisikos gerade verneint wurde.

Auch ist die Beklagte nicht zur Aufklärung über ihre Gewinnmarge verpflichtet (BGH XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10) und besteht bei einem Kommissionsvertrag zwischen Anleger und Bank, wie im vorliegenden Fall, keine Aufklärungspflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung (BGH XI ZR 259/11 - zitiert nach der Pressemitteilung des BGH). Eine solche Aufklärungspflicht ergibt sich nicht aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Rückvergütungen. Diese Grundsätze betreffen nur Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen, deren Rückfluss an die beratende Bank dem Kunden verschwiegen wird. Dass es von den Anlegern an die Emittentin zu leistende Posten gäbe, die ohne Wissen der Anleger an die Beklagte zurückgeflossen wären, ist nicht vorgetragen worden.

Auch im Hinblick auf kritische Presseberichte ist für die im Februar gezeichnete Anlage eine Aufklärungspflichtverletzung nicht dargetan. Im Gegensatz zu der Zeit ab April bzw. Mai 2008 lag zum Zeitpunkt des ersten Erwerbs eine hinreichend verdichtete Negativberichterstattung über L... B...ers noch nicht vor. Die Berichte des Handelsblattes vom 24.08.2007, 26.11.2007 und 20.12.2007 (Anl. K 28) genügen insoweit nicht, denn sie beschäftigen sich vorrangig mit den allgemeinen Auswirkungen der Subprime-Krise. Insoweit kann auf die Ausführungen des Landgerichts (Seite 17 des Urteils) verwiesen werden. Auch die in zweiter Instanz vorgelegten Presseberichte (ANl. BK 14.37 bis 14.42) beschäftigen sich zu allgemein mit den Auswirkungen der Finanzkrise und der Frage, dass das Ende der Krise für die Investmentbanken in den USA nicht absehbar sei, als konkret mit L... B...ers, wie die spätere Berichterstattung, die sich im April und Mai 2008 erheblich verdichtet hat, wie bereits ausgeführt.

Der Kläger wendet des Weiteren erstmals in zweiter Instanz ein, die Beklagte hafte auch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung. Die Prospekte seien fehlerhaft gewesen, da sie weder richtig, verständlich, eindeutig und noch umfassend gewesen seien. Die Prospekte hätten z.B. alle die von seinem Prozessbevollmächtigten in der Berufungsbegründung dargestellten Umstände umfassen müssen (Seite 102 der Berufungsbegründung, Bl. 314 d.A.). Dem kann nicht gefolgt werden, denn z.B. die von dem Prozessbevollmächtigten aufgestellte Vermutung, es habe sich bei dem Zusammenspiel von Emittentin und Garantin um eine Art Schneeballsystem gehandelt, sowie die auf ein im Oktober 2008 erstelltes Gutachten gestützte Behauptung, bereits im Jahr 2001 habe sich die Subprime-Krise abgezeichnet, mussten nicht in einen Prospekt aufgenommen werden.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers vom 21.08., 24.08. und 26.08.2012 sowie der Beklagten vom 13.08.2012 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die darin enthaltenen Rechtsausführungen sowie der Verweis auf die Entscheidung des 14. Zivilsenats des OLG Hamburg enthalten keine Gesichtspunkte, die nicht bereits Gegenstand der Erörterungen gewesen wären.

Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt mangels Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2. Soweit der Kläger den Antrag auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in zweiter Instanz nicht weiter verfolgt hat, ist das Gericht von einer Beschränkung des Rechtsmittels auf die Hauptforderungen nebst Zinsen ausgegangen. Für die Kostenquote kommt der Rechtsmittelbeschränkung, da die Nebenforderung keine Auswirkung auf den Streitwert hat, keine Bedeutung zu.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Tatsache, dass weder die Emittentin noch die Garantin die als L... B...ers Inc. firmierende Investmentbank ist, eine weiterreichende Bedeutung für den Anleger beigemessen wird, als es in dieser Entscheidung vertreten wird; denn die bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gehen von einer Absicherung durch die Investmentbank aus.