VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08.10.2014 - 7 K 4253/13
Fundstelle
openJur 2014, 24516
  • Rkr:

Entziehung der Fahrerlaubnis

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der am 00.00.0000 geborene Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Beklagte.

Der Kläger führte am Freitag, den 12. April 2013, gegen 16:29 Uhr in E. auf der C. Straße ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis. Nach dem chemischtoxikologischen Gutachten des hierfür besonders akkreditierten Labors L. vom 3. Mai 2013 betrug der THC-Wert in der am Tattag um 17:00 Uhr entnommenen Blutprobe 11 µg/l; der THC-COOH-Wert (THC-Carbonsäure) betrug 236 µg/l.

Am Sonntag, den 2. Juni 2013, führte der Kläger gegen 1:05 Uhr in E. auf der T.--------straße /I. -T1. -Straße erneut ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis. In dem Bericht des Polizeipräsidiums E. vom selben Tage heißt es auszugsweise: "Der Beschuldigte wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten. Aus dem Fahrzeug roch es stark nach Marihuana. [...] Der Beschuldigte hatte stark gerötete Augen und gab eine freiwillige Urinprobe ab. Diese verlief positiv auf THC. Nach eigenem Bekunden würde der Beschuldigte regelmäßig konsumieren." Nach dem Gutachten des Labors L. vom 12. Juni 2013 betrug der THC-Wert in der am Tattag um 1:58 Uhr entnommenen Blutprobe 31 µg/l; der THC-COOH-Wert betrug 133 µg/l.

Am Dienstag, den 4. Juni 2013, führte der Kläger gegen 0:10 Uhr in E. auf der L 663 ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Kokain. In dem Bericht der Autobahnpolizei E. vom selben Tage heißt es auszugsweise: "Nach erfolgter Belehrung als Betroffener im Ordnungswidrigkeitenverfahren gab der Betroffene an, dass er am Wochenende (31.05.2013) Kokain konsumiert habe, er sich aber nicht vorstellen könne, dass er jetzt noch unter dem Einfluss des Betäubungsmittels stehen würde." Sowohl der im Rahmen der Verkehrskontrolle vor Ort durchgeführte Drogenvortest (Urintest) als auch die Blutuntersuchung verliefen im Bereich "Kokain" positiv. Nach dem Gutachten des Labors L. vom 12. Juni 2013 betrug der Cocain-Wert in der am Tattag um 1:00 Uhr entnommenen Blutprobe < 2,0 µg/l; der Wert für Benzoylecgonin (BZE) betrug 28 µg/l. In dem Gutachten heißt es in der abschließenden Beurteilung: "Der Nachweis von Cocain bzw. Benzoylecgonin ist Beweis für einen kürzlich erfolgten Cocain-Abusus. Die ermittelten Werte für Cocain bzw. Benzoylecgonin liegen hierbei unter den im Anhang von § 24a StVG genannten Grenzwerten von 10 ng/ml für Cocain und 75 ng/ml für Benzoylecgonin. Dies spricht gegen eine akute Beeinflussung des Probanden durch Cocain im Sine des § 24a StVG."

Nach vorheriger Anhörung entzog die Beklagte dem Kläger mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 5. August 2013 die erteilte Fahrerlaubnis; zugleich forderte sie den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 125,- € auf, den Führerschein spätestens 3 Tage nach Zustellung der Verfügung abzuliefern. Mit gesondertem Gebührenbescheid vom selben Tage setzte die Beklagte für die Amtshandlung Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 112,30 € fest. Zur Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis stützte sich die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass der Kläger ausweislich der Vorfälle vom 12. April 2013, 2. Juni 2013 und 4. Juni 2013 ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr sei. In dem Bescheid wird u. a. aufgelistet, dass die Untersuchungsergebnisse der Blutproben vom 12. April 2013 und vom 2. Juni 2013 positiv auf Cannabinoide und Cocain-Metabolit gewesen seien.

Die Verfügung vom 5. August 2013 wurde dem Kläger am 7. August 2013 zugestellt. Im Anschluss hieran meldete sich der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 9. August 2013 bei der Beklagten; außerdem sprach der Kläger persönlich bei der Beklagten vor. Hierbei stellte die Beklagte fest, dass die Ordnungsverfügung vom 5. August 2013 offensichtlich einen Fehler bei der Auflistung der Betäubungsmittelkonzentrationen enthielt. Mit Schreiben vom 19. August 2013 stellte die Beklagte klar, dass der Kläger ? wie dem Fließtext der Verfügung zweifelfrei zu entnehmen sei ? am 4. Juni 2013 mit Kokain im Straßenverkehr auffällig geworden sei und nicht zusätzlich am 12. April 2013 und 2. Juni 2013. Die Entziehungsverfügung wurde daher im Beisein des Klägers korrigiert.

Der Kläger hat am 6. September 2013 Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2013 erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass es sich bei den vorliegenden Fällen um einmalige Vergehen gehandelt habe; er sei kein Dauerkonsument.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Verfügung der Beklagten vom 5. August 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.

Die Kammer hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 (Az.: 7 L 1164/13) abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 26. November 2013 (Az.: 16 B 1247/13) verworfen, da der Kläger diese nicht fristgerecht begründet hat.

Ferner hat die Kammer mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 (Az.: 7 L 1164/13) den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt; die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 26. November 2013 (Az.: 16 E 1064/13) zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2014 hat die Kammer den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren abgelehnt und den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Verfügung vom 27. Juni 2014 hat der Berichterstatter die Strafakte der Staatsanwaltschaft E. zu dem Az. 253 Js 1746/13 beigezogen. Danach hat der Kläger am 5. September 2013 gegen 10:00 Uhr in E. ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis geführt. Nach dem Gutachten des Labors L. vom 12. September 2013 betrug der THC-Wert in der am Tattag um 11:25 Uhr entnommenen Blutprobe 25 µg/l; der THC-COOH-Wert betrug 118 µg/l. Mit Strafbefehl vom 6. Dezember 2013 ist gegen den Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 € festgesetzt worden; der hiergegen erhobene Einspruch ist durch Urteil des Amtsgericht E. vom 23. April 2014 (Az. 723 Cs-253 Js 1746/13-315/13) verworfen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens einschließlich des zugehörigen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte/Heft 1) und der beigezogenen Strafakte (Beiakte/Heft 2) Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten zu diesem Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung bei Abwesenheit hingewiesen wurden (vgl. § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die Klage hat keinen Erfolg. Die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Verfügung vom 5. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Korrektur der Auflistung der Betäubungsmittelkonzentrationen in der angefochtenen Verfügung war gemäß § 42 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) zulässig. Danach kann die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit z. B. durch einen Korrekturvermerk auf dem Originaldokument berichtigen.

Im Übrigen hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 1. Oktober 2013 (Az.: 7 L 1164/13) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Folgendes ausgeführt:

"Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Antragsgegnerin, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen folgendes auszuführen: Nach Aktenlage ist der Antragsteller erstmalig am 12. April 2013 aufgefallen, als er ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss führte. Ihm ist an diesem Tage wegen dieses Verdachts eine Blutprobe entnommen worden. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Labors L. vom 3. Mai 2013 festgestellte THC-Wert von 11 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes ? StVG ? durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml bei weitem und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 -, nrwe, Rdnr. 6 ff.

Die festgestellte sehr hohe THC-COOH-Konzentration von 236 ng/ml weist zudem auf einen regelmäßigen, gewohnheitsmäßigen Konsum hin.

Weiter steht fest, dass der Antragsteller erneut am 2. Juni 2013 unter Cannabis-Einfluss ein Kfz gefahren hat. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Labors L. vom 12. Juni 2013 (THC: 31 ng/ml; THC-COOH: 133 ng/ml).

Durch das Führen von Kraftfahrzeugen unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 - 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 - 16 B 1392/05 -, 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 - und 1. August 2007 - 16 B 908/07 -.

Damit ist der Antragsteller nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Zudem stand der Antragsteller bei einer Verkehrskontrolle am 4. Juni 2013 unter Kokaineinfluss. Dies ist forensisch belegt durch das Gutachten des Labors L. vom 12. Juni 2013. Kokain ist ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Die Einnahme sog. harter Drogen wie Kokain schließt die Kraftfahreignung unabhängig davon aus, ob unter der Wirkung dieser Droge ein Kraftfahrzeug geführt worden ist oder nicht (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV; vgl. auch: Nr. 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch-Gladbach, November 2009). Schon der einmalige Konsum sog. harter Drogen ist ausreichend, um die Kraftfahreignung zu verneinen,

so auch OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 ? 16 B 332/07 ?; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 16. Februar 2004 ? 12 ME60/04 ? und 16. Juni 2003 ? 12 ME 172/03 ?, DAR 2003, 432 f.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2004 ? 4 B 37/04 ?; OVG Saarland, Beschluss vom 30. März 2006 ? 1 W 8/06 ?; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 2004 ? 10 S 2182/04 ?, VRS 108 (2005), 123 ff.; HessVGH, Beschluss vom 31. März 2012 ? 2 B 1570/11 ?.

Die Ausführungen in der Klage- und Antragsschrift, es sei nur von einem einmaligen Cannabis-Verstoß auszugehen, sind angesichts der sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden tatsächlichen Feststellungen abwegig und nicht nachvollziehbar.

Ein Ermessen steht der Antragsgegnerin bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Etwaige berufliche und private Nachteile hat der Antragsteller daher hinzunehmen. Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis der Drogenfreiheit in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinischpsychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 FeV)."

An diesen Ausführungen hält die Kammer auch nach nochmaliger Überprüfung im Hauptsacheverfahren fest.

Ferner bestehen keine Bedenken in Bezug auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins und die Androhung eines Zwangsgeldes.

Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.