OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.2014 - 6 A 1842/13
Fundstelle
openJur 2014, 24449
  • Rkr:

Erfolgloser Antrag einer angestellten Lehrerin auf Zulassung der Berufung, die ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erreichen möchte.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 25.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Es genügt hingegen nicht, wenn er pauschal die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts behauptet oder wenn er lediglich sein Vorbringen erster Instanz wiederholt, ohne im Einzelnen auf die Gründe des angefochtenen Urteils einzugehen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Ablehnungsbescheid des beklagten Landes vom 9. September 2011 dürfte zwar wegen fehlender Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten formell rechtswidrig sein; es sei aber offensichtlich, dass dieser Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe, weil das materielle Recht kein Ermessen eröffne. Die Ablehnung des Übernahmebegehrens sei materiell rechtmäßig, da die Klägerin die Höchstaltersgrenze nach der Laufbahnverordnung in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung (LVO a.F.) überschritten habe. Die Bezirksregierung L. habe zu Recht die maßgebliche Altersgrenze nicht um Zeiten der Kinderbetreuung hinausgeschoben. Der insoweit maßgebliche Ursachenzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und verzögerter Einstellung sei dadurch unterbrochen worden, dass die Klägerin erst im Jahre 2006, als ihre Kinder bereits zehn und acht Jahre alt gewesen seien, ein Lehramtsstudium an der Universität zu L. aufgenommen habe. Erst seither sei nach außen hin erkennbar gewesen, dass sie es angestrebt habe, hauptberuflich als Lehrerin im öffentlichen Schuldienst tätig zu werden. Es begegne auch keinen Bedenken, dass der Beklagte keine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze im Wege des Ermessens erteilt habe (§ 84 Abs. 2 LVO a.F.).

1. Die Beurteilung des Zulassungsantrages richtet sich nach der heute geltenden, am 8. Februar 2014 in Kraft getretenen neuen Laufbahnverordnung (im Folgenden LVO). Nach dem für die Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts entscheidenden materiellen Recht ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier: über den Zulassungsantrag, abzustellen. Der Zulassungsantrag ist begründet, wenn in diesem Zeitpunkt nach Maßgabe der dann geltenden Rechtsvorschriften die angeführten ernstlichen Zweifel bestehen. Ohne Bedeutung ist hier, wie bei einer nach Ablauf der Frist für die Zulassungsbegründung eingetretenen Rechtsänderung vorzugehen ist, da die §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 84 Abs. 2 LVO a.F. in den maßgeblichen Punkten mit den §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 2 LVO übereinstimmen.

2. Der Zulassungsantrag greift allein die Annahme des Verwaltungsgerichts an, der Klägerin komme die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVO nicht zugute. Diese Regelung lässt eine Überschreitung der Altersgrenze (40 Jahre gemäß § 8 Abs. 1 LVO) zu, wenn sich die Einstellung (in das Beamtenverhältnis auf Probe) wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren verzögert hat.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des beschließenden Senats ist maßgeblich für die individuell zulässige Überschreitung der

Höchstaltersgrenze nicht der Umfang der Kinderbetreuungszeiten, sondern der Umfang der durch die Kinderbetreuung bedingten Verzögerung der Einstellung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 6 A 2147/04 -, juris, Rn. 30 f.; Urteile vom 18. Juli 2007- 6 A 1084/05 -, juris, Rn. 39, und - 6 A 4769/04 -, juris, Rn. 37, vom 31. August 2007 - 6 A 2006/04 -, juris, Rn. 34.

Unterbrechungen des Kausalzusammenhangs durch weitere, vom Verordnungsgeber nicht privilegierte Ursachen bleiben deshalb bedeutsam, da insoweit kein Grund für eine Privilegierung der betroffenen Bewerber besteht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 -, NVwZ-RR 2011, 329 = juris, Rn. 17; OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2013 - 6 A 206/12 -, juris, Rn. 44 f.

Die Annahme der Kausalität von Verzögerungstatbeständen erfordert im Interesse einer berechenbaren und gleichmäßigen Verwaltungspraxis objektive, nach außen erkennbare Anhaltspunkte für die rechtzeitige Hinwendung zu einem Beruf im öffentlichen Dienst - hier dem Lehrerberuf -, wenn der Einstellungsbewerber zuvor eine Ausbildung durchlaufen hat, die auf einen Beruf außerhalb des öffentlichen Dienstes hinführte.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2013- 6 A 307/13 -, juris, Rn. 5.

b) Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht im Falle der Klägerin im Wesentlichen zutreffend angenommen, für die Zeit vor Aufnahme des Studiums im Jahre 2006 fehle der Ursachenzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und verzögerter Einstellung. Erst mit Aufnahme des Studiums sei nach außen erkennbar geworden, dass die Klägerin den Lehrerberuf anstrebe.

Zwar dürfte gegenüber diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung für den Lehrerberuf nach außen erkennbar war, bereits im Jahr 2005 liegen, weil die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt die Anerkennung ihres Fachhochschulstudiums als Teil des Lehramtsstudiums beantragt hatte. Dies wirkt sich im Ergebnis aber nicht aus.

3. Die mit dem Zulassungsvorbringen erhobenen Einwände der Klägerin gegen diese Beurteilung haben keinen Erfolg.

a) Soweit sie sich darauf beruft, sie habe bereits durch die Wahl der Fächerkombination ihres Magisterstudiums 1986/87 (Romanistik/Germanistik) ihren Entschluss zur Ergreifung des Lehrerberufs dokumentiert, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag ihr Vortrag zutreffen, sie habe sich wegen der damals schlechten Berufsaussichten für angehende Lehrer zunächst für ein Magisterstudium entschieden und hätte nach der damaligen Rechtslage problemlos die Möglichkeit gehabt, die dort erreichten Leistungen für ein Lehramtsstudium anrechnen zu lassen. Dies ändert aber nichts daran, dass eine Hinwendung zum Lehrerberuf damit in keiner Weise nach außen erkennbar geworden ist, sondern das Gegenteil zu konstatieren ist, nämlich eine zunächst gegen den Lehrerberuf getroffene Entscheidung.

Davon abgesehen wäre aber selbst bei einem unterstellten schon im Jahre 1986 nach außen erkennbaren Willen zur Ergreifung des Lehrerberufs der maßgebliche Ursachenzusammenhang dadurch unterbrochen, dass die Klägerin 1991 nach Abschluss des Studiums als Diplom-Übersetzerin den angeblich auf die Tätigkeit als Lehrerin gerichteten Berufsweg nicht fortgesetzt, sondern eine Arbeit im Verkaufsbereich einer GmbH begonnen hat. Die in der Zeit ab 1996 geleistete Kinderbetreuung stellt sich deshalb nicht als Verzögerung auf ihrem Weg zum Lehrerberuf dar. Auch dem Ausscheiden aus dem Angestelltenverhältnis bei der V. GmbH zum 30. November 2001 lassen sich keine hinreichenden nach außen hervortretenden Anhaltspunkte für eine Hinwendung zum Lehrerberuf entnehmen.

b) Der weitere Einwand der Klägerin, es dürfe nicht ausschließlich auf den Studienbeginn als ausschlaggebender Hinweis auf die Entschlussfassung (zur Ergreifung des Lehrerberufs) abgestellt werden, weil dann niemals vor diesem Zeitpunkt liegende Verzögerungszeiten berücksichtigt werden könnten, greift nicht durch. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass eine Hinwendung zum Lehrerberuf nach außen nur durch Aufnahme eines Lehramtsstudiums erkennbar werden kann. Es hat lediglich in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass dies in dem konkreten Fall der Klägerin der maßgebliche Zeitpunkt gewesen sei, weil es aus seiner Sicht in der davorliegenden Zeit keine Anhaltspunkten für die Absicht, Lehrerin zu werden, gegeben hatte.

c) Soweit die Klägerin die Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf das Alter der Kinder zum Zeitpunkt ihres Studienbeginns als "unverständlich" rügt, ist dem nicht weiter nachzugehen, da diese Altersangaben nicht entscheidungsrelevant geworden sind.

Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die Tätigkeit der Klägerin in der Tierarztpraxis ihres Vaters Dr. F. (Aushilfstätigkeiten in der Zeit Dezember 2001 - März 2006), da auch darauf keine für die Klägerin nachteiligen Kausalitätserwägungen gestützt worden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung; diese ist noch anwendbar, da das Rechtsmittel des Zulassungsantrages vor diesem Datum beim Verwaltungsgericht eingelegt worden ist (§ 71 Abs. 1 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).