VG Köln, Urteil vom 02.09.2014 - 2 K 307/14
Fundstelle
openJur 2014, 24320
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Unternehmen der Außenwerbung, beantragte bei der Beklagten am 10. Dezember 2013 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Mega-Light Wandanlage, hinterleuchtet, mit wechselndem, einseitigem Plakatanschlag, an der östlichen Wand des auf dem Grundstück F. Straße 0 in 00000 Köln (Gemarkung N. , Flur 00, Flurstück 000) aufstehenden Gebäudes. Die Werbeanlage soll nach den eingereichten Bauvorlagen an der östlichen Wand des Gebäudes ab einer Höhe von 2,65 m, gemessen von der Verkehrsfläche, angebracht werden und weist eine Größe von 2,85 m Höhe, 3,89 m Breite und 0,40 m Tiefe auf, mithin eine Fläche von insgesamt 11,09 m² und eine Werbeflächengröße von 8,55 m². Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des seit dem 13. April 1971 rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 0000/00 der Beklagten, der für den Anbringungsort ein Mischgebiet festsetzt.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 07. Januar 2014 ab und führte zur Begründung aus, dass die beantragte Werbeanlage gegen § 13 Abs. 2 i. V. m. § 12 Abs. 2 BauO NRW verstoße. Die geplante Anlage führe zu einer störenden Häufung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW, da vorliegend bereits mehrere Anlagen an der Stätte der Leistung bestehen würden und die beantragte Werbung wegen ihrer Größe die architektonische Gliederung und das Straßenbild störe.

Die Klägerin hat am 16. Januar 2014 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten liege jedenfalls keine störende Häufung von Werbeanlagen vor. Die B. Straße in Köln, zu deren Richtung hin die Wirkung der beantragten Werbeanlage ausgerichtet sei, sei als ein für Werbeanlagen zugänglicher Bereich bekannt. In diesem Teil der Straße seien auch noch nicht mehrere Werbeanlagen miteinander wahrnehmbar. Zudem liege auch keine architektonische Verunstaltung oder Zerklüftung des Hausgiebels durch das Hinzutreten der geplanten Anlage vor, da durch die Anbringung der Werbeanlage für den Durchschnittsbetrachter kein verletzender Zustand auftrete.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07. Januar 2014 (Az.: 00/000/0000/0000) zu verpflichten, ihr entsprechend ihrem Bauantrag vom 10. Dezember 2013 die Baugenehmigung für die Errichtung einer Mega-Light-Anlage auf dem Grundstück Gemarkung N. , Flur 00, Flurstück 000/0, F. Str. 0 in 00000 Köln, zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im angefochtenen Ablehnungsbescheid. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die auf dem Vorhabengrundstück an der östlichen Wand des Gebäudes schon vorhandene Eckwerbeanlage in den Bauvorlagen deutlich zu klein dargestellt worden sei. Darüber hinaus würden sich an der Hauswand bereits jetzt sechs Werbeanlagen befinden.

Die Örtlichkeit ist am 25. August 2014 vom Vorsitzenden und der Berichterstatterin in Augenschein genommen worden. Hinsichtlich des Ergebnisses des Ortstermins wird auf das Protokoll sowie auf die vor Ort gefertigten sieben Lichtbilder verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht kann im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 07. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO NRW -.

Die Baugenehmigung ist gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen. Vorliegend verstößt das Vorhaben gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW, wonach die störende Häufung von Werbeanlagen unzulässig ist. Bei diesem Verbot handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Unterfall des allgemeinen Verunstaltungsverbots im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 06. Februar 1992 - 11 A 2235/89 -, BRS 54 Nr. 129 und juris Rdnr. 25 m.w.N.

Bei der Anwendung des in § 13 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW statuierten Verbots der störenden Häufung ist zwischen dem Begriff der "Häufung" und demjenigen der "Störung" zu unterscheiden.

Eine Häufung im Sinne dieser Vorschrift setzt ein räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung voraus. Dabei sind Werbeanlagen jeder Art in die Betrachtung einzubeziehen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Fremd- oder Eigenwerbung, genehmigungsfreie, genehmigungspflichtige oder nur geduldete Einrichtungen handelt. Eine Häufung von Werbeanlagen liegt nur vor, wenn mehrere, mindestens aber drei Werbeanlagen in eine enge räumliche Beziehung gebracht werden. Der Begriff der Häufung erfordert, dass diese Werbeanlagen gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen und ihre optische Wirkung gleichzeitig gemeinsam ausüben. Die Werbeanlagen müssen ohne Weiteres mit einem Blick erfasst werden können. Das Straßenbild darf nicht in verschiedene Teilstrecken aus unterschiedlicher Blickrichtung gleichsam zerlegt werden,

vgl. grundlegend OVG NRW, Urteile vom 28. August 2013 - 10 A 1150/12 -, juris Rdnr.49; vom 20. Februar 2004 - 10 A 3279/02 -, BRS 67 Nr. 162 sowie juris Rdnrn. 33, 34; vom 06. Februar 2003 - 10 A 3464/01 -, juris Rdnr. 49; vom 17. April 2002 - 10 A 4188/01 -, juris Rdnr. 34 und vom 6. Februar 1992 - 11 A 2235/89 -, BRS 54 Nr. 129.

Die Störung setzt voraus, dass der für die Häufung maßgebliche örtliche Bereich im Gesichtsfeld des Betrachters derart mit Werbeanlagen überladen ist, dass das Auge keinen Ruhepunkt mehr findet und das Bedürfnis nach werbungsfreien Flächen stark hervortritt. Wann die störende Wirkung eintritt, hängt wesentlich von dem Baugebietscharakter der vorhandenen Bebauung und der tatsächlichen Nutzung des Gebiets ab. Dies belegen bereits die Regelungen des § 13 Abs. 4 BauO NRW,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2004 - 10 A 3279/02 -, a.a.O., m.w.N.

Verbietet § 13 Abs. 4 BauO NRW ein Einwirken von Fremdwerbung auf vornehmlich dem Wohnen dienende Baugebiete, so ist bei der Beurteilung, ob eine Häufung von Fremdwerbeanlagen stört, zu berücksichtigen, dass diese in Misch-, Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten grundsätzlich zulässig sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 - IV C 11/79 -, BRS 25 Nr. 127 m.w.N.

Dabei gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass bereits Verunstaltetes nicht mehr (weiter) verunstaltet werden kann,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 06. Februar 1992 - 11 A 2235/89 -, a.a.O.

Aus dem zuvor genannten Sinn und Zweck der Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW folgt weiter, dass es grundsätzlich keine Rolle spielt, ob es sich bei den bereits in der Umgebung der Anbringungsstelle befindlichen Werbeanlagen um Fremdwerbung oder Werbung an der Stätte der Leistung handelt. Diese Anlagen können als Werbeanlagen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nämlich die gleiche störende Wirkung auf die jeweilige Örtlichkeit ausüben wie Werbeanlagen für Fremdwerbung. Gerade diese störende Wirkung soll gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW jedoch verhindert werden,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. April 2002 - 10 A 4188/01 - BRS 65 Nr. 147 und juris Rdnr. 42.

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt jedenfalls mit der Errichtung der geplanten hinterleuchteten Mega-Light Wandanlage mit wechselndem, einseitigem Plakatanschlag eine störende Häufung von Werbeanlagen vor.

Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus den in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen sowie den weiteren, im Ortstermin gefertigten Fotografien, dass sich in unmittelbarer Nähe bzw. in einem relativ eng begrenzten Bereich des geplanten Anbringungsortes schon jetzt zahlreiche Werbeanlagen befinden. Im hier maßgeblichen Bereich der F. Straße 0 / Ecke B. Str. finden sich mit Blickrichtung in westlicher Richtung stadtauswärts gleichzeitig wahrnehmbar insgesamt elf Werbeanlagen. Dabei sind allein schon an der Fassade des Gebäudes und dem Eingangsbereich zum dort befindlichen Computer-Fachgeschäft sieben Werbeanlagen angebracht. Auf dem Bürgersteig links neben dem Eingang des Geschäftes ist ein beidseitig bedruckter Klapp-Werbeträger aufgestellt. Südlich vom Gebäude F. Str. 0, getrennt durch den Geh- und Fahrradweg, und im Straßenverlauf an der B. Straße gelegen, befindet sich an einem Laternenmast befestigt eine weitere Werbeanlage. Im weiteren Verlauf der B. Straße stadtauswärts ist in ca. 50 m Entfernung, auf der gleichen Straßenseite gelegen wie das Gebäude, an welchem die geplante Werbeanlage befestigt werden soll, in Blickrichtung auf die östliche Wand dieses Hauses eine Werbeanlage auf dem Grundstück einer Tankstelle zu sehen. Weiter fallen auch die drei in die Fenster des Erdgeschosses und des 1. und 2. Obergeschosses des Vorhabengebäudes F. Straße 0 entlang der B. Straße mit Folie geklebten Werbeträger in den Blick, wenn man sich auf der B. Straße in Fahrtrichtung stadtauswärts bewegt und den Blick schräg in Richtung Einmündung der F. Straße wendet.

Diese Häufung von Werbeanlagen entfaltet auch eine störende Wirkung.

Ein Betrachter, der sich von Osten auf der B. Straße stadtauswärts dem Kreuzungsbereich mit der F. Straße nähert, nimmt im Wesentlichen die Werbeanlagen wahr, die an dem Gebäude selbst vorhanden sind, an dem die beantragte Mega-Light-Anlage angebracht werden soll. Dieses Gebäude ist bereits jetzt mit Werbeanlagen nahezu "übersät" und stellt insoweit gegenüber allen anderen Gebäuden in der Umgebung eine Besonderheit dar. Die dem aus Osten sich nähernden Betrachter zugewandte östliche Seite des Hauses ist im Erdgeschoss mit sechs Werbeanlagen geradezu "zugepflastert" und im Bereich des 1. Obergeschosses fällt eine großflächige, über die südliche Hauskante hinausragende Werbeanlage in den Blick. Die einzige verbleibende werbefreie größere Wandfläche im 1. Obergeschoss, unmittelbar neben den beiden dort befindlichen Fenstern, soll nunmehr mit der Mega-Light-Anlage verdeckt werden, so dass sich die nach Osten ausgerichteten Wandteile als einzige große Werbefläche mit zahlreichen, in Größe, Gestaltung und Art nach unterschiedlichen Werbeanlagen darstellen würde. Ob durch die vorhandenen Werbeanlagen an dem Gebäude zusammen mit den oben genannten weiteren Werbeanlagen in der unmittelbaren Umgebung bereits eine störende Häufung festzustellen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls durch das Hinzutreten der geplanten Mega-Light-Anlage wird die Grenze zur störenden Häufung überschritten. Das Gebäude wird von den Werbeanlagen beinahe "erdrückt", fast nicht mehr als ein eigenständiges (Wohn-) Gebäude wahrgenommen. Zusammen mit den weiteren im Blickfeld liegenden Werbeanlagen wird das Gesichtsfeld eines Betrachters des Straßenbildes jedenfalls mit dem Hinzutreten der geplanten Mega-Light-Anlage optisch mit Werbeanlagen überladen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die geplante Werbetafel deutlich größer ist als alle am Gebäude selbst befindlichen Werbeanlagen und zudem noch einen hinterleuchteten wechselnden Plakatanschlag aufweist. Die insgesamt sehr ungeordnet wirkende Abfolge unterschiedlicher Werbeanlagen ist auch an einer Hauptverkehrsstraße, an der der Betrachter ein gewisses Maß an Werbung als situationstypisch hinnimmt, in ihrer Gesamtheit belästigend und störend. Damit liegt nach den oben dargestellten Maßstäben eine störende Häufung vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.