AG Leverkusen, Urteil vom 25.03.2014 - 20 C 259/13
Fundstelle
openJur 2014, 24251
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

1. an die Kläger 1.864,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2013 zu zahlen.

2. an die Kläger 133,05 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2013 zu zahlen

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 60% und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 40% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Den Klägern steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aufgrund des Unfallereignisses vom 11.10.2012 ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.855,05 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, §§ 249, 286 ff., 823 Abs. 1 BGB, § 115 VVG zu. Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche bestehen nicht.

Dem Grunde nach haften die Beklagten gegenüber den Klägern zu 40 %.

Bei dem Unfall handelte es sich für keine der beiden Parteien um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Steht somit die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sind jedoch zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder bewiesen sind (OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 16501).

Den Beklagten zu 1) trifft ein schuldhafter und unfallursächlicher Verkehrsverstoß.

Das Beklagtenfahrzeug beabsichtigte von einer Grundstückszufahrt auf die Straße nach links abzubiegen. Gemäß § 10 StVO hat sich ein Fahrzeug, das von einem Grundstück auf eine Straße fährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, gegebenenfalls ist eine Einweisung erforderlich. Vorliegend kommt hinzu, dass es sich bei dem Ausfahren aus einer Grundstücksausfahrt zum Zwecke des Linksabbiegens oder Rechtsabbiegens im vermeintlichen Schutz von eine Lücke freilassenden Fahrzeugen deshalb um ein besonders gefährliches Verkehrsmanöver handelt, weil der Verkehrsraum, in den das Fahrzeug hineinbewegt werden soll, für den Fahrzeugführer zunächst nicht einsehbar ist und der Ausfahrende auch mit Überholverkehr unter Mitbenutzung der Gegenfahrbahn rechnen muss (vgl. KG, NZV 1998, 376). Das Beklagtenfahrzeug hätte sich somit nach Betätigen der Fahrtrichtungsanzeiger sehr langsam durch den Durchlass in der Kolonne hindurchtasten müssen, was zentimeterweise Vorrollen bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten bedeutet (BGH, NJW 1985, 2757) und sich anschließend mit einem Blick nach rechts und nach links vergewissern müssen, ob die Fahrbahn frei ist.

Dass das Beklagtenfahrzeug nach links geblinkt hat und sich langsam durch die Lücke in der Kolonne getastet hat, haben die Zeugen H und T glaubhaft bekundet. Diesbezüglich ist dem Beklagtenfahrzeug nach Überzeugung des Gerichts kein Vorwurf zu machen. Der Beklagte zu 1) muss sich jedoch nach seinen eigenen Angaben den Vorwurf machen lassen, sich jedenfalls vor und bei Abbiegen nach links nicht vergewissert zu haben, dass sich auch aus dieser Richtung kein Fahrzeug, selbst unter Benutzung der Fahrbahn für den Gegenverkehr näherte. Er durfte sich nicht allein im Vertrauen auf die gelassene Lücke darauf verlassen, dass sich von links kein Fahrzeug näherte.

Dem gegenüberzustellen sind etwaige Verkehrsverstöße des Klägerfahrzeugs.

Der Zeuge X hat, um an der stehenden Kolonne vorbeizufahren, die durchgezogene Mittellinie überfahren. Dies hat auch zu dem Unfall beigetragen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Fahrbahnbegrenzung in Form einer durchgezogenen Linie gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 3 StVO, Zeichen 295 nicht dem Schutz des Einbiegenden dient, sondern den Zweck hat, den für den Gegenverkehr bestimmten Teil der Fahrbahn zu begrenzen. Sie gebietet, dass nur rechts von ihr gefahren werden darf und schafft auch kein Überholverbot, ordnet aber an, dass nur dann überholt werden darf, wenn der Überholer die Begrenzung nicht berühren muss (OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2000 - 13 U 80/00, BeckRS 2000, 30133781).

Das Überfahren der Mittellinie durch den Zeugen X und die Nutzung der Gegenfahrbahn war hier insbesondere deswegen gefährlich, weil sich in der Schlange der wartenden Fahrzeuge eine Lücke gebildet hatte, und zwar genau an der Stelle, an der die Fahrbahnbegrenzung gegenüber der Ausfahrt aus der das Beklagtenfahrzeug fuhr aus einer unterbrochenen Linie besteht. Diese Umstände waren Signale dafür, dass hier mit Querverkehr gerechnet werden musste (vgl. (OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2000 - 13 U 80/00, BeckRS 2000, 30133781). Deswegen war bei einem Vorbeifahren an der Fahrzeugschlange besondere Vorsicht geboten. Diese hat der Zeuge X missachtet, indem er nicht hinreichend langsam und jederzeit bremsbereit, sondern nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen H rechtzügig fuhr. Mit seiner gefährlichen Fahrweise hat der Kläger gegen die Grundregel des Straßenverkehrs verstoßen, wonach jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird, § 1 Abs. 1 StVO.

Aus den festgestellten Verkehrsverstößen ergibt sich eine Haftungsquote der beteiligten Fahrzeuge in Höhe von 60% zu 40% zum Nachteil des klägerischen Fahrzeugs.

Der Höhe nach ist der durch die Kläger mit der Hauptforderung geltend gemachte Schaden unstreitig. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Haftungsquote ergibt sich die zugesprochene Summe in Höhe von 1.864,90 €.

Der zuerkannte Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Zugleich haben die Beklagten an die Kläger Rechtsanwaltskosten als adäquate Folgeschäden im Rahmen des § 249 Abs. 1. S. 1 BGB zu zahlen. Nach der berechtigten Schadensersatzforderung in Höhe von insgesamt 1.864,90 € ist ein Betrag in Höhe von 133,05 € berechtigt, der sich zusammensetzt aus einer 1,6-fachen Geschäftsgebühr - wobei die Kläger zutreffend von einer Gebührenerhöhung wegen zwei Auftraggebern ausgehen - Nr. 2300, 1008 VV RVG in Höhe von 212,80 € abzüglich einer Anrechnung einer 0,75 Gebühr gem. Vorbem. 3 IV VV RVG in Höhe von 99,75 € zuzüglich einer Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 €.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S.1 Alt. 2, 708 Nr.11, 711 S.1 und S.2, 709 S.2 ZPO.

Streitwert: 4.662,24 €

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht L, K-Straße T2, XXXX0 L, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht L zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht L durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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