OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2014 - 16 B 1195/14
Fundstelle
openJur 2014, 24148
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. September 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.

Der Antragsteller wendet der Sache nach ein, die formellen Voraussetzungen der Vollziehungsanordnung seien nicht gegeben; die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts erfordere ein besonderes Vollziehungsinteresse, das über jene Umstände hinausgehe, die den Erlass des Verwaltungsakts selbst veranlasst hätten. Ferner sei die Entziehung der Fahrerlaubnis durch Ordnungsverfügung vom 28. August 2014 mit Rücksicht darauf, dass der Vorfall bereits am 23. Juni 2013 gewesen sei, nicht mehr dringlich gewesen; ein besonderes Vollziehungsinteresse des Bescheids sei deshalb und wegen der Wiedererlangung seiner Fahreignung ebenfalls zu verneinen. Mit diesem Vorbringen wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen, aber nicht durchgreifend infrage gestellt.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Notwendig und zugleich ausreichend ist, dass die Begründung erkennen lässt, dass und warum die Behörde dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Dies ist der Fall. Die drohende weitere Verkehrsteilnahme von Konsumenten sog. harter Drogen beinhaltet eine Gefahrenlage, in der sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst und diejenige für die sofortige Vollziehung typischerweise weitgehend decken. Daher reicht es aus, wenn sich die Behörde - wie hier - zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung auf die allgemein bekannten Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Fahrtauglichkeit bezieht, ohne dabei ausdrücklich eine Verbindung speziell zum Fall des Betroffenen herzustellen.

Auch greifen die gegen die Ordnungsverfügung geltend gemachten Einwände nicht durch. Dass der Vorfall zum Zeitpunkt des Ergehens der Entziehungsverfügung fast ein Jahr zurücklag, ist für die Rechtmäßigkeit des Bescheids ohne Bedeutung. Angesichts der von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehenden Gefahren für den Straßenverkehr ist es weiterhin dringlich, diese von der weiteren Verkehrsteilnahme fernzuhalten. Die Dringlichkeit ordnungsrechtlicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bestimmt sich nach einem objektiven Maßstab. Zeitablauf allein macht es nicht weniger dringlich, einen im Zeitpunkt des Vorfalls ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber von der weiteren Verkehrsteilnahme auszuschließen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2013 - 16 B 1333/13 -, juris, Rn. 10.

Hieraus durfte die Antragsgegnerin bei Erlass der Ordnungsverfügung also die Konsequenz ziehen, dem Antragsteller wegen der seinerzeit zutage getretenen Fahrungeeignetheit die Fahrerlaubnis zu entziehen. Diese Befugnis besteht auch dann, wenn im Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsverfügung nach den Einlassungen des Betroffenen bereits seit einem Jahr oder länger Abstinenz geübt wird.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. September 2009 ? 16 B 382/10 ?, juris, Rn. 5 ff., vom 14. November 2013 - 16 B 1199/19 -, m.w.N., sowie vom 23. Juni 2014 ? 16 B 386/14 ?; anderer Ansicht Bay. VGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2005 ? 11 CS 04.2526 ?, VRS 109 (2005), 64 = juris, Rn. 19 bis 37, und vom 4. Februar 2009 ? 11 CS 08.2591 ?, juris, Rn. 17; OVG LSA, Beschluss vom 14. Juni 2013 ? 3 M 68/13 ?, NJW 2013, = juris, Rn. 10.

Anders liegt es nur dann, wenn der Betroffene seine Kraftfahreignung im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung wiedererlangt hat. Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt indes den Nachweis voraus, dass der Betroffene keine Drogen mehr konsumiert. Ob er diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht schon mit einem Verzicht auf den Drogenkonsum nachgewiesen. Es bedarf zusätzlich des Nachweises, dass bezogen auf die Einnahme illegaler Drogen auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist und daher für die Folgezeit eine günstige Prognose getroffen werden kann. Dieser Nachweis kann grundsätzlich - und so auch hier - nur auf der Grundlage einer medizinisch- psychologischen Begutachtung erbracht werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Oktober 2006- 16 B 1538/06 -, juris, Rn. 4, vom 2. April 2012- 16 B 356/12 -, juris, Rn. 6 ff., und vom 20. März 2014 ? 16 B 264/14 -, juris, Rn. 12.

Diesen Nachweis hat der Antragsteller jedoch nicht erbracht.

Aus diesen Gründen besteht auch ein besonderes Vollziehungsinteresse für die angefochtene Entziehungsverfügung. Es bleibt bei der Regel, dass allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung trägt. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 ? 16 B 1124/13 -, juris, Rn. 9.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).