BGH, Beschluss vom 23.09.2008 - X ZR 135/04
Fundstelle
openJur 2011, 5159
  • Rkr:
Tenor

Das den gerichtlichen Sachverständigen betreffende Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Die Beklagte hat den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. P. in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2008 wegen Besorgnis der Befangenheit unmittelbar vor Beginn der Anhörung des Sachverständigen abgelehnt, nachdem sie bereits zur Sache verhandelt hatte. Zur Begründung hat sie sich auf einen Internetausdruck vom 19. September 2008 gestützt, aus dem sich ergibt, dass die S. AG, die neben der Klägerin des vorliegenden Nichtigkeitsverfahren von der Beklagten als Verletzerin des Streitpatents in Anspruch genommen wird, aber am Nichtigkeitsverfahren nicht beteiligt ist, als "Research Partner" einer Forschungsgruppe der E. aufge- führt ist, deren Vorstand der Sachverständige ist.

2. Das Ablehnungsgesuch ist nicht rechtzeitig gestellt.

a) Zwar gilt die Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden, in denen geltend gemacht wird, von dem Sachverhalt, auf den der Ablehnungsantrag gestützt wird, erst später erfahren zu haben, nicht. Gleichwohl folgt aus § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass das Ablehnungsgesuch unverzüglich und zeitnahe anzubringen ist (vgl. u. a. Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 1 (BGH 1994 - 1998) 551, 552). Auch wenn für die Parteien im Allgemeinen keine Verpflichtung besteht, selbst Erkundigungen darüber anzustellen, ob ein Ablehnungsgrund in Betracht kommt (MünchKomm-ZPO/Damrau, 2. Aufl., Rdn. 7 zu § 406), kann im Einzelfall doch Abweichendes gelten, denn konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes muss die Partei nachgehen (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., Rdn. 47 zu § 406; OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2005 - 3 W 6/05, in juris). Entsprechende Anforderungen ergeben sich auch dann, wenn der das Ablehnungsgesuch anbringenden Partei bekannt ist, dass die Gewinnung des Sachverständigen wegen der Besonderheiten des Falls außergewöhnliche Schwierigkeiten bereitet. In einem solchen Fall gebietet es die Prozessförderungspflicht der Parteien ausnahmsweise, frühzeitig zumutbare Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Ablehnungsgrund in Betracht kommt. So liegt der Fall hier, wie der Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23. Dezember 2003 (SenA 130 ff.) belegt. Die Beklagte macht hier Ausführungen zu zwei Sachverständigen und verweist auf deren Kontakte mit der Nichtigkeitsklägerin. Zudem musste die Beklagte davon ausgehen, dass sowohl bei der Nichtigkeitsklägerin als auch bei der weiteren Verletzungsbeklagten, bei denen es sich um bekannte Großunternehmen handelt, weitverzweigte Kontakte in den Hochschulbereich des In- und Auslands zu erwarten waren. Damit war aber zugleich zu erwarten, dass Ablehnungsgründe eine Vielzahl der in Betracht kommenden Sachverständigen betreffen konnten. Da die Beklagte selbst einen Sachverständigen aus der Schweiz vorgeschlagen hatte, musste sie weiter auch davon ausgehen, dass die Findung eines geeigneten Sachverständigen nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland versucht werden und sich als schwierig erweisen könnte. Unter diesen besonderen Umständen begründet es ein Verschulden im Sinn einer Obliegenheitsverletzung, wenn die Beklagte erst wenige Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung Erkundigungen darüber anstellte, ob bei dem gerichtlichen Sachverständigen Gründe vorlagen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen konnten. Dies steht der Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs entgegen.

Nicht anders verhielte es sich, wenn die Beklagte schon früher von den Tatsachen, auf die sie ihr Ablehnungsgesuch stützt, Kenntnis erlangt, diese Kenntnis aber bis in den Verhandlungstermin zurückgehalten hätte.

b) Selbst wenn man diese Umstände außer Betracht lassen wollte, spräche noch vieles für die Unzulässigkeit des Gesuchs. Auch wenn nicht verlangt werden kann, dass die Partei unmittelbar nach Kenntniserlangung von den Gründen handelt, auf die sie ihr Gesuch stützt, wird in der prozessualen Situation nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung ein rasches Handeln zu fordern sein, das der Terminsituation soweit zumutbar Rechnung trägt. Dem könnte vorliegend schon deshalb nicht genügt sein, weil die Beklagte mit der Anbringung des Gesuchs nicht nur bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, sondern auch noch nach Eintritt in die Verhandlung zur Sache geraume Zeit zugewartet hat.

Scharen Keukenschrijver Meier-Beck Asendorf Gröning Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.06.2004 - 4 Ni 8/03 (EU) -